IFM-HINTERGRUNDPAPIER - GEWERBLICHE EXISTENZGRÜNDUNGEN UND -AUFGABEN IM ERSTEN HALBJAHR 2021 - DIE AUSWIRKUNGEN DER PANDEMIE SCHWÄCHEN SICH WEITER AB
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IfM-Hintergrundpapier Gewerbliche Existenzgründungen und -aufgaben im ersten Halbjahr 2021 – Die Auswirkungen der Pandemie schwächen sich weiter ab Peter Kranzusch und Rosemarie Kay
Herausgeber Institut für Mittelstandsforschung Bonn Maximilianstr. 20, 53111 Bonn Telefon +49/(0)228 / 72997 - 0 Telefax +49/(0)228 / 72997 - 34 Autoren Rosemarie Kay Peter Kranzusch ISSN 2747-6936 (Print) ISSN 2747-6944 (Online) Bonn, 20. Oktober 2021
I Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen II 1 Einleitung 1 2 Anzahl der Existenzgründungen leicht gestiegen, die der Liquidationen weiter gesunken 1 3 Schwächerer Rückgang des Gründungsgeschehens im zweiten und dritten Lockdown 3 4 Liquidationen verharren auf konstant niedrigem Niveau 7 5 Anhaltender Zuwachs im gewerblichen Nebenerwerb 12 6 Ausblick: leichte Zunahme der Gründungen und Liquidationen im zweiten Halbjahr 2021 15 Literatur 17
II Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1: Existenzgründungen, Liquidationen und deren Saldo 2017 - 2021 2 Abbildung 2: Monatliche Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen 2017-2021 3 Abbildung 3: Monatliche Anzahl der Gründungen von Betrieben einer Hauptniederlassung 2017-2021 4 Abbildung 4: Monatliche Anzahl der Gründungen von Kleingewerben 2017-2021 5 Abbildung 5: Monatliche Anzahl der gewerblichen Übernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht 2017-2021 5 Abbildung 6: Gewerbliche Existenzgründungen im ersten Halbjahr 2021 und 2020 nach Wirtschaftsabschnitten 6 Abbildung 7: Gewerbliche Existenzgründungen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 7 Abbildung 8: Monatliche Anzahl der gewerblichen Liquidationen 2017-2021 8 Abbildung 9: Monatliche Anzahl der Schließungen von Betrieben einer Hauptniederlassung 2017-2021 9 Abbildung 10: Monatliche Anzahl der Schließungen von Kleingewerben 2017-2021 9 Abbildung 11: Monatliche Anzahl der Übergaben 2017-2021 10 Abbildung 12: Gewerbliche Liquidationen im ersten Halbjahr 2021 und 2020 nach Wirtschaftsabschnitten 11 Abbildung 13: Gewerbliche Liquidationen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 12 Abbildung 14: Gewerbliche Nebenerwerbsgründungen, -aufgaben und deren Saldo 2017 - 2021 in Deutschland 13 Abbildung 15: Gewerbliche Nebenerwerbsgründungen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 14
III Abbildung 16: Gewerbliche Nebenerwerbsaufgaben ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 15
1 1 Einleitung Das erste Halbjahr 2021 war weiterhin von der Coronavirus-Pandemie und den damit einhergehenden antipandemischen Maßnahmen geprägt. In einigen Branchen wie dem Gastgewerbe, dem stationären Einzelhandel mit Waren des nichttäglichen Bedarfs oder den medizinisch nicht notwendigen personennahen Dienstleistungen war die Geschäftstätigkeit über Monate gar nicht oder nur stark eingeschränkt möglich. Den Folgen dieser Einschränkungen hat die Wirt- schaftspolitik mit vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen entgegengewirkt. Als Folge von Störungen in den internationalen Lieferketten – teils ausgelöst durch die Coronavirus-Pandemie, teils bedingt durch den Tankerunfall im Suezkanal – traten im ersten Halbjahr 2021 auch erste Engpässe bei Rohstoffen und Vor- produkten auf, die vor allem das Verarbeitende und das Baugewerbe trafen. Das gewerbliche Gründungsgeschehen brach mit Ausbruch der Pandemie im März 2020 zunächst ein, erholte sich dann ab Frühsommer 2020 wieder. Die monatliche Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen verblieb jedoch für den Rest des Jahres unter dem Vorjahresniveau (vgl. Kay/Kranzusch 2021). Dies lag jedoch nicht allein an den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, sondern auch an der Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken des Handwerks. Letzteres wird dauerhaft dämpfend auf die Gründungsaktivitä- ten im Baugewerbe wirken. Auch das Liquidationsgeschehen brach im Frühjahr 2020 ein, die Anzahl der gewerblichen Liquidationen ging überraschenderweise sogar noch stärker zurück als die der gewerblichen Existenzgründungen (vgl. Kay/Kranzusch 2021). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich das Existenzgründungs- und Liquidationsgeschehen im ersten Halbjahr 2021 entwickelte. Zur Beantwor- tung dieser Frage ziehen wir Daten zu den Existenzgründungen und Liquidatio- nen im Gewerbe heran, auf das im Jahr 2020 71,0 % aller Existenzgründungen entfielen (vgl. IfM Bonn 2021). 2 Anzahl der Existenzgründungen leicht gestiegen, die der Liquidatio- nen weiter gesunken Im ersten Halbjahr 2021 haben in der gewerblichen Wirtschaft 122.900 Perso- nen eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen (vgl. Abbildung 1). Dies sind 4,3 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings haben die Gründungsaktivitä- ten damit noch längst nicht wieder das Vorpandemieniveau erreicht. Die ge- werblichen Liquidationen sind dagegen im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem
2 Vorjahreszeitraum um 5,3 % auf 105.100 gesunken. Infolgedessen lag der ge- werbliche Existenzgründungssaldo, die Differenz aus Existenzgründungen und Liquidationen, im ersten Halbjahr 2021 bei 17.800 und damit deutlich über dem des Vorjahreszeitraumes. Der Bestand an gewerblichen Unternehmen ist somit im ersten Halbjahr 2021 abermals gewachsen. Abbildung 1: Existenzgründungen, Liquidationen und deren Saldo 2017 - 2021 in 1.000 151,1 147,4 148,1 142,3 147,1 144,0 139,4 138,7 131,5 136,9 127,6 126,3 117,8 117,6 113,9 122,9 111,0 105,1 17,8 0,6 6,8 3,6 -3,7 -4,8 -16,3 -10,6 -16,6 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2017 2018 2019 2020 2021 Existenzgründungen Liquidationen Saldo © IfM Bonn 21 982102 01 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). Anders als in den Vorjahren haben im ersten Halbjahr 2021 nicht nur Betriebs- gründungen von Hauptniederlassungen 1 (+6.500) und Übernahmen durch Erb- folge, Kauf und Pacht (+100), sondern auch Gründungen von Kleingewerben (+4.500) zum Positivsaldo beigetragen. 1 Das sind Unternehmen mit Eintrag im Handelsregister oder in der Handwerksrolle oder dem Plan, mindestens eine abhängig beschäftigte Person einzustellen.
3 3 Schwächerer Rückgang des Gründungsgeschehens im zweiten und dritten Lockdown Das Gründungsgeschehen brach im Frühjahr 2020 mit dem ersten Lockdown regelrecht ein. 2 Demgegenüber hinterließen der zweite und dritte Lockdown ab November 2020 bzw. ab April 2021 weitaus schwächere Bremsspuren (vgl. Ab- bildung 2). Generell lässt sich feststellen, dass sich das Niveau der monatlichen Gründungsaktivitäten seit dem Sommer 2020 wieder dem Vorpandemieniveau angenähert hat, es aber bis zum Frühsommer 2021 weiterhin darunter liegt. Abbildung 2: Monatliche Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen 2017- 2021 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982102 02 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). Eine nach Gründungsformen differenzierende Betrachtung zeigt, dass Betriebs- gründungen von Hauptniederlassungen schon seit Sommer 2020 nicht mehr von der Pandemie ausgebremst wurden, im Gegensatz zu den Kleingewerbe- 2 Allerdings ist zu beachten, dass die Gewerbeanzeigenstatistik in 2020 durch Übererfas- sungen in Bayern (im Januar) und Untererfassungen in Nordrhein-Westfalen (ab März) geprägt ist. Der Januarwert 2020 ist schätzungsweise um 1.000 Fälle überhöht, während die Werte ab März um schätzungsweise 1.000 Fälle unterzeichnet sein dürften.
4 gründungen sowie den Übernahmen (vgl. Abbildung 3 bis 5). 3 Im Juni 2021 er- reichten auch die Übernahmen wieder das Niveau der Vorjahre. Kleingewerbe wurden dagegen in allen Monaten des laufenden Jahres seltener als vor 2020 gegründet. Abbildung 3: Monatliche Anzahl der Gründungen von Betrieben einer Haupt- niederlassung 2017-2021 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982102 02 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). 3 Die Angaben zu den Übernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht geben keinen unmit- telbaren Einblick in das Nachfolgegeschehen, weil eine Übernahme in der Form von Pacht nicht als Unternehmensnachfolge verstanden wird (vgl. Müller et al. 2011, S. 10f.). Der Pacht kommt nicht in allen Branchen gleichermaßen Bedeutung zu. Eine große Rolle spielt sie in dem von der Pandemie stark betroffenen Gastgewerbe.
5 Abbildung 4: Monatliche Anzahl der Gründungen von Kleingewerben 2017- 2021 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982102 02 Abbildung 5: Monatliche Anzahl der gewerblichen Übernahmen durch Erb- folge, Kauf oder Pacht 2017-2021 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982102 02 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden).
6 Im ersten Halbjahr 2021 fanden die meisten gewerblichen Existenzgründungen im Handel und Baugewerbe statt, gefolgt von den unternehmensnahen Dienst- leistungsbereichen und – angesichts der Lockdowns durchaus überraschend – dem Gastgewerbe (vgl. Abbildung 6). Gleichwohl: Die bis in den Mai 2021 an- haltenden massiven Beschränkungen der Geschäftstätigkeit im Gastgewerbe haben zu einem deutlichen Rückgang der Gründungsaktivitäten in diesem Wirt- schaftszweig im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 geführt. Zwar waren im ersten Halbjahr 2021 auch in den Bereichen personenbezogene Dienstleistun- gen, Kunst/Unterhaltung/Erholung und im Baugewerbe weniger Existenzgrün- dungen zu verzeichnen als im Vorjahreszeitraum, aber in der Mehrzahl der Wirt- schaftszweige haben die Gründungsaktivitäten wieder zugenommen. Abbildung 6: Gewerbliche Existenzgründungen im ersten Halbjahr 2021 und 2020 nach Wirtschaftsabschnitten Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 731 702 Verarbeit. Gewerbe, Bergbau, Energie, Entsorg. 5.069 6.092 19.539 Baugewerbe 19.084 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 22.308 25.466 Verkehr und Lagerei 5.251 5.837 Gastgewerbe 14.485 11.740 Information u. Kommunikation 4.368 5.136 Finanz- und Versicherungsdienste 4.711 5.690 Grundstücks-, Wohnungswesen 4.610 5.467 10.298 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 11.211 Sonst. wirtschaftliche DL 11.789 11.983 Erziehung und Unterricht 1.736 1.863 Gesundheits- und Sozialwesen 2.024 2.849 Kunst, Unterhaltung und Erholung 1.772 1.459 2020 Sonstig. personenbezogene Dienste 9.093 2021 8.022 © IfM Bonn 21 982102 07 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden). Während in den Bereichen personenbezogene Dienstleistungen und Kunst/Un- terhaltung/Erholung der Rückgang zweifellos auf die mit der Coronavirus-Pan- demie einhergehenden Einschränkungen zurückzuführen ist, dürfte im Bauge- werbe die Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken weiterhin eine der Ursachen für die Abnahme der Gründungsaktivitäten sein. Eine weitere Ursache könnten ausbleibende Zuwanderungen von Bauunternehmen aus dem
7 (osteuropäischen) Ausland sein, sei es aufgrund von pandemiebedingten Auf- lagen beim Grenzübertritt oder aufgrund der wieder anziehenden Bautätigkeit in vielen Ländern Europas (vgl. Dorffmeister 2021), die ebendort Opportunitäten eröffnen. Insgesamt haben die Gründungsaktivitäten im ersten Halbjahr 2021 das Vor- pandemieniveau noch nicht wieder erreicht. Abbildung 7 macht jedoch deutlich, dass dies nicht für alle Wirtschafsbereiche gleichermaßen gilt. In einer Reihe von Wirtschaftsbereichen hat es im Halbjahr 2021 deutliche Zuwächse gegen- über dem ersten Halbjahr 2019 gegeben, zuvorderst im Gesundheits- und So- zialwesen sowie in den Finanz-/Versicherungsdienstleistungen. Weit unterhalb des Vorpandemieniveaus liegen die Gründungsaktivitäten in den Wirtschaftsbe- reichen Gastgewerbe, Kunst/Unterhaltung/Erholung, sonstige personenbezo- gene Dienstleistungen sowie im Baugewerbe. Abbildung 7: Gewerbliche Existenzgründungen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 100 % Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 101,7 Verarbeit. Gewerbe, Bergb., Energie, Entsorg. 110,3 Baugewerbe 71,4 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 101,5 Verkehr und Lagerei 104,9 Gastgewerbe 62,6 Information u. Kommunikation 113,4 Finanz- und Versicherungsdienste 123,7 Grundstücks-, Wohnungswesen 114,4 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 98,8 Sonst. wirtschaftliche DL 85,0 Erziehung und Unterricht 95,4 Gesundheits- und Sozialwesen 158,8 Kunst, Unterhaltung und Erholung 65,8 Sonstig. personenbezogene Dienste 68,4 © IfM Bonn 21 982102 08 4 Liquidationen verharren auf konstant niedrigem Niveau Die Anzahl der gewerblichen Existenzaufgaben lag in allen Monaten des ersten Halbjahrs 2021 wie schon 2020 unter dem Niveau der Vorpandemiejahre (vgl. Abbildung 8). Ein klarer zeitlicher Zusammenhang mit den Lockdowns ist nicht
8 zu erkennen. Der Anstieg zum Jahresende 2020 folgt der üblichen Entwicklung am Ende eines Jahres und war kein Vorbote für eine in 2021 einsetzende Liqui- dationswelle. Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wirken offensichtlich weiterhin. Abbildung 8: Monatliche Anzahl der gewerblichen Liquidationen 2017-2021 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe. © IfM Bonn 21 982102 05 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). Anders als bei den Existenzgründungen sind keine wesentlichen Unterschiede in der Entwicklung der Existenzaufgaben in Abhängigkeit davon zu erkennen, ob es sich um die Schließung eines Betriebes einer Hauptniederlassung oder eines Kleingewerbes oder um eine Übergabe handelt (vgl. Abbildung 9 bis 11).
9 Abbildung 9: Monatliche Anzahl der Schließungen von Betrieben einer Haupt- niederlassung 2017-2021 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe. © IfM Bonn 21 982102 06 Abbildung 10: Monatliche Anzahl der Schließungen von Kleingewerben 2017- 2021 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe. © IfM Bonn 21 982102 06 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden).
10 Abbildung 11: Monatliche Anzahl der Übergaben 2017-2021 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2017 2018 2019 2020 2021 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe. © IfM Bonn 21 982102 07 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). Die Anzahl der Existenzaufgaben ist nicht in allen Wirtschaftsbereichen gesun- ken: In sieben von 15 betrachteten Wirtschaftsbereichen übersteigt die Anzahl der Liquidationen sogar leicht die des ersten Halbjahres 2020 (vgl. Abbildung 12). Am stärksten sinkt die Anzahl der Liquidationen im Gastgewerbe und im Handel. Beide Wirtschaftszweige waren in besonderem Maß von einem pande- miebedingten Umsatzeinbruch betroffen. Deswegen wurde für sie und andere vom zweiten Lockdown betroffenen Branchen zum Jahresende 2020 die No- vember- und die Dezemberhilfe eingeführt, die jedoch erst Anfang 2021 ausge- zahlt wurde und den Unternehmen damit auch noch in den ersten Monaten des Jahres 2021 das Überleben erleichterte.
11 Abbildung 12: Gewerbliche Liquidationen im ersten Halbjahr 2021 und 2020 nach Wirtschaftsabschnitten Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 630 568 Verarbeit. Gewerbe, Bergbau, Energie, Entsorg. 5.274 5.387 Baugewerbe 18.710 18.120 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 24.151 22.552 Verkehr und Lagerei 5.145 5.318 Gastgewerbe 14.606 11.622 Information u. Kommunikation 2.965 2.984 Finanz- und Versicherungsdienste 3.987 4.118 Grundstücks-, Wohnungswesen 2.964 3.098 7.493 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 7.576 Sonst. wirtschaftliche DL 11.154 10.551 Erziehung und Unterricht 1.385 1.357 Gesundheits- und Sozialwesen 1.762 1.770 Kunst, Unterhaltung und Erholung 1.748 1.603 2020 Sonstig. personenbezogene Dienste 9.032 2021 8.450 © IfM Bonn 21 982102 09 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden. Im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie sinkt die Anzahl der Marktaustritte in den meisten Wirtschaftszweigen – um 10 bis 30 %, außer im Gesundheits- und Sozialwesen (vgl. Abbildung 13). Im Gesundheitswesen hat die Pandemie zu verstärkten Gründungsaktivitäten geführt. Zu denken wäre hierbei nicht nur an die vielen Corona-Schnelltestzentren. Diese Unternehmen waren teilweise von vornherein auf Zeit angelegt und haben ihre Tätigkeit mit nachlassender Nachfrage teilweise auch schon wieder eingestellt.
12 Abbildung 13: Gewerbliche Liquidationen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirt- schaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 100 % Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 78,6 Verarbeit. Gewerbe, Bergb., Energie, Entsorg. 90,5 Baugewerbe 71,0 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 75,6 Verkehr und Lagerei 89,2 Gastgewerbe 62,7 Information u. Kommunikation 84,0 Finanz- und Versicherungsdienste 84,0 Grundstücks-, Wohnungswesen 81,1 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 81,2 Sonst. wirtschaftliche DL 75,4 Erziehung und Unterricht 91,2 Gesundheits- und Sozialwesen 112,6 Kunst, Unterhaltung und Erholung 73,1 Sonstig. personenbezogene Dienste 74,6 © IfM Bonn 21 982102 10 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden. 5 Anhaltender Zuwachs im gewerblichen Nebenerwerb Seit vielen Jahren steigt die Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsgründun- gen. Dieser Trend hat sich im Zuge der Pandemie weiter verstärkt (vgl. Abbil- dung 14). Im ersten Halbjahr 2021 fanden rund 176.500 Nebenerwerbsgründun- gen statt. Dies entspricht einem Anstieg um 25,3 % gegenüber dem Vorjahrs- zeitraum. Möglicherweise bietet die Verbindung einer abhängigen Tätigkeit mit einer selbstständigen Nebentätigkeit Vorteile beim Umgang mit den wirtschaft- lichen Unsicherheiten der Pandemie. Die Anzahl der gewerblichen Nebener- werbsgründungen übersteigt die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen mittlerweile um mehr als 40 %.
13 Abbildung 14: Gewerbliche Nebenerwerbsgründungen, -aufgaben und deren Saldo 2017 - 2021 in Deutschland in 1.000 176,5 150,9 138,4 140,1 130,1 130,7 119,5 125,6 119,2 88,5 96,6 99,1 93,8 96,6 97,9 92,5 93,2 84,0 80,6 59,5 52,9 41,6 44,6 37,5 29,0 22,7 20,4 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2. HJ 1. HJ 2017 2018 2019 2020 2021 Nebenerwerbsgründungen Nebenerwerbsaufgaben Saldo © IfM Bonn 21 982102 14 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden. Die Anzahl der Nebenerwerbsaufgaben bewegt sich mit 84.000 im ersten Halb- jahr 2021 weiterhin in etwa auf dem Niveau der Vorpandemiezeit (vgl. Abbil- dung 14). Infolgedessen stieg der Saldo aus Nebenerwerbsgründungen und - aufgaben im ersten Halbjahr 2021 auf 92.500. Somit hat sich der Bestand an Nebenerwerbstätigkeiten im zweiten Pandemiejahr noch einmal stark ausge- weitet. Erhebliche Zuwächse an Nebenerwerbsgründungen sind im Vergleich zu 2019 im Bereich Verkehr/Lagerei (z.B. Kurierdienste), im Verarbeitenden Gewerbe, im Energiebereich (Solarenergie), im Gesundheits- und Sozialwesen, in den Fi- nanzdienstleistungen, im Bereich Information/Kommunikation, im Einzelhandel und im Grundstücks-/Wohnungswesen zu beobachten (vgl. Abbildung 15). Zu- rückgegangen sind die nebenerwerblichen Gründungsaktivitäten in den beson- ders von den Einschränkungen der Pandemie betroffenen Branchen Kunst/Un- terhaltung/Erholung, Gastgewerbe und sonstige personenbezogene Dienste.
14 Abbildung 15: Gewerbliche Nebenerwerbsgründungen im ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 100 % Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 121,5 Verarbeit. Gewerbe, Bergb., Energie, Entsorg. 189,6 Baugewerbe 108,6 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 152,3 Verkehr und Lagerei 244,7 Gastgewerbe 71,4 Information u. Kommunikation 159,4 Finanz- und Versicherungsdienste 160,7 Grundstücks-, Wohnungswesen 129,8 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 107,8 Sonst. wirtschaftliche DL 113,3 Erziehung und Unterricht 100,1 Gesundheits- und Sozialwesen 164,0 Kunst, Unterhaltung und Erholung 66,6 Sonstig. personenbezogene Dienste 79,6 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe und Automatenaufsteller. © IfM Bonn 21 982102 15 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden). Die Anzahl der Aufgaben von Nebenerwerbstätigkeiten ist in nahezu allen Wirt- schaftszweigen im Vergleich zur Vorpandemiezeit gesunken. Nur im Bereich Verkehr und Lagerei liegt die Anzahl der Schließungen deutlich über dem Vor- pandemie-Niveau (vgl. Abbildung 16).
15 Abbildung 16: Gewerbliche Nebenerwerbsaufgaben ersten Halbjahr 2021 nach Wirtschaftsabschnitten, erstes Halbjahr 2019=100 100 % Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 90,6 Verarbeit. Gewerbe, Bergb., Energie, Entsorg. 99,6 Baugewerbe 78,6 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 90,8 Verkehr und Lagerei 147,7 Gastgewerbe 77,5 Information u. Kommunikation 93,5 Finanz- und Versicherungsdienste 96,8 Grundstücks-, Wohnungswesen 84,6 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 85,7 Sonst. wirtschaftliche DL 85,8 Erziehung und Unterricht 102,8 Gesundheits- und Sozialwesen 104,9 Kunst, Unterhaltung und Erholung 79,0 Sonstig. personenbezogene Dienste 83,8 Ohne Freie Berufe. Ohne Reisegewerbe und Automatenaufsteller. © IfM Bonn 21 982102 16 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden). 6 Ausblick: leichte Zunahme der Gründungen und Liquidationen im zweiten Halbjahr 2021 Im ersten Halbjahr 2021 hat sich die Konsolidierung des Existenzgründungsge- schehens fortgesetzt, wenngleich auf niedrigerem Niveau als vor der Pandemie. Der zweite und dritte Lockdown hat sich kaum noch auf den Umfang der Grün- dungsaktivitäten ausgewirkt. Die leichte Belebung des Gründungsgeschehens dürfte sich im zweiten Halbjahr 2021 fortsetzen, insbesondere in den Branchen, die langanhaltende Einschränkungen hinnehmen mussten. Das Vorpandemie- niveau wird aber wohl nicht ganz erreicht werden. Dem stehen der langjährige rückläufige Trend und die dauerhaft dämpfende Wirkung der Novellierung der Handwerksordnung auf die Gründungsaktivitäten im Baugewerbe entgegen. Vom Arbeitsmarkt sind bisher keine nennenswerten Push-Effekte auf das Exis- tenzgründungsgeschehen ausgegangen, angesichts sinkender Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit ist damit in Zukunft erst recht nicht zu rechnen. Das IfM Bonn erwartet außerdem eine leichte Steigerung der Existenzgründungen in Freien Berufen im Vergleich zu 2020, da sich das Ausbildungsniveau der Erwerbs-
16 fähigen in den letzten Jahren allgemein erhöht hat und der Markt Chancen für freiberufliche Gründungen bietet. Bis in den Sommer 2021 hinein war kein Anstieg der Existenzaufgaben zu be- obachten. Angesichts dessen, dass die Mehrzahl der Unternehmen mittlerweile weitgehend ohne pandemiebedingte Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen kann, spricht wenig dafür, dass nun im zweiten Halbjahr eine Liqui- dationswelle einsetzt. Gleichwohl erwarten wir eine Zunahme der Liquidationen, z.B. weil einige Geschäftsmodelle der jüngsten Vergangenheit temporärer Natur waren (Stichwort: Corona-Testzentren), weil Lieferengpässe und Arbeitskräfte- mangel eine Fortführung bereits angeschlagener Unternehmen erschweren oder weil ein (geringer) Teil der Liquidationen, die für die letzten eineinhalb Jah- ren zu erwarten gewesen wären, „nachgeholt“ wird. Die Förderungen haben es jedoch Unternehmen mit schwachem Betriebsergebnis ermöglicht, sich an die neue Situation anzupassen. Daher wird es voraussichtlich genauso wenig zu einer Insolvenzwelle im Herbst oder Winter 2021 kommen.
17 Literatur Dorffmeister, L. (2021): Europäische Bauwirtschaft: Erholung in moderatem Tempo. Ausgewählte Ergebnisse der EUROCONSTRUCT-Winterkonferenz 2020, in: ifo Schnelldienst 74(2), München, S. 61-66. IfM Bonn (2021): Statistikseiten zu „Existenzgründungen insgesamt“ auf www.ifm-bonn.org. Kay, R.; Kranzusch, P. (2021): Gewerbliche Existenzgründungen und Unterneh- mensaufgaben in 2020, IfM Bonn: IfM-Hintergrundpapier, Bonn. Müller, K.; Kay, R.; Felden, B.; Moog, P.; Lehmann, S.; Suprinovic, O.; Meyer, S.; Mirabella, D.; Boerger, S.; Welge, B.; Coritnaia, I. (2011): Der Generations- wechsel im Mittelstand im demografischen Wandel, Göttinger Handwerkswirt- schaftliche Studien Band 83, Duderstadt.
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