Hinweisgeberschutz in der Warteschleife
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62 KriPoZ 2 | 2023 Hinweisgeberschutz in der Warteschleife von Prof. Dr. Anja Schiemann und Paula Schnabel * Abstract required to protect whistleblowers. Now, the federal gov- Kurz vor der Ziellinie hatte der Bundesrat das Hinweis- ernment is choosing a different path and is splitting the geberschutzgesetz gestoppt. Dabei hätte bereits im De- draft of the Whistleblower Protection Act into two drafts. zember 2021 die EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäi- The first newly introduced draft is largely identical to the schen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum one that failed in the Bundesrat but explicitly excludes Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht civil servants of the Länder, municipalities and municipal melden,1 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. associations, as well as other public corporations, institu- Die Länder haben nicht nur kritisiert, dass die vorlie- tions and foundations subject to the supervision of a Land gende Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes weit über as well as judges in the service of the Land from the scope die EU-Vorgaben hinausgehe, sondern auch, dass auf die of application. Due to this trick, according to the federal Unternehmen aufgrund der organisatorisch notwendigen government, the act no longer requires the consent of the Anpassungen zum Hinweisgeberschutz erhebliche Kosten Bundesrat. In addition, the laborious path of appealing to zukommen. Jetzt wählt die Bundesregierung einen ande- the Conciliation Committee, which would lead to further ren Weg und splittet den Entwurf des Hinweisgeber- delays in the implementation of the directive, could be cir- schutzgesetzes in zwei Entwürfe auf. Der erste neu einge- cumvented. The reason why haste is necessary is that the brachte Entwurf ist weitgehend identisch mit dem im Bun- EU Commission initiated infringement proceedings desrat gescheiterten, nimmt allerdings ausdrücklich Be- against Germany a long time ago because of the lack of amte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände so- implementation of the directive and also took Germany to wie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehen- the ECJ this year because it is not making progress with den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffent- the implementation of the directive. lichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landes- dienst aus dem Anwendungsbereich aus. Durch diesen I. Einleitung Trick, so meint die Bundesregierung, sei keine Zustim- mung des Bundesrats mehr erforderlich. Zudem wird der Hinweisgeber – oder auch Whistleblower2 genannt – se- mühsame Weg der Anrufung des Vermittlungsausschusses hen sich in Deutschland nach der derzeit (noch) geltenden umgangen, der zu weiteren Verzögerungen der Umset- Rechtslage einigen Risiken ausgesetzt. Hinweisgeber im zung der Richtlinie führen würde. Eile ist deswegen gebo- Sinne von Art. 5 Nr. 7 der EU-Richtlinie 2019/1937 des ten, weil die EU-Kommission wegen der fehlenden Umset- Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zung der Richtlinie bereits vor längerer Zeit ein Vertrags- sind Personen, die im Zusammenhang mit ihren Arbeits- verletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat tätigkeiten erlangte Kenntnisse über Verstöße melden und Deutschland in diesem Jahr auch vor dem EuGH ver- oder offenlegen. Von der Richtlinie erfasst sind hier auch klagt hat, weil es mit der Umsetzung der Richtlinie nicht explizit solche Personen, die mit der Organisation, deren vorankommt. Verstöße gemeldet werden sollen, in Kontakt stehen.3 Hinweisgeber sind demnach Personen, die aus dem Inne- Shortly before the finish line, the Federal Council had ren eines Unternehmens oder einer anderen Organisation, stopped the Whistleblower Protection Act. The EU Di- Fehlverhalten aufdecken, um die negativen Folgen dessen rective 2019/1937 of the European Parliament and of the einzudämmen.4 Council of 23 October 2019 on the protection of persons who report infringements of Union law should have been Durch ihre Meldungen leisten Hinweisgeber einen ent- transposed into national law as early as December 2021. scheidenden Beitrag zur Aufdeckung und Behebung von The Länder have not only criticised that the current ver- betrieblichen Missständen und tragen dadurch sowohl sion of the Whistleblower Protection Act goes far beyond zum Erhalt der Marktgerechtigkeit als auch zum Schutz the EU requirements but also that companies will incur des Gemeinwohls bei.5 Insofern ist es der EU ein Anliegen considerable costs due to the organisational adjustments gewesen, den Schutz dieser Personen auszuweiten. Denn aufgrund zu befürchtenden arbeitsrechtlichen oder sogar 3 * Beide Verfasserinnen sind am Institut für Straf- und Strafprozess- Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des recht der Universität zu Köln tätig. Rates vom 23. Oktober 2019, S.L305/17. 4 1 Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 305/17 vom BT-Drs. 20/3442, S. 56. 5 26.11.2019. Vgl. Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475; Schmitt, NZA-Beil. 3/2020, 2 Ins Deutsche übertragen lässt sich der Begriff allerdings nur bedingt, 50 (54). s. dazu Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (329). Letzt- lich geht der Begriff auf eine Anspielung des Verhaltens englischer Polizisten zurück, die bei Wahrnehmung von Regel- oder Gesetzes- verstößen in eine Trillerpfeife blasen, vgl. zur Begriffsherkunft Rei- ter, RIW 2005, 168 (169).
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife KriPoZ 2 | 2023 63 strafrechtlichen Konsequenzen kann es sein, dass ein po- Anspruch auf Schutz hat ein Hinweisgeber gem. Art. 5 tenzieller Hinweisgeber sich scheut, einen erkannten Abs. 1 lit. a der Richtlinie aber nur dann, wenn er „hinrei- Missstand tatsächlich durch eine entsprechende Meldung chenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm ge- aufzudecken. Gerade in Deutschland ist der Hinweisge- meldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermitt- berschutz aktuell eher lückenhaft. Zwar gibt es einige be- lung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungs- reichsspezifische Normen bspw. im Wertpapierhandels- bereich der Richtlinie fallen.“ Insofern genießen nur gut- gesetz, Arbeitsschutzgesetz oder im Betriebsverfassungs- gläubige Hinweisgeber den Schutz und nicht solche, die gesetz, die in spezifischen Fällen den Hinweisgeber vor wissentlich falsche oder irreführende Informationen mel- Benachteiligung schützen und auch § 612a BGB greift den. Sie müssen sogar damit rechnen, gem. Art. 23 Abs. 2 grundsätzlich in Form eines allgemeinen Maßregelungs- der Richtlinie bestraft und zur Schadenswiedergutma- verbots. Die praktische Relevanz des § 612a BGB ist aber chung verpflichtet zu werden. gering, da den Arbeitnehmer die Beweislast einer Benach- teiligung trifft.6 Als Meldewege sind drei verschiedene Berichtsarten vor- gesehen, nämlich das interne und externe Whistleblowing Der strafrechtliche Schutz wurde bereits durch das am sowie die sog. „Offenlegung“. Eine interne Meldung er- 26.4.2019 in Kraft getretene Geschäftsgeheimnisgesetz fasst die mündliche oder schriftliche Mitteilung von Ver- erhöht. Nach § 5 Nr. 2 ist die Offenlegung von Geschäfts- stößen innerhalb des Unternehmens, wobei diese internen geheimnissen nicht verboten, sofern dies zum Schutz ei- Meldekanäle von den Unternehmen selbst einzurichten nes berechtigten Interesses erfolgt, insbesondere zur Auf- sind, aber auch von Dritten, wie bspw. Rechtsanwälten deckung rechtswidriger Handlungen oder eines Fehlver- und Wirtschaftsprüfern betrieben werden können.10 Gem. haltens. Allerdings muss die Offenlegung geeignet sei, Art. 8 der Richtlinie besteht für Unternehmen ab 50 Mit- das öffentliche Interesse zu schützen.7 arbeitern die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle und der damit verbundenen Prozesse für Folgemaßnah- Insgesamt ist aber zu bemängeln, dass der derzeitige Hin- men. Ob darüber hinaus auch eine gesetzliche Verpflich- weisgeberschutz nicht nur lückenhaft ist, sondern der tung für Unternehmen unter 50 Mitarbeitern bestehen soll, Whistleblower aufgrund der einzelfallbezogenen Recht- obliegt den Mitgliedsstaaten. Deutschland hat von dieser sprechung auf erhebliche Rechtsunsicherheiten trifft, so- Möglichkeit im Entwurf eines Hinweisgeberschutzgeset- fern er sich zu einer Meldung entschließt. Zudem sind die zes keinen Gebrauch gemacht, sondern ist den Mindest- Meldewege an sich sowie die Voraussetzungen zulässiger vorgaben der Richtlinie gefolgt. externer Meldungen gesetzlich nicht geregelt. Externe Meldungen betreffen Meldungen an eine zustän- II. Erforderliche Umsetzung der EU-Vorgaben dige Behörde. Wer hier zuständig ist, soll von den Mit- gliedsstaaten bestimmt werden, wobei die Behörden mit Die EU-Richtlinie 2019/1937 zielt nun auf die Etablie- ausreichenden Mitteln auszustatten sind. Interne und ex- rung eines Mindestschutzes für Hinweisgeber in den Mit- terne Meldewege sind grundsätzlich gleichrangig, wobei gliedsstaaten und auf eine Förderung des Whistleblowings laut Richtlinie interne Meldewege bevorzugt werden, so- ab.8 Sie soll die Hinweisgeber, deren Verwandte und weit damit keine Repressalien zu befürchten sind. Aller- Dritte, die mit dem Hinweisgeber in Kontakt stehen, vor dings besteht keine Pflicht zur vorherigen Nutzung inter- Vergeltungsmaßnahmen schützen. Es geht dabei nur um ner Meldekanäle – was durchaus zu kritischen Stellung- die Meldung von unionsrechtlichen Verstößen, wobei nahmen Anlass gegeben hat.11 Das von Deutschland favo- nach Art. 2 der Richtlinie verschiedene Rechtsbereiche, risierte Drei-Stufen Modell, nachdem Hinweisgeber zu- wie bspw. Verstöße gegen die Verkehrssicherheit, den nächst interne Meldewege nutzen müssen, bevor externe Umweltschutz, den Verbraucherschutz und den Daten- Meldungen möglich werden, konnte sich nicht durchset- schutz genannt werden. Der persönliche Anwendungsbe- zen.12 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der sog. reich gem. Art. 4 der Richtlinie ist weit gefasst und bezieht „Offenlegung“ nach Art. 5 Nr. 6 der Richtlinie, nach der sich auf alle Hinweisgeber, die „im privaten oder im öf- sich direkt an Online-Plattformen, soziale oder traditio- fentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext nelle Medien sowie Gewerkschaften oder Berufsverbände Informationen über Verstöße erlangt haben“, wobei Ar- gewandt werden darf. Die Anforderungen an geschützte beitnehmer, Beamte, Selbstständige, Anteilseigner, aber Offenlegungen sind hoch, sodass sich gem. Art. 15 Abs. 1 auch Praktikanten und Personen, die unter der Aufsicht der Richtlinie nur derjenige Hinweisgeber darauf berufen und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern kann, der zunächst eine interne oder externe Meldung er- und Lieferanten arbeiten, erfasst sind. Dadurch ist der per- stattet hat und dennoch keine geeigneten Maßnahmen er- sönliche Anwendungsbereich sehr weit gesteckt auf alle griffen wurden. Geschützt sind darüber hinaus auch Of- Hinweisgeber, die „im weitesten Sinne in einer arbeitsbe- fenlegungen, die Verstöße einer unmittelbaren oder offen- zogenen Verbindung mit einem Unternehmen stehen“.9 kundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses darstel- len oder soweit Repressalien zu befürchten sind. 6 10 S. Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020, Anm. 1. Zu den unterschiedlichen Meldewegen und Möglichkeiten vgl. 7 Vgl. zum Geschäftsgeheimnisgesetz Reinbacher, KriPoZ 2019, Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475 (2478). 11 148; Bildhäuser/Reinhardt, GRUR-Prax 2020, 576; Ohly, GRUR Vgl. Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1203); zur fehlenden 2019, 441; zu Strafbarkeitsrisiken des Hinweisgebers Nöbel/Veljo- Stringenz Taschke/Pielwo/Volk, NZWiSt 2021, 85 (89). 12 vic, CB 2020, 34. S. Steinhauser/Kreis, EuZA 2021, 422 (430); Granetzny/Mark- 8 Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475 (2476). worth, jurisPR-Compl 1/2020, Anm. 1. 9 So Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1202).
64 KriPoZ 2 | 2023 Die Richtlinie beinhaltet auch Schutzmaßnahmen, insbe- zung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Ver- sondere das Verbot von Repressalien nach Art. 19, be- stöße gegen das Unionsrecht melden, veröffentlicht.16 Am nannt werden bspw. Suspendierung, Kündigung und an- 27.7.2022 hat das Kabinett das Hinweisgeberschutzgesetz dere Disziplinar- oder Diskriminierungsmaßnahmen im beschlossen und einen entsprechenden Regierungsent- Arbeitsverhältnis. Weitere Schutzmaßnahmen gem. wurf vorgestellt.17 Im Oktober fand im Rechtsausschuss Art. 21 der Richtlinie sind die Haftungsfreistellung und eine öffentliche Sachverständigenanhörung statt.18 Der Schadenswiedergutmachung sowie eine Beweislastum- Rechtsausschuss hat einige Änderungen des Gesetzes vor- kehr. Dieser kommt besondere Bedeutung zu, da zuguns- genommen, insbesondere wurden Meldungen zu verfas- ten des Hinweisgebers vermutet wird, dass eine von ihm sungsfeindlichen Äußerungen von Beamten in das Hin- erlittene Benachteiligung auf die Meldung oder Offenle- weisgeberschutzgesetz aufgenommen – auch solche un- gung zurückgeht. Der Arbeitgeber hat dann zu beweisen, terhalb der Strafbarkeitsschwelle.19 dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert. Weiterhin soll gem. Art. 20 der Richtli- Doch überraschenderweise stimmte der Bundesrat in sei- nie Hinweisgebern staatlicherseits auch Zugang zu unter- ner Plenarsitzung vom 10.2.2023 dem geänderten Gesetz- stützenden Maßnahmen ermöglicht werden. Hierzu gehö- entwurf nicht zu. Die Möglichkeit, den Vermittlungsaus- ren u.a. kostenlose, umfassende und unabhängige Infor- schuss anzurufen, wurde nicht genutzt. Schon kurz nach mation über die bestehenden Schutzmaßnahmen sowie dem Scheitern im Bundesrat gab es Stimmen aus der Am- Prozesskosten- und Beratungshilfe. Nach Art. 23 der pelkoalition, die das Einbringen eines neuen Gesetzent- Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten wirksame, ange- wurfs in nicht zustimmungspflichtiger Form favorisie- messene und abschreckende Sanktionen gesetzlich zu ver- ren.20 Im Bundesrat wurde primär kritisiert, dass das ge- ankern, die greifen, soweit Personen Meldungen behin- plante Hinweisgeberschutzgesetz weit über die Vorgaben dern, Repressalien verhängen oder die Vertraulichkeit der der EU-Richtlinie hinausgehe und die Unternehmen durch Identität von Hinweisgebern nicht wahren. Vergleichbare die verpflichtende Einführung von Meldesystemen zu ho- Sanktionen muss es für Personen geben, die wissentlich hen finanziellen Belastungen ausgesetzt seien.21 falsche Informationen melden, wobei bei der Normierung darauf zu achten ist, dass potenzielle Hinweisgeber nicht Daher schlug die Bundesregierung jetzt den Weg ein, am abgeschreckt werden. 17.3.2023 zwei Gesetzentwürfe einzubringen. Der erste trägt den Titel „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Letztlich soll nach der Richtlinie in den Mitgliedstaaten Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung ein dreifacher Schutz des gutgläubigen Whistleblowers der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße ge- gewährleistet sein: Seine Vertraulichkeit ist zu wahren, gen das Unionsrecht melden“.22 Dieser Entwurf ist weit- Repressalien sollen nicht gefürchtet werden und der Hin- gehend identisch mit dem ersten Entwurf eines Hinweis- weisgeber ist vor einer Haftung zu schützen.13 geberschutzgesetzes, den der Bundestag am 16.12.2022 verabschiedet hatte.23 Ausdrücklich ausgenommen vom III. Der lange Weg ins nationale Recht Entwurf sind aber Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht ei- Die Richtlinie hätte bis zum 17.12.2021 in nationales nes Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Recht umgesetzt werden müssen. Daher ist bereits in der Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen 19. Legislaturperiode der Referentenentwurf eines Hin- und Richter im Landesdienst. Dieser Ausschluss wird im weisgeberschutzgesetzes diskutiert worden.14 Auch die zweiten „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Re- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte den Entwurf ei- gelungen zum Hinweisgeberschutz“ wieder zurückge- nes Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum nommen.24 Durch diesen Trick ist nach Auffassung der Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hin- Bundesregierung eine Zustimmung des Bundesrats nur für weisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) in den Bundes- das Ergänzungsgesetz erforderlich. tag ein.15 Innerhalb der 19. Legislaturperiode konnte sich jedoch nicht auf einen Regierungsentwurf geeinigt wer- Dieser Ansicht wurde in der öffentlichen Anhörung im den. Insofern hat das Bundesjustizministerium am Rechtsausschuss vom 27.3.2023 seitens einiger Experten 13.4.2022 erneut einen Referentenentwurf für einen bes- entschieden entgegengetreten. Zwar habe das BVerfG in seren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umset- der Vergangenheit eine Aufspaltung von Gesetzesvorha- 13 18 So in der Conclusio auch Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl Die Stellungnahmen der öffentlichen Anhörung sowie zum Referen- 1/2020, Anm. 1. Ausführlich zur Richtlinie auch Taschke/Pielow/ tenentwurf sind abrufbar unter https://kripoz.de/2018/11/13/schutz- Volk, NZWiSt 2021, 85; Brinkmann/Blank, BB 2021, 2475; Gra- von-whistleblowern/ (zuletzt abgerufen am 4.3.2022). 19 netzny/Dzida, NZA 2020, 1201; Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12. BR-Drs. 2023. 14 20 Abrufbar unter: https://www.whistleblower-net.de/wp-content/up- S. hierzu Haufe v. 20.2.2023, abrufbar unter: https://www.haufe.de/ loads/2021/02/Referentenentwurf-BMJV-WB-RL-Umsetzungsge- compliance/recht-politik/hinweisgebersysteme-und-die-eu-whist- setz-8.pdf (zuletzt abgerufen am 4.3.2023). Vgl. hierzu Erle- leblower-richtlinie_230132_528700.html (zuletzt abgerufen am bach/Veljovic, KriPoZ 2021, 165. 4.3.2023). 15 21 BT-Drs. 19/4558. Ein Video der Debatte ist abrufbar unter: https://www.bundes- 16 Abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/07/refe- rat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/23/1030/1030-pk.html (zu- hinweisgeberschutz.pdf (zuletzt abgerufen am 4.3.2023). letzt abgerufen am 4.3.2023). 17 22 BT-Drs. 20/3442. BT-Drs. 20/5992. 23 BT-Drs. 20/4909. 24 BT-Drs. 20/5991.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife KriPoZ 2 | 2023 65 ben in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zu- passt.32 Ebenso wird angemerkt, dass der persönliche An- stimmungspflichtigen Teil in der Vergangenheit gebilligt. wendungsbereich keine Dritten schützt, die im privaten Voraussetzung einer solchen Aufspaltung sei aber, dass Rahmen Kenntnis über den Rechtsverstoß erlangt haben, diese nicht willkürlich oder missbräuchlich sei.25 Ein sol- obwohl Unternehmen auch an diesen Informationen Inte- cher Verstoß gegen das Willkürverbot folge nun daraus, resse haben könnten.33 Dennoch ist festzuhalten, dass der dass die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben einzig der persönliche Anwendungsbereich im Entwurf eines Hin- verweigerten Zustimmung des Bundesrats zum ersten, weisgeberschutzgesetzes an der Richtlinie orientiert und beide Teile umfassenden Gesetzentwurf, geschuldet war. die weite Fassung den Vorgaben der Richtlinie geschuldet Es hätte nun aber hinsichtlich des ersten Entwurfs das ist. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich auf eine Vermittlungsverfahren eingeleitet werden können, um zu – noch – weitere Fassung unter Einbeziehung Dritter, die einer Lösung zu gelangen.26 Insofern ist tatsächlich von privat Kenntnis erlangen, im weiteren Gesetzgebungspro- einer bewussten Umgehung auszugehen, die sachlich nur zess geeinigt werden wird. damit begründet werden kann, dass die Vorgaben der EU- Richtlinie schon lange hätten umgesetzt werden müssen Vielmehr verengt der neue Entwurf des Hinweisgeber- und mittlerweile sogar eine Klage vor dem EuGH anhän- schutzgesetzes den persönlichen Anwendungsbereich – gig ist. Ob dies allein als Begründung trägt ist fraglich. insoweit nicht richtlinienkonform – in § 1 Abs. 3 HinSchG-E wieder. Dem Gesetz nicht unterfallen soll der Zudem wird zutreffend auf die Gefahr eines „Zwei-Klas- in § 1 BeamtStG genannte Personenkreis, der Beamte der sen-Rechts“ hingewiesen, sofern der Bundesrat das als zu- Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sons- stimmungspflichtig eingestufte Ergänzungsgesetz wiede- tigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körper- rum ablehnt und dann für Bundesbeamte etwas anderes schaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen gelte als für Landes- und Kommunalbeamte.27 Rechts umfasst. Ausgenommen sind auch Richter des Landesdiensts, für die nach § 71 DRiG das BeamtStG ent- Trotz dieser Bedenken traf der Rechtsausschuss am sprechend gilt. Als Grund dafür wird benannt, dass das 28.3.2023 die Beschlussempfehlung, beide Gesetze un- Hinweisgeberschutzgesetz Regelungen träfe, die eine An- verändert anzunehmen.28 Am 30.3.2023 fand die vorgese- passung des Beamtenstatusgesetzes für diese Personen- hene zweite und dritte Lesung zum Hinweisgeberschutz- gruppe erforderlich mache. Es wird aber gleichzeitig da- gesetz nicht wie geplant statt. Vielmehr wurde der Gesetz- rauf hingewiesen, dass auch den in § 1 Abs. 3 HinSchG-E entwurf von der Tagesordnung abgesetzt. genannten Personengruppen der Hinweisgeberschutz ge- währt werden müsse, um die Richtlinie 2019/1937 voll- IV. Umsetzungen und Erweiterungen durch das Hin- ständig umzusetzen. Insofern solle zusammen mit der Än- weisgeberschutzgesetz derung des Beamtenstatusgesetzes durch das Ergänzungs- gesetz zum Hinweisgeberschutz wieder aufgehoben wer- 1. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich den. Dies bedürfe aber der Zustimmung des Bundesrats.34 Scheitert dieser Ergänzungsentwurf erneut an der Zustim- Der persönliche Anwendungsbereich des neuen Hinweis- mung des Bundesrats, bliebe das deutsche Hinweisgeber- geberschutzgesetzes umfasst gem. § 1 HinSchG-E alle schutzgesetz nicht richtlinienkonform. Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben.29 Ebenfalls erfasst sind sol- Der sachliche Anwendungsbereich stellt klar, welche Hin- che Personen, die von der Offenlegung betroffen sind oder weise unter den Schutz des Gesetzentwurfs fallen. In Gegenstand der Meldung sind. In der EU-Richtlinie Art. 2 der Richtlinie werden alle relevanten Verstöße ge- 2019/1937 sollten primär Arbeitnehmer im Sinne des Art. gen Unionsrecht und Rechtsakte der Europäischen Union 45 Abs. 1 AEUV geschützt werden, allerdings auch Be- aufgezählt, die das umzusetzende Gesetz enthalten muss. amten und Praktikanten sowie externe Auftragnehmer, Die Beschränkungen des sachlichen Anwendungsbe- Lieferanten und solche Personen, deren Arbeitsverhältnis reichs auf Unionsrecht in der Richtlinie ergeben sich beendet ist oder sich noch im vorvertraglichen Stadium grundsätzlich aus der beschränkten Gesetzgebungskom- befindet.30 Demnach war zur Umsetzung der Richtlinie petenz der Europäischen Union.35 laut Gesetzentwurf eine weite Generalklausel erforder- lich.31 Bemängelt wird in der Umsetzung teilweise, dass Der sachliche Anwendungsbereich in § 2 HinSchG-E ent- die weite Generalklausel begrifflich nicht hinreichend klar hält neben den unionsrechtlich relevanten Verstößen auch gefasst ist, da beispielsweise auf Aufsichtsratsmitglieder sämtliche strafbewehrte sowie bußgeldbewehrte Ver- oder Anteilseigner die Bezeichnung der „beruflichen Tä- stöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Le- tigkeit“ wie in § 1 Abs. 1 HinSchG-E genannt, nicht ben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von 25 28 Vgl. BVerfGE 105, 313 (338 ff.). BT-Drs. 20/6193, S. 3. 26 29 S. Kluth, öffentliche Anhörung v. 27.3.2023, Stellungnahme, S. 4, BT-Drs. 20/3442, S. 2. 30 abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2023/03/Stel- Vgl. auch BT-Drs. 20/3442, S. 33; BT-Drs. 20/5992, S. 31. 31 lungnahme-Kluth.pdf. Ebenso Thüsing, Stellungnahme, Gliede- BT Drs. 20/3442, S. 56; BT-Drs. 20/5992, S. 38. 32 rungspunkt II, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uplo- BRAK, S. 8. 33 ads/2023/03/Stellungnahme-Thuesing.pdf (beide zuletzt abgerufen Dilling, CCZ 2022, 145 (145). 34 am 29.3.2023). BT-Drs. 20/5992, S. 39. 27 35 So Zittel vom Whistleblower-Netzwerk in der öffentlichen Anhö- BT-Drs. 20/3442, S. 33; Colenric/Gerdemann, Die Umsetzung der rung v. 27.3.2023, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/aus- Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht, HSI-Schriftenreihe, schuesse/a06_recht/anhoerungen/938162-938162 (zuletzt abgeru- Bd. 34, 2020, S. 158. fen am 29.3.2023).
66 KriPoZ 2 | 2023 Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Dane- so werden hierunter aber auch Verhaltensweisen von Mel- ben nennt § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG-E auch einen um- dungen mit einbezogen, die zwar nicht unmittelbar rechts- fangreichen Katalog an relevanten Verstößen gegen widrig sind, aber dem Ziel oder Zweck der gesetzlichen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, unter an- Regelung zuwiderlaufen und daher als missbräuchlich an- derem wird hier das Geldwäschegesetz aufgeführt. Vom zusehen sind. Kritisiert wird hier zu Recht die fehlende sachlichen Anwendungsbereich werden zudem Äußerun- Konturierung des missbräuchlichen Verhaltens.41 Teil- gen von Beamten des Bundes erfasst, die einen Verstoß weise wird aufgrund der Gefahr der Rechtsunsicherheit gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen. Diese eine Erheblichkeitsschwelle für rechtmäßiges Verhalten erst später eingefügte Ergänzung soll es laut Gesetzesbe- gefordert.42 Es scheint daher auf der Hand zu liegen, dass gründung ermöglichen, verfassungsfeindliche Äußerun- noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Reichweite des § 3 gen von Beamten auch unterhalb der Strafbarkeits- Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E besteht, die der Gesetzgeber zum schwelle zu melden.36 Um der Zustimmungspflicht des Anlass nehmen sollte, hier noch einmal nachzubessern. Bundesrats zu entgehen, wurde in der Neufassung des Entwurfs eines Hinweisgeberschutzgesetzes der persönli- Gleichzeitig wird von verschiedenen Seiten kritisiert, dass che Anwendungsbereich auf Beamte des Bundes einge- der sehr umfassende Katalog des § 2 Abs. 2 Nr. 3 schränkt. Diese Einschränkung soll durch den Ergän- HinSchG-E es der hinweisgebenden Person schwer ma- zungsentwurf dann wieder zurückgenommen werden, so chen würde, ohne rechtlichen Beistand den sachlichen dass dann Äußerungen von Landes- und Bundesbeamten Anwendungsbereich zu erfassen und daher nicht unbe- erfasst wären.37 dingt dem Schutz des Hinweisgebers dienen würde.43 In der Tat erkennt sogar der Gesetzgeber die fehlende Damit ist der Anwendungsbereich des Gesetzes trotz der Rechtsklarheit der Vorschrift und plädiert für Folgendes: Einschränkungen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG-E auf „Da es für hinweisgebende Personen gänzlich unmöglich Bundesbeamte hinsichtlich der verfassungsfeindlichen wäre nachzuvollziehen, welche Verstöße jeweils in den Äußerungen mit der Ergänzung um Bundes- und Landes- sachlichen Anwendungsbereich fallen und so die vertrau- recht sowie straf- und bußgeldbewährter Vorschriften liche Behandlung seiner Identität nach sich ziehen wür- deutlich weiter, als dies verpflichtend für die Mitglieds- den, ist es unerlässlich, die einzelnen Rechtsbereiche so staaten in Art. 2 der Richtlinie gefordert wurde. Dieser anzupassen, dass hinweisgebende Personen einschätzen Teil des neuen Gesetzes wird wegen ebendieser Erweite- können, ob ein beobachtetes Verhalten gegen Vorschrif- rungen besonders kontrovers diskutiert. Auf der einen ten in diesem Bereich verstößt“.44 Seite stehen diejenigen, die in den Erweiterungen eine Art Überfrachtung des Gesetzes sehen.38 Laut Thüsing birgt Hinzu kommt, dass Meldungen von sicherheitsrelevanten der weite Anwendungsbereich sogar die Gefahr der Um- Daten vom Anwendungsbereich gem. § 5 HinSchG-E aus- gehung schon bestehender branchenspezifischer Regelun- geschlossen sind. Begründet wird das mit dem Schutz der gen.39 nationalen Sicherheit und wesentlichen Sicherheitsinte- ressen.45 Kritisiert wird dies als sog. „Anti-Snowden- Auf der anderen Seite wird der Anwendungsbereich als Klausel“, da dieser auch nach Inkrafttreten des Hinweis- nicht weitgehend genug kritisiert. Denn missbräuchliches geberschutzgesetzes nicht unter den Anwendungsbereich Verhalten, das keinen Rechtsverstoß darstelle, könne fiele.46 nicht gemeldet und demzufolge auch nicht bekämpft wer- den.40 Insofern werden – anders als in § 5 Abs. 2 Abschließend lässt sich feststellen, dass aufgrund der ge- GeschGehG – Meldungen über unethische Verhaltens- ringen praktischen Relevanz der Meldung von Verstößen weisen nicht erfasst. Schaut man auf die gesetzliche Defi- gegen das EU-Rechts der deutsche Gesetzgeber gut daran nition eines Verstoßes nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E, 36 41 BT-Drs. 20/4909, S. 57; BT-Drs. 20/5992, S. 7, 46. Vgl. Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell 2022, 441; Reppelmund, 37 BT-Drs. 20/5992, S. 46; BT-Drs. 20/5991, S. 3. DIHK, öffentliche Anhörung v.19.10.2022, S. 5, abrufbar unter: 38 So der BDA, S. 2, Stellungnahme abrufbar unter: https://kri- https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Rep- poz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Harrer-Kou- pelmund_DIHK.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023). 42 liev_BDA.pdf (zuletzt abgerufen am 6.3.3023) sowie BDI, S. 3, Thüsing (o. Fn. 39), S. 4. 43 letzterer warnt vor sog. Goldplating, abrufbar unter: https://kri- Dilling, CCZ 2022, 145 (146) ebenso Transparency international poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BDI_ e.V., öffentliche Anhörung v. 19.20.2022, S. 3, abrufbar unter: HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D76 https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_ 90A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 6.3.2023). Schloussen_Transparency-International-D.pdf (zuletzt abgerufen 39 Thüsing, öffentliche Anhörung v. 19.10.2022, S. 4, abrufbar unter: am 9.3.2023). 44 https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_ BT-Drs. 20/3442, S. 58. 45 Thuesing.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023). Der BDI äußert ähn- BT-Drs. 20/3442, S. 69. 46 liche Befürchtungen, indem bemängelt wird, dass das Verhältnis S. Gerdemann, ZRP 2022, 98 (99); Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell von HinSchG-E zu den Regelungen im ArbSchG und BetrVG auf- 2022, 441 (442); Falter, öffentliche Anhörung, Whistleblowing- grund des weiten Anwendungsbereichs unklar sei (o. Fn. 38). Netzwerk e.V., S. 3 (o. Fn. 40). 40 Falter, öffentliche Anhörung, Whistleblowing-Netzwerk e.V., S. 2, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stel- lungnahme_Falter.pdf (zuletzt abgerufen am 9.3.2023). Zur Ver- deutlichung wird bspw. Bezug genommen auf den Fall Brigitte Hei- nisch, die die Vernachlässigung in der Altenpflege durch ihre Ent- hüllungen an die Öffentlichkeit brachte, die Unterversorgung aller- dings keinen Straftatbestand darstellte und somit nicht unter den Schutz des HinSchG-E gefallen wäre.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife KriPoZ 2 | 2023 67 tut, den Hinweisgeberschutz auszudehnen. Die Ausdeh- Folgemaßnahmen nach §18 HinSchG-E anzustoßen. Sie nung auf Verstöße gegen Strafgesetze und bußgeldbe- müssen der hinweisgebenden Person ebenfalls Informati- währte Rechtsverstöße, die Leib, Leben, Gesundheit oder onen über externe Meldestellen bereitstellen. Außerdem dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder deren Ver- haben sie gem. § 8 HinSchG-E die Vertraulichkeit der tretungsorganen dienen, erscheint sachgerecht, aber auch Identität des Hinweisgebers, des durch die Meldung direkt ausreichend, zumal sich weitere spezielle Verstöße wie Betroffenen oder der in der Meldung benannten weiteren bspw. nach dem Geldwäschegesetz anschließen. Aller- Personen zu wahren. Ausnahmen von diesem Gebot sind dings trägt der unübersichtliche Katalog dieser weiteren nur möglich, sofern der Hinweisgeber vorsätzlich oder möglichen Rechtsverstöße nicht unbedingt zur Rechts- grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße klarheit bei. meldet oder bestimmte Stellen oder Handlungsweisen gem. § 9 HinSchG-E die Offenlegung der Identität des 2. Verhältnis zu dem Geschäftsgeheimnisgesetz Hinweisgebers oder der gemeldeten Person verlangen. In § 6 Abs. 1 HinSchG-E wird auf das Geschäftsgeheim- In Hinblick auf die internen Meldestellen wird unter an- nisgesetz Bezug genommen. Die Offenbarung von Ge- derem § 14 Abs.1 HinSchG-E kritisiert, nachdem es meh- schäftsgeheimnissen i.S. des § 2 Nr. 1 GeschGehG in ei- reren privaten Beschäftigungsgebern möglich sein soll, ner Meldung ist danach erlaubt, sofern die Weitergabe des für die Entgegennahme von Meldungen eine gemeinsame Geschäftsgeheimnisses notwendig war, um einen Verstoß Meldestelle einzurichten, wohingegen die weiteren Maß- im sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeber- nahmen vom einzelnen Beschäftigungsgeber zu erfüllen schutzgesetzes aufzudecken und die hinweisgebende Per- sind. Diese Regelung wird von nicht wenigen Experten als son zum Meldezeitpunkt hinreichend Grund zu der An- unionsrechtswidrig empfunden, da sie nicht dem Inhalt nahme hatte, dass die Meldung der Wahrheit entspricht. des Art. 8 Abs. 3, 5 und 6 der Richtlinie entspreche.47 Al- Auch für andere Strafvorschriften zum Geheimnisschutz, lerdings ist zu konstatieren, dass die Richtlinie zumindest wie bspw. § 30 der AO gilt § 6 HinSchG-E. Neben § 6 die Möglichkeit der Auslagerung interner Meldewege an HinSchG enthält § 5 Nr. 2 GeschGehG einen Erlaubnis- Dritte als gangbaren Weg ansieht. tatbestand. Hiernach sind alle Offenlegungen erlaubt, so- fern sie geeignet sind, das allgemeine öffentliche Interesse Die Meldekanäle für interne Meldestellen werden durch zu schützen. Beide Erlaubnistatbestände ergänzen sich § 16 HinSchG-E geregelt. Während noch in der ersten und kommen unabhängig voneinander zur Anwendung. Entwurfsfassung § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG-E klargestellt Sie gewährleisten dem Hinweisgeber Rechtssicherheit hatte, dass es keine Verpflichtung gibt, Meldestellen so und schützen ihn vor dem scharfen Schwert des Straf- einzurichten, dass anonyme Meldungen möglich sind,48 rechts. wurde dies auf Empfehlung des Rechtsausschusses bereits in der zweiten Entwurfsfassung geändert49 und auch jetzt 3. Einrichtung von Meldestellen im neuen Anlauf der Einbringung des Hinweisgeber- schutzgesetzes beibehalten.50 Nach § 16 Abs. 1 S. 5 Hin- Hinsichtlich der Meldung von Hinweisen ist zwischen in- SchG-E sind für anonym eingehende Meldungen Melde- ternen und externen Meldungen sowie der Offenlegung zu kanäle vorzuhalten, die die anonyme Kontaktaufnahme unterscheiden. und Kommunikation ermöglichen sollen. Die Möglich- keit, dass interne Meldestellen auch anonym eingehende a) Interne Meldungen, §§ 12 ff. HinSchG-E Meldungen bearbeiten können, entspricht laut dem Bun- desverband deutscher Unternehmensjuristen ohnehin den Interne Meldestellen sind solche, die Beschäftigungsgeber aktuellen Gegebenheiten bei größeren Konzernen und Un- im eigenen Unternehmen zu errichten haben. § 12 Abs. 2 ternehmen.51 Zutreffend wird zudem angeführt, dass be- HinSchG-E stellt klar, dass eine solche Meldestelle in der reits bestehende Meldeverfahren, wie in § 3b Abs. 1 S. 2 Regel ab einer Beschäftigungsanzahl von 50 Beschäftig- BörsG, anonyme Hinweise annehmen und die vermutete ten einzurichten ist. Insofern hält sich der deutsche Ge- erhöhte Missbrauchsgefahr sich nicht bestätigen lasse.52 setzgeber an die Mindestvorgaben der EU-Richtline, un- In der Praxis zeige sich außerdem häufig, dass Meldungen terschreitet die Beschäftigtenanzahl aber nicht. Die inter- gerade deswegen abgegeben werden, weil ein anonymer nen Meldestellen haben gem. § 13 HinSchG-E sowohl die Meldeweg offensteht.53 Des Weiteren lassen sich potenzi- Aufgabe, Meldekanäle nach §16 HinSchG-E zu betreiben, elle Hinweisgeber bei der Möglichkeit anonymer Melde- das Verfahren nach § 17 HinSchG-E zu führen und ggfs. wege ggf. leichter motivieren, interne und nicht externe 47 51 Tranparency international e.V. (o. Fn. 43), öffentliche Anhörung v. Bund der Unternehmensjuristen, S. 6, abrufbar unter: https://kri- 19.10.2022, S. 6, 7; ebenso Dilling, CCZ 2022, 145 (148); Reppel- poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BUJ_ mund (o. Fn. 41), DIHK, öffentliche Anhörung v.19.10.2022, S. 11. HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D76 48 BT-Drs. 20/3442, S. 35. 90A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2023), ebenfalls be- 49 BT-Drs. 20/4909, S. 24. stehe bereits jetzt ein internetbasiertes Meldeportal auch für ano- 50 BT-Drs. 20/5992, S. 15. nyme Meldungen in Niedersachsen; vgl. auch BRK, S. 6, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/07/0517_Stel- lungnahme_BRAK_HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737 E2E0C43CEA4D7690A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2023). 52 Transparency international e.V. (o. Fn. 43), öffentliche Anhörung, S. 5. 53 BRAK (o. Fn. 51), S. 6; Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (22).
68 KriPoZ 2 | 2023 Kanäle zu nutzen.54 Insofern ist es richtig und wichtig, 15 der EU-Richtlinie geschuldet, die dies zwingend vor- dass § 16 HinSchG-E eine verpflichtende Einrichtung in- sieht.56 Allerdings empfiehlt die Richtlinie in Art. 7, dass terner Meldekanäle auch für anonyme Hinweise vorsieht. die Mitgliedstaaten sich dafür einsetzen sollen, dass in- Die interne Meldestelle ist nach Eingang der Meldung terne vor externen Meldekanälen genutzt werden. Diesem gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-E zur Bestätigung des Passus ist lediglich durch § 28 Abs. 1 S. 3 HinSchG-E Eingangs und gem. § 17 Abs. 2 HinSchG-E nach drei Mo- Rechnung getragen worden, nach dem die externe Melde- naten zur Rückmeldung an den Hinweisgeber verpflichtet. stelle in geeigneten Fällen den Hinweisgeber auf die Mög- lichkeit interner Meldungen hinweisen soll. Diese Vor- b) Externe Meldungen, §§ 19 ff. HinSchG-E schrift greift natürlich zu spät, weil der Hinweisgeber sich ja bereits an eine externe Stelle gewandt hat.57 Insofern Zudem muss nach § 19 Abs. 1 HinSchG-E das Bundesamt hätte der Gesetzgeber an dieser Stelle durch die in Art. 7 für Justiz eine Meldestelle für externe Meldungen einrich- der Richtlinie eröffnete Möglichkeit die interne Meldung ten. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- besser und wirkungsvoller stärken können. Wird hier sicht sowie das Bundeskartellamt sind zur Einrichtung ex- nicht nachjustiert, so ist es Aufgabe des Arbeitgebers, das terner Meldestellen gem. §§ 20, 21 HinSchG-E verpflich- eigene interne Meldesystem möglichst einfach handhab- tet. Darüber hinaus können die Bundesländer gem. § 20 bar zu machen und seine Arbeitnehmer darüber transpa- HinSchG-E externe Meldestellen auf Landes- sowie rent zu informieren. Je besser dies gelingt und die Ver- Kommunalverwaltungsebene einrichten. traulichkeit des internen Systems gewährleistet wird, desto eher wird der Arbeitnehmer interne Wege vor exter- Ebenso wie interne Meldestellen prüfen externe Melde- nen nutzen.58 stellen den Inhalt und die Stichhaltigkeit des Hinweises (§§ 24 Abs. 1, 28 Abs. 2 HinSchG-E). Sie sind ebenfalls 4. Der Hinweisgeberschutz zur Rückmeldung verpflichtet und sollen auf den internen Meldeweg hinweisen, wenn dieser im Einzelfall möglich Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes soll die scheint. Ziele der EU-Richtlinie, einen umfassenden Schutz der Whistleblower sicherzustellen, umsetzen. Insofern ist c) Die Offenlegung gem. §§ 8 und 9 HinSchG-E die Identität der hinweisge- benden Person grundsätzlich vertraulich zu behandeln. In Umsetzung der EU-Richtlinie legt § 32 HinSchG-E Neben dem Hinweisgeber gilt dies auch gegenüber Perso- fest, unter welchen Voraussetzungen der Hinweisgeber nen, die Gegenstand der Meldung sind. die Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf. Erforderlich ist, dass zunächst eine externe Zudem wird der Hinweisgeber umfassend vor möglichen Meldung erfolgt ist, die nicht ausreichend bearbeitet Repressalien aufgrund seiner Meldung geschützt. Repres- wurde oder dass ein hinreichender Grund gegeben ist. Ein salien sind nicht nur gem. § 36 Abs. 1 HinSchG-E grund- solcher liegt u.a. vor, wenn der Verstoß wegen eines Not- sätzlich verboten, sondern auch bußgeldbewehrt sowie falls die Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbare schadensersatzpflichtig. Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefähr- dung des öffentlichen Interesses darstellen. Voraussetzung ist, dass der Hinweisgeber gem. § 33 Hin- SchG-E zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung d) Verhältnis interner und externer Meldungen hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass diese In- formation der Wahrheit entspricht und in den Anwen- Interne und externe Meldungen stehen sich nach dem Ent- dungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt. Mel- wurf des Hinweisgeberschutzgesetzes gleichrangig ge- det der Hinweisgeber missbräuchlich oder böswillig un- genüber, d.h. die hinweisgebende Person hat die Wahl, ob richtige Informationen, so erhält er keinen Schutz. Ge- sie sich erst an „ihre“ interne Meldestelle oder direkt an schützt sind aber auch hinweisgebende Personen, denen eine externe Meldestelle wendet. Die Offenlegung gem. bei der Bewertung des Sachverhalts Fehler unterlaufen § 32 HinSchG-E steht dem Hinweisgeber allerdings erst sind und die in gutem Glauben ungenaue oder unzutref- dann zur Verfügung, wenn er zuvor eine externe Melde- fende Informationen melden.59 Schwierig wird es hier ver- stelle konsultiert hat. mutlich werden, missbräuchliches Verhalten nachzuwei- sen. Die Gleichrangigkeit interner und externer Meldungen wird zu einer Neuausrichtung des bisher in Deutschland Anders als die Richtlinie wird im Entwurf des Hinweisge- geltenden Stufenverhältnisses führen.55 Die nunmehr in berschutzgesetzes auf einen Katalog möglicher Repressa- § 7 HinSchG-E normierte freie Wahl zwischen interner lien verzichtet und alle Benachteiligungen erfasst, die und externer Meldung ist der Umsetzung von Art. 10 und 54 56 S. Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (22). Die Aufgabe des Stufenverhältnisses kritisieren bspw. Thüsing, DB 55 Nach der Rechtsprechung musste sich der Arbeitnehmer bisher zu- 2022, 1066 (1067); Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1203) und nächst um eine innerbetriebliche Meldung bemühen, allerdings be- Forst, EuZA 2020, 283 (295). Positiv dagegen Falter (o. Fn. 40), standen Ausnahmen, sofern eine solche unzumutbar war, vgl. BAG, öffentlich Anhörung v. 19.10.2022, S. 4. 57 NZA 2020, 646; dieses Stufenverhältnis hat der EGMR aber bereits BDI (o. Fn. 38), S. 5. 58 in der Heinisch-Entscheidung abgeschwächt, s. EGMR, NZA 2011, Vgl. hierzu auch Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (24). 1269. 59 BT-Drs. 20/3442, S. 92; BT-Drs. 20/5992, S. 77.
Schiemann/Schnabel – Hinweisgeberschutz in der Warteschleife KriPoZ 2 | 2023 69 Folge der Meldung oder Offenlegung sind.60 Zudem sieht 5. Schadensersatzvorschriften § 36 HinSchG-E eine Beweislastumkehr vor, da die Per- son, die den Hinweisgeber benachteiligt hat, beweisen Eine Schadensersatzpflicht kann nicht nur den Verursa- muss, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerecht- cher von Repressalien gem. § 37 HinSchG-E treffen, son- fertigten Gründen oder nicht auf der Meldung oder Offen- dern auch den Hinweisgeber im Falle von Falschmeldun- legung beruht. Gerade diese Beweislastumkehr ist auf gen gem. § 38 HinSchG-E. Allerdings betrifft dies nur Kritik gestoßen, da sie den Grundsatz der freien Unterneh- vorsätzliche und grob fahrlässige unrichtige Meldungen mensentscheidung, insbesondere hinsichtlich des Kündi- oder Offenlegungen. Schadensersatzansprüche, die sich gungsschutzes beeinflussen würde.61 Zumindest solle eine aus einer einfachen fahrlässigen unrichtigen Meldung er- Missbrauchskontrolle eingeführt werden, bevor die weit- geben, sollen nicht bestehen. Die Gesetzesbegründung reichenden Folgen der Beweislastumkehr greifen.62 Aller- macht deutlich, dass es verfehlt wäre, überhöhte Anforde- dings ist die normierte Beweislastumkehr der Umsetzung rungen an die hinweisgebende Person in Bezug auf die von Art. 21 der EU-Richtlinie geschuldet, sodass der deut- Überprüfung der Richtigkeit der Informationen zu stel- sche Gesetzgeber hier in der Pflicht ist.63 len.69 Dies hätte in letzter Konsequenz sonst wiederum eine fehlende Bereitschaft potenzieller Hinweisgeber zur Um die hinweisgebende Person zu schützen, sieht § 35 Folge, Missstände aufzudecken. HinSchG-E den Ausschluss seiner Verantwortlichkeit vor. Der Hinweisgeber kann nach Abs. 1 nicht für die Be- 6. Bußgeldvorschriften schaffung von oder den Zugriff auf Personen, die er ge- meldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich ge- Die Bußgeldvorschrift des § 40 HinSchG-E komplettiert macht werden, sofern nicht die Beschaffung oder der Zu- den Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes und setzt griff eine eigenständige Straftat darstellt. Hierdurch soll Art. 23 Abs. 1 und 2 der EU-Richtlinie um. Diese verlangt ein bewusstes Auskundschaften auf der Suche nach Mel- wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen. dungen verhindert werden – die Strafbarkeit bspw. durch Gegen den Hinweisgeber kann nach § 40 Abs. 1 Hin- das Ausspähen oder Abfangen von Daten oder die Bege- SchG-E ein Bußgeld verhängt werden, soweit er wissent- hung eines Hausfriedensbruchs bleibt also bestehen.64 lich unrichtige Informationen über Verstöße offenlegt. Durch die Vorschrift soll den Hinweisgebern die Sorge Hierdurch soll das ungeprüfte Weitertragen und Veröf- davor genommen werden, dass sie durch die Weitergabe fentlichen falscher Informationen verhindert werden, da relevanter Informationen, die sie nicht rechtmäßig erlangt diese für die Betroffenen besonders schwere Folgen haben haben, zur Verantwortung gezogen werden.65 Teilweise können.70 Daher sieht der Gesetzgeber über die ggf. ver- wird auch hier kritisiert, dass die rechtswidrige Beschaf- wirklichten Straftatbestände des Vortäuschens einer Straf- fung nicht den Schutz des Hinweisgebers auslösen sollte tat, der falschen Verdächtigung und Verleumdung hinaus und die Regelung zu kurz greife, sofern sie nur auf Straf- einen Bußgeldtatbestand vor. taten abstelle.66 Allerdings wird auch hier lediglich Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie umgesetzt. Einen Spielraum Gem. § 40 Abs. 2 HinSchG-E können Geldbußen umge- hat der deutsche Gesetzgeber an dieser Stelle nicht. Zu- kehrt auch gegen juristische oder natürliche Personen ver- dem muss konstatiert werden, dass das materielle Straf- hängt werden. Für die Behinderung oder den Versuch der recht als scharfes Schwert dem Hinweisgeber weiterhin Behinderung einer Meldung kann ebenso eine Geldbuße droht, was zu einer in der Praxis sehr gewichtigen Ein- verhängt werden wie für das Ergreifen oder versuchte Er- schränkung der Privilegierung des Hinweisgebers führt.67 greifen einer Repressalie. Auch Vertraulichkeitsverstöße im Hinblick auf die Identität des Hinweisgebers stellen § 35 Abs. 2 HinSchG-E regelt nicht die Beschaffung, son- eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei diese auch bei leicht- dern die Weitergabe der Information im Rahmen einer fertigen oder fahrlässigen Verstößen geahndet werden Meldung oder Offenlegung. Die Vorschrift ergänzt § 6 können. Schließlich kann eine Geldbuße ebenfalls ver- HinSchG-E und soll sicherstellen, dass sich der Hinweis- hängt werden, sofern keine oder mangelhafte interne Mel- geber auch dann keiner Verantwortlichkeit ausgesetzt destellen durch die zur Einrichtung von Meldestellen ver- sieht, die nicht unter § 6 HinSchG-E fallen. Es scheidet pflichteten Unternehmen installiert werden. somit auch jede Verantwortlichkeit für aus der Meldung oder Offenlegung entstandene Schäden aus. Außerdem V. Fazit stellt der Gesetzgeber klar, dass nach Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 1 auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Zutreffend stellen Fuhlrott/Henckel fest, dass der erste in Bezug auf die Meldung oder Offenlegung ausgeschlossen dieser Legislaturperiode eingebrachte Entwurf des Hin- ist.68 Dies ist auch erforderlich, um die Hinweisgeber voll- weisgeberschutzgesetzes bzgl. der relevanten Punkte umfänglich zu schützen. 60 63 BT-Drs. 20/3442, S. 95; BT-Drs. 20/5992, S. 80 f. Kritisch zum feh- Kritisch aber schon zur in der Richtlinie festgeschriebenen Beweis- lenden Katalog bspw. BDK, S. 2, abrufbar unter: https://kri- lastumkehr Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1204). 64 poz.de/wp-content/uploads/2022/07/0511_Stellungnahme_BDK_ BT-Drs. 20/5992, S. 79. 65 HinSchG-E.pdfjsessionidAF15F42592AC737E2E0C43CEA4D7 BT-Drs. 20/5992, S. 79. 66 690A.2_cid297.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2023). So BDA (o. Fn. 33), S. 7. 61 67 So BRK (o. Fn. 51), S. 9; BDA (o. Fn. 39), S. 8. S. Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (25). 62 68 Zum Missbrauch BDA (o. Fn. 39), S. 8; zur Missbrauchskontrolle BT-Drs. 20/5992, S. 80. 69 vgl. Quast/Ohrloff, CCZ 2022, 303 (307). BT-Drs. 20/5992, S. 82. 70 So BT-Drs. 20/5992, 83.
70 KriPoZ 2 | 2023 weitgehend eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richt- rückschrauben und auf Unionsrechtsverstöße beschrän- linie darstellt, sodass wesentliche Änderungen nicht zu er- ken wollen. Denn dann wäre der Hinweisgeberschutz in warten sind.71 Insofern bleibt unverständlich, warum der Deutschland nach wie vor defizitär. Bundesrat dem Gesetzentwurf die Zustimmung verwei- gert hat. Um den Weg über den Vermittlungsausschuss zu vermei- den, hat die Bundesregierung aus einem Gesetz zwei ge- Ansonsten entspricht der neue Gesetzentwurf des Hin- macht und die Landes- und Kommunalbeamten und Rich- weisgeberschutzgesetzes dem bereits eingebrachten Ent- ter aus dem Anwendungsbereich des Hinweisgeber- wurf. Kleinere gesetzliche Unebenheiten sind leider nicht schutzgesetzes – zunächst – ausgenommen. Erst durch das geglättet worden. Dies wäre aber wünschenswert gewe- Ergänzungsgesetz wird diese Ausnahme wieder rückgän- sen. So hätte man beispielsweise den unübersichtlichen gig gemacht. Diese „Umgehung“ der Zustimmung des Katalog des § 2 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG-E glätten sowie die Bundesrats ist in der öffentlichen Anhörung zu Recht auf stärkere Konturierung missbräuchlichen Verhaltens i.S. Kritik gestoßen. Zudem ist dann, wenn der Bundesrat dem des § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E gesetzlich verankern kön- Ergänzungsgesetz die Zustimmung verweigert, eine richt- nen. Ebenso hätten noch etwaige Bedenken zur Verein- linienkonforme Umsetzung nicht gegeben, soweit Beamte barkeit bspw. von § 14 Abs. 1 HinSchG-E mit der Richt- und Richter der Bundesländer vom Hinweisgeberschutz linie aus dem Weg geräumt werden können, um sicherzu- ausgenommen sind. Insofern ist die Zukunft des Hinweis- stellen, dass das HinSchG mit der Richtlinie vollständig geberschutzgesetzes und seines Ergänzungsgesetzes so- im Einklang steht. wohl in gesetzgeberischer als auch verfassungsrechtlicher Hinsicht ungewiss, zumal der Gesetzentwurf am Ansonsten ist aber erfreulich, dass der deutsche Gesetzge- 30.3.2023 kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt ber nicht auf die kritischen Stimmen gehört hat, die den wurde. Ob und wann die zweite und dritte Lesung stattfin- Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes zu- den wird, ist nicht bekannt. 71 Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell 2022, 441 (445).
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