IMMER JETZT : Die TV-Show
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IMMER JETZT : Die TV-Show Harald Schmidt liest ein Gedicht von Hanns-Magnus Enzensberger über 'Scheisse' 31 „Die Fernsehshow arbeitet seit ihren Anfängen immer perfektere Ereignisräume aus, um das Unmögliche zu inszenieren: die Umarmung von Sender und Zuschauer; der Bruderkuss von Kandidat und Moderator, die sich als Kinder des gleichen künstlichen Welten erkennen. Der Kandidat, das traumhafte Doppel von jedermann, bewegt sich durch diesen Kanal zwischen Institution und Intimität und gewährleistet die erwünschte Rückspiegelung der beiden gekoppelten Räume. Der Moderator steuert zur ereignishaft aufgebauten Situation der Spiel-, Quiz, und Unterhaltungsshow das Element der Übertragung und Wiederholbarkeit bei, das alle intimen Beziehungen benötigen.“ Fernsehshows, Theorie einer neuen Spielwut, Institut für Medienanalyse Essen 32, 1991 31http://www.youtube.com/watch?v=_gs9RtkRaC0 32 Wolfgang Tietze, Manfred Schneider (Hg.), Fernsehshows, Theorie einer neuen Spielwut, München 1991, S.8
Kann man jetzt endlich mal ins Programm einsteigen? Kann man theoretisieren, was >gucken< bedeutet? Wirklich gucken? Aber was gucken? Wahrscheinlich könnte man symptomatischeres Fernsehen auswählen, vielleicht, aus aktuellem Anlass Das 25 jährige Bestehen der Lindenstraße, oder das Traumschiff, anlässlich des Todes einer seiner Protagonisten, Heinz Weiss. Der ehemalige Hauptdarsteller aus Fritz Umgelters33 Soweit die Füße tragen von 1959 spielte den Kapitän des Traumschiffs von 1983 bis 1999. Da wurde dies Adaption des us- amerikanischen Love Boats schon 2 Jahre gesendet und erreichte in der Folge bis zu 25 Mio. Zuschauer34 und Gaststars von Maria Schell oder Sascha Hehn (wobei wir auch bei der Schwarzwaldklinik wären) bis zu Thomas Gottschalk oder Harald Schmidt (im Love war das u.a. auch Andy Warhol) mit seinen billigen Träumen, kleinen Harmonien, Exotismus, Normalitätsexzess. Oder beide zu vergleichen. Oder, die vielleicht auch heute noch paradigmatische TV-Affirmation als Aneignung einer Kritik: Big Brother (Von Endemol in Niederlande 1999 entwickelt, ab 2000 in Deutschland, heute aus Sky ausgestrahlt und als llivestream in clipfish). Ich habe mich für ein Programm entschieden, das in den USA sehr früh für das Fernsehen bestimmend war, in Deutschland jedoch erst in den 70er Jahren aufkam, heute aber ebenso dominant ist: die Talk Show. Die Gesprächs-Sendung. Die Gesprächs-Sendung, ist das überhaupt Fernsehen, ist das nicht eher Bildtelefon mit mehreren Teilnehmern? Vor allem der Late Night Talk ist auf interessante Weise pure Unterhaltung, denn Sich-Unterhalten ist tatsächlich sein Zentrum. Bloßes Gelaber und von allem etwas: etwas witzig, etwas hintergründig, etwas albern, etwas blöd, etwas populistisch, etwas kommerziell, etwas schlau oder wenigstens smart, etwas informativ. Von allem etwas. Aber ein sehr guter Nicht-abschalten-Könner. Reine Zerstreuung. Der Zusammenhang von Fernsehen und Zerstreuung scheint evident, ist Unterhaltung nicht dessen eigentliches Motiv? Ablenkung? Aber zerstreut wohin, abgelenkt wovon? 33 Umgelter war der Regisseur aller Folgen der ersten beiden Jahre 1981 und 82 34 Die Popularität, die das "Traumschiff" schließlich erlangen sollte, ahnte anfangs nicht einmal Produzent und Erfinder Wolfgang Rademann. 1981 stach er mit dem "Traumschiff" erstmals in See - damals ging der Luxusdampfer in der Karibik vor Anker. Seitdem steuerte das "Traumschiff" über 50 Häfen in der ganzen Welt an. Dabei war die Philosopie der Fernsehreihe von der ersten Sendung an klar: Für 90 Minuten werden die Zuschauer in die Welt des luxuriösen Reisens entführt, an exotische Orte, in die aufregendsten Metropolen und die beeindruckendsten Landschaften der Erde. Familienunterhaltung, Starbesetzung und Hochglanzproduktion - damals wie heute zeichnet sich das "Traumschiff" dadurch aus. ZDF Selbstdarstellung Mediathek 2003
== UNTERHALTUNG / ZERSTREUUNG == Manfred Schneider fragt im o.g. Buch von 1991 „Was zerstreut die Zerstreuung?“. Er geht an die Wurzeln – wenn es die gibt – abendländischen Denkens und findet schon bei Platon einen ambivalenten Begriff der Zerstreuung. Der ägyptische Gott Theut gilt als Erfinder der Schrift, der Buchstaben. Aber neben Zahl, Rechnung und Meßkunst habe er auch das Brett- und Würfelspiel erfunden. Platons Kritk an der Sschrift beinhaltet neben der Eigendynamik des Gesagten, der Zerstreuung der Message, eben auch die Kritik an Zufall und Spiel. Die Wahrheit, sagt Sokrates, soll nicht „geschrieben werden“ 35. Der Bauer würde den Samen ja auch nicht diffus zerstreuen, sondern in die Ackerfurche legen 36. Die Schrift und der Blick durch das Fernglas, aber auch die Vergeudung in Form der Onanie, all das trage dazu bei, die Voirstellungskraft anzustacheln, aber auch zu zerstreuen. Bei Kant ist es schon das Romanlesen, worin er eine „Gemütsschwäche“ sieht, eine an den „Gegenstand gehefftete Zerstreuung“37. In einer der frühesten deutschen Frauenzeitschriften von 1725 von Johann Christoph Gottsched „Die Vernünftigen Tadlerinnen“ wird folgende Geschichte wiedergegeben: um eine Gruppe von Kartenspielern von ihrer Sucht zu befreien, dokumentiert ein Supervisor alles, was die Spieler von sich geben: „Ich gebe zuerst. Voila“, Darf man das, Ja, mein Herr, von Herzen gerne. Vier Piq, Es bleiben fünfe. Spiel! Herz...“ Die Spieler sind schockiert, als sie sich ihre Äußerungen anhören müssen. Reines Dada – wie das später, allerdings weniger kritisch, das Dada einer gewöhnlichen Tageszeitung kommentiert. Für die Spieler ist es erschütternd, Schneider, der diese geschichte wiedergibt, sieht darin eben die babylonische Sprachverwirrung, eben die Zerstreuung der gemeinsamen Sprache. Wenn also die Zerstörung der gemeinsamen Sprache den Verlust der Macht bedeutet, also Macht verunmöglicht, so ist das Spiel wiederum eine Bindung durch Macht. Diese Doppeldeutigkeit findet sich schon in der Hochphase, aber auch, wenn auch anders, in dem Moment wo Fernsehen sich selber zerstreut. Die Talk-Show beinhaltet aber noch ein andere wesentliches Merkmal, nämlich die spezifische Ansprache, die im Fernsehen möglich ist. Das Guten Tag, Schön Sie zu Sehen, Schalten Sie wieder ein, ich freu mich. 35 Manfred Schneider, Was zerstreut die Zerstreuung, in: Schneider/Tietze, Fernsehshows, S. 11f 36 Interessant hier auch die Kritk an der Onanie 37 S.14, er verbindet sie gleichzeitig und eigenartigerweise mit der jüdischen Zerstreuung in der Gegend
Jacques Rancière stellt dieses Dispositiv ins Zentruum seiner Analyse des Films eines deutschen Emigranten in den USA, Fritz Lang. In While the city sleeps von 1956. Ein Fernsehreporter verwendet das Fernsehen, um dem gesuchten Serienmörder zu suchen: er spricht ihn an, damit dieser sich in der Ansprache erkenne. Lorenz stellt eine Verbindung her zum Religiösen: Neben frühen Übertragungen der Messe schon in den 50er Jahren (NWDR 1953), zitiert er das Wort vom Sonntag: „Meine Damen und Herren, in diesem Augenblick sehen Sie mich ganz deutlich. Ich sitze vor Ihnen, und ich spreche zu Ihnen, und ich sehe Sie doch gar nicht. Ich sitze hier allein und sehe keinen von Ihnen. Vielleicht sind es viele Hundertausende, die mir in dieser später Stunde noch zuhören. Sie alle sehen mich, ich aber sehe Sie nicht und weiß doch, dass Sie da sind, dass Sie meine Wort hören können.“. Der Clou ist klar, so wie der TV_Pfarrer mit uns sprechen kann, obwohl er uns nicht sieht, können wir mit Gott sprechen. Und das soll auch noch eine Art wenn niicht Gottesbeweis, so doch Gottesindiz sein: „wenn die Techni, von Menschenhand geschaffen, es ermöglicht hat, mich zu sehen, obwohl ich Ihre Gegenwart nicht spüren kann, dann dürfte es Gott eine Kleinigkeit sein, jeden von uns zu sehen, auch wenn wir Gott nicht sehen können.“38 Michael Niehaus entwickelt „Das Fernsehen in seiner Sichtbarkeit“ und beginnt seinen Text mit einer extremen Selbstthematisierung des Fernsehens innerhalb einer Show von Michael Schanze, Primetime, Samstag 24.3. 1990, der Show Flitterabend. In der Show, in der frisch verheiratete Paare miteinander Spielen, wurden die Bräute in Kabinen weggeschlossen, als sie wiederkamen, was niemand mehr da, ausßer dem Saalpublikum. Moderator weg, Kameraleute, aller technischer Stab, Regie, die Ehemänner, alle weg. Die Maschine verläßt den Saal und das für alle sichtbar, d.h. führt sihc selber vor – außer einer verbleibenden Kamera. Die Frauen kommen auf die Bühne, was werden sie tun. Egal was sie tun, alles wird Show, Niehaus spricht von dem „kommunikationstheore- tischen Axiom“, nach dem man sich „nicht nicht verhalten kann“39 Niehaus ist fasziniert von dieser totalen Sichtbarkeit, die in dieser Situation extrem ausgedehnt wird, aber grundsätzlich genau der Art Raum entspricht, die in den Shows konstruiert wird: überall hell, es gibt kein Off. „In jenem Flitterabend-Test wurde verraten, dass Fernsehunterhaltung sich gleichsam aus dem Nichts generiert: Das Medium generiert die Verhaltensweisen, die es sendet. 38 Lorenz, in: Fernsehshows, S. 44 Vgl. auch Josef Mühlbauer, Fernsehen, Das Wunder und das Ungeheuer, Basel- Freiburg-Wien S. 123,f 39 Fernsehshows S.106
Weil das Fernsehen Übertragungsmedium ist, besteht die Fernsehsendung letzlich darin, dem Fernsehzuschauer die Wirkung seines Fernsehens zu senden: dem Fernsehzuschauer wird sein eigener Blick in inv erser Fomr zurückgesendet. Das hält ihm am Bildschirm.“ ((S.108) == WAS IST EIN FORMAT? == == WIEDERHOLUNG == == MANIPULATION? WENN; WIE? SOZIOLOGISCHE MODELLE == Der Kritik am Fernsehen liegt meist ein einfaches Modell zugrunde, nämlich ein Modell von Stimulus- und Response (Reiz - Reaktion). Das Fernsehen, das Konsumangebot ist ein Stimulus, der Rezipient reagiert, eigene Wahl hat er – eigentlich – nicht. Das Stimulus-Response- (S-R-) oder Reiz-Reaktions-Modell ist ein Modell der Psychologie und ist aus dem Behaviourismus hervorgegangen. Die Entscheidung ist nur eine Art Black Box. Aber was genau ist ein Reiz? Er ist nämlich kein „diskretes physikalisches Ereignis“, sondern sämtliche (relevanten) inneren und äußeren Momente fallen unter Reiz und definieren damit eine gegebene Situation – wie beispielsweise das Aufnehmen von Mediendaten oder das Gucken von Fernsehen. Damit das Modell funktioniert, müssen verschiedene Dinge vorausgesetzt werden: alle Rezipienten müssen den sog. Medieninhalt gleich wahr nehmen können und seine Reaktionen müssen ebenfalls ganz unabhängig sein von den individuellen Bedingungen, sonder mindestens vergleichbar, wenn nicht sogar gleich. Dem Kommunikationsinhalt wird eine sog. Effektrichtung zugewiesen und diese wird mit dem Inhalt gleichgesetzt. Das Reiz-Reaktions-Modell ist eines der frühesten Modelle der Medienwirkung, es wurde in der Folge vielfach widerlegt (siehe z. B. These von der selektiven Zuwendung und kann als überholt gelten. Seitdem hat es sich in verschiedene Richtungen weiterentwickelt und differenziert, es wurde Faktoren integriert wie der
Effekt in der sog. stimulus-response-outcome, die von einer instrumentellen Konditionierung ausgeht oder dem Organismus, zum Teil einfach der Körper, im sog. Stimulus-Organism-Response-Konzet (S-O-R). Die berühmte Medienkritik von Hans Magnus Enzensberger aus dem Jahre 1970 im Baukasten zu einer Theorie der Medien setzt ähnlich an. Auch bei ihm haben die Medien Wirkungen, die von der Bewusstseinsindustrie gesteuert werden. Diese Wirkungen entziehen sich der Wahrnehmung der Individuen und erst recht ihrer Steuerung, sie stehen ihnen nicht zur Verfügung. Eben deshalb müssen die Medien umgenutzt werden, dann nämlich ist die Wirkung wieder zwangsweise, wenn dann auch in erwünschter Weise == Die aktive Zuschauerrolle in der Nutzung == Der Nutzen- und Belohnungsansatz (auch Uses and Gratifications Approach, Uses-and- Gratifications-Ansatz oder Theorie der selektiven Zuwendung) ist ein Modell der Mediennutzungsforschung und widerspricht dem Wirkungsansatz des älteren Stimulus- Response.Modells. In Absetzung bzw. Ergänzung der Medienforschung untersucht der Ansatz die aktive Rolle der Rezipienten im Umgang mit Massenmedien. Der Begriff „Uses & Gratifications“ wurde Anfang der 1960er Jahre vom amerikanischen Kommunikatonswissenschaftler und Soziologen Elihu Katz geprägt. Dem Rezipienten eine aktive Rolle im Umgang mit Massenmedien zuzuschreiben war für die Kommunikationswissenschaft ein entscheidender Paradigmenwechsel. Der Nutzen- und Belohnungsansatz (entwickelt vom deutschen Kommunikationswissenschaftler Will Teichert) nimmt diesen Ansatzpunkt, um darauf ein eigenes Kommunikationsmodell zu entwickeln, den Nutzenansatze. Ziel ist es, die Mediennutzung der Rezipienten zu untersuchen, also der Nutzer. Dabei geht man zum ersten Mal vom bewusst handelnden Rezipienten (Benutzer, Empfänger) aus. „Wir fragen nicht mehr 'Was machen die Medien mit den Menschen?' [– schon Adorno gab mit diesem Satz die us-amerikanische Frage wieder what television does to people, wissend, dass das eine sehr schwer zu beantwortende Frage sei--], sondern 'Was machen die Menschen mit den Medien?'“ Der Rezipient ist keine Black Box, er trifft Entscheidungen und er tut das ausgehend von
seiner Interessenslage (Inhalte, Formate, Ästhetik) und seiner Bedürfnislage. Zu dieser Interessens- oder Bedürfnislage zählen dann durchaus sehr unterschiedliche und eher wertfrei zu behandelnde Phänomene wie Wirklichkeitsflucht, Information, aber auch Unterhaltung.Alles das geht in die Entscheidung mit ein, ob und was für ein Medienangebot er nutzt – und wie. Die Nutzung eines Mediums richtet sich also nach der Nutzenerwartung und der Bedürfnisbefriedigung des Medienangebots. Medien übernehmen also Funktionen, die abhängig von dem Bedürfnis und der Erwartung der Menschen sind. Diese Bedürfnisse sind eben nicht unbewusst oder im Rücken des Betrachter, sie sind bewusst und sie sind verbalisierbar und damit sind sie auch empirisch erforschbar. Im Rahmen dieses medientheoretischen Ansatzes wird jedem Medium eine ihm spezifische Standargratifikation, die situationsspezifisch in Anspruch genommen wird. Zur Theorie der selektiven Zuwendung gehört auch, dass sich Menschen eher solchen Medieninhalten zuwenden, die ihrem eigenen Standpunkt nahe stehen. Die Wahl der Tageszeitung richte sich z.B. nach deren vermeintlicher politischer Richtung. Nur dort, wo ein Medieninhalt einen Rezipienten in Folge selektiver Zuwendung überhaupt erreicht, kann folglich eine Medienwirkung eintreten. Aber es relativiert auch ungemein diese Wirkung, denn sie ist ja schon gegeben gewesen. Das ist eng verbunden mit der sog. selektive Wahrnehmung (die dennoch einen zweiten Schritt darstellt). Dieser zu Folge werden aus dem ausgewählten Medienangebot eher solche Inhalte wahrgenommen, die zur eigenen Einstellung passen. Letztlich kommt es noch zu selektivem Behalten: Zur eigenen Meinung konsistente Inhalte würden eher im Gedächtnis behalten als andere. von Die Abfolge von selektiver Zuwendung, selektiver Wahrnehmung und selektivem Behalten bedeutet eine Verschiebung v on Medienmanipulation in Richtung auf eine Begegnung von Medieninhalt und dem je eigenen Standpunkt. Entscheiden ist hier, dass das Publikum als aktiv gedacht wird, das durch aus auch von sich aus Forderungen und Erwartungen an das Massenmedium stellt Der Rezipient wird vom passiven Element zur zentralen Figur, die selbst darüber entscheidet, ob und welche Kommunikation stattfindet. Die Massenmedien müssen außerdem mit anderen Angeboten um Bedürfnisbefriedigung konkurrieren. Die Rezipienten können befragt werden und das auf der Ebene ihrer eigenen Einschätzung der Situation
== Die Talk-Show == Ist die Talk-Show doof? Hier ließe sich unterscheiden, wie man sie sieht; hält man sie für ernsthaft und glaubwürdig oder interessiert man sich eher für den inszenierungscharakter, Dramaturgie, die Motive der Teilnehmer Gedanken machen, was ein gewisses Maß an Hintergrundwissen voraussetzt. Schaut man die Sendung involviert oder distanziert, das heißt, ob man von einem Thema selbst betroffen, von einer Person fasziniert oder angerührt ist, oder ob man dazu ein distanziertes Verhältnis hat. Es macht es einen Unterschied, ob die Sendung eher unterhaltungsorientiert verfolgt, oder ob man Orientierung in spezifischen Fragen gewinnen möchte. Entsprechend unterschiedlich ist ==Emotionale Beteiligung == Es lassen sich drei Modalitäten emotionaler Beteiligung unterscheiden, in denen jeweils eine spezifische Beziehung zwischen Rezipient und Akteur ausgebildet ist: Empathie: Im Falle der empathischen Beteiligung befindet sich der Zuschauer in der Position des Augenzeugen und fühlt auf der Basis empfundener Sympathie mit dem Protagonisten. So könnte der Zuschauer von Affekt-Fernsehangeboten Mitleid für einen Studiogast empfinden, der über eine belastende, dem Rezipienten jedoch fremde Erfahrung, berichtet. Die Identifikation transportiert hingegen das Gefühl, der Protagonist zu sein, wodurch der Zuschauer das Geschehen mit den Augen des Akteurs sieht und beispielsweise Bedrohung, Trauer und Freude miterlebt. Er würde sich selbst belastet fühlen, wenn ein Gast ein dem Zuschauer ähnliches Schicksal schildert und vor der Kamera in Tränen ausbricht. Parasoziale Interaktion: Das Konzept der parasozialen Interaktion bzw. parasozialen Beziehung geht schließlich davon aus, dass es zwischen Bildschirmakteur und Zuschauer zu Interaktionen kommen kann, auf deren Grundlage sich längerfristige gefühlsmäßige
Bindungen entwickeln können. „Unter parasozialer Interaktion wird ein besonderes (abweichendes, ersatzweise geübtes) soziales Verhalten verstanden, gekennzeichnet dadurch, dass ein Akteur (eine physische Person) mit Individuen oder Gruppen interagiert, deren Hörbereitschaft, Antwortfähigkeit oder gar Existenz völlig dahinstehen, jedoch organisatorisch oder technisch fingiert werden können, oder die als Ansprechpartner einfach unterstellt werden.“ Wilipedia Das gilt in gewisser Weise ebenso schon für das Gebet, beziehungsweise seit der Ur- und Frühgeschichte das innere Gespräch mit Verstorbenen. „ Wissenssoziologisch fällt es in den Bereich der sog. gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“. Vgl. Wikipedia == Kultivierungsthese == Die Kultivierungsthese geht von langfristigen Interaktionsprozessen zwischen Fernsehen, dem Medium, das omnipräsent ist und der Realitätswahrnehmung der Rezipienten aus. Ien Analogie dazu, lässt sich ein Zusammenhang zwischen bestimmten Darstellungsformen und Inhalten von Talkshows und der Realitätswahrnehmung der Rezipienten vermuten. Der tägliche Senderhythmus der einzelnen Shows, die flächendeckende Präsenz dieser Formate im Nachmittagsprogramm der zuschauerstärksten Programme, die sich innerhalb einzelner Formate oft wiederholenden Themen, die über verschiedene Formate und Sendungen hinweg stereotypen Darstellungen von Themen, Konflikten und Problemen, die Teilnahme nicht prominenter Gäste und die von ihnen eingebrachten Problemstellungen aus dem Alltagsleben, die es den Zuschauern ermöglichen, die Sendungen auf ihre eigene Realität zu beziehen, sowie die stabilen, ritualisierten Inszenierungsformen - all das lässt einen Zusammenhang zwischen Talkshow-Inhalten, Talkshow-Nutzung und Realitätswahrnehmung vorstellbar erscheinen. Folgende drei Merkmale könnten dabei zu bestimmten Verzerrungen der Realitätswahrnehmung führen: • Talkshows lassen dysfunktionale Beziehungen und bizarre Probleme als normale und charakteristische Merkmale der Gesellschaft erscheinen. • Sie desensibilisieren Zuschauer gegenüber menschlichem Leiden, indem sie sich ausschließlich sensationellen Begebenheiten widmen.
• Außerdem veranlassen sie die Zuschauer, komplexe soziale Zusammenhänge zu trivialisieren. Wahrscheinlich ist darüber hinaus ein Wirkmechanismus, der sich auf die Entstehung sozialer Kategorien bezieht und bei dem das Plakative des Dargestellten eine besondere Rolle spielt: Mit vielen Themen, die in Talkshows behandelt werden, ist der Rezipient in seiner Lebensrealität kaum oder gar nicht konfrontiert. Die Begegnung mit Personen, die solche wenig bekannten oder unbekannten Lebensrealitäten repräsentieren, prägt daher die Vorstellung über diese Gruppe sehr viel stärker als generelle (z.B. statistische) Informationen. Ein Grund dafür mag sein, dass die drastischen, lebhaften und emotionalisierenden Darstellungen in Talkshows einen größeren Einfluss auf die Meinungsbildung beim Zuschauer haben, als eine nüchterne, abwägende und sachliche Behandlung eines Themas. == Charakteristika == Für diese Formate ist kennzeichnend, dass die nachmittäglichen Talkshows die Namen ihrer Gastgeber tragen, da der Moderator - als personalisierte Präsentationsform des Fernsehens - den persönlichen Bezug zwischen Programm und Publikum herstellt. Für den Zuschauer wird er zur imageprägenden Identifikationsfigur. In den Gesprächen, die die Moderatoren mit ihren Gästen führen, werden Alltagsnähe und enthemmte Umgangsformen - sowohl von den Gästen als auch von den Moderatoren - zunehmend praktiziert und vermitteln dem Zuschauer den authentischen Charakter der Sendungen. Dieser Eindruck wird durch die Anwesenheit des Studiopublikums noch intensiviert. Trotzdem beinhalten Daily Talks viele Elemente der alltäglichen zwischenmenschlichen (face to face) Kommunikation, da das Gespräch zwischen dem Moderator und seinem unprominenten Gast zwar in eine Sendungsdramaturgie eingebunden ist, diese aber weder durch Showelemente in seinem alltagsnahen Charakter beeinträchtigt wird, noch deren Inhalte zum Zweck der medialen Verbreitung inszeniert werden. Auch wenn sich die Themen insgesamt auf alle Bereiche des Lebens erstrecken, stehen meist sehr persönliche und intime Belange der Gäste im Vordergrund. Betrachtet man die Daily-Talk-Formate genauer, so lassen sich weitere Gemeinsamkeiten feststellen, die in gewisser Weise eine Homogenität von Daily Talkshows kennzeichnen:
== INITMITÄT DER BEZIEHUNG MODERATOR - ZUSCHAUER == Donald Horton und R. Richard Wohl analysieren schon 1956 in den USA Massenkommunikation als 'parasoziale Interaktion' und thematisieren Intimität und Distanz. Sie schlagen vor, eine „scheinbare Face-to-face-Beziehung zwischen Zuschauer und Performer eine parasoziale Beziehung zu nennen.“40 Sie ersetzen den Performer durch den Moderator und entwickeln diese Position und Figur als 'Persona'. „Was die Persona vor allem anbietet, ist eine dauerhafte Beziehung. Ihre Erscheinung ist ein regelmäßiges und verlässliches Ereignis, auf das man zählen, das man einplanen und in sein tägliches Leben miteinbeziehen kann.“ (77) „Der Zuschauer soll den Eindruck gewinnen, dass alles, was in der Sendung passiert, im Moment der Aufführung eine Eigendynamik hat. Deshalb weist Steve Allen sein Publikum immer darauf hin, dass „wir nie wissen, was in dieser Show passieren kann“.“ 41 Personality Show als Drama (82), ganz frei von ästhetischer Illusion. „Johnny carsons ist so gut darin, die Konversation nahe an, aber niemals über dem Abgrund der Verlegenheit zu bringen, er geht eine so perfekte Allianz, wenn nicht gar Verschwörung, mit der Kamera ein, dass er die Reaktionen des Publikums mit nur einem Blick in unsere Richtung (d.h. die der Kamera) lenken – eine Macht, die der Komödiant mit dem Löwenbändiger teilt“.42 „Es stellt eine schlichte Version der komplexen Emotionen dar, die auftreten, wenn ein Schauspieler als Teil der Darstellung aus dem Charakter heraustritt – wie zum Beispiel in Bergmanns PASSION (1969) oder Godards ZWEI ODER DREI DINGE, DIE ICH VON IHR WEISS (1967). Da die Gewohnheit, Höflichkeiten auszutauschen, auch aufdeckt, dass die Übermittlung von Nachrichten eine Art des Schauspielens ist (die ursprüngliche Absicht war wohle eher diese Tatsache zu verbergen) – unter all dem, was Fernsehen hervorbringt, scheinen Nachrichten vielleicht gerade deshalb am wenigsten fiktional, weil sie theatralische Aspekte aufweisen – muss das Fernsehen etwas anderes 40 David Horton, Richard Wohl, Das Band der Intimität, in: Grundlagentexte, S. 74 41 Das Band der Intimität, S 79 42 Stanley Cavell, die Tatsache des Fernsehens S.148
hervorbringen, das für uns genauso wichtig ist, wie die Unterscheidung von Tatsache und Fiktion, eine Angelegenheit von Leben und Tod. Dieses andere könnte ein Beweis sein, dass Nachrichten, egal ob Fakt oder Fiktion, immer noch etwas sind, auf das in menschlicher Weises reagiert werden kann, auf das besonders mit der menschlichen Kraft der Improvisation reagiert werden kann. Aber welche Nachricht ist so schrecklich, dass wir einen derart mittelmäßigen Beweis dieses Vermögens als beruhigend empfinden? Ich werde am Ende eine Antwort auf diese Frage geben. Eine Frage, die sich eher aufdrängt, ist diese: Wenn ich damit recht habe, dass Improvisation genau insofern ein adäquates Zeichen für menschliches Leben sein kann, als wir weiterleben müssen, und dass sie ein Zeichen ist, das den Wechsel zwischen live und Bandaufzeichnung überlebt, warum erkennen die Leute die das Live-Erlebenis des Fernsehens vermissen nicht, wo die Live-qualität des Live bewahrt ist? es kann sein, dass sie in erster Linie die Lebendigkeit der alten Fernsehspiele vermissen. (...) Ich leugne nicht, dass eine gewisse Paradoxie darin liegt, das Lebendige in dem Element des Fernsehens zu finden, das allgemein als das dumpfeste, lebloseste gilt, nämlich im omnipräsenten 'talking head'. Dann sollten wir uns aber die Frage stellen: Wo hat sich dieses Kennzeichen seinen tödlichen Ruf erworben?“ (cavell, S. 149f) ==Geschichte der Talk Show bzw. Late Night Show== In den USA ist der Ausdruck talk show für sog. Gesprächssendungen in der 50er Jahren üblich geworden. Die Shows entwickelten sich meist aus verschiedenen Radioformaten, die bekanntesten beginnen Anfang der 0er Jahre wie z.B. die Tonight Show, deren erster und kangjähriger, legendäre Host Steve Allen war. Die Late Night Show hatte 1950 als lokale New Yorker Show begonnen, 1954 übernahm NBC die Show. Allen entwickelte bestimmte Late Night Standards, die auch heute noch dominieren wie den Eingangsmonolog, Interviews mit Prominenten, Beteiligung des Studiopublikums, Comedy Einspielungen, in denen die Kamera mit nach draußen genommen wurde und ebenfalls Musik. (US-Wikipedia) Die US-Talkshows hatten ihren Ursprung bereits Anfang der 50er Jahre mit einer Konzeption, bei denen es um Gespräche mit Prominenten ging, die nicht nur informativ, sondern vor allem auf unterhaltend zu sein hatten. Dick Cavett und Phil Donahue entwickelten Ende der 1960er Jahre eine zweite Phase, bei der sich das sachliche Interview und die Zuschauerbeteiligung als neue Elemente der
Talkshow etablierten. In den 70er Jahren kam es zu einer Krise (Einbruch der Zuschauerzahlen) und informative Talkshows wurden abgesetzt. Eher unterhaltende Formate wie Johnny Carsons Tonight Show überlebten. Erst in den 1980er Jahren entwickelten sich aus dem Vorbild Phil Donahues zwei neue Talkshow-Gattungen: Zum einen die „Confessional-Talkshow“ (umfasst auch die „Daily Talkshow“), in denen nicht-prominente Gäste über gesellschaftliche Tabuthemen sprechen. Zum anderen der „Confro-Talk“, bei dem über ein kontroverses Thema in einer künstlich angeheizten Ringkampfatmosphäre gestritten wird. Host der The Tonight Show war zwischen 1954 und 1957) Steve Allen, 1957 bis 1962 Jack Paar, Johnny Carson (1962–1992), Jay Leno (1992–2009, 2010 bis heute. Beispiel Frank Zappa in der Steve Allen Show. Der Auftritt von Frank Zappa 1962 fand ebenso bei Steve Allen statt, allerdings entsprechend nicht mehr in der Late Night Show, sondern bereits in einer weiteren Entiwcklung, The Steve Allen Show. ==Good Night, and good luck (2005, Regie Georges Clooney)== Eingerahmt von einer Preisverleihung für den Journalisten Edwar Murrow im Jahre 1958 blickt der Film auf die Jahre 1953 und 1954 zurück, in denen Murrow zusammen mit seinem Produzenten Fred Friendly und einem kleinen Team von Reportern im politischen Fernsehmagazin See It Now den Kampf gegen die Machenschaften des Senator McCarthy und dem von ihm geleiteten Senatsausschuss aufnahm. Dieser Ausschuss wurde eingesetzt, um kommunistischen Verschwörungen innerhalb staatlicher Organe aufzudecken, verstieß dabei aber immer wieder gegen die Bürgerrecht. ==Talk in Deutschland== In Deutschland wurde die erste Talkshow erst 1973 gesendet (Je später der Arbeit, WDR mit Dietmanr Schönherr und Vivi Bach). Auch wenn es in den Printmedien Vorläufer gab, in denen Prominente zu brisanten Themen befragt wurden, so wurde Je später der
Abend in Deutschland mit großem Medienhype platziert, es galt als das Neue Ding aus den USA. Die deutschen Shows MATERIAL Eva Herrmann bei Kerner ???? http://www.youtube.com/watch?v=_Dyzn4wQ4wE&NR=1 FAS, 14.10.2001 Interview mit Roger Willemsen „Es gibt nichts anderes als Scheitern, für niemanden“/ Warum Roger Willemsen mit dem Fernsehen aufhört Frage: Verschwindet das Fernsehen auch aus ihrem Fokus als Beobachter? Ich halte Sendungen nicht mehr aus, die ich früher mit so Konträrfaszination angesehen habe, die mich gegruselt haben. Wenn es mich heute gruselt, schalte ich doch um. Ich kann nur ein paar Minuten Raab sehen – es langweilt mich zu Tode, ich kann dieses ganze Zähnefletschen und Sichbreitmachen und Dickhodigdaherkommen nicht mehr sehen. Dafür kann ich lange an Phoenix hängen und sehe mir jede Afghanistan-Reportage an, weil das meinem Wirklichkeitshunger dann doch entgegenkommt. Frage: Eigentlich ist es doch ein furchtbarer Gedanke, dass das Fernsehen seine Möglichkeiten nicht nutzt. Die ersten Funktionsbestimmungen des Fernsehens waren: ein Medium, in dem sich Gesellschaft reflektiert, in dem Minderheiten miteinander in Kommunikation treten, in dem Entfremdungsschranken überwunden werden. Gegenüber dieser Matrize verhält sich unser Fernsehen wie eine Satire. Man wundert sich, dass noch kein Musterprozess darüber geführt wurde, dass der Aufklärungsanspruch des Rundfunkstaatsvertrages jeden Tag falsifiziert wird. Der Kulturpessimismus hat aber für mich kein Pathos mehr. Ich bin einfach ein Material, das verschlissen wird, ein Markenartikel, der irgendwann sein Verfallsdatum überschritten hat. Eigentlich wie Anke Huber.“ (Int.: Stefan Niggemeier)
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