Hinweisgeberschutz in der Warteschleife

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62   KriPoZ 2 | 2023

                                                Hinweisgeberschutz in der Warteschleife

                 von Prof. Dr. Anja Schiemann und
                               Paula Schnabel *

        Abstract                                                                     required to protect whistleblowers. Now, the federal gov-
        Kurz vor der Ziellinie hatte der Bundesrat das Hinweis-                      ernment is choosing a different path and is splitting the
        geberschutzgesetz gestoppt. Dabei hätte bereits im De-                       draft of the Whistleblower Protection Act into two drafts.
        zember 2021 die EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäi-                         The first newly introduced draft is largely identical to the
        schen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum                            one that failed in the Bundesrat but explicitly excludes
        Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht                      civil servants of the Länder, municipalities and municipal
        melden,1 in nationales Recht umgesetzt werden müssen.                        associations, as well as other public corporations, institu-
        Die Länder haben nicht nur kritisiert, dass die vorlie-                      tions and foundations subject to the supervision of a Land
        gende Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes weit über                       as well as judges in the service of the Land from the scope
        die EU-Vorgaben hinausgehe, sondern auch, dass auf die                       of application. Due to this trick, according to the federal
        Unternehmen aufgrund der organisatorisch notwendigen                         government, the act no longer requires the consent of the
        Anpassungen zum Hinweisgeberschutz erhebliche Kosten                         Bundesrat. In addition, the laborious path of appealing to
        zukommen. Jetzt wählt die Bundesregierung einen ande-                        the Conciliation Committee, which would lead to further
        ren Weg und splittet den Entwurf des Hinweisgeber-                           delays in the implementation of the directive, could be cir-
        schutzgesetzes in zwei Entwürfe auf. Der erste neu einge-                    cumvented. The reason why haste is necessary is that the
        brachte Entwurf ist weitgehend identisch mit dem im Bun-                     EU Commission initiated infringement proceedings
        desrat gescheiterten, nimmt allerdings ausdrücklich Be-                      against Germany a long time ago because of the lack of
        amte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände so-                          implementation of the directive and also took Germany to
        wie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehen-                     the ECJ this year because it is not making progress with
        den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffent-                     the implementation of the directive.
        lichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landes-
        dienst aus dem Anwendungsbereich aus. Durch diesen                           I. Einleitung
        Trick, so meint die Bundesregierung, sei keine Zustim-
        mung des Bundesrats mehr erforderlich. Zudem wird der                        Hinweisgeber – oder auch Whistleblower2 genannt – se-
        mühsame Weg der Anrufung des Vermittlungsausschusses                         hen sich in Deutschland nach der derzeit (noch) geltenden
        umgangen, der zu weiteren Verzögerungen der Umset-                           Rechtslage einigen Risiken ausgesetzt. Hinweisgeber im
        zung der Richtlinie führen würde. Eile ist deswegen gebo-                    Sinne von Art. 5 Nr. 7 der EU-Richtlinie 2019/1937 des
        ten, weil die EU-Kommission wegen der fehlenden Umset-                       Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019
        zung der Richtlinie bereits vor längerer Zeit ein Vertrags-                  sind Personen, die im Zusammenhang mit ihren Arbeits-
        verletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat                       tätigkeiten erlangte Kenntnisse über Verstöße melden
        und Deutschland in diesem Jahr auch vor dem EuGH ver-                        oder offenlegen. Von der Richtlinie erfasst sind hier auch
        klagt hat, weil es mit der Umsetzung der Richtlinie nicht                    explizit solche Personen, die mit der Organisation, deren
        vorankommt.                                                                  Verstöße gemeldet werden sollen, in Kontakt stehen.3
                                                                                     Hinweisgeber sind demnach Personen, die aus dem Inne-
        Shortly before the finish line, the Federal Council had                      ren eines Unternehmens oder einer anderen Organisation,
        stopped the Whistleblower Protection Act. The EU Di-                         Fehlverhalten aufdecken, um die negativen Folgen dessen
        rective 2019/1937 of the European Parliament and of the                      einzudämmen.4
        Council of 23 October 2019 on the protection of persons
        who report infringements of Union law should have been                       Durch ihre Meldungen leisten Hinweisgeber einen ent-
        transposed into national law as early as December 2021.                      scheidenden Beitrag zur Aufdeckung und Behebung von
        The Länder have not only criticised that the current ver-                    betrieblichen Missständen und tragen dadurch sowohl
        sion of the Whistleblower Protection Act goes far beyond                     zum Erhalt der Marktgerechtigkeit als auch zum Schutz
        the EU requirements but also that companies will incur                       des Gemeinwohls bei.5 Insofern ist es der EU ein Anliegen
        considerable costs due to the organisational adjustments                     gewesen, den Schutz dieser Personen auszuweiten. Denn
                                                                                     aufgrund zu befürchtenden arbeitsrechtlichen oder sogar
                                                                                     3
        *   Beide Verfasserinnen sind am Institut für Straf- und Strafprozess-           Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des
            recht der Universität zu Köln tätig.                                         Rates vom 23. Oktober 2019, S.L305/17.
                                                                                     4
        1
            Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 305/17 vom              BT-Drs. 20/3442, S. 56.
                                                                                     5
            26.11.2019.                                                                  Vgl. Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475; Schmitt, NZA-Beil. 3/2020,
        2
            Ins Deutsche übertragen lässt sich der Begriff allerdings nur bedingt,       50 (54).
            s. dazu Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (329). Letzt-
            lich geht der Begriff auf eine Anspielung des Verhaltens englischer
            Polizisten zurück, die bei Wahrnehmung von Regel- oder Gesetzes-
            verstößen in eine Trillerpfeife blasen, vgl. zur Begriffsherkunft Rei-
            ter, RIW 2005, 168 (169).
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife                                             KriPoZ 2 | 2023                   63

strafrechtlichen Konsequenzen kann es sein, dass ein po-                Anspruch auf Schutz hat ein Hinweisgeber gem. Art. 5
tenzieller Hinweisgeber sich scheut, einen erkannten                    Abs. 1 lit. a der Richtlinie aber nur dann, wenn er „hinrei-
Missstand tatsächlich durch eine entsprechende Meldung                  chenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm ge-
aufzudecken. Gerade in Deutschland ist der Hinweisge-                   meldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermitt-
berschutz aktuell eher lückenhaft. Zwar gibt es einige be-              lung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungs-
reichsspezifische Normen bspw. im Wertpapierhandels-                    bereich der Richtlinie fallen.“ Insofern genießen nur gut-
gesetz, Arbeitsschutzgesetz oder im Betriebsverfassungs-                gläubige Hinweisgeber den Schutz und nicht solche, die
gesetz, die in spezifischen Fällen den Hinweisgeber vor                 wissentlich falsche oder irreführende Informationen mel-
Benachteiligung schützen und auch § 612a BGB greift                     den. Sie müssen sogar damit rechnen, gem. Art. 23 Abs. 2
grundsätzlich in Form eines allgemeinen Maßregelungs-                   der Richtlinie bestraft und zur Schadenswiedergutma-
verbots. Die praktische Relevanz des § 612a BGB ist aber                chung verpflichtet zu werden.
gering, da den Arbeitnehmer die Beweislast einer Benach-
teiligung trifft.6                                                      Als Meldewege sind drei verschiedene Berichtsarten vor-
                                                                        gesehen, nämlich das interne und externe Whistleblowing
Der strafrechtliche Schutz wurde bereits durch das am                   sowie die sog. „Offenlegung“. Eine interne Meldung er-
26.4.2019 in Kraft getretene Geschäftsgeheimnisgesetz                   fasst die mündliche oder schriftliche Mitteilung von Ver-
erhöht. Nach § 5 Nr. 2 ist die Offenlegung von Geschäfts-               stößen innerhalb des Unternehmens, wobei diese internen
geheimnissen nicht verboten, sofern dies zum Schutz ei-                 Meldekanäle von den Unternehmen selbst einzurichten
nes berechtigten Interesses erfolgt, insbesondere zur Auf-              sind, aber auch von Dritten, wie bspw. Rechtsanwälten
deckung rechtswidriger Handlungen oder eines Fehlver-                   und Wirtschaftsprüfern betrieben werden können.10 Gem.
haltens. Allerdings muss die Offenlegung geeignet sei,                  Art. 8 der Richtlinie besteht für Unternehmen ab 50 Mit-
das öffentliche Interesse zu schützen.7                                 arbeitern die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle
                                                                        und der damit verbundenen Prozesse für Folgemaßnah-
Insgesamt ist aber zu bemängeln, dass der derzeitige Hin-               men. Ob darüber hinaus auch eine gesetzliche Verpflich-
weisgeberschutz nicht nur lückenhaft ist, sondern der                   tung für Unternehmen unter 50 Mitarbeitern bestehen soll,
Whistleblower aufgrund der einzelfallbezogenen Recht-                   obliegt den Mitgliedsstaaten. Deutschland hat von dieser
sprechung auf erhebliche Rechtsunsicherheiten trifft, so-               Möglichkeit im Entwurf eines Hinweisgeberschutzgeset-
fern er sich zu einer Meldung entschließt. Zudem sind die               zes keinen Gebrauch gemacht, sondern ist den Mindest-
Meldewege an sich sowie die Voraussetzungen zulässiger                  vorgaben der Richtlinie gefolgt.
externer Meldungen gesetzlich nicht geregelt.
                                                                        Externe Meldungen betreffen Meldungen an eine zustän-
II. Erforderliche Umsetzung der EU-Vorgaben                             dige Behörde. Wer hier zuständig ist, soll von den Mit-
                                                                        gliedsstaaten bestimmt werden, wobei die Behörden mit
Die EU-Richtlinie 2019/1937 zielt nun auf die Etablie-                  ausreichenden Mitteln auszustatten sind. Interne und ex-
rung eines Mindestschutzes für Hinweisgeber in den Mit-                 terne Meldewege sind grundsätzlich gleichrangig, wobei
gliedsstaaten und auf eine Förderung des Whistleblowings                laut Richtlinie interne Meldewege bevorzugt werden, so-
ab.8 Sie soll die Hinweisgeber, deren Verwandte und                     weit damit keine Repressalien zu befürchten sind. Aller-
Dritte, die mit dem Hinweisgeber in Kontakt stehen, vor                 dings besteht keine Pflicht zur vorherigen Nutzung inter-
Vergeltungsmaßnahmen schützen. Es geht dabei nur um                     ner Meldekanäle – was durchaus zu kritischen Stellung-
die Meldung von unionsrechtlichen Verstößen, wobei                      nahmen Anlass gegeben hat.11 Das von Deutschland favo-
nach Art. 2 der Richtlinie verschiedene Rechtsbereiche,                 risierte Drei-Stufen Modell, nachdem Hinweisgeber zu-
wie bspw. Verstöße gegen die Verkehrssicherheit, den                    nächst interne Meldewege nutzen müssen, bevor externe
Umweltschutz, den Verbraucherschutz und den Daten-                      Meldungen möglich werden, konnte sich nicht durchset-
schutz genannt werden. Der persönliche Anwendungsbe-                    zen.12 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der sog.
reich gem. Art. 4 der Richtlinie ist weit gefasst und bezieht           „Offenlegung“ nach Art. 5 Nr. 6 der Richtlinie, nach der
sich auf alle Hinweisgeber, die „im privaten oder im öf-                sich direkt an Online-Plattformen, soziale oder traditio-
fentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext                 nelle Medien sowie Gewerkschaften oder Berufsverbände
Informationen über Verstöße erlangt haben“, wobei Ar-                   gewandt werden darf. Die Anforderungen an geschützte
beitnehmer, Beamte, Selbstständige, Anteilseigner, aber                 Offenlegungen sind hoch, sodass sich gem. Art. 15 Abs. 1
auch Praktikanten und Personen, die unter der Aufsicht                  der Richtlinie nur derjenige Hinweisgeber darauf berufen
und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern                     kann, der zunächst eine interne oder externe Meldung er-
und Lieferanten arbeiten, erfasst sind. Dadurch ist der per-            stattet hat und dennoch keine geeigneten Maßnahmen er-
sönliche Anwendungsbereich sehr weit gesteckt auf alle                  griffen wurden. Geschützt sind darüber hinaus auch Of-
Hinweisgeber, die „im weitesten Sinne in einer arbeitsbe-               fenlegungen, die Verstöße einer unmittelbaren oder offen-
zogenen Verbindung mit einem Unternehmen stehen“.9                      kundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses darstel-
                                                                        len oder soweit Repressalien zu befürchten sind.

6                                                                       10
    S. Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020, Anm. 1.                    Zu den unterschiedlichen Meldewegen und Möglichkeiten vgl.
7
    Vgl. zum Geschäftsgeheimnisgesetz Reinbacher, KriPoZ 2019,               Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475 (2478).
                                                                        11
    148; Bildhäuser/Reinhardt, GRUR-Prax 2020, 576; Ohly, GRUR               Vgl. Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1203); zur fehlenden
    2019, 441; zu Strafbarkeitsrisiken des Hinweisgebers Nöbel/Veljo-        Stringenz Taschke/Pielwo/Volk, NZWiSt 2021, 85 (89).
                                                                        12
    vic, CB 2020, 34.                                                        S. Steinhauser/Kreis, EuZA 2021, 422 (430); Granetzny/Mark-
8
    Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475 (2476).                                   worth, jurisPR-Compl 1/2020, Anm. 1.
9
    So Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1202).
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        Die Richtlinie beinhaltet auch Schutzmaßnahmen, insbe-                    zung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Ver-
        sondere das Verbot von Repressalien nach Art. 19, be-                     stöße gegen das Unionsrecht melden, veröffentlicht.16 Am
        nannt werden bspw. Suspendierung, Kündigung und an-                       27.7.2022 hat das Kabinett das Hinweisgeberschutzgesetz
        dere Disziplinar- oder Diskriminierungsmaßnahmen im                       beschlossen und einen entsprechenden Regierungsent-
        Arbeitsverhältnis. Weitere Schutzmaßnahmen gem.                           wurf vorgestellt.17 Im Oktober fand im Rechtsausschuss
        Art. 21 der Richtlinie sind die Haftungsfreistellung und                  eine öffentliche Sachverständigenanhörung statt.18 Der
        Schadenswiedergutmachung sowie eine Beweislastum-                         Rechtsausschuss hat einige Änderungen des Gesetzes vor-
        kehr. Dieser kommt besondere Bedeutung zu, da zuguns-                     genommen, insbesondere wurden Meldungen zu verfas-
        ten des Hinweisgebers vermutet wird, dass eine von ihm                    sungsfeindlichen Äußerungen von Beamten in das Hin-
        erlittene Benachteiligung auf die Meldung oder Offenle-                   weisgeberschutzgesetz aufgenommen – auch solche un-
        gung zurückgeht. Der Arbeitgeber hat dann zu beweisen,                    terhalb der Strafbarkeitsschwelle.19
        dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten
        Gründen basiert. Weiterhin soll gem. Art. 20 der Richtli-                 Doch überraschenderweise stimmte der Bundesrat in sei-
        nie Hinweisgebern staatlicherseits auch Zugang zu unter-                  ner Plenarsitzung vom 10.2.2023 dem geänderten Gesetz-
        stützenden Maßnahmen ermöglicht werden. Hierzu gehö-                      entwurf nicht zu. Die Möglichkeit, den Vermittlungsaus-
        ren u.a. kostenlose, umfassende und unabhängige Infor-                    schuss anzurufen, wurde nicht genutzt. Schon kurz nach
        mation über die bestehenden Schutzmaßnahmen sowie                         dem Scheitern im Bundesrat gab es Stimmen aus der Am-
        Prozesskosten- und Beratungshilfe. Nach Art. 23 der                       pelkoalition, die das Einbringen eines neuen Gesetzent-
        Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten wirksame, ange-                     wurfs in nicht zustimmungspflichtiger Form favorisie-
        messene und abschreckende Sanktionen gesetzlich zu ver-                   ren.20 Im Bundesrat wurde primär kritisiert, dass das ge-
        ankern, die greifen, soweit Personen Meldungen behin-                     plante Hinweisgeberschutzgesetz weit über die Vorgaben
        dern, Repressalien verhängen oder die Vertraulichkeit der                 der EU-Richtlinie hinausgehe und die Unternehmen durch
        Identität von Hinweisgebern nicht wahren. Vergleichbare                   die verpflichtende Einführung von Meldesystemen zu ho-
        Sanktionen muss es für Personen geben, die wissentlich                    hen finanziellen Belastungen ausgesetzt seien.21
        falsche Informationen melden, wobei bei der Normierung
        darauf zu achten ist, dass potenzielle Hinweisgeber nicht                 Daher schlug die Bundesregierung jetzt den Weg ein, am
        abgeschreckt werden.                                                      17.3.2023 zwei Gesetzentwürfe einzubringen. Der erste
                                                                                  trägt den Titel „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren
        Letztlich soll nach der Richtlinie in den Mitgliedstaaten                 Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung
        ein dreifacher Schutz des gutgläubigen Whistleblowers                     der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße ge-
        gewährleistet sein: Seine Vertraulichkeit ist zu wahren,                  gen das Unionsrecht melden“.22 Dieser Entwurf ist weit-
        Repressalien sollen nicht gefürchtet werden und der Hin-                  gehend identisch mit dem ersten Entwurf eines Hinweis-
        weisgeber ist vor einer Haftung zu schützen.13                            geberschutzgesetzes, den der Bundestag am 16.12.2022
                                                                                  verabschiedet hatte.23 Ausdrücklich ausgenommen vom
        III. Der lange Weg ins nationale Recht                                    Entwurf sind aber Beamte der Länder, Gemeinden und
                                                                                  Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht ei-
        Die Richtlinie hätte bis zum 17.12.2021 in nationales                     nes Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und
        Recht umgesetzt werden müssen. Daher ist bereits in der                   Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen
        19. Legislaturperiode der Referentenentwurf eines Hin-                    und Richter im Landesdienst. Dieser Ausschluss wird im
        weisgeberschutzgesetzes diskutiert worden.14 Auch die                     zweiten „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Re-
        Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte den Entwurf ei-                    gelungen zum Hinweisgeberschutz“ wieder zurückge-
        nes Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum                        nommen.24 Durch diesen Trick ist nach Auffassung der
        Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hin-                     Bundesregierung eine Zustimmung des Bundesrats nur für
        weisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) in den Bundes-                    das Ergänzungsgesetz erforderlich.
        tag ein.15 Innerhalb der 19. Legislaturperiode konnte sich
        jedoch nicht auf einen Regierungsentwurf geeinigt wer-                    Dieser Ansicht wurde in der öffentlichen Anhörung im
        den. Insofern hat das Bundesjustizministerium am                          Rechtsausschuss vom 27.3.2023 seitens einiger Experten
        13.4.2022 erneut einen Referentenentwurf für einen bes-                   entschieden entgegengetreten. Zwar habe das BVerfG in
        seren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umset-                    der Vergangenheit eine Aufspaltung von Gesetzesvorha-

        13                                                                        18
             So in der Conclusio auch Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl               Die Stellungnahmen der öffentlichen Anhörung sowie zum Referen-
             1/2020, Anm. 1. Ausführlich zur Richtlinie auch Taschke/Pielow/           tenentwurf sind abrufbar unter https://kripoz.de/2018/11/13/schutz-
             Volk, NZWiSt 2021, 85; Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475; Gra-               von-whistleblowern/ (zuletzt abgerufen am 4.3.2022).
                                                                                  19
             netzny/Dzida, NZA 2020, 1201; Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12.             BR-Drs. 2023.
        14                                                                        20
             Abrufbar unter: https://www.whistleblower-net.de/wp-content/up-           S. hierzu Haufe v. 20.2.2023, abrufbar unter: https://www.haufe.de/
             loads/2021/02/Referentenentwurf-BMJV-WB-RL-Umsetzungsge-                  compliance/recht-politik/hinweisgebersysteme-und-die-eu-whist-
             setz-8.pdf (zuletzt abgerufen am 4.3.2023). Vgl. hierzu Erle-             leblower-richtlinie_230132_528700.html (zuletzt abgerufen am
             bach/Veljovic, KriPoZ 2021, 165.                                          4.3.2023).
        15                                                                        21
             BT-Drs. 19/4558.                                                          Ein Video der Debatte ist abrufbar unter: https://www.bundes-
        16
             Abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/07/refe-        rat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/23/1030/1030-pk.html (zu-
             hinweisgeberschutz.pdf (zuletzt abgerufen am 4.3.2023).                   letzt abgerufen am 4.3.2023).
        17                                                                        22
             BT-Drs. 20/3442.                                                          BT-Drs. 20/5992.
                                                                                  23
                                                                                       BT-Drs. 20/4909.
                                                                                  24
                                                                                       BT-Drs. 20/5991.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife                                                  KriPoZ 2 | 2023                     65

ben in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zu-                   passt.32 Ebenso wird angemerkt, dass der persönliche An-
stimmungspflichtigen Teil in der Vergangenheit gebilligt.                 wendungsbereich keine Dritten schützt, die im privaten
Voraussetzung einer solchen Aufspaltung sei aber, dass                    Rahmen Kenntnis über den Rechtsverstoß erlangt haben,
diese nicht willkürlich oder missbräuchlich sei.25 Ein sol-               obwohl Unternehmen auch an diesen Informationen Inte-
cher Verstoß gegen das Willkürverbot folge nun daraus,                    resse haben könnten.33 Dennoch ist festzuhalten, dass der
dass die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben einzig der                   persönliche Anwendungsbereich im Entwurf eines Hin-
verweigerten Zustimmung des Bundesrats zum ersten,                        weisgeberschutzgesetzes an der Richtlinie orientiert und
beide Teile umfassenden Gesetzentwurf, geschuldet war.                    die weite Fassung den Vorgaben der Richtlinie geschuldet
Es hätte nun aber hinsichtlich des ersten Entwurfs das                    ist. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich auf eine
Vermittlungsverfahren eingeleitet werden können, um zu                    – noch – weitere Fassung unter Einbeziehung Dritter, die
einer Lösung zu gelangen.26 Insofern ist tatsächlich von                  privat Kenntnis erlangen, im weiteren Gesetzgebungspro-
einer bewussten Umgehung auszugehen, die sachlich nur                     zess geeinigt werden wird.
damit begründet werden kann, dass die Vorgaben der EU-
Richtlinie schon lange hätten umgesetzt werden müssen                     Vielmehr verengt der neue Entwurf des Hinweisgeber-
und mittlerweile sogar eine Klage vor dem EuGH anhän-                     schutzgesetzes den persönlichen Anwendungsbereich –
gig ist. Ob dies allein als Begründung trägt ist fraglich.                insoweit nicht richtlinienkonform – in § 1 Abs. 3
                                                                          HinSchG-E wieder. Dem Gesetz nicht unterfallen soll der
Zudem wird zutreffend auf die Gefahr eines „Zwei-Klas-                    in § 1 BeamtStG genannte Personenkreis, der Beamte der
sen-Rechts“ hingewiesen, sofern der Bundesrat das als zu-                 Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sons-
stimmungspflichtig eingestufte Ergänzungsgesetz wiede-                    tigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körper-
rum ablehnt und dann für Bundesbeamte etwas anderes                       schaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen
gelte als für Landes- und Kommunalbeamte.27                               Rechts umfasst. Ausgenommen sind auch Richter des
                                                                          Landesdiensts, für die nach § 71 DRiG das BeamtStG ent-
Trotz dieser Bedenken traf der Rechtsausschuss am                         sprechend gilt. Als Grund dafür wird benannt, dass das
28.3.2023 die Beschlussempfehlung, beide Gesetze un-                      Hinweisgeberschutzgesetz Regelungen träfe, die eine An-
verändert anzunehmen.28 Am 30.3.2023 fand die vorgese-                    passung des Beamtenstatusgesetzes für diese Personen-
hene zweite und dritte Lesung zum Hinweisgeberschutz-                     gruppe erforderlich mache. Es wird aber gleichzeitig da-
gesetz nicht wie geplant statt. Vielmehr wurde der Gesetz-                rauf hingewiesen, dass auch den in § 1 Abs. 3 HinSchG-E
entwurf von der Tagesordnung abgesetzt.                                   genannten Personengruppen der Hinweisgeberschutz ge-
                                                                          währt werden müsse, um die Richtlinie 2019/1937 voll-
IV. Umsetzungen und Erweiterungen durch das Hin-                          ständig umzusetzen. Insofern solle zusammen mit der Än-
weisgeberschutzgesetz                                                     derung des Beamtenstatusgesetzes durch das Ergänzungs-
                                                                          gesetz zum Hinweisgeberschutz wieder aufgehoben wer-
1. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich                          den. Dies bedürfe aber der Zustimmung des Bundesrats.34
                                                                          Scheitert dieser Ergänzungsentwurf erneut an der Zustim-
Der persönliche Anwendungsbereich des neuen Hinweis-                      mung des Bundesrats, bliebe das deutsche Hinweisgeber-
geberschutzgesetzes umfasst gem. § 1 HinSchG-E alle                       schutzgesetz nicht richtlinienkonform.
Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen
über Verstöße erlangt haben.29 Ebenfalls erfasst sind sol-                Der sachliche Anwendungsbereich stellt klar, welche Hin-
che Personen, die von der Offenlegung betroffen sind oder                 weise unter den Schutz des Gesetzentwurfs fallen. In
Gegenstand der Meldung sind. In der EU-Richtlinie                         Art. 2 der Richtlinie werden alle relevanten Verstöße ge-
2019/1937 sollten primär Arbeitnehmer im Sinne des Art.                   gen Unionsrecht und Rechtsakte der Europäischen Union
45 Abs. 1 AEUV geschützt werden, allerdings auch Be-                      aufgezählt, die das umzusetzende Gesetz enthalten muss.
amten und Praktikanten sowie externe Auftragnehmer,                       Die Beschränkungen des sachlichen Anwendungsbe-
Lieferanten und solche Personen, deren Arbeitsverhältnis                  reichs auf Unionsrecht in der Richtlinie ergeben sich
beendet ist oder sich noch im vorvertraglichen Stadium                    grundsätzlich aus der beschränkten Gesetzgebungskom-
befindet.30 Demnach war zur Umsetzung der Richtlinie                      petenz der Europäischen Union.35
laut Gesetzentwurf eine weite Generalklausel erforder-
lich.31 Bemängelt wird in der Umsetzung teilweise, dass                   Der sachliche Anwendungsbereich in § 2 HinSchG-E ent-
die weite Generalklausel begrifflich nicht hinreichend klar               hält neben den unionsrechtlich relevanten Verstößen auch
gefasst ist, da beispielsweise auf Aufsichtsratsmitglieder                sämtliche strafbewehrte sowie bußgeldbewehrte Ver-
oder Anteilseigner die Bezeichnung der „beruflichen Tä-                   stöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Le-
tigkeit“ wie in § 1 Abs. 1 HinSchG-E genannt, nicht                       ben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von
25                                                                        28
     Vgl. BVerfGE 105, 313 (338 ff.).                                          BT-Drs. 20/6193, S. 3.
26                                                                        29
     S. Kluth, öffentliche Anhörung v. 27.3.2023, Stellungnahme, S. 4,         BT-Drs. 20/3442, S. 2.
                                                                          30
     abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2023/03/Stel-        Vgl. auch BT-Drs. 20/3442, S. 33; BT-Drs. 20/5992, S. 31.
                                                                          31
     lungnahme-Kluth.pdf. Ebenso Thüsing, Stellungnahme, Gliede-               BT Drs. 20/3442, S. 56; BT-Drs. 20/5992, S. 38.
                                                                          32
     rungspunkt II, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uplo-         BRAK, S. 8.
                                                                          33
     ads/2023/03/Stellungnahme-Thuesing.pdf (beide zuletzt abgerufen           Dilling, CCZ 2022, 145 (145).
                                                                          34
     am 29.3.2023).                                                            BT-Drs. 20/5992, S. 39.
27                                                                        35
     So Zittel vom Whistleblower-Netzwerk in der öffentlichen Anhö-            BT-Drs. 20/3442, S. 33; Colenric/Gerdemann, Die Umsetzung der
     rung v. 27.3.2023, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/aus-          Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht, HSI-Schriftenreihe,
     schuesse/a06_recht/anhoerungen/938162-938162 (zuletzt abgeru-             Bd. 34, 2020, S. 158.
     fen am 29.3.2023).
66   KriPoZ 2 | 2023

        Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Dane-                    so werden hierunter aber auch Verhaltensweisen von Mel-
        ben nennt § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG-E auch einen um-                        dungen mit einbezogen, die zwar nicht unmittelbar rechts-
        fangreichen Katalog an relevanten Verstößen gegen                          widrig sind, aber dem Ziel oder Zweck der gesetzlichen
        Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, unter an-                    Regelung zuwiderlaufen und daher als missbräuchlich an-
        derem wird hier das Geldwäschegesetz aufgeführt. Vom                       zusehen sind. Kritisiert wird hier zu Recht die fehlende
        sachlichen Anwendungsbereich werden zudem Äußerun-                         Konturierung des missbräuchlichen Verhaltens.41 Teil-
        gen von Beamten des Bundes erfasst, die einen Verstoß                      weise wird aufgrund der Gefahr der Rechtsunsicherheit
        gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen. Diese                   eine Erheblichkeitsschwelle für rechtmäßiges Verhalten
        erst später eingefügte Ergänzung soll es laut Gesetzesbe-                  gefordert.42 Es scheint daher auf der Hand zu liegen, dass
        gründung ermöglichen, verfassungsfeindliche Äußerun-                       noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Reichweite des § 3
        gen von Beamten auch unterhalb der Strafbarkeits-                          Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E besteht, die der Gesetzgeber zum
        schwelle zu melden.36 Um der Zustimmungspflicht des                        Anlass nehmen sollte, hier noch einmal nachzubessern.
        Bundesrats zu entgehen, wurde in der Neufassung des
        Entwurfs eines Hinweisgeberschutzgesetzes der persönli-                    Gleichzeitig wird von verschiedenen Seiten kritisiert, dass
        che Anwendungsbereich auf Beamte des Bundes einge-                         der sehr umfassende Katalog des § 2 Abs. 2 Nr. 3
        schränkt. Diese Einschränkung soll durch den Ergän-                        HinSchG-E es der hinweisgebenden Person schwer ma-
        zungsentwurf dann wieder zurückgenommen werden, so                         chen würde, ohne rechtlichen Beistand den sachlichen
        dass dann Äußerungen von Landes- und Bundesbeamten                         Anwendungsbereich zu erfassen und daher nicht unbe-
        erfasst wären.37                                                           dingt dem Schutz des Hinweisgebers dienen würde.43 In
                                                                                   der Tat erkennt sogar der Gesetzgeber die fehlende
        Damit ist der Anwendungsbereich des Gesetzes trotz der                     Rechtsklarheit der Vorschrift und plädiert für Folgendes:
        Einschränkungen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG-E auf                        „Da es für hinweisgebende Personen gänzlich unmöglich
        Bundesbeamte hinsichtlich der verfassungsfeindlichen                       wäre nachzuvollziehen, welche Verstöße jeweils in den
        Äußerungen mit der Ergänzung um Bundes- und Landes-                        sachlichen Anwendungsbereich fallen und so die vertrau-
        recht sowie straf- und bußgeldbewährter Vorschriften                       liche Behandlung seiner Identität nach sich ziehen wür-
        deutlich weiter, als dies verpflichtend für die Mitglieds-                 den, ist es unerlässlich, die einzelnen Rechtsbereiche so
        staaten in Art. 2 der Richtlinie gefordert wurde. Dieser                   anzupassen, dass hinweisgebende Personen einschätzen
        Teil des neuen Gesetzes wird wegen ebendieser Erweite-                     können, ob ein beobachtetes Verhalten gegen Vorschrif-
        rungen besonders kontrovers diskutiert. Auf der einen                      ten in diesem Bereich verstößt“.44
        Seite stehen diejenigen, die in den Erweiterungen eine Art
        Überfrachtung des Gesetzes sehen.38 Laut Thüsing birgt                     Hinzu kommt, dass Meldungen von sicherheitsrelevanten
        der weite Anwendungsbereich sogar die Gefahr der Um-                       Daten vom Anwendungsbereich gem. § 5 HinSchG-E aus-
        gehung schon bestehender branchenspezifischer Regelun-                     geschlossen sind. Begründet wird das mit dem Schutz der
        gen.39                                                                     nationalen Sicherheit und wesentlichen Sicherheitsinte-
                                                                                   ressen.45 Kritisiert wird dies als sog. „Anti-Snowden-
        Auf der anderen Seite wird der Anwendungsbereich als                       Klausel“, da dieser auch nach Inkrafttreten des Hinweis-
        nicht weitgehend genug kritisiert. Denn missbräuchliches                   geberschutzgesetzes nicht unter den Anwendungsbereich
        Verhalten, das keinen Rechtsverstoß darstelle, könne                       fiele.46
        nicht gemeldet und demzufolge auch nicht bekämpft wer-
        den.40 Insofern werden – anders als in § 5 Abs. 2                          Abschließend lässt sich feststellen, dass aufgrund der ge-
        GeschGehG – Meldungen über unethische Verhaltens-                          ringen praktischen Relevanz der Meldung von Verstößen
        weisen nicht erfasst. Schaut man auf die gesetzliche Defi-                 gegen das EU-Rechts der deutsche Gesetzgeber gut daran
        nition eines Verstoßes nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E,

        36                                                                         41
             BT-Drs. 20/4909, S. 57; BT-Drs. 20/5992, S. 7, 46.                         Vgl. Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell 2022, 441; Reppelmund,
        37
             BT-Drs. 20/5992, S. 46; BT-Drs. 20/5991, S. 3.                             DIHK, öffentliche Anhörung v.19.10.2022, S. 5, abrufbar unter:
        38
             So der BDA, S. 2, Stellungnahme abrufbar unter: https://kri-               https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Rep-
             poz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Harrer-Kou-                pelmund_DIHK.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023).
                                                                                   42
             liev_BDA.pdf (zuletzt abgerufen am 6.3.3023) sowie BDI, S. 3,              Thüsing (o. Fn. 39), S. 4.
                                                                                   43
             letzterer warnt vor sog. Goldplating, abrufbar unter: https://kri-         Dilling, CCZ 2022, 145 (146) ebenso Transparency international
             poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BDI_                  e.V., öffentliche Anhörung v. 19.20.2022, S. 3, abrufbar unter:
             HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D76                       https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_
             90A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 6.3.2023).                          Schloussen_Transparency-International-D.pdf (zuletzt abgerufen
        39
             Thüsing, öffentliche Anhörung v. 19.10.2022, S. 4, abrufbar unter:         am 9.3.2023).
                                                                                   44
             https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_                BT-Drs. 20/3442, S. 58.
                                                                                   45
             Thuesing.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023). Der BDI äußert ähn-          BT-Drs. 20/3442, S. 69.
                                                                                   46
             liche Befürchtungen, indem bemängelt wird, dass das Verhältnis             S. Gerdemann, ZRP 2022, 98 (99); Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell
             von HinSchG-E zu den Regelungen im ArbSchG und BetrVG auf-                 2022, 441 (442); Falter, öffentliche Anhörung, Whistleblowing-
             grund des weiten Anwendungsbereichs unklar sei (o. Fn. 38).                Netzwerk e.V., S. 3 (o. Fn. 40).
        40
             Falter, öffentliche Anhörung, Whistleblowing-Netzwerk e.V., S. 2,
             abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stel-
             lungnahme_Falter.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023). Zur Ver-
             deutlichung wird bspw. Bezug genommen auf den Fall Brigitte Hei-
             nisch, die die Vernachlässigung in der Altenpflege durch ihre Ent-
             hüllungen an die Öffentlichkeit brachte, die Unterversorgung aller-
             dings keinen Straftatbestand darstellte und somit nicht unter den
             Schutz des HinSchG-E gefallen wäre.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife                                                    KriPoZ 2 | 2023                       67

tut, den Hinweisgeberschutz auszudehnen. Die Ausdeh-                       Folgemaßnahmen nach §18 HinSchG-E anzustoßen. Sie
nung auf Verstöße gegen Strafgesetze und bußgeldbe-                        müssen der hinweisgebenden Person ebenfalls Informati-
währte Rechtsverstöße, die Leib, Leben, Gesundheit oder                    onen über externe Meldestellen bereitstellen. Außerdem
dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder deren Ver-                    haben sie gem. § 8 HinSchG-E die Vertraulichkeit der
tretungsorganen dienen, erscheint sachgerecht, aber auch                   Identität des Hinweisgebers, des durch die Meldung direkt
ausreichend, zumal sich weitere spezielle Verstöße wie                     Betroffenen oder der in der Meldung benannten weiteren
bspw. nach dem Geldwäschegesetz anschließen. Aller-                        Personen zu wahren. Ausnahmen von diesem Gebot sind
dings trägt der unübersichtliche Katalog dieser weiteren                   nur möglich, sofern der Hinweisgeber vorsätzlich oder
möglichen Rechtsverstöße nicht unbedingt zur Rechts-                       grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße
klarheit bei.                                                              meldet oder bestimmte Stellen oder Handlungsweisen
                                                                           gem. § 9 HinSchG-E die Offenlegung der Identität des
2. Verhältnis zu dem Geschäftsgeheimnisgesetz                              Hinweisgebers oder der gemeldeten Person verlangen.

In § 6 Abs. 1 HinSchG-E wird auf das Geschäftsgeheim-                      In Hinblick auf die internen Meldestellen wird unter an-
nisgesetz Bezug genommen. Die Offenbarung von Ge-                          derem § 14 Abs.1 HinSchG-E kritisiert, nachdem es meh-
schäftsgeheimnissen i.S. des § 2 Nr. 1 GeschGehG in ei-                    reren privaten Beschäftigungsgebern möglich sein soll,
ner Meldung ist danach erlaubt, sofern die Weitergabe des                  für die Entgegennahme von Meldungen eine gemeinsame
Geschäftsgeheimnisses notwendig war, um einen Verstoß                      Meldestelle einzurichten, wohingegen die weiteren Maß-
im sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeber-                          nahmen vom einzelnen Beschäftigungsgeber zu erfüllen
schutzgesetzes aufzudecken und die hinweisgebende Per-                     sind. Diese Regelung wird von nicht wenigen Experten als
son zum Meldezeitpunkt hinreichend Grund zu der An-                        unionsrechtswidrig empfunden, da sie nicht dem Inhalt
nahme hatte, dass die Meldung der Wahrheit entspricht.                     des Art. 8 Abs. 3, 5 und 6 der Richtlinie entspreche.47 Al-
Auch für andere Strafvorschriften zum Geheimnisschutz,                     lerdings ist zu konstatieren, dass die Richtlinie zumindest
wie bspw. § 30 der AO gilt § 6 HinSchG-E. Neben § 6                        die Möglichkeit der Auslagerung interner Meldewege an
HinSchG enthält § 5 Nr. 2 GeschGehG einen Erlaubnis-                       Dritte als gangbaren Weg ansieht.
tatbestand. Hiernach sind alle Offenlegungen erlaubt, so-
fern sie geeignet sind, das allgemeine öffentliche Interesse               Die Meldekanäle für interne Meldestellen werden durch
zu schützen. Beide Erlaubnistatbestände ergänzen sich                      § 16 HinSchG-E geregelt. Während noch in der ersten
und kommen unabhängig voneinander zur Anwendung.                           Entwurfsfassung § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG-E klargestellt
Sie gewährleisten dem Hinweisgeber Rechtssicherheit                        hatte, dass es keine Verpflichtung gibt, Meldestellen so
und schützen ihn vor dem scharfen Schwert des Straf-                       einzurichten, dass anonyme Meldungen möglich sind,48
rechts.                                                                    wurde dies auf Empfehlung des Rechtsausschusses bereits
                                                                           in der zweiten Entwurfsfassung geändert49 und auch jetzt
3. Einrichtung von Meldestellen                                            im neuen Anlauf der Einbringung des Hinweisgeber-
                                                                           schutzgesetzes beibehalten.50 Nach § 16 Abs. 1 S. 5 Hin-
Hinsichtlich der Meldung von Hinweisen ist zwischen in-                    SchG-E sind für anonym eingehende Meldungen Melde-
ternen und externen Meldungen sowie der Offenlegung zu                     kanäle vorzuhalten, die die anonyme Kontaktaufnahme
unterscheiden.                                                             und Kommunikation ermöglichen sollen. Die Möglich-
                                                                           keit, dass interne Meldestellen auch anonym eingehende
a) Interne Meldungen, §§ 12 ff. HinSchG-E                                  Meldungen bearbeiten können, entspricht laut dem Bun-
                                                                           desverband deutscher Unternehmensjuristen ohnehin den
Interne Meldestellen sind solche, die Beschäftigungsgeber                  aktuellen Gegebenheiten bei größeren Konzernen und Un-
im eigenen Unternehmen zu errichten haben. § 12 Abs. 2                     ternehmen.51 Zutreffend wird zudem angeführt, dass be-
HinSchG-E stellt klar, dass eine solche Meldestelle in der                 reits bestehende Meldeverfahren, wie in § 3b Abs. 1 S. 2
Regel ab einer Beschäftigungsanzahl von 50 Beschäftig-                     BörsG, anonyme Hinweise annehmen und die vermutete
ten einzurichten ist. Insofern hält sich der deutsche Ge-                  erhöhte Missbrauchsgefahr sich nicht bestätigen lasse.52
setzgeber an die Mindestvorgaben der EU-Richtline, un-                     In der Praxis zeige sich außerdem häufig, dass Meldungen
terschreitet die Beschäftigtenanzahl aber nicht. Die inter-                gerade deswegen abgegeben werden, weil ein anonymer
nen Meldestellen haben gem. § 13 HinSchG-E sowohl die                      Meldeweg offensteht.53 Des Weiteren lassen sich potenzi-
Aufgabe, Meldekanäle nach §16 HinSchG-E zu betreiben,                      elle Hinweisgeber bei der Möglichkeit anonymer Melde-
das Verfahren nach § 17 HinSchG-E zu führen und ggfs.                      wege ggf. leichter motivieren, interne und nicht externe

47                                                                         51
     Tranparency international e.V. (o. Fn. 43), öffentliche Anhörung v.        Bund der Unternehmensjuristen, S. 6, abrufbar unter: https://kri-
     19.10.2022, S. 6, 7; ebenso Dilling, CCZ 2022, 145 (148); Reppel-          poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BUJ_
     mund (o. Fn. 41), DIHK, öffentliche Anhörung v.19.10.2022, S. 11.          HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D76
48
     BT-Drs. 20/3442, S. 35.                                                    90A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2023), ebenfalls be-
49
     BT-Drs. 20/4909, S. 24.                                                    stehe bereits jetzt ein internetbasiertes Meldeportal auch für ano-
50
     BT-Drs. 20/5992, S. 15.                                                    nyme Meldungen in Niedersachsen; vgl. auch BRK, S. 6, abrufbar
                                                                                unter:    https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/07/0517_Stel-
                                                                                lungnahme_BRAK_HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737
                                                                                E2E0C43CEA4D7690A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am
                                                                                10.3.2023).
                                                                           52
                                                                                Transparency international e.V. (o. Fn. 43), öffentliche Anhörung,
                                                                                S. 5.
                                                                           53
                                                                                BRAK (o. Fn. 51), S. 6; Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (22).
68   KriPoZ 2 | 2023

        Kanäle zu nutzen.54 Insofern ist es richtig und wichtig,                15 der EU-Richtlinie geschuldet, die dies zwingend vor-
        dass § 16 HinSchG-E eine verpflichtende Einrichtung in-                 sieht.56 Allerdings empfiehlt die Richtlinie in Art. 7, dass
        terner Meldekanäle auch für anonyme Hinweise vorsieht.                  die Mitgliedstaaten sich dafür einsetzen sollen, dass in-
        Die interne Meldestelle ist nach Eingang der Meldung                    terne vor externen Meldekanälen genutzt werden. Diesem
        gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-E zur Bestätigung des                    Passus ist lediglich durch § 28 Abs. 1 S. 3 HinSchG-E
        Eingangs und gem. § 17 Abs. 2 HinSchG-E nach drei Mo-                   Rechnung getragen worden, nach dem die externe Melde-
        naten zur Rückmeldung an den Hinweisgeber verpflichtet.                 stelle in geeigneten Fällen den Hinweisgeber auf die Mög-
                                                                                lichkeit interner Meldungen hinweisen soll. Diese Vor-
        b) Externe Meldungen, §§ 19 ff. HinSchG-E                               schrift greift natürlich zu spät, weil der Hinweisgeber sich
                                                                                ja bereits an eine externe Stelle gewandt hat.57 Insofern
        Zudem muss nach § 19 Abs. 1 HinSchG-E das Bundesamt                     hätte der Gesetzgeber an dieser Stelle durch die in Art. 7
        für Justiz eine Meldestelle für externe Meldungen einrich-              der Richtlinie eröffnete Möglichkeit die interne Meldung
        ten. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-               besser und wirkungsvoller stärken können. Wird hier
        sicht sowie das Bundeskartellamt sind zur Einrichtung ex-               nicht nachjustiert, so ist es Aufgabe des Arbeitgebers, das
        terner Meldestellen gem. §§ 20, 21 HinSchG-E verpflich-                 eigene interne Meldesystem möglichst einfach handhab-
        tet. Darüber hinaus können die Bundesländer gem. § 20                   bar zu machen und seine Arbeitnehmer darüber transpa-
        HinSchG-E externe Meldestellen auf Landes- sowie                        rent zu informieren. Je besser dies gelingt und die Ver-
        Kommunalverwaltungsebene einrichten.                                    traulichkeit des internen Systems gewährleistet wird,
                                                                                desto eher wird der Arbeitnehmer interne Wege vor exter-
        Ebenso wie interne Meldestellen prüfen externe Melde-                   nen nutzen.58
        stellen den Inhalt und die Stichhaltigkeit des Hinweises
        (§§ 24 Abs. 1, 28 Abs. 2 HinSchG-E). Sie sind ebenfalls                 4. Der Hinweisgeberschutz
        zur Rückmeldung verpflichtet und sollen auf den internen
        Meldeweg hinweisen, wenn dieser im Einzelfall möglich                   Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes soll die
        scheint.                                                                Ziele der EU-Richtlinie, einen umfassenden Schutz der
                                                                                Whistleblower sicherzustellen, umsetzen. Insofern ist
        c) Die Offenlegung                                                      gem. §§ 8 und 9 HinSchG-E die Identität der hinweisge-
                                                                                benden Person grundsätzlich vertraulich zu behandeln.
        In Umsetzung der EU-Richtlinie legt § 32 HinSchG-E                      Neben dem Hinweisgeber gilt dies auch gegenüber Perso-
        fest, unter welchen Voraussetzungen der Hinweisgeber                    nen, die Gegenstand der Meldung sind.
        die Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich
        machen darf. Erforderlich ist, dass zunächst eine externe               Zudem wird der Hinweisgeber umfassend vor möglichen
        Meldung erfolgt ist, die nicht ausreichend bearbeitet                   Repressalien aufgrund seiner Meldung geschützt. Repres-
        wurde oder dass ein hinreichender Grund gegeben ist. Ein                salien sind nicht nur gem. § 36 Abs. 1 HinSchG-E grund-
        solcher liegt u.a. vor, wenn der Verstoß wegen eines Not-               sätzlich verboten, sondern auch bußgeldbewehrt sowie
        falls die Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbare               schadensersatzpflichtig.
        Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefähr-
        dung des öffentlichen Interesses darstellen.                            Voraussetzung ist, dass der Hinweisgeber gem. § 33 Hin-
                                                                                SchG-E zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung
        d) Verhältnis interner und externer Meldungen                           hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass diese In-
                                                                                formation der Wahrheit entspricht und in den Anwen-
        Interne und externe Meldungen stehen sich nach dem Ent-                 dungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt. Mel-
        wurf des Hinweisgeberschutzgesetzes gleichrangig ge-                    det der Hinweisgeber missbräuchlich oder böswillig un-
        genüber, d.h. die hinweisgebende Person hat die Wahl, ob                richtige Informationen, so erhält er keinen Schutz. Ge-
        sie sich erst an „ihre“ interne Meldestelle oder direkt an              schützt sind aber auch hinweisgebende Personen, denen
        eine externe Meldestelle wendet. Die Offenlegung gem.                   bei der Bewertung des Sachverhalts Fehler unterlaufen
        § 32 HinSchG-E steht dem Hinweisgeber allerdings erst                   sind und die in gutem Glauben ungenaue oder unzutref-
        dann zur Verfügung, wenn er zuvor eine externe Melde-                   fende Informationen melden.59 Schwierig wird es hier ver-
        stelle konsultiert hat.                                                 mutlich werden, missbräuchliches Verhalten nachzuwei-
                                                                                sen.
        Die Gleichrangigkeit interner und externer Meldungen
        wird zu einer Neuausrichtung des bisher in Deutschland                  Anders als die Richtlinie wird im Entwurf des Hinweisge-
        geltenden Stufenverhältnisses führen.55 Die nunmehr in                  berschutzgesetzes auf einen Katalog möglicher Repressa-
        § 7 HinSchG-E normierte freie Wahl zwischen interner                    lien verzichtet und alle Benachteiligungen erfasst, die
        und externer Meldung ist der Umsetzung von Art. 10 und

        54                                                                      56
             S. Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (22).                                 Die Aufgabe des Stufenverhältnisses kritisieren bspw. Thüsing, DB
        55
             Nach der Rechtsprechung musste sich der Arbeitnehmer bisher zu-         2022, 1066 (1067); Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1203) und
             nächst um eine innerbetriebliche Meldung bemühen, allerdings be-        Forst, EuZA 2020, 283 (295). Positiv dagegen Falter (o. Fn. 40),
             standen Ausnahmen, sofern eine solche unzumutbar war, vgl. BAG,         öffentlich Anhörung v. 19.10.2022, S. 4.
                                                                                57
             NZA 2020, 646; dieses Stufenverhältnis hat der EGMR aber bereits        BDI (o. Fn. 38), S. 5.
                                                                                58
             in der Heinisch-Entscheidung abgeschwächt, s. EGMR, NZA 2011,           Vgl. hierzu auch Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (24).
             1269.                                                              59   BT-Drs. 20/3442, S. 92; BT-Drs. 20/5992, S. 77.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife                                                    KriPoZ 2 | 2023                       69

Folge der Meldung oder Offenlegung sind.60 Zudem sieht                     5. Schadensersatzvorschriften
§ 36 HinSchG-E eine Beweislastumkehr vor, da die Per-
son, die den Hinweisgeber benachteiligt hat, beweisen                      Eine Schadensersatzpflicht kann nicht nur den Verursa-
muss, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerecht-                    cher von Repressalien gem. § 37 HinSchG-E treffen, son-
fertigten Gründen oder nicht auf der Meldung oder Offen-                   dern auch den Hinweisgeber im Falle von Falschmeldun-
legung beruht. Gerade diese Beweislastumkehr ist auf                       gen gem. § 38 HinSchG-E. Allerdings betrifft dies nur
Kritik gestoßen, da sie den Grundsatz der freien Unterneh-                 vorsätzliche und grob fahrlässige unrichtige Meldungen
mensentscheidung, insbesondere hinsichtlich des Kündi-                     oder Offenlegungen. Schadensersatzansprüche, die sich
gungsschutzes beeinflussen würde.61 Zumindest solle eine                   aus einer einfachen fahrlässigen unrichtigen Meldung er-
Missbrauchskontrolle eingeführt werden, bevor die weit-                    geben, sollen nicht bestehen. Die Gesetzesbegründung
reichenden Folgen der Beweislastumkehr greifen.62 Aller-                   macht deutlich, dass es verfehlt wäre, überhöhte Anforde-
dings ist die normierte Beweislastumkehr der Umsetzung                     rungen an die hinweisgebende Person in Bezug auf die
von Art. 21 der EU-Richtlinie geschuldet, sodass der deut-                 Überprüfung der Richtigkeit der Informationen zu stel-
sche Gesetzgeber hier in der Pflicht ist.63                                len.69 Dies hätte in letzter Konsequenz sonst wiederum
                                                                           eine fehlende Bereitschaft potenzieller Hinweisgeber zur
Um die hinweisgebende Person zu schützen, sieht § 35                       Folge, Missstände aufzudecken.
HinSchG-E den Ausschluss seiner Verantwortlichkeit
vor. Der Hinweisgeber kann nach Abs. 1 nicht für die Be-                   6. Bußgeldvorschriften
schaffung von oder den Zugriff auf Personen, die er ge-
meldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich ge-                  Die Bußgeldvorschrift des § 40 HinSchG-E komplettiert
macht werden, sofern nicht die Beschaffung oder der Zu-                    den Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes und setzt
griff eine eigenständige Straftat darstellt. Hierdurch soll                Art. 23 Abs. 1 und 2 der EU-Richtlinie um. Diese verlangt
ein bewusstes Auskundschaften auf der Suche nach Mel-                      wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen.
dungen verhindert werden – die Strafbarkeit bspw. durch                    Gegen den Hinweisgeber kann nach § 40 Abs. 1 Hin-
das Ausspähen oder Abfangen von Daten oder die Bege-                       SchG-E ein Bußgeld verhängt werden, soweit er wissent-
hung eines Hausfriedensbruchs bleibt also bestehen.64                      lich unrichtige Informationen über Verstöße offenlegt.
Durch die Vorschrift soll den Hinweisgebern die Sorge                      Hierdurch soll das ungeprüfte Weitertragen und Veröf-
davor genommen werden, dass sie durch die Weitergabe                       fentlichen falscher Informationen verhindert werden, da
relevanter Informationen, die sie nicht rechtmäßig erlangt                 diese für die Betroffenen besonders schwere Folgen haben
haben, zur Verantwortung gezogen werden.65 Teilweise                       können.70 Daher sieht der Gesetzgeber über die ggf. ver-
wird auch hier kritisiert, dass die rechtswidrige Beschaf-                 wirklichten Straftatbestände des Vortäuschens einer Straf-
fung nicht den Schutz des Hinweisgebers auslösen sollte                    tat, der falschen Verdächtigung und Verleumdung hinaus
und die Regelung zu kurz greife, sofern sie nur auf Straf-                 einen Bußgeldtatbestand vor.
taten abstelle.66 Allerdings wird auch hier lediglich
Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie umgesetzt. Einen Spielraum                   Gem. § 40 Abs. 2 HinSchG-E können Geldbußen umge-
hat der deutsche Gesetzgeber an dieser Stelle nicht. Zu-                   kehrt auch gegen juristische oder natürliche Personen ver-
dem muss konstatiert werden, dass das materielle Straf-                    hängt werden. Für die Behinderung oder den Versuch der
recht als scharfes Schwert dem Hinweisgeber weiterhin                      Behinderung einer Meldung kann ebenso eine Geldbuße
droht, was zu einer in der Praxis sehr gewichtigen Ein-                    verhängt werden wie für das Ergreifen oder versuchte Er-
schränkung der Privilegierung des Hinweisgebers führt.67                   greifen einer Repressalie. Auch Vertraulichkeitsverstöße
                                                                           im Hinblick auf die Identität des Hinweisgebers stellen
§ 35 Abs. 2 HinSchG-E regelt nicht die Beschaffung, son-                   eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei diese auch bei leicht-
dern die Weitergabe der Information im Rahmen einer                        fertigen oder fahrlässigen Verstößen geahndet werden
Meldung oder Offenlegung. Die Vorschrift ergänzt § 6                       können. Schließlich kann eine Geldbuße ebenfalls ver-
HinSchG-E und soll sicherstellen, dass sich der Hinweis-                   hängt werden, sofern keine oder mangelhafte interne Mel-
geber auch dann keiner Verantwortlichkeit ausgesetzt                       destellen durch die zur Einrichtung von Meldestellen ver-
sieht, die nicht unter § 6 HinSchG-E fallen. Es scheidet                   pflichteten Unternehmen installiert werden.
somit auch jede Verantwortlichkeit für aus der Meldung
oder Offenlegung entstandene Schäden aus. Außerdem                         V. Fazit
stellt der Gesetzgeber klar, dass nach Abs. 2 im Gegensatz
zu Abs. 1 auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit in                   Zutreffend stellen Fuhlrott/Henckel fest, dass der erste in
Bezug auf die Meldung oder Offenlegung ausgeschlossen                      dieser Legislaturperiode eingebrachte Entwurf des Hin-
ist.68 Dies ist auch erforderlich, um die Hinweisgeber voll-               weisgeberschutzgesetzes bzgl. der relevanten Punkte
umfänglich zu schützen.

60                                                                         63
     BT-Drs. 20/3442, S. 95; BT-Drs. 20/5992, S. 80 f. Kritisch zum feh-        Kritisch aber schon zur in der Richtlinie festgeschriebenen Beweis-
     lenden Katalog bspw. BDK, S. 2, abrufbar unter: https://kri-               lastumkehr Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1204).
                                                                           64
     poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BDK_                  BT-Drs. 20/5992, S. 79.
                                                                           65
     HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D7                        BT-Drs. 20/5992, S. 79.
                                                                           66
     690A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2023).                        So BDA (o. Fn. 33), S. 7.
61                                                                         67
     So BRK (o. Fn. 51), S. 9; BDA (o. Fn. 39), S. 8.                           S. Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (25).
62                                                                         68
     Zum Missbrauch BDA (o. Fn. 39), S. 8; zur Missbrauchskontrolle             BT-Drs. 20/5992, S. 80.
                                                                           69
     vgl. Quast/Ohrloff, CCZ 2022, 303 (307).                                   BT-Drs. 20/5992, S. 82.
                                                                           70
                                                                                So BT-Drs. 20/5992, 83.
70   KriPoZ 2 | 2023

        weitgehend eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richt-         rückschrauben und auf Unionsrechtsverstöße beschrän-
        linie darstellt, sodass wesentliche Änderungen nicht zu er-   ken wollen. Denn dann wäre der Hinweisgeberschutz in
        warten sind.71 Insofern bleibt unverständlich, warum der      Deutschland nach wie vor defizitär.
        Bundesrat dem Gesetzentwurf die Zustimmung verwei-
        gert hat.                                                     Um den Weg über den Vermittlungsausschuss zu vermei-
                                                                      den, hat die Bundesregierung aus einem Gesetz zwei ge-
        Ansonsten entspricht der neue Gesetzentwurf des Hin-          macht und die Landes- und Kommunalbeamten und Rich-
        weisgeberschutzgesetzes dem bereits eingebrachten Ent-        ter aus dem Anwendungsbereich des Hinweisgeber-
        wurf. Kleinere gesetzliche Unebenheiten sind leider nicht     schutzgesetzes – zunächst – ausgenommen. Erst durch das
        geglättet worden. Dies wäre aber wünschenswert gewe-          Ergänzungsgesetz wird diese Ausnahme wieder rückgän-
        sen. So hätte man beispielsweise den unübersichtlichen        gig gemacht. Diese „Umgehung“ der Zustimmung des
        Katalog des § 2 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG-E glätten sowie die      Bundesrats ist in der öffentlichen Anhörung zu Recht auf
        stärkere Konturierung missbräuchlichen Verhaltens i.S.        Kritik gestoßen. Zudem ist dann, wenn der Bundesrat dem
        des § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E gesetzlich verankern kön-      Ergänzungsgesetz die Zustimmung verweigert, eine richt-
        nen. Ebenso hätten noch etwaige Bedenken zur Verein-          linienkonforme Umsetzung nicht gegeben, soweit Beamte
        barkeit bspw. von § 14 Abs. 1 HinSchG-E mit der Richt-        und Richter der Bundesländer vom Hinweisgeberschutz
        linie aus dem Weg geräumt werden können, um sicherzu-         ausgenommen sind. Insofern ist die Zukunft des Hinweis-
        stellen, dass das HinSchG mit der Richtlinie vollständig      geberschutzgesetzes und seines Ergänzungsgesetzes so-
        im Einklang steht.                                            wohl in gesetzgeberischer als auch verfassungsrechtlicher
                                                                      Hinsicht ungewiss, zumal der Gesetzentwurf am
        Ansonsten ist aber erfreulich, dass der deutsche Gesetzge-    30.3.2023 kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt
        ber nicht auf die kritischen Stimmen gehört hat, die den      wurde. Ob und wann die zweite und dritte Lesung stattfin-
        Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes zu-          den wird, ist nicht bekannt.

        71
             Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell 2022, 441 (445).
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