Hausarbeit Besprechung am 7.6.2021 - Sommersemester 2021 Übung im Strafrecht für AnfängerInnen II - strafrecht-online.org

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Hausarbeit Besprechung am 7.6.2021 - Sommersemester 2021 Übung im Strafrecht für AnfängerInnen II - strafrecht-online.org
Prof. Dr. Roland Hefendehl
                                                   Dr. Fabian Stam
         Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

Hausarbeit
Besprechung am 7.6.2021

Sommersemester 2021
Übung im Strafrecht für AnfängerInnen II
Hausarbeit Besprechung am 7.6.2021 - Sommersemester 2021 Übung im Strafrecht für AnfängerInnen II - strafrecht-online.org
Prof. Dr. Roland Hefendehl
Punktespiegel                                                                                                                          Dr. Fabian Stam
                                                                                             Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

        Punkte       0     1      2     3      4      5      6      7      8     9     10      11   12    13    14    15    16    17    18

        jeweils      0     5     15     26    58     47     50     52     33     23    13      12    7     4    1     1     0     0     0

         in %        0,0   1,4   4,3    7,5   16,7   13,5   14,4   15,0   9,5    6,6   3,7    3,5   2,0   1,2   0,3   0,3   0,0   0,0   0,0

        absolut      0           46                  155                  108                  32               6                 0

         in %                    13,3                44,7                 31,1                9,2               1,7               0,0

         nb/b                    46                                                    301

      nb/b in %                  13                                                    87

       Gesamt                                                             347

     Durchschnitt:                                                        6,2

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Was lief gut und was                                                                                          Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
nicht so gut?
- Allgemeines und Methodik                                - Allgemeines und Methodik
Gutachtenstil wurde häufig beherrscht; Form der           Schwierigkeiten bei Transferleistung; korrekte Zitierweise
Hausarbeit i.d.R. ansprechend; sachliche Ausdrucksform.   häufig nicht beherrscht; teilweise „Zergliederung“ des
- Erster Tatkomplex                                       Rechtsgutachtens; falsche Schwerpunktsetzung.
Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit und dolus eventualis   - Erster Tatkomplex
gesehen mit zureichender Auseinandersetzung.              „Beleidigungsfreie Sphäre“ gesehen, aber nur
- Zweiter Tatkomplex                                      oberflächlich bearbeitet; ausführlichere Thematisierung
Alic i.d.R. zureichend bearbeitet.                        einer aberratio ictus; unzureichende Differenzierung
- Vierter Tatkomplex                                      zwischen K und C; häufig „Distanzfall“ angenommen.
§§ 229, 303 meistens vertretbar und mit guter             - Zweiter Tatkomplex
Schwerpunktsetzung bearbeitet.                            Subjektiver Tatbestand häufig verneint; häufig ETI
                                                          angenommen.
                                                          - Dritter Tatkomplex
                                                          Teilweise zu oberflächliche Bearbeitung von § 123.
                                                          - Vierter Tatkomplex
                                                          Seltener objektive Zurechnung problematisiert; zu
                                                          ausführliche Auseinandersetzung mit §§ 223 f.

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Erster Tatkomplex:                                                                                                     Dr. Fabian Stam
                                                                             Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Sachverhalt
Student S sitzt seit Monaten vor dem Bildschirm, in seiner Freizeit beim Zocken, aber auch für die Veranstaltungen an
der Uni. Ein wenig missmutig macht ihn zumindest Letzteres schon.
Während der Zoom-Strafrechtsvorlesung kommuniziert S im Zoom-Privatchat gelangweilt mit seinem Freund F, der sich
Coach Po nennt. Im Verlaufe dieses Chats bezeichnet er den Professor (P) als „Opfer“, der das Wort „Didaktik“ sicher erst
googeln müsse, wenn er überhaupt wisse, wie das gehe. Er sieht F zutreffend als einen engen Vertrauten an, dem man
alles sagen könne. Ein wenig überrascht stellt er jedoch fest, dass diese Nachricht durch eine Unachtsamkeit von ihm
nicht an Coach Po, sondern an Corinna ging. „Egal …“ summt er vor sich hin.
Dem Checker, wie sich C nennt, möchte S dann aber noch einmal im Hinblick auf seine schleimige Art ganz persönlich
über den Privatchat seine Meinung sagen: „Hilf mir weiter: Bist Du ein 31er oder ein Snitch?“ An C geht diese „Frage“
allerdings vollkommen vorüber, er war gerade mit einer Pizza-Bestellung für sich und seinen Kommilitonen K über das
Smartphone beschäftigt. K wiederum, der stets zusammen mit C die Vorlesung verfolgt, weiß zwar nicht, was ein 31er
sein soll, ist aber über die Charakterisierung als „Snitch“ wenig erfreut, auch wenn er sich nicht ganz sicher ist, ob sie
neben C auch ihm galt. S wusste darum, dass gelegentlich mehrere gemeinsam die Vorlesung verfolgten, hielt diese
Möglichkeit bei C aber, der die Vorlesung natürlich ohne eingeschaltete Kamera verfolgt, für wenig wahrscheinlich. So
einer könne gar keine Freunde haben.

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Lösungsskizze                                                                                                   Dr. Fabian Stam
                                                                      Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                                Erster Tatkomplex
                                  (Erster Handlungsabschnitt: Abgeirrte Nachricht)
     A. Strafbarkeit des S gem. § 185
     I. Objektiver Tatbestand
         „Opfer“: abwertend gemeint, zielt nicht auf herkömmliche Bedeutung → Beleidigung (+)
         „P muss das Wort Didaktik sicher erst googeln, wenn er überhaupt weiß, wie das geht“: Anzweifeln der
         didaktischen Fähigkeiten bzw. der technischen Kompetenzen → Beleidigung (+)
     II. Subjektiver Tatbestand
         Vorsatz bzgl. ehrverletzenden Gehalts der Äußerung (+)
         P*: S stellt sich vor, seine Nachricht ginge allein an seinen „engen Vertrauten“ F
         Beleidigungen Dritter innerhalb engster Vertrauensverhältnisse bleiben straflos (beleidigungsfreie
         Sphäre), Arg.: Art. 5 I 1 GG, Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG
         Wie sich Fehlvorstellung hierüber auswirkt, hängt davon ab, wie die beleidigungsfreie Sphäre rechtlich
         eingruppiert wird.

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Lösungsskizze                                                                                                   Dr. Fabian Stam
                                                                      Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                                Erster Tatkomplex
                                  (Erster Handlungsabschnitt: Abgeirrte Nachricht)
     A. Strafbarkeit des S gem. § 185
     II. Subjektiver Tatbestand
          P*: S stellt sich vor, seine Nachricht ginge allein an seinen „engen Vertrauten“ F
          M 1: keine Kundgabe bzw. teleologische Reduktion des Tatbestands (h.M.)
              Bei Fehlvorstellung demnach: Tatumstandsirrtum nach § 16 I 1
          M 2: Rechtfertigung nach § 193
              Bei Fehlvorstellung demnach: Erlaubnistatumstandsirrtum, i.E. ebenfalls § 16 I 1 (analog)
          M 3: Strafausschließungsgrund
              Bei Fehlvorstellung demnach: Irrtum unbeachtlich (Ausnahme wäre nur dann gegeben, wenn
              Strafausschließungsgrund auf notstandsähnlichem Motivationsdruck beruhte)
          Stellungnahme: Contra M3: Beleidigung in beleidigungsfreier Sphäre bliebe weiter verboten,
          Bedeutung der beleidigungsfreien Sphäre wird verkannt.
          Entscheidung zwischen M1 und M2 kann offen bleiben.
     III. Ergebnis: § 185 (-)

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Lösungsskizze                                                                                                 Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                              Erster Tatkomplex
                                (Erster Handlungsabschnitt: Abgeirrte Nachricht)
     B. Strafbarkeit des S gem. § 186
     Hinweis: Dieser Tatbestand kann auch vor § 185 geprüft werden.
     Objektiver Tatbestand
        „Opfer“ bzw. Anzweifeln der didaktischen Fähigkeiten: Tatsache (-)
        „P weiß nicht, wie googeln funktioniert“: Abgrenzung Werturteil und Tatsache nach Schwerpunkt der
        Äußerung. Hier geht es S ersichtlich um eine Wertung, Tatsache (-)
     Ergebnis: § 186 (-)

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                              Erster Tatkomplex
                                   (Zweiter Handlungsabschnitt: Der Checker)
     A. Strafbarkeit des S gem. § 185 zulasten des C
     I. Tatbestand
        1. Objektiver Tatbestand
            „31er“ und „Snitch“  Verräter → Beleidigung (+)
            P*: Kundgabeerfolg notwendig?
            unstreitig nötig: Äußerung muss von einem anderen zur Kenntnis genommen werden, hier: K nimmt
            Nachricht zur Kenntnis.
            h.M.: Anderer muss ehrverletzenden Sinn der Äußerung erfassen.
                Demnach: bzgl. „31er“ (-), bzgl. „Snitch“ (+), K bezieht diese Äußerung jedenfalls auf C.
            a.A.: Keine über Kenntnisnahme hinausgehenden Anforderungen nötig.
                Demnach: bzgl. „31er“ und „Snitch“ (+)
            Stellungnahme: Pro a.A.: umfassender Beleidigungsschutz auch von Kindern oder geistig Kranken;
            Contra a.A.: Verstehen diese Personengruppen nicht den ehrverletzenden Gehalt, ist der
            Geltungsanspruch des anvisierten Opfers gar nicht verletzt.
            Daher nur bzgl. „Snitch“ (+)
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Lösungsskizze                                                                                                   Dr. Fabian Stam
                                                                      Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                                Erster Tatkomplex
                                     (Zweiter Handlungsabschnitt: Der Checker)
     A. Strafbarkeit des S gem. § 185 zulasten des C
     I. Tatbestand
          2. Subjektiver Tatbestand
             P**: S stellt sich vor, seine Nachricht werde nur von C gelesen
             Irrtum über die Person des die Beleidigung Wahrnehmenden (= Irrtum bei Distanzfall)
             Aberratio ictus? Contra: Kundgabe erreicht denjenigen, den S treffen wollte, nämlich den C.
             Error in persona? Kundgabe trifft C „über Bande“, nämlich über den K.
                 → unbeachtlich für den Vorsatz.
             Irrtum über Kausalverlauf? Nur vorsatzausschließend, wenn wesentliche Umstände betroffen.
                 Nicht zu erwarten, dass Nachrichten im privaten Zoom-Chat beim Adressaten von jeglichen
                 Blicken anderer abgeschirmt sind. S wusste, dass gelegentlich mehrere die Vorlesung verfolgen.
                 Daher (-)
     II. Rechtswidrigkeit/Schuld (+)
     III. Ergebnis: § 185 (+)

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Lösungsskizze                                                                                                    Dr. Fabian Stam
                                                                       Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                               Erster Tatkomplex
                                   (Zweiter Handlungsabschnitt: Der Checker)
  B. Strafbarkeit des S gem. § 185 zulasten des K
  I. Objektiver Tatbestand
      K ist über Bezeichnung als „Snitch“ „wenig erfreut“, bezieht diese Äußerung also – neben C – auch auf
      sich selbst.
  II. Subjektiver Tatbestand
      Beschimpft der Täter einen anderen als den eigentlich Gewollten, wird darin ein unbeachtlicher error in
      persona gesehen.
      Daraus lässt sich aber nicht unmittelbar der Vorsatz im Hinblick auf den K herleiten. Denn K bezieht die
      Äußerung des S bereits auf C. Damit ist aber der Vorsatz des S insoweit „aufgebraucht“, ihm kann nicht
      über die Grundsätze des error in persona eine zweite vorsätzliche Verletzung angelastet werden.

      aber: Hat S auch Vorsatz hinsichtlich K als Beleidigungsopfer?

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Lösungsskizze                                                                                                  Dr. Fabian Stam
                                                                     Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                              Erster Tatkomplex
                                   (Zweiter Handlungsabschnitt: Der Checker)
  B. Strafbarkeit des S gem. § 185 zulasten des K
  II. Subjektiver Tatbestand
      P**: Voraussetzungen des dolus eventualis
      Möglichkeitstheorie: Täter muss konkrete Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkannt haben.
           Vorsatz (+), S hält es nicht für ganz ausgeschlossen, dass C die Vorlesung mit einem
           anderen verfolgt, hält es also auch für möglich, dass ein anderer seine Nachricht lesen könnte.
      Wahrscheinlichkeitstheorie: Täter muss Tatbestandsverwirklichung für wahrscheinlich halten.
           Vorsatz (-), S hält es für wenig wahrscheinlich, dass C die Vorlesung mit einem anderen verfolgt.
      Billigungstheorie: Täter muss Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkannt und billigend in Kauf
           genommen haben.
           Vorsatz (-), S stützt seine Überlegung, warum C nicht mit einem anderen zusammen die
           Vorlesung verfolgt, auf konkrete Erwägungen („So einer könne gar keine Freunde haben.“). Er
           vertraut darauf, dass seine Nachricht nur von C gelesen wird.

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Lösungsskizze                                                                                                 Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                             Erster Tatkomplex
                                  (Zweiter Handlungsabschnitt: Der Checker)
  B. Strafbarkeit des S gem. § 185 zulasten des K
  II. Subjektiver Tatbestand
       P**: Voraussetzungen des dolus eventualis
       Gleichgültigkeitstheorie: Täter muss Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkannt haben und aus
           Gleichgültigkeit dennoch handeln.
           Vorsatz (-), konkrete Überlegungen des S (s.o.) sprechen gegen Gleichgültigkeit.
       Stellungnahme: Contra Möglichkeitstheorie: blendet Willenskomponente aus und weitet Vorsatz
           dadurch zu stark aus.
           Daher mit einer der anderen Theorien Vorsatz (-)
  III. Ergebnis: § 185 (-)

  C. Strafbarkeit des S gem. § 186 zulasten des C
  (-), denn „Snitch“ ist im verwendeten Kontext nicht als Tatsachenbehauptung zu interpretieren.

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Zweiter Tatkomplex:                                                                                                     Dr. Fabian Stam
                                                                              Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Sachverhalt
Für die abendliche Vorlesung hat sich S etwas anderes vorgenommen. Er will das Schuldstrafrecht einer
Bewährungsprobe unterziehen und sich bis 18 Uhr c.t. so volllaufen lassen, dass er mit Sicherheit den Zustand der
Schuldunfähigkeit erreicht haben wird. Dann würden ihm die Beleidigungen auch besser von der Seele gehen. So
geschieht es: Die Vorräte an Alkoholika sind in der WG glücklicherweise reichlich vorhanden. Dass er sich dabei auch den
Gin unter den Nagel reißt, der im Küchenschrank-Fach seines gerade abwesenden Mitbewohners M steht und mit einem
etwas bedrohlichen Zettel „Kein WG-Eigentum“ versehen ist, schert ihn dabei nicht besonders. „M ist sicher damit
einverstanden“, denkt sich S. Zumindest dann, wenn er den Gin einfach in den nächsten Tagen nachkaufe, sei M im
Ergebnis ja nicht geschädigt. Am Abend hat S tatsächlich einen Promille-Gehalt erreicht, bei dem ihm eine
Sachverständige ohne jedes Zögern die Schuldunfähigkeit attestieren würde. Um sicherzugehen, dass seine Botschaft die
Dozentin (D) der abendlichen Vorlesung erreicht, meldet sich S in der Vorlesung. Er beantwortet allerdings nicht etwa die
von ihr gestellte Frage, sondern lässt ein paar Beleidigungen los, die den Tatbestand des § 185 StGB erfüllen. D gelingt es
nach der ersten Salve, den S dauerhaft stummzuschalten.

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Lösungsskizze                                                                                                        Dr. Fabian Stam
                                                                           Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                                 Zweiter Tatkomplex
                                         (Erster Handlungsabschnitt: Der Gin)
  A. Strafbarkeit des S gem. § 242 I („unter den Nagel reißen“ des Gins)
  I. Tatbestand
     1. Objektiver Tatbestand (+)
         V.a. kein Einverständnis durch „Auge zudrücken“, da es bei Beginn der Tat vorliegen müsste.
     2. Subjektiver Tatbestand (+)
         Hinweis: Wer annimmt, S gehe irrtümlich davon, dass M mit der Gewahrsamsübertragung einverstanden ist,
         muss hier einen Tatumstandsirrtum gem. § 16 I 1 annehmen. Lebensnäher wird man die Überlegungen von S
         jedoch nicht in diesem Sinne auszulegen haben. Hierfür spricht zum einen der eindeutig beschriftete Zettel „Kein
         WG-Eigentum“. Zum anderen macht sich S über einen Nachkauf Gedanken. Dass er also den Gewahrsamsverlust
         substituieren möchte, spricht gegen seine (vermeintliche) Vorstellung, M sei hiermit einverstanden.
  II. Rechtswidrigkeit
      1. P*: Mutmaßliche Einwilligung? (-), erstens hätte Rückkehr des M abgewartet oder telefonisch
         kontaktiert werden können; zweitens: Ermittelt man die mutmaßliche Antwort von M, ist zu
         berücksichtigen, ob er sich vorher mit der Tatsituation auseinandergesetzt hat – hier: (+), da
         unmissverständlicher Zettel.
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Lösungsskizze                                                                                                 Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                            Zweiter Tatkomplex
                                     (Erster Handlungsabschnitt: Der Gin)
  A. Strafbarkeit des S gem. § 242 I („unter den Nagel reißen“ des Gins)
  II. Rechtswidrigkeit
       2. Hypothetische Einwilligung? (-), da Zettel auf der Gin-Flasche auf der einen Seite und Ms späterer
          Wunsch, die Gin-Flasche ersetzt zu bekommen, auf der anderen Seite dagegen sprechen, dass M
          eingewilligt hätte, wenn S ihn gefragt hätte.
       3. ETI? (-), denn S stellte sich nicht Umstände vor, bei denen ein entsprechender Diebstahl
          gerechtfertigt gewesen wäre; vielmehr dehnt er vorliegend die mutmaßliche Einwilligung auf einen
          Sachverhalt aus, bei dem sie gar nicht eingreift. Es handelt sich hierbei um einen Fall des
          Erlaubnisgrenzirrtums.
  III. Schuld – Erlaubnisgrenzirrtum (§ 17)? Hier: vermeidbar, daher Schuld (+)
  IV. Ergebnis: § 242 I (+)

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                            Zweiter Tatkomplex
                                     (Erster Handlungsabschnitt: Der Gin)
  B. Strafbarkeit des S gem. 303 I (durch Austrinken der Flasche)
  Bestimmungsgemäßer Verbrauch einer Sache eine Sachbeschädigung? Falls (+), tritt sie im Wege der
  mitbestraften Nachtat zurück, wenn – wie hier mit § 242 I (s.o.) – zum Zwecke des Verbrauchs ein anderes
  Vermögensdelikt zu bejahen ist.

  [C. Strafbarkeit des M gem. § 240 I (fernliegend)
  Im Ergebnis keine Verwerflichkeit gegeben.]

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                            Zweiter Tatkomplex
                                   (Zweiter Handlungsabschnitt: Vorlesung)
  A. Strafbarkeit des S gem. § 185 (durch Beleidigung in der Vorlesung)
  I. Tatbestand und Rechtswidrigkeit (+)
  II. Schuld
      1. Schuldfähigkeit (-)
      2. P***: Schuldhaftes Handeln nach den Grundsätzen der vorsätzlichen actio libera in causa (alic)?
         a) Voraussetzungen – Doppelvorsatz (+)
         b) Rechtliche Zulässigkeit (Begründungsmodelle)
             (Schuld-)Ausnahmemodell: gewohnheitsrechtl. anerkannte Ausnahme vom Koinzidenzprinzip.
             Ausdehnungsmodell: Begriff „der Tat“ des § 20 nicht im Sinne der durch Versuch und Vollendung
             gezogenen Grenzen zu verstehen, sondern in einem weiten Sinne, sodass auch schuldhaftes
             Vorverhalten (d.h. das Berauschen) einbezogen sei.
             Stellungnahme: Contra (Schuld-)Ausnahmemodell → Art. 103 II GG; Contra Ausdehnungsmodell
             → unterschiedliche Tatverständnisse in §§ 20, 16, 17 nicht einleuchtend, ferner definiert auch
             § 8 S. 1 den Zeitpunkt, zu dem eine Tat im Sinne von § 20 begangen wird; daher (-)

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Lösungsskizze                                                                                                   Dr. Fabian Stam
                                                                      Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                             Zweiter Tatkomplex
                                    (Zweiter Handlungsabschnitt: Vorlesung)
  A. Strafbarkeit des S gem. § 185 (durch Beleidigung in der Vorlesung)
  III. Ergebnis: § 185 (durch Beleidigung in der Vorlesung) (-)

  B. Strafbarkeit des S gem. § 185 i.V.m. vorsätzlicher alic durch Sich-Berauschen
  I. Tatbestand
  Berauschen war zwar kausal für die spätere Kundgabe, aber womöglich bloße (straflose)
  Vorbereitungshandlung?
  Über Tatbestandsmodell (§ 185 = Erfolgsdelikt) (-), da bereits das Sichberauschen im Zustand der
  Schuldfähigkeit Teil des Tatbestands und damit auch Teil der Tatbegehung ist.
  Contra: Strafbarkeit zu weit vorverlagert, da Berauschen bloße Vorbereitungshandlung – aber: Annahme
  nicht zwingend, da Täter der alic ähnlich wie ein mittelbarer Täter handelt, indem er sich selbst als Werk-
  zeug zur Tatbegehung ausnutzt. Wenn man dem Tatbestandsmodell folgt, dann weiter zu prüfen:
  II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
  III. Ergebnis: § 185 i.V.m. vorsätzlicher alic durch Sich-Berauschen (+)

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                           Zweiter Tatkomplex
                                  (Zweiter Handlungsabschnitt: Vorlesung)
  C. Strafbarkeit des S gem. § 323a I
  Die Rauschtat durch S (Beleidigung in der Vorlesung) kann über die alic bestraft werden. Damit liegt die
  objektive Strafbarkeitsbedingung nach hier vertretener Lösung nicht vor. Jedenfalls tritt § 323a I hinter
  § 185 i.V.m. vorsätzlicher alic durch Sich-Berauschen als subsidiär zurück.

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Dritter Tatkomplex:                                                                                                    Dr. Fabian Stam
                                                                             Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Sachverhalt
S fällt nach dieser Anstrengung in einen tiefen Schlaf, aus dem er am nächsten Morgen unsanft von M gerissen wird:
Auch er studiert Jura und verweist missmutig darauf, für ihn sei das ein Diebstahl an seinem Gin gewesen, er werde aber
ein Auge zudrücken, wenn der Gin in einer halben Stunde ersetzt sei. S möchte sich in seinem Zustand auf keine
juristische Diskussion einlassen und macht sich auf den Weg zu Norma. Als auch M zum Joggen aufgebrochen ist, betritt
die Vermieterin (V) flugs mit einem Zweitschlüssel die Wohnung, um einmal nach dem Zustand ihrer Immobilie zu
schauen. Ganz zufrieden ist V mit dem Bad zwar nicht, möchte aber deswegen ausnahmsweise keinen Streit vom Zaun
brechen. Sie belässt es daher bei einem freundlichen Zettel, doch bitte auch einmal in den Ecken nass durchzuwischen. V
fühlt sich zu diesem Verhalten legitimiert, weil ja Eigentum verpflichte und nicht verlottern dürfe. Außerdem hatte sie in
den Mietvertrag eine Klausel eingebaut, wonach die Vermieterin „zur Überprüfung des Wohnungszustandes“ die
Mietsache auch ohne Absprache betreten dürfe, und war sich dabei sicher, dass sich junge Menschen einen
mehrseitigen Mietvertrag nie und nimmer durchlesen würden. Falls sie es wider Erwarten doch täten, hätten sie
angesichts des engen Wohnungsmarkts eh keine Alternative, als alles zähneknirschend zu akzeptieren. M und S hatten
vor dem Unterschreiben des Mietvertrages tatsächlich die Klausel souverän keines Blickes gewürdigt.

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                            Dritter Tatkomplex

  Strafbarkeit der V gem. § 123 I Var. 1
  I. Tatbestand
      1. Objektiver Tatbestand
         P*: Einverständnis von M und S? (-), da Einverständnis rein tatsächlichen Charakter hat und M und S
         die Klausel nicht gelesen haben. Folglich konnte kein Einverständnis gebildet werden.
      2. Subjektiver Tatbestand
         V also geht davon aus, dass M und S nicht einverstanden sein können,
         weil sie die Mietvertragsklausel gar nicht gelesen haben. Selbst wenn sie die Klausel gelesen haben
         und sich formal durch das Eingehen des Mietvertrags „einverstanden“ zeigen, sind sie es nach
         zutreffender Vorstellung von V faktisch – und hierauf kommt es an – nicht.
         Daher hatte V einen entsprechenden Vorsatz, gegen den Willen von M und S zu handeln.

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Lösungsskizze                                                                                               Dr. Fabian Stam
                                                                  Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                           Dritter Tatkomplex

  Strafbarkeit der V gem. § 123 I Var. 1
  II. Rechtswidrigkeit
       1. §§ 32, 34 (-)
       2. Art. 14 GG (-)
       3. Privatrechtlicher Rechtfertigungsgrund? (-), da V hierzu kein Recht hatte und Klausel zudem
          unwirksam war.
  III. ETI? (-), denn V irrt nicht über die sachlichen Voraussetzungen eines anerkannten
  Rechtfertigungsgrundes. Die Betretungs-Klausel ist unwirksam und daher schon als Rechtfertigungsgrund
  nicht anerkannt (s.o.).
  IV. Schuld - § 17? Hier: vermeidbar, daher Schuld (+)
  V. Ergebnis: § 123 I Var. 1 (+)

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Vierter Tatkomplex:                                                                                                  Dr. Fabian Stam
                                                                           Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg
Sachverhalt
Beide sind sich in ihrer Empörung über den Zettel einig. Sie müssen erst mal raus, Dampf ablassen. Ob es ein Wink des
Schicksals war? Jedenfalls kommen sie zufällig an der Villa von V vorbei und sehen deren SUV. In ihrer schlechten Laune
kleben sie einen Sticker „Smash Capitalism“ auf die Spiegelfläche des rechten Außenspiegels, der nur mit etwas Geduld
entfernt werden kann. V braust am nächsten Morgen hektisch los, nachdem sie erbost diese „Sachbeschädigung“ zur
Kenntnis genommen hat. Und schon passiert es: Beim Rechtsabbiegen übersieht sie zu ihrem Schrecken eine auf dem
Radweg neben der Straße fahrende Radfahrerin und verletzt sie. Bei einer freien Spiegelfläche ihres Außenspiegels hätte
sie diese rechtzeitig erkannt und den Unfall vermeiden können.

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Lösungsskizze                                                                                                 Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                             Vierter Tatkomplex

  A. Strafbarkeit der V gem. § 229 (+)
  [Ein Vorsatzdelikt kommt nicht in Betracht.]

  B. Strafbarkeit von M und S gem. § 303 I Var. 1
  P*: Beschädigung? Wohl kein Eingriff in die Sachsubstanz (Spiegelfläche); dafür, dass Wiederherstellung des
  früheren Zustandes zwangsläufig zu einer (nicht unerheblichen) Beschädigung des Spiegels führt bzw.
  führen würde, bestehen keine Anhaltspunkte.
  Brauchbarkeitsminderung? Der Außenspiegel kann durch Aufkleber technisch nicht genutzt werden, daher
  wohl (+); Erheblichkeitsschwelle überschritten?
  Einwirkungen sind unerheblich, wenn ihre Beseitigung keinen nennenswerten Aufwand an Mühe, Zeit oder
  Kosten erfordert. Hier: Lediglich „etwas Geduld“ erforderlich, daher Erheblichkeitsschwelle nicht
  überschritten.
  Daher im Ergebnis § 303 I Var. 1, II (-) (a.A. vertretbar)

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Lösungsskizze                                                                                                Dr. Fabian Stam
                                                                   Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                            Vierter Tatkomplex

  C. Strafbarkeit von M und S gem. § 229
  P*: Körperverletzungserfolg objektiv zurechenbar? M und S setzen durch Überkleben des Außenspiegels
  zwar Risiko dafür, dass er bei einer Fahrt nicht genutzt werden kann. Dieses Risiko wird aber vollständig
  durch die bewusste und vollverantwortlich getroffene Entscheidung von V überlagert, den Aufkleber nicht
  zu entfernen, ja es noch nicht einmal zu versuchen, und die Fahrt mit entsprechend eingeschränkter Sicht
  anzutreten. Daher objektive Zurechnung (-)

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Lösungsskizze                                                                                                 Dr. Fabian Stam
                                                                    Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg

                                       Gesamtergebnis und Konkurrenzen

  Im ersten Tatkomplex hat sich S gem. § 185, im zweiten Tatkomplex gem. § 242 I (erster
  Handlungsabschnitt) und gem. § 185 i.V.m. vorsätzliche alic (zweiter Handlungsabschnitt) strafbar gemacht.
  Diese Taten stehen in Realkonkurrenz zueinander.

  V hat sich im dritten Tatkomplex gem. § 123 I Var. 1 und im vierten Tatkomplex gem. § 229 strafbar
  gemacht. Diese Taten stehen in Realkonkurrenz zueinander.

  M hat sich nicht strafbar gemacht.

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