STRAFRECHT - BESONDERER TEIL I - FREIHEITSDELIKTE (ART. 180-185 STGB) PROF. DR. IUR. GUNHILD GODENZI, LL.M., RA LEHRSTUHL FÜR STRAF- UND ...
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Rechtswissenschaftliche Fakultät Strafrecht – Besonderer Teil I Freiheitsdelikte (Art. 180-185 StGB) Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi, LL.M., RA Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht DONATSCH, § 50-55; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, § 5
Rechtswissenschaftliche Fakultät Aufbau der Vorlesung BT I Tötungsdelikte (Art. 111-115, 117 StGB) Körperverletzungsdelikte (Art. 122, 123, 125, 126 StGB) Gefährdungsdelikte (Art. 127-129, 133, 134, 136 StGB) Ehrverletzungsdelikte (Art. 173-177 StGB) Freiheitsdelikte (Art. 180, 181, 183-185 StGB; Hinweis: Art. 181a [Zwangsheirat], 182 [Menschenhandel] und 185bis StGB [Verschwindenlassen] werden in der Vorlesung nicht näher behandelt.) Hausfriedensbruch, Art. 186 StGB Sexualdelikte (Art. 187-193, 197, 200 StGB) Art. 260bis StGB (Strafbare Vorbereitungshandlungen) Art. 263 StGB (Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 2
Rechtswissenschaftliche Fakultät Systematik der Freiheitsdelikte Art. 140 Ziff. 2-4 Art. 189 Abs. 3 Qualifikation nach Art. 184 Art. 156 Ziff. 2-4 Art. 190 Abs. 3 Menschen- Sexuelle handel Freiheits- Entführung (Art. 182) Raub Nötigung (Art. 140 Ziff. 1) (Art. 189) beraubung (Art. 183 Ziff. 1 Erpressung Vergewaltigung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2) Geiselnahme Abs. 1) (Art. 185) (Art. 156 Ziff. 1) (Art. 190) Art. 285 (Beamtennötigung), Drohung Nötigung (Art. 181) (Art. 180) Art. 311 (Meuterei von Zwangsheirat Gefangenen) u.a. (Art. 181a) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 3
Rechtswissenschaftliche Fakultät Einstiegsfall: Drängeln im Gotthardtunnel Manager M, Sportwagenfahrer, hat es wieder mal eilig. Im Gotthardtunnel fährt er mehrmals auf einen vor ihm mit korrekter Geschwindigkeit fahrenden Smart-Fahrer S auf und fordert diesen mit optischen und akustischen Warnsignalen dazu auf, schneller zu fahren. S hat im Tunnel keine Ausweichmöglichkeit und erhöht daher seine Geschwindigkeit auf übersetzte 130 km/h. (vgl. SJZ 86 (1990) 329) Nötigung? FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 4
Rechtswissenschaftliche Fakultät Nötigung (Art. 181 StGB) Art. 181 StGB: Nötigung I. Tatbestand Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder 1. Objektiver Tatbestand durch andere Beschränkung seiner Gewaltanwendung Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu oder unterlassen oder zu dulden, wird mit Androhung ernstlicher Nachteile Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder oder Geldstrafe bestraft. andere Beschränkung der Handlungsfreiheit (Generalklausel) das Opfer wird dadurch veranlasst «etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden» (Nötigungserfolg) (= jedes kausal auf die Tathandlung rückführbare Verhalten des Opfers) 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen Spezifische Unrechtmässigkeit der Nötigung III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 5
Rechtswissenschaftliche Fakultät «Gewalt» 1. Ansicht (frühere Lehre): (zu) enge Auslegung = die unter Einsatz körperlicher Kraft vollzogene physische Einwirkung auf einen anderen 2. Ansicht (Ausland): (zu) weite Auslegung = jede Zwangswirkung physischer oder auch ? rein psychischer Art (= sog. vergeistigter Gewaltbegriff) 3. Ansicht (h.M.): physische Einwirkung auf den Körper eines anderen (unter Einbeziehung chemisch oder physikalisch wirkender Mittel), = Eingriff, der über die Physis wirkt und nicht bloss über die Psyche FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 6
Rechtswissenschaftliche Fakultät «Gewalt» Problembereiche: Mindestmass der körperlichen Wirkung? Einbeziehung von physischer Einwirkung auf Sachen und/oder Dritte? FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 7
Rechtswissenschaftliche Fakultät «Androhung ernstlicher Nachteile» Androhung = Täter stellt dem Opfer ausdrücklich oder konkludent ein Übel in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig hinstellt (= Abgrenzung zur blossen Warnung; BGE 106 IV 128) Beachte: Es kommt auf die Sicht des Opfers an; unbeachtlich ist, ob der Täter die Drohung wahrmachen will und/oder wahrmachen kann ernstliche Nachteile = «wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und - betätigung zu beschränken» (BGE 122 IV 325) Beachte: Das Mass der Objektivierung bzw. einer Individualisierung ist umstritten FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 8
Rechtswissenschaftliche Fakultät Beispiele für die Androhung ernstlicher Nachteile Bekanntgabe ehewidriger Beziehungen des Opfers (BGE 81 IV 106) Androhung einer Strafverfolgung (BGE 120 IV 19) Androhung, den Fall dem «Kassensturz» zuzuspielen (BGE 106 IV 126) Nichtabschluss eines Vertrages: B. drohte Architekt, der im Hinblick auf einen geplanten Auftrag bereits erhebliche Aufwendungen getätigt hatte, den Vertrag nicht abzuschliessen, wenn er nicht eine Provision von Androhung Fr. 10 000.– erhalte (BGE 105 IV 122) einer Zurückbehalten von Prozessakten kurz vor Ablauf einer Frist (BGE 122 IV Unterlassung 322) Nichtrückgabe von Wärmepumpen kurz vor Beginn der Heizperiode (BGE 115 IV 211) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 9
Rechtswissenschaftliche Fakultät «andere Beschränkung der Handlungsfreiheit» Art. 156 E-StGB/1918 Generalklausel Wer jemanden durch Gewalt oder problematisch im Hinblick auf Art. 1 StGB, daher schwere Drohung, oder nachdem er ihn restriktiv auszulegen: auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, … Die Einwirkung muss «das üblicherweise geduldete Klausel zielte ab auf: Hypnose, Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig Betäubung überschreiten, wie es für die vom Gesetz Art. 1 - Keine Sanktion ohne Gesetz ausdrücklich genannte Gewalt und die Androhung Eine Strafe oder Massnahme darf nur ernstlicher Nachteile gilt» (BGE 129 IV 264) wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe Beispiele: Stalking (BGE 129 IV 262), Blockaden stellt. (BGE 119 IV 305; 129 IV 11; 134 IV 220), Anhalten auf der Autobahn (OGer SO RS 1991 Nr. 26), überlaute Musik (OGer ZH SJZ 1985, 26) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 10
Rechtswissenschaftliche Fakultät Taterfolg Das Opfer wird durch Gewalt, Androhung ernstlicher Nachteile oder andere Nötigungsmittel Beschränkung der Handlungsfähigkeit veranlasst «etwas zu tun, zu unterlassen Täter Opfer oder zu dulden» (Nötigender) (Genötigte) = jedes kausal auf die Tathandlung rückführbare Verhalten des Opfers Tun schneller fahren Dulden Unterlassen Nicht-Halten Blutabnahme zur einer Feststellung geplanten Fahrunfähigkeit Ansprache FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 11
Rechtswissenschaftliche Fakultät Nochmal: Drängeln im Gotthardtunnel Manager M, Sportwagenfahrer, hat es wieder mal eilig. Im Gotthardtunnel fährt er mehrmals auf einen vor ihm mit korrekter Geschwindigkeit fahrenden Smart-Fahrer S auf und fordert diesen mit optischen und akustischen Warnsignalen dazu auf, schneller zu fahren. S hat im Tunnel keine Ausweichmöglichkeit und erhöht daher seine Geschwindigkeit auf übersetzte 130 km/h. (vgl. SJZ 86 (1990) 329) Nötigung? FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 12
Rechtswissenschaftliche Fakultät Prüfung der Rechtswidrigkeit der Nötigung 1. Schritt: (–), wenn das Verhalten des Täters durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist 2. Schritt: (–), wenn es sich nicht um eine verwerfliche Nötigung handelt (dies ist im Gutachten im Einzelnen darzulegen!) BGer-Formel: «Wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist.» (BGE 129 IV 264) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 13
Rechtswissenschaftliche Fakultät Übersicht Rechtswidrigkeit der Nötigung Zweck ist nicht erlaubt Zweck ist erlaubt Mittel ist nicht Verhalten ist stets als in der Regel rechtswidrig (1) erlaubt rechtswidrig einzustufen Mittel ist erlaubt in der Regel rechtswidrig (2) nur ausnahmsweise rechtswidrig (3) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 14
Rechtswissenschaftliche Fakultät Übersicht Rechtswidrigkeit der Nötigung Bemerkungen: (1) Mittel nicht erlaubt + Zweck erlaubt: Die Unzulässigkeit des Mittels kann im Ausnahmefall durch den verfolgten Zweck «geheilt» werden. (2) Mittel erlaubt + Zweck nicht erlaubt: Die Verwendung eines für sich gesehen zulässigen Mittels ist dann nicht als rechtswidrig einzustufen, wenn der Täter (der einen nicht erlaubten Zweck verfolgt) einen vorrangigen Anspruch darauf hat, die Handlung vorzunehmen (in diesen Fällen wird aber meist bereits ein Rechtfertigungsgrund eingreifen). (3) Mittel erlaubt + Zweck erlaubt: Rechtswidrigkeit ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn Mittel und Zweck zwar je für sich gesehen nicht zu beanstanden sind, wohl aber die Verknüpfung von Zweck und Mittel unverhältnismässig, rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 15
Rechtswissenschaftliche Fakultät Fallbeispiel: Ertappt Art. 181 StGB A begibt sich zu seinem Fahrrad, um nach Hause zu I. Tatbestand fahren. Als er noch wenige Meter davon entfernt ist, 1. Objektiver Tatbestand Gewaltanwendung sieht er, wie T das Sicherheitsschloss aufbricht und oder eben im Begriff ist, sich mit dem Fahrrad davon zu Androhung ernstlicher Nachteile oder machen. A bekommt T am Ellbogen zu fassen, sodass andere Beschränkung der Handlungsfreiheit dieser nicht wegfahren kann. A sagt zu T: «Wenn Du (Generalklausel) das Fahrrad nicht sofort zurückgibst, werde ich dich das Opfer wird dadurch veranlasst «etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden» bei der Polizei wegen Diebstahls anzeigen.» (Nötigungserfolg) Strafbarkeit von A? (= jedes kausal auf die Tathandlung rückführbare Verhalten des Opfers) Abwandlung: A sieht T wegfahren. Er bekommt seine 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit Rufnummer heraus und verlangt am nächsten Tag Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen telefonisch die Rückgabe, andernfalls erfolge eine Spezifische Unrechtmässigkeit der Nötigung Anzeige. III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 16
Rechtswissenschaftliche Fakultät Fallbeispiel: Montagsauto Hinweise zur Rechtswidrigkeit der Nötigung: (1) Mittel nicht erlaubt + Zweck erlaubt: Die A hat bei X einen gebrauchten Sportwagen Unzulässigkeit des Mittels kann im Ausnahmefall erworben. Als dieser nach kurzer Zeit mit einem durch den verfolgten Zweck «geheilt» werden. Motorschaden liegen bleibt, ruft A bei X an und (2) Mittel erlaubt + Zweck nicht erlaubt: Die stellt diesen vor die Wahl: Entweder er erhalte im Verwendung eines für sich gesehen zulässigen Austausch gegen den Wagen sein Geld zurück Mittels ist dann nicht als rechtswidrig einzustufen, wenn der Täter (der einen nicht erlaubten Zweck oder er werde den X wegen Betruges anzeigen. verfolgt) einen vorrangigen Anspruch darauf hat, die Handlung vorzunehmen (in diesen Fällen wird aber meist bereits ein Rechtfertigungsgrund eingreifen). (3) Mittel erlaubt + Zweck erlaubt: Rechtswidrigkeit ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn Mittel und Zweck zwar je für sich gesehen nicht zu beanstanden sind, wohl aber die Verknüpfung von Zweck und Mittel unverhältnismässig, rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 17
Rechtswissenschaftliche Fakultät Hinweise zur Rechtswidrigkeit der Nötigung: Fallbeispiel: Montagsauto (Abw.) (1) Mittel nicht erlaubt + Zweck erlaubt: Die A droht damit, sich an eine Zeitung oder Unzulässigkeit des Mittels kann im Ausnahmefall durch den verfolgten Zweck «geheilt» werden. an das Fernsehen zu wenden und dort (2) Mittel erlaubt + Zweck nicht erlaubt: Die über die Machenschaften des X zu Verwendung eines für sich gesehen zulässigen berichten. Mittels ist dann nicht als rechtswidrig einzustufen, wenn der Täter (der einen nicht erlaubten Zweck verfolgt) einen vorrangigen Anspruch darauf hat, die Handlung vorzunehmen (in diesen Fällen wird aber meist bereits ein Rechtfertigungsgrund eingreifen). (3) Mittel erlaubt + Zweck erlaubt: Rechtswidrigkeit ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn Mittel und Zweck zwar je für sich gesehen nicht zu beanstanden sind, wohl aber die Verknüpfung von (vgl. BGE 106 IV 126) Zweck und Mittel unverhältnismässig, rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 18
Rechtswissenschaftliche Fakultät Fallbeispiel: Sitzblockade Art. 181 StGB I. Tatbestand A beteiligt sich an einer Sitzblockade, mit der gegen 1. Objektiver Tatbestand die Einführung von Studiengebühren protestiert Gewaltanwendung werden soll. Zu diesem Zweck stellen sich die oder Androhung ernstlicher Nachteile Studierenden in einer kleinen Gruppe auf eine oder belebte Verkehrskreuzung. andere Beschränkung der Handlungsfreiheit Der Verkehr kommt zum Erliegen. (Generalklausel) das Opfer wird dadurch veranlasst «etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden» (Nötigungserfolg) (= jedes kausal auf die Tathandlung rückführbare Verhalten des Opfers) 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen (vgl. BGE 108 IV 165; 119 IV 301; 101 IV 167; 107 IV 113; 129 IV 6; 134 IV Spezifische Unrechtmässigkeit der Nötigung 216; BGer Pra 88 [1999] Nr. 59) III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 19
Rechtswissenschaftliche Fakultät Bedrohung Art. 180 StGB: Drohung 1Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Grundtatbestand Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er: a. der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Qualifikation Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder durch bes. Eigenschaften abis. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die des Drohung während der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach Tatobjektes deren Auflösung begangen wurde; oder (Partnerschafts- verhältnisse) b. der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 20
Rechtswissenschaftliche Fakultät Einstiegsfall: «Dafür bin ich nicht zuständig» Dr. oec. HSG, Partner in einer Zürcher Unternehmensberatung, wartete bereits monatelang auf ein neues Diensthandy. Einer jungen Mitarbeiterin, die sich in der Angelegenheit für unzuständig erklärte, sage er: «Weisst Du, welchen Satz ich nicht mehr hören möchte? ‘Dafür bin ich nicht zuständig.’ Sollte ich diesen Satz noch einmal von irgendjemandem hören, brech ich ihm das Genick! Die Polizei ist schon vorgewarnt, und mir ist es ehrlich gesagt scheissegal, ob ich im Gefängnis lande oder sonst etwas. Es wird dann eventuell eine Blutlache am Boden haben, aber so geht das wirklich nicht!». DROHUNG? (vgl. Bezirksgericht Zürich, Urteil GG 160208 vom 2.12.2016) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 21
Rechtswissenschaftliche Fakultät Bedrohung Art. 180 Abs. 1 StGB: Drohung 1 Wer jemanden durch schwere I. Tatbestand Drohung in Schrecken oder Angst 1. Objektiver Tatbestand versetzt, wird, auf Antrag, mit Taterfolg: jemanden in Schrecken oder Angst versetzen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Tathandlung: schwere Drohung […] Verursachungszusammenhang zwischen Drohung und Taterfolg 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafantrag FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 22
Rechtswissenschaftliche Fakultät Einzelheiten zur Tathandlung Drohung, wie bei Art. 181 StGB zu verstehen: Täter stellt dem Opfer ausdrücklich oder konkludent ein Übel in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig hinstellt (= Abgrenzung zur blossen Warnung; BGE 106 IV 128) Opfersicht massgeblich; unbeachtlich, ob der Täter die Drohung tatsächlich wahrmachen will und/oder wahrmachen kann Schwere der Drohung: erforderliches Mindestmass der angedrohten Nachteile ist einzelfallabhängig Dabei ist «nach der Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich ein objektiver Massstab anzulegen, wobei in der Regel auf das Empfinden eines vernünftigen Menschen mit einigermassen normaler psychischer Belastbarkeit abzustellen ist.» (BGer, Urteil 6B_192/2012 vom 10. September 2012, E. 1.1) Problematisch: besonders empfindsames oder mimosenhaftes Oper, besonders schutzbedürftige Personengruppen (Kinder, Betagte, psychisch Kranke etc.) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 23
Rechtswissenschaftliche Fakultät Fallbeispiel: Suizidankündigung X erklärt gegenüber seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, er werde «nach Hause Art. 180 StGB I. Tatbestand gehen, durchladen und nicht 1. Objektiver Tatbestand wiederkommen.» Taterfolg: jemanden in Schrecken oder (vgl. BGer 6B_192/2012; fp 2012, 330) Angst versetzen Tathandlung: schwere Drohung Verursachungszusammenhang zwischen Drohung und Taterfolg 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafantrag FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 24
Rechtswissenschaftliche Fakultät Systematik der Freiheitsdelikte Art. 140 Ziff. 2-4 Art. 189 Abs. 3 Qualifikation nach Art. 184 Art. 156 Ziff. 2-4 Art. 190 Abs. 3 Menschen- Sexuelle handel Freiheits- Entführung (Art. 182) Raub Nötigung (Art. 140 Ziff. 1) (Art. 189) beraubung (Art. 183 Ziff. 1 Erpressung Vergewaltigung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2) Geiselnahme Abs. 1) (Art. 185) (Art. 156 Ziff. 1) (Art. 190) Art. 285 (Beamtennötigung), Drohung Nötigung (Art. 181) (Art. 180) Art. 311 (Meuterei von Zwangsheirat Gefangenen) u.a. (Art. 181a) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 25
Rechtswissenschaftliche Fakultät Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 StGB) Art. 183 StGB: Freiheitsberaubung und Entführung 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheitsberaubung Freiheit entzieht, Entführung wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung entführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2. Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der Entführung besonders urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre schutzwürdiger Personen alt ist. Bei der Freiheitsberaubung geht es um die Festsetzung des Opfers an einem Ort, bei der Entführung um eine Verschiebung des Opfers von einem an einen anderen Ort. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 26
Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält Rechtswissenschaftliche Fakultät oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheitsberaubung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) Freiheit entzieht, … a) Objektiver Tatbestand Taterfolg: jemandem die Freiheit entziehen = umfassende Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit von gewisser Erheblichkeit Tathandlung: festnehmen (= Entzug der Freiheit) oder gefangen halten (= Fortsetzung der Freiheitsentziehung) oder ihm in anderer Weise die Freiheit entziehen = jedes rechtlich relevante Verhalten Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg b) Subjektiver Tatbestand: Vorsatz c) Rechtswidrigkeit: (vgl. «Unrechtmässigkeit» des Verhaltens). (–), wenn die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (z.B.: Festnahmerecht der Strafverfolgungsbeamten nach StPO) oder durch allgemeine Rechtfertigungsgründe gedeckt ist (Notwehr, Notstand, Erziehungsrecht usw.) d) Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 27
Rechtswissenschaftliche Fakultät Umfassende Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit eines Menschen = Opfer wird die Möglichkeit genommen, den Aufenthaltsort zu wechseln bei erzwungener Ortsveränderung nur, wenn Fortbewegungsfreiheit gänzlich aufgehoben (vgl. BGE 89 IV 87 [Opfer während rund 7,5 km langer Autofahrt am Aussteigen gehindert]) Fortbewegungsfreiheit Problem: Beschränkung «von gewisser Erheblichkeit», Grenzziehung schwierig bleibt bestehen BGE 128 IV 75: «qualche minuto è sufficiente»; nicht aber «momentanes Festhalten» Fortbewegungsfreiheit grds. nicht bei Wegnahme der Kleider bleibt bestehen hingegen (+) bei Wegnahme von Rollstuhl, Prothesen etc. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 28
Auswirkungen einer Einwilligung: Tatbestandsausschluss oder RFG? I. Tatbestand z.B. TB kann nur erfüllt werden, wenn Hausfriedensbruch: «Wer gegen den Täter gegen den Willen des Willen des Berechtigten in ein Haus Betroffenen handelt = seine …eindringt…» Einwilligung (sog. Einverständnis) Vergewaltigung: «Wer eine Person schliesst TB aus weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt» Anforderungen ein eine Freiheitsentziehung, Gefangenhalten tatbestandsausschliessende etc. Wirkung: uneinheitlich, sind pro Tatbestand zu bestimmen! II. Rechtswidrigkeit Rechtfertigende Einwilligung, z.B. in Körperverletzung Sachbeschädigung III. Schuld u.U. objektive Bedingung der Strafbarkeit u.U. Strafausschliessungs-/Strafaufhebungsgründe prozessuale Strafverfolgungshindernisse (z.B. fehlender Strafantrag, Eintritt der Verjährung)
Rechtswissenschaftliche Fakultät Auswirkungen einer Einwilligung: Tatbestandsausschluss oder RFG? Die Einwilligung bewirkt jedenfalls bei denjenigen Delikten einen Tatbestandsausschluss, bei denen das tatbestandlich umschriebene Verhalten schon begrifflich ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Rechtsgutsinhabers erfordert. Beispiele: Vergewaltigung, Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung, Diebstahl («wegnehmen»), etc. Terminologie: oft als «Einverständnis» bezeichnet, um kenntlich zu machen, dass eine solche tatbestandsausschliessende Einwilligung nicht immer die gleichen Voraussetzungen erfüllen muss wie die rechtfertigende Einwilligung FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 30
Rechtswissenschaftliche Fakultät Auswirkungen einer Einwilligung: Tatbestandsausschluss oder RFG? wohl noch h.M.: Ansonsten, d.h. in der Regel, ist die Einwilligung ein Rechtfertigungsgrund. Arg.: Die im Tatbestand nur typisiert umschriebenen Merkmale werden von dem Täter, der aufgrund einer Einwilligung handelt, eindeutig erfüllt. Und eine Wertung darüber hinaus drückt der Tatbestand nicht aus. andere Ansicht: Einwilligung schliesst immer schon den Tatbestand aus. Arg.: Einwilligung = Verzicht auf das Rechtsgut, dadurch Aufhebung der Rechtsgutseigenschaft. Deswegen kann der Tatbestand nicht verwirklicht werden. Denn dieser schützt (typisiert) nur Rechtsgüter, nicht aber bestimmte Gegenstände (Tatobjekte) als solche. Relevanz des Disputes für die Fallbearbeitung: Standort im Deliktsaufbau Vgl. STRATENWERTH § 10 N 8 ff FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 31
Rechtswissenschaftliche Fakultät Qualifikationen der Freiheitsberaubung/Entführung (Art. 184 StGB) wenn der Täter ein Lösegeld (Vermögenswert) zu erlangen Art. 184 StGB: Erschwerende Umstände sucht (= Spezialfall der Erpressung) Freiheitsberaubung und Entführung Abgrenzung zu Art. 185 StGB (Geiselnahme): Die werden mit Freiheitsstrafe nicht Lösegelderpressung erfasst nur solche Fälle, in denen nicht ein unter einem Jahr bestraft, Dritter, sondern das entführte Opfer selbst die wenn der Täter ein Lösegeld zu Vermögensdisposition vornehmen soll (ansonsten fällt Tat in den erlangen sucht, Anwendungsbereich von Art. 185 StGB; str.) wenn er das Opfer grausam wenn das Opfer grausam behandelt wird (= wissentliches und behandelt, willentliches Zufügen besonderer Leiden körperlicher oder wenn der Entzug der Freiheit mehr seelischer Art) als zehn Tage dauert oder wenn Entzug der Freiheit mehr als zehn Tage dauert wenn die Gesundheit des Opfers erheblich gefährdet wird. wenn die Gesundheit des Opfers erheblich gefährdet wird (im Zusammenhang mit der FB/Entführung!) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 32
Rechtswissenschaftliche Fakultät (Qualifizierte) Freiheitsberaubung? Liegt eine Freiheitsberaubung vor, wenn X von A eingeschlossen wird und es sich bei X um einen zwei Wochen alten Säugling oder um einen bettlägerigen Greis handelt? Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn a) X schläft und A die Einschliessung aufhebt, bevor X erwacht? b) A den X nicht einschliesst, sondern ihm in Aussicht stellt, dass er erschossen wird, wenn er den Raum verlässt? c) A den X über zehn Tage hinweg eingeschlossen hält und ihm Medikamente vorenthält, die X benötigt? d) A den X zwingt, sich an den Ort Z zu begeben? FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 33
Rechtswissenschaftliche Fakultät Strafbarkeit der Entführung: Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2 StGB / Art. 183 Ziff. 2 StGB Art. 183 StGB: Freiheitsberaubung und Entführung nur, wenn mit bestimmten 1. Wer jemanden unrechtmässig Mitteln oder an bestimmten festnimmt oder gefangen hält oder Personen begangen: jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, freiverantwortliche Personen Brechen Widerstand wer jemanden durch Gewalt, List oder über 16 Jahre (Art. 183 Ziff. 1 (Gewalt, List, Drohung) Drohung entführt, Abs. 2 StGB) wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Urteilsunfähige, 2. Ebenso wird bestraft, wer Widerstandsunfähige, unter- Ausnutzen Inferiorität (jedes jemanden entführt, der urteilsunfähig, 16-Jährige (Art. 183 Ziff. 2 Mittel, z.B. Überreden) widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist. StGB) FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 34
Rechtswissenschaftliche Fakultät Entführung (Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) I. Tatbestand Art. 183 StGB: Freiheitsberaubung 1. Objektiver Tatbestand und Entführung Taterfolg: jemanden entführen 1. Wer jemanden unrechtmässig = Verbringen einer Person an einen anderen Ort, wo sie sich festnimmt oder gefangen hält oder (aufgrund der Ortsveränderung) in der Gewalt des Täters befindet jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, Beachte: Ortsveränderung muss für eine «gewisse Dauer» vorgesehen sein (Erheblichkeit); Opfer muss die Möglichkeit wer jemanden durch Gewalt, List oder genommen sein, unabhängig vom Willen des Täters an gewohnten Drohung entführt, Aufenthaltsort zurückzukehren wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Tathandlung: Anwendung von Gewalt (vgl. Art. 181 StGB), List Jahren oder Geldstrafe bestraft. (aktive Irreführung) oder Drohung (vgl. Art. 180 StGB) 2. Ebenso wird bestraft, wer Kausalität der Gewalt, List oder Drohung für die Entführung jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz 16 Jahre alt ist. II. Rechtswidrigkeit III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 35
Rechtswissenschaftliche Fakultät Entführung besonders schutzwürdiger Personen (Art. 183 Ziff. 2 StGB) I. Tatbestand Art. 183 StGB: Freiheitsberaubung 1. Objektiver Tatbestand und Entführung Taterfolg: Entführen einer urteilsunfähigen, widerstandsunfähigen oder 1. Wer jemanden unrechtmässig noch nicht 16 Jahre alten Person festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise Beachte: Bei unter-16-jährigen wird Urteils-/WUF in Bezug auf unrechtmässig die Freiheit entzieht, das geschützte Rechtsgut unwiderlegbar vermutet, weshalb deren Einverständnis/Einwilligung hier stets unbeachtlich ist. wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung entführt, Tathandlung: jede rechtlich relevante Handlung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Ursächlichkeit der Handlung für den Taterfolg Jahren oder Geldstrafe bestraft. Besonderheit: Ursächlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass 2. Ebenso wird bestraft, wer das Opfer mit der Entführung einverstanden ist jemanden entführt, der urteilsunfähig, 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist. III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 36
Rechtswissenschaftliche Fakultät Entführung bes. schutzwürdiger Personen (Art. 183 Ziff. 2 StGB) Fallbeispiel: Ab in den Urlaub I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Der 25-jährige A verbringt seine nach einem Taterfolg: Entführen einer urteilsunfähigen, Verkehrsunfall gelähmte und zur Fortbewegung auf widerstandsunfähigen oder noch nicht 16 Jahre alten Person einen Rollstuhl angewiesene Freundin (F) mit deren Beachte: Bei unter-16-jährigen wird Einverständnis, aber gegen den Willen ihrer Eltern, zu Urteils-/WUF in Bezug auf das geschützte einem zweiwöchigen Urlaub in eine einsame Berghütte. Rechtsgut unwiderlegbar vermutet, weshalb deren Einverständnis/Einwilligung hier stets Macht es einen Unterschied, ob F 15 Jahre alt oder 16 unbeachtlich ist. Jahre alt ist? Tathandlung: jede rechtlich relevante Handlung Ursächlichkeit der Handlung für den Taterfolg Besonderheit: Ursächlichkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Opfer mit der Entführung einverstanden ist 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 37
Rechtswissenschaftliche Fakultät Geiselnahme (Art. 185 StGB) Art. 185 StGB: Geiselnahme 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie bemächtigt, Geiselnahme um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen, wer die von einem anderen auf diese Weise geschaffene Lage ausnützt, um einen Trittbrettfahrer Dritten zu nötigen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. Qualif. Todes-/ 2. Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Misshandlungsdrohung Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln. 3. In besonders schweren Fällen, namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, Qualif. «viele» Geiseln, Folter etc. kann der Täter mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft werden. 4. Tritt der Täter von der Nötigung zurück und lässt er das Opfer frei, so kann er Rücktritt nach Tatvollendung milder bestraft werden (Art. 48a). 5. Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn er in der Schweiz verhaftet Universalitätsprinzip und nicht ausgeliefert wird. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar. FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 38
Rechtswissenschaftliche Fakultät Dreiecksstruktur der Geiselnahme Drittnötigungsabsicht Struktur: Freiheitsberaubung/Entführung/ sich seiner sonst wie bemächtigen Täter = Geiselnehmer zur Nötigung eines Dritten Dritte = Person, die Freiheitsberaubung genötigt werden soll doppelter Schutzzweck: Entführung «sonst wie Bewegungsfreiheit, aber auch bemächtigen» physische und psychische Integrität der Geisel Tun Dulden Unterlassen Willensfreiheit des Nötigungsadressaten Geiseln FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 39
1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonst wie Rechtswissenschaftliche Fakultät bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) zu nötigen, […] wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr I. Tatbestand bestraft. 1. Objektiver Tatbestand Taterfolg: jemanden der Freiheit berauben (entspricht Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), entführen (vgl. Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2; hier jedoch kein spezifisches Tatmittel gefordert) oder sich seiner sonst wie bemächtigen Tathandlung: jedes rechtlich relevante Verhalten Kausalität und objektive Zurechnung 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz Vorsatz Dritt-Nötigungsabsicht («um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen») Beachte: Die Absicht allein genügt. Als Dritter gilt nach h.M. jede Person, die mit dem Täter und der Geisel nicht identisch ist unter Einschluss von Angehörigen der Geisel. II. Rechtswidrigkeit III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 40
Rechtswissenschaftliche Fakultät Trittbrettfahrer bei der Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) Art. 185 Ziff. 1 Abs. 2 StGB: I. Tatbestand Geiselnahme 1. Objektiver Tatbestand 1. Wer jemanden der Freiheit beraubt, Nötigung einer Person ( = mindestens Kenntnisnahme der entführt oder sich seiner sonst wie Forderung des Täters nach h.L. gefordert) bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung unter Ausnutzung der von einem Dritten bewirkten zu nötigen, Geiselnahme wer die von einem anderen auf diese Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg Weise geschaffene Lage ausnützt, um 2. Subjektiver Tatbestand: einen Dritten zu nötigen, Vorsatz wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem II. Rechtswidrigkeit Jahr bestraft. III. Schuld [...] FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 41
Rechtswissenschaftliche Fakultät Qualifikationen der Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 2 und Ziff. 3 StGB) Art. 185 Ziff. 2 und Ziff. 3 StGB 1. […], wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. 2. Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter Ziff. 2: Täter droht, das Opfer zu töten oder Täter droht, drei Jahren, wenn der Täter droht, das das Opfer körperlich schwer zu verletzen Opfer zu töten, körperlich schwer zu (= verletzen i.S.v. Art. 122 StGB) oder Täter verletzen oder grausam zu behandeln. droht, das Opfer grausam zu behandeln (vgl. Art. 3. In besonders schweren Fällen, 184 Abs. 3 StGB) namentlich wenn die Tat viele Menschen betrifft, kann der Täter mit lebenslänglicher Ziff. 3: besonders schwere Fälle (= Generalklausel, z.B. Freiheitsstrafe bestraft werden. Tat betrifft sehr viele Menschen) […] FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 42
Geiselnahme (Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) Rechtswissenschaftliche Fakultät I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Fallbeispiel: Wehrhaftes Mädchen Taterfolg: jemanden der Freiheit berauben (entspricht Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), A, der sich in finanziellen Nöten befindet, will T, die entführen (vgl. Art. 183 Ziff. 1 Abs. 2; hier jedoch 15-jährige Tochter des reichen industriellen I, kein spezifisches Tatmittel gefordert) oder sich entführen, um dann ein Lösegeld zu erpressen. Er seiner sonst wie bemächtigen Tathandlung: jedes rechtlich relevante Verhalten fängt T auf dem Weg von der Schule ab und spricht Kausalität und objektive Zurechnung sie unter einem Vorwand an. Dann packt er sie und 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz versucht, die sich wehrende T in seinen Wagen zu Vorsatz Dritt-Nötigungsabsicht («um einen Dritten zu verfrachten. T gelingt es jedoch, sich loszureissen einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu und wegzulaufen. nötigen») Beachte: Die Absicht allein genügt. Als Dritter gilt nach h.M. jede Person, die mit dem Täter und der Geisel nicht identisch ist unter Einschluss von Angehörigen der Geisel. II. Rechtswidrigkeit III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 43
Rechtswissenschaftliche Fakultät Fallbeispiel: Trittbrettfahrer Trittbrettfahrer bei der Geiselnahme A hat davon gehört, dass die Tochter des reichen (Art. 185 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) Industriellen I entführt worden ist. Da er sich in finanziellen I. Tatbestand Nöten befindet, kommt er auf die Idee, diese Situation 1. Objektiver Tatbestand auszunutzen. Er ruft bei I an und droht damit, I müsse Nötigung einer Person ( = mindestens umgehend 100‘000.- CHF zahlen, andernfalls werde er der T Kenntnisnahme der Forderung des Täters nach h.L. gefordert) ein Ohr abschneiden und dieses dem I als Erinnerung für unter Ausnutzung der von einem Dritten seine Hartherzigkeit zusenden. bewirkten Geiselnahme Strafbarkeit des A, wenn I nicht zahlt? Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld FS 2018 Strafrecht BT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 44
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