"In Galiläa werdet ihr den Auferstandenen sehen!" Mk 16,7

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„In Galiläa werdet ihr
den Auferstandenen sehen!“                      Mk 16,7

Ermutigungen am Beginn des Sydonalen Wegs
von Bischof Dr. Franz-Josef Bode.
Predigten am 1. Advent und an Silvester 2019 im Dom zu Osnabrück
Impressum

Herausgeber:
Bistum Osnabrück
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hasestraße 40 A, 49074 Osnabrück

Druck:
                                               In großer Dankbarkeit allen gewidmet,
Levien Druck, Osnabrück
                                        die sich in dieser Zeit im Bistum Osnabrück einsetzen
Auflage:                                     und die Botschaft Christi lebendig halten.
5.000 Exemplare
                                             Für alle, die den Synodalen Weg mitgehen,
Januar 2020                                       und für alle, die ihn beobachten:
                                                  dass wir einander nicht verlieren
                                                      und dass der HERR uns
Titelbild:
                                    eine gemeinsame Zukunft und Hoffnung gebe (vgl. Jer 29,11).
Boat on the Sea of Galilee
(commons.wikimedia.org)
Lesungen

                                                                   Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem
                                                                   geschaut hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses
                                                                   des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle
                                                                   Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen:
                  Predigt von Bischof Dr. Franz-Josef Bode         Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes
    im Pontifikalamt am 1. Dezember 2019 im Dom zu Osnabrück zum   Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen
                                                                   wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN
                                                                   von Jerusalem. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele
              Erster Adventssonntag 2019                           Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen
                   (Eröffnung des Synodalen Wegs)                  umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das
                                                                   Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.
                                                                   Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.
                                                                                                                                  Jes 2,1-5

                                                                   Schwestern und Brüder! Das tut im Wissen um die gegenwärtige Zeit:
                                                                   Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das
                                                                   Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist
                                                                   vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der
                                                                   Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts! Lasst uns ehrenhaft leben
                                                                   wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und
                                                                   Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht! Vielmehr zieht den Herrn
                                                                   Jesus Christus an
                                                                                                                            Röm 13,11-14a

                                                                   Evangelium

                                                                   In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Sofort nach den Tagen der
                                                                   großen Drangsal wird die Sonne verfinstert werden und der Mond wird
                                                                   nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte
4                                                                  des Himmels werden erschüttert werden. Danach wird das Zeichen des         5
                                                                   Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der
Erde wehklagen und man wird den Menschensohn auf den Wolken des             „Tut alles im Wissen um die gegen-       „Wenn der Herr uns für würdig hält,
    Himmels kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Er wird seine      wärtige Zeit. Jetzt ist das Heil uns     diese Stunde zu erleben, hat er das
    Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von          näher als zu der Zeit, da wir gläubig    nicht getan, uns zu beschämen oder
    ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von          wurden“ (Röm 13,11). Dazu hat            zu lähmen … Nichts soll stärker sein
    einem Ende des Himmels bis zum andern.                                      uns Papst Franziskus am diesjäh-         als sein Leben, das uns vorantreibt.“
    Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine              rigen Hochfest Peter und Paul einen      Besser kann man die Absicht des
    Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer      überraschenden Brief „An das pil-        Synodalen Wegs fast nicht beschrei-
    nahe ist. So erkennt auch ihr, wenn ihr das alles seht, dass das Ende der   gernde Volk Gottes in Deutschland“       ben: Wir brauchen uns angesichts
    Welt nahe ist. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht verge-      geschrieben. Dieser Brief endet mit      der Krisen und Herausforderungen
    hen, bis das alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber         einer Ermutigung für uns alle und        unseres Glaubens nicht zu schämen,
    meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde           besonders für den Synodalen Weg,         denn er bleibt ein großes Angebot
    kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn,       den wir in Deutschland heute offizi-     für alle Menschen dieser Zeit. Und
    sondern nur der Vater.                                                      ell beginnen. Der Papst schreibt:        wir brauchen uns nicht lähmen
    Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird die Ankunft des Men-                                                 zu lassen durch Resignation oder
    schensohnes sein. Wie die Menschen in jenen Tagen vor der Flut aßen         „Ich möchte euch zur Seite stehen        gegenseitige Blockaden, durch
    und tranken, heirateten und sich heiraten ließen, bis zu dem Tag, an dem    und euch begleiten in der Gewiss-        Rechthaberei oder Besserwisserei.
    Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und    heit, dass, wenn der Herr uns für        Wir sollen uns mutig dem stellen,
    alle wegraffte, so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein. Dann      würdig hält, diese Stunde zu leben,      was die Zeichen der Zeit heute sind.
    wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen         Er das nicht getan hat, um uns           Unzweideutig schreibt der Papst:
    und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle       angesichts der Herausforderungen
    mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also            zu beschämen oder zu lähmen.             „Wir sind uns alle bewusst, dass wir
    wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.              Vielmehr will er, dass Sein Wort ein-    nicht nur in einer Zeit der Verände-
    Bedenkt dies: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in         mal mehr unser Herz herausfordert        rungen leben, sondern vielmehr in
    der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen,         und entzündet, wie Er es bei euren       einer Zeitenwende, die neue und
    dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn    Vätern getan hat, damit eure Söhne       alte Fragen aufwirft, angesichts
    der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.       und Töchter Visionen und eure            derer eine Auseinandersetzung
                                                                 Mt 24,29-44    Alten wieder prophetische Träume         berechtigt und notwendig ist. … Ich
                                                                                empfangen (vgl. Joel 3,1). Seine         möchte euch meine Unterstützung
                                                                                Liebe ,erlaubt uns, das Haupt zu         und Nähe auf dem gemeinsamen
                                                                                erheben und neu zu beginnen. Flie-       Weg anbieten und zur Suche nach
                                                                                hen wir nicht vor der Auferstehung       einer freimütigen Antwort auf die
                                                                                Jesu, geben wir uns niemals geschla-     gegenwärtige Situation ermuntern.“
6                                                                               gen, was auch immer geschehen                                                    7
                                                                                mag. Nichts soll stärker sein als sein
                                                                                Leben, das uns vorantreibt!‘“
Liebe Schwestern und Brüder, diese     Dabei wird es auch um die Lebbar-        Zu all dem gehört dann auch, wenn        Von unserem Bistum werden min-
    freimütige Antwort vor allem auf die   keit dieses Amtes gehen und um           wir als Kirche den Menschen evan-        destens sieben Personen dabei
    tiefe Erschütterung durch die sexu-    die Lebensform der Ehe oder der          geliumsgemäß begegnen wollen,            sein, vier Kleriker und drei Frauen,
    elle Gewalt, die von Klerikern aus-    Ehelosigkeit für Priester, je nach den   dass wir das Grundprinzip der Liebe,     wahrscheinlich noch einige Dazuge-
    geübt wurde und wird, suchen wir       Erfordernissen einer guten Evangeli-     wie Paulus es etwa im Hohenlied          wählte. Ich selbst bin als Stellvertre-
    gemeinsam im Synodalen Weg mit         sierung. Die Amazonien-Synode hat        der Liebe unüberholbar besingt (1        tender Vorsitzender der Deutschen
    vielen Getauften, Gefirmten, Beauf-    dazu erstmals Vorschläge gemacht.        Kor 13), dass wir dieses Grundprin-      Bischofskonferenz im Präsidium und
    tragten, Gesendeten, Geweihten                                                  zip zum Maßstab nehmen für alle          leite darüber hinaus mit Frau Profes-
    und zur Mitarbeit Dazugewählten,       Dass in einer solchen tiefen Erneue-     menschlichen Beziehungen bis hinein      sorin Sattler aus Münster das Forum
    also mit insgesamt rund 240 Per-       rung das Thema „Frauen in Diensten       in Partnerschaft und Sexualität.         „Frauen in Diensten und Ämtern der
    sonen. Wir wollen einen geistlichen    und Ämtern der Kirche“ nicht fehlen      Wenn wir diesen Bereich nicht posi-      Kirche“.
    Weg gehen, einen theologisch dif-      kann, ist geradezu selbstverständ-       tiver, menschennäher und lebens-
    ferenzierten und verantworteten,       lich, hat doch schon Papst Johannes      näher angehen, werden wir kaum           Der Ort des Geschehens ist bewusst
    einen pastoralen und dem Heil der      XXIII. vor über 60 Jahren diese Frage    neues Vertrauen erwecken und erst        eine Kirche inmitten einer säku-
    Menschen dienenden Weg.                zu einem der wichtigsten Zeichen         recht nicht den Herausforderungen        laren Stadt mit vielen Geschäften,
                                           unserer Zeit erklärt.                    des Missbrauchsskandals gerecht.         Banken und dem pulsierenden
    Dafür ist es enorm wichtig, eine                                                                                         Leben zwischen arm und reich. Es
    Kirche der Beteiligung aufzubauen      Eine Kirche, die sich den heutigen       In diesen vier Bereichen wollen wir      ist der Dom St. Bartholomäus in
    und zu stärken, in der alle gemein-    Erfordernissen stellen will, kann das    den Weg gehen in vier großen Ver-        Frankfurt, wo schon viel Geschichte
    sam ihre Gaben, Charismen und          nur mit Frauen in hochverantwort-        sammlungen – synodal, das heißt          gemacht worden ist etwa durch
    Talente mit hoher Verantwortung        lichen Leitungsdiensten und mit          in gemeinsamer Suche nach dem            Königskrönungen.
    und Leitungskompetenz einbringen       der sakramentalen Würdigung der          richtigen Weg, und evangelium-
    können, damit Machtmissbrauch          unzähligen diakonischen, sozia-          streu, das heißt immer am Urgrund        In unserem Bistum werden wir die-
    minimiert wird.                        len, katechetischen, erzieherischen      des Lebensstils Jesu Christi orien-      sen Weg der Bischofskonferenz und
                                           Tätigkeiten von Frauen etwa durch        tiert – und dann im Sinn der ganzen      des Zentralkomitees der deutschen
    Dafür ist es notwendig, den Dienst     die Diakonatsweihe für Frauen oder       Kirche handeln. Das ist nicht nur        Katholiken mit begleiten unter dem
    des priesterlichen Amtes neu zu        durch einen amtlichen Verkündi-          der Sinn Roms, sondern der Sinn          Leitwort „SYNOD.OS – gemeinsam
    verstehen als Garant der Beziehung     gungsdienst für Frauen. Wo Frauen        einer vielfältigen Weltkirche, die auf   weiter gehen“. Die Gruppe, die in
    aller Pastoral zum Ursprung Christus   die Kirche verlassen, nimmt die          unterschiedliche Weise das Leben         unserem diözesanen Schutzprozess
    und zur ganzen Kirche, diese Bezie-    Zukunft der Kirche schweren Scha-        Jesu Christi lebt und bezeugt. Nur       gegen sexuelle Gewalt die syste-
    hung, die der Priester immer neu       den, weil sie am meisten die Glau-       so können Schwerter, Kampf und           mischen und grundsätzlichen Fragen
    vergegenwärtigt in der Eucharistie,    bensweitergabe mittragen.                Machtgebaren zu Pflugscharen wer-        behandelt, wird das vorbereiten.
8   wo eben Christus selbst und die                                                 den, mit denen wir das Neuland der                                                 9
    ganze Kirche anwesend sind.                                                     Zukunft bereiten.
Liebe Schwestern und Brüder,           Netzwerken,     Strukturen    und    „Endlich bewegt sich was!“ stellt
     wenn wir gleich zusammen mit           Gremien.                             die Hoffnung fest und – hofft.
     Mitgliedern des Pfarrgemeinderats
     der Domgemeinde die Kerze des          „Diese Schuld! Es ist kaum           „Gott sei Dank sind wir gemein-
     Synodalen Wegs entzünden und           auszuhalten! An wessen Seite         sam unterwegs!“ bemerkt die
     wenn wir das Gebet sprechen für        stehen wir eigentlich?“ sagt die     Verbundenheit und schaut inte-
     den Synodalen Weg, das Sie bitte       Fassungslosigkeit und schafft sich   ressiert in die Runde.
     mit nach Hause nehmen, dann soll       Raum.
     deutlich werden, dass dieser Weg                                            „Wer Macht übernimmt, muss
     nur unter dem Segen Gottes, im         „Wir können gut getarnte Diskri-     Menschen lieben wollen!“ sagt
     Licht des Evangeliums und in der       minierung nicht länger hinneh-       die Demut, die aus der verstaub-
     Kraft des Heiligen Geistes gelingen    men!“ mahnt die Empörung an,         ten Ecke heraus glänzt.
     kann.                                  und die Wut hält ihr ein Mega-
                                            phon bereit.                         „Wir sollten immer mit Gott und
     Viele sehr verschiedene Meinungen                                           seinem Geist rechnen und hinhö-
     gibt es um diesen Weg. Ich darf        „Wer hat eigentlich noch Ver-        ren!“ hält der Glaube an seiner
     Sie alle bitten: Reden wir ihn nicht   trauen in diese Kirche?“ fragt       tiefsten Überzeugung fest.
     schlecht! Vertrauen wir auf das        sich der schwer angeschlagene
     Wirken des Geistes! Gestalten wir      Idealismus.                          „,Wir sollten immer mit Gott und
     den Weg an all unseren Orten           „Gibt es eine Möglichkeit, die       seinem Geist rechnen und hin-
     mit! Vor allem: Beten wir für sein     unterschiedlichen Pole zusam-        hören!‘ hält der Glaube an seiner
     Gelingen!                              menzuhalten und Einheit zu           tiefsten Überzeugung fest.“ Liebe
                                            wahren?“ fragt die auf‘s Äußerste    Schwestern und Brüder, diesen
     Ich schließe mit einem Text, der       strapazierte Balance.                tiefen Glauben, diese unver-
     mich sehr berührt hat in den letzten                                        schämte Hoffnung und diese nie
     Tagen. Er stammt von einer Pasto-      „Die Erwartungen sind ziemlich       aufgebende Liebe wünsche ich
     ralreferentin unseres Bistums, Inge    groß!“ bemerken der Druck und        uns allen für diesen Advent und
     Zumsande, und drückt das Entschei-     die Besorgnis.                       für den Synodalen Weg unserer
     dende in all der Meinungsvielfalt                                           Kirche in Deutschland. Amen.
     aus:                                   „Die Erwartungen sind wirklich
                                            groß!“ sagt auch die Neugier und
       „Es muss sich vieles ändern, und     freut sich auf Auseinandersetzung
10     zwar schnell!“ sagt die Ungeduld     und Wandel.                                                              11
       und verfängt sich in den vielen
Gebet für den                                             Wir bitten dich:
                                                          Sende uns den Heiligen Geist,
Synodalen Weg                                                  der neues Leben schafft.
                                                          Er stehe unserer Kirche in Deutschland bei
                                                               und lasse sie die Zeichen der Zeit erkennen.
Gott, unser Vater,                                        Er öffne unser Herz,
    du bist denen nahe,                                   damit wir auf dein Wort hören
    die dich suchen.                                      und es gläubig annehmen.
Zu dir kommen wir mit den Fragen unserer Tage,            Er treibe uns an, miteinander die Wahrheit zu suchen.
    mit unserem Versagen und unserer Schuld,              Er stärke unsere Treue zu dir
    mit unserer Sehnsucht und unserer Hoffnung.                und erhalte uns in der Einheit mit
                                                               unserem Papst und der ganzen Kirche.
Wir danken dir für Jesus Christus,                        Er helfe uns,
      unseren Bruder, unseren Freund und unseren Herrn.        dass wir deine Gerechtigkeit und
Er ist mitten unter uns,                                       deine Barmherzigkeit erfahrbar machen.
      wo immer wir uns in seinem Namen versammeln.        Er gebe uns die Kraft und den Mut,
Er geht mit uns auf unseren Wegen.                             aufzubrechen und deinen Willen zu tun.
Er zeigt sich uns in den Armen, den Unterdrückten,
den Opfern von Gewalt, den Verfolgten und an den          Denn du allein bist das Licht, das unsere Finsternis erhellt,
Rand Gedrängten.                                              du bist das Leben, das Gewalt, Leid und Tod besiegt.
                                                          Dich loben wir, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

                                                                                                                          13
Lesungen

                                                         Elija geriet in Angst, machte sich auf und ging weg, um sein Leben zu
                                                         retten. Er kam nach Beerscheba in Juda und ließ dort seinen Diener
                                                         zurück. Er selbst ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort
     Silvesterpredigt von Bischof Dr. Franz-Josef Bode   setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er
      am 31. Dezember 2019 im Dom zu Osnabrück           sagte: Nun ist es genug, HERR. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht
                                                         besser als meine Väter. Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und
                                                         schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
          „In Galiläa werdet ihr                         Als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender
       den Auferstandenen sehen“                         Asche gebacken war, und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und
                                                         legte sich wieder hin. Doch der Engel des HERRN kam zum zweiten
                         Mk 16,7                         Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu
         Kirche auf dem Weg zu den Ursprüngen            weit für dich. Da stand er auf, aß und trank und wanderte, durch diese
                                                         Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg
                                                         Horeb. Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das
                                                         Wort des HERRN erging an ihn: Was willst du hier, Elija? Er sagte: Mit
                                                         leidenschaftlichem Eifer bin ich für den HERRN, den Gott der Heerscha-
                                                         ren, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre
                                                         zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben. Ich allein
                                                         bin übrig geblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben. Der
                                                         HERR antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den
                                                         HERRN! Da zog der HERR vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die
                                                         Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem HERRN voraus. Doch
                                                         der HERR war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch
                                                         der HERR war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch
                                                         der HERR war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises
                                                         Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat
                                                         hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
                                                                                                                    1 Kön 19,3-13

                                                         Schwestern und Brüder! Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen
14                                                       Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die       15
                                                         freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft
erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes       Das Jahr 2019, liebe Schwestern und      Kirche. Aber er sah auch die Risiken,
     in unsere Herzen, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht       Brüder, war für uns alle kein leichtes   die mit der Stiftung Gottes, übertra-
     mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe            Jahr. Die immer noch nachwirkenden       gen in Menschenhände, verbunden
     durch Gott.                                                                   schweren Erschütterungen durch           waren und sind. Was er in den 30er
                                                                     Gal 4,4-7     den Skandal sexueller Gewalt durch       und 40er Jahren des vergangenen
                                                                                   Verantwortliche der Kirche und die       Jahrhunderts, also vor rund 80 Jah-
                                                                                   Verwerfungen in Gesellschaft und         ren, dazu geschrieben hat, ist sehr
     Evangelium                                                                    Politik, die bedrängenden Fragen         aktuell:
                                                                                   der Weltpolitik um Klima, Migration
     Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die             und Frieden, das alles bleibt nicht      Die Kirchen scheinen sich durch
     Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum                in den Kleidern hängen, sondern          die Art ihrer historisch gewordenen
     Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie          betrifft uns bis in die Tiefe unserer    Daseinsweise selbst im Weg zu ste-
     in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zuei-         Existenz, von den ganz persönlichen      hen. Ich glaube, überall da, wo wir
     nander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?            Durchkreuzungen und Belastungen          uns nicht freiwillig um des Lebens
     Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt          des Lebens ganz zu schweigen.            willen von der (jetzigen) Lebens-
     war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der                                                 weise trennen, wird die gesche-
     rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand           Natürlich würde keiner von uns           hende Geschichte uns als richtender
     bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt     leben können ohne auch erfüllende,       und zerstörender Blitz treffen. Das
     nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstan-       positive und ermutigende Begeg-          gilt sowohl für das persönliche
     den; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wohin man ihn gelegt hat.    nungen, von denen sicher die mei-        Schicksal des einzelnen kirchlichen
     Nun aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch            sten erzählen könnten. Doch immer        Menschen wie auch für die Institu-
     voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt         wieder kommen bange Fragen auf,          tionen und Brauchtümer. Wir sind
     hat. Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entset-         die wir nicht überhören dürfen und       trotz aller Richtigkeit und Recht-
     zen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie         die wir letztlich auch nicht über-       gläubigkeit an einem toten Punkt.
     fürchteten sich.                                                              hören können: Wohin sollen wir           Die christliche Idee ist keine der
                                                                       Mk 16,1-8   gehen? Mit unserer Kirche? Mit           führenden und gestaltenden Ideen
                                                                                   unserem Glauben? Mit den so ver-         dieses Jahrhunderts. Immer noch
                                                                                   unsichernden Erfahrungen in Kirche       liegt der ausgeplünderte Mensch
                                                                                   und Welt, mit den Enttäuschungen         am Wege. Soll der Fremdling ihn
                                                                                   und zerbrochenen Hoffnungen, mit         noch einmal aufheben? Man muß,
                                                                                   den Sorgen und Empörungen?               glaube ich, den Satz sehr ernst neh-
                                                                                                                            men: was gegenwärtig die Kirche
16                                                                                 Der Jesuitenpater und Märtyrer           beunruhigt und bedrängt, ist der        17
                                                                                   Alfred Delp war fasziniert von der       Mensch. Der Mensch außen, zu
dem wir keinen Weg mehr haben          Soweit Alfred Delp.                    -   Nazareth und das Bekenntnis        in Schulen, Kindergärten, in Kunst
     und der uns nicht mehr glaubt. Und                                                in der Synagoge: Ich bin gesalbt   und Kultur, Musik und geistlichen
     der Mensch innen, der sich selbst      Wohin also, liebe Schwestern und           und gesandt…zu den Armen           Orten, in Beratungseinrichtungen
     nicht glaubt, weil er zu wenig Liebe   Brüder, sollen wir gehen? Sie sind         und Bedrängten,                    und Bildungsstätten, auf Pilgerrei-
     erlebt und gelebt hat. Man soll        womöglich einigermaßen verwun-         -   Kapharnaum, seine Stadt;           sen zu Gnadenorten – und überall
     deshalb keine großen Reformreden       dert, wenn ich heute Abend ganz        -   der See und die Alltagsarbeit      dort, wo Menschen um ihre Bezie-
     halten und keine großen Reform-        schlicht antworte: nach Galiläa.           mit Sonne, Sturm und Regen;        hungen, ihre Versorgung, ihr Dasein
     programme entwerfen, sondern sich                                             -   die Berufung der ersten Jünger;    bangen, wo sie einander beistehen
     an die Bildung der christlichen Per-   Ich habe heute abend bewusst den       -   neue Netzwerke für                 und helfen, wo Generationen sich
     sonalität (Persönlichkeit) begeben     Schluss des Markusevangeliums              Menschenfischer;                   umeinander kümmern, Menschen
     und zugleich sich rüsten, der unge-    vorlesen lassen am Ende dieses Jah-    -   Heilungen von Fieber, Aussatz,     geboren werden und sterben, wo
     heuren Not des Menschen helfend        res. Da heißt es: „Erschreckt nicht!       Lähmung, Taubstummheit,            sie einen Lebensglauben haben, der
     und heilend zu begegnen…               Ihr sucht Jesus von Nazareth, den          Blindheit, Besessenheit,           nach Orientierung, nach Sinn, nach
     Erziehung zur Ehrfurcht dem ande-      Gekreuzigten. Er ist auferstanden;         ja Auferweckung vom Tod zum        dem Anderen und Größeren sucht,
     ren Menschen gegenüber. Weg von        er ist nicht hier. … Nun aber geht         Leben;                             wo Sehnsucht nicht mehr nur durch
     der Anmaßung zur Ehrfurcht. Die        und sagt seinen Jüngern, vor allem     -   Gleichnisse, eine neue Sprache     Konsum und Macht und Geltung zu
     Kirche muß sich selbst viel mehr       Petrus: Er geht euch voraus nach           mit Bildern aus dem Leben;         stillen ist.
     als Sakrament, als Weg und Mittel      Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“   -   die Bergpredigt im Matthäus-
     begreifen, nicht als Ziel und Ende.                                               evangelium, die im Lukasevan-      Kirche muss aufbrechen auf den
     Die personale Verständigung ist        Ein erstaunliches Wort. Wer dem            gelium die Feldrede ist, dieses    Weg von Jerusalem nach Galiläa.
     heute wichtiger als die ursprüng-      Auferstanden begegnen will, muss           Lebensprogramm Jesu mit den        Und dies gilt besonders für die hie-
     liche sachliche Integrität…            zurück nach Galiläa, räumlich über         Seligpreisungen;                   rarchische, amtlich verfasste Kirche.
     Die Wucht der immanenten Sen-          200 Kilometer von Jerusalem ent-       -   das neue Beten, das Vaterunser;    Wir – und ich schließe mich als
     dung der Kirche hängt ab vom Ernst     fernt. Was bedeutet das?               -   und mehr, und mehr, und mehr.      Bischof ein – müssen wie damals
     ihrer transzendenten Hingabe und                                                                                     die Jünger weggehen von Jerusa-
     Anbetung. Der anmaßende Mensch         Der Auferstandene ist dort zu          Kirche, die dem Auferstandenen         lem, der großen, festen Stadt, dem
     ist schon in der Nähe der Kirche       finden, wo er mit den Menschen         auch in Zukunft begegnen will,         Ort der religiösen, politischen und
     immer vom übel, geschweige denn        angefangen hat im sogenannten          muss wieder nach Galiläa gehen,        gesellschaftlichen Mächte und des
     in der Kirche und gar im Namen der     „galiläischen Frühling“. Dort, wo      in die völlige Einfachheit, zu den     Machtgebarens. In der Hoffnung,
     Kirche oder als Kirche.                das alles geschah:                     Menschen, wo sie leben, lieben         mit dem Auferstandenen das Galiläa
     (Alfred Delp, Kirche in Menschen-      - die Taufe Jesu im Jordan;            und leiden, wo die Leute Jesu nicht    des Ursprungs neu zu erfahren und
     händen, hrsg. v. Roman Bleistein,      - die Versuchungen in der              nur in festen Gemeinden leben, so      neu zu verstehen, dass es nicht um
18   Frankfurt/M., 1985, S. 90 ff.)             Wüste und das Ringen um            sehr wir sie brauchen, sondern an      die Rückeroberung alter Herrlichkeit    19
                                                den weiteren Weg;                  vielen neuen und anderen Orten,        geht, sondern darum, mitten unter
den Menschen zu sein und in neuer        Minderheit sein. Jesus lädt sich ohne     wünscht: „Es ist genug, Herr! Lass     dort eben nicht in Erdbeben, Sturm
     Gemeinschaft hinter Jesus her zu         Scheu selbst bei ihnen ein, bei den       mich sterben!“ Und was richtet ihn     und Feuer, sondern in Stille und
     sein, in seiner Nachfolge zu den         anderen, auch bei Sündern, bei            auf und stärkt ihn? Berührung mit      Schweigen.
     Menschen. In kleinen Gemeinschaf-        Zachäus, bei den Suchenden und            Gott durch den Engel. Erfahrung
     ten der Eucharistie, an Orten des        Neugierigen: „Heute muss ich bei          von Zuwendung und Nähe durch           Liebe Schwestern und Brüder, der
     Vertrauens, der Beziehung und der        dir zu Gast sein!“ (vgl. Lk 19,5)         Speise und Trank. „Steh auf und iss,   Weg nach Galiläa führt durch die
     Vergebung – eben in einer neuen                                                    sonst ist der Weg zu weit für dich“,   Wüste und durch ein Land von
     Art, eher ,galiläisch‘ als ,jerusale-    Sie spüren, liebe Schwestern und          beschwört ihn der Engel (1 Kön         Stille und Schweigen. Wohin sollen
     misch‘ Kirche zu sein.                   Brüder, was das für ein Weg der Kir-      19,1-8).                               wir gehen? Dorthin, wo wir in aller
                                              che wäre nach Galiläa: als einfache,                                             Resignation und Not berührt wer-
     Dies wäre eine Kirche, in der mehr       transparente und horchsame Kirche,        Es geht um eine neue Wahrneh-          den und uns berühren lassen von
     Frauen die frohe Botschaft überbrin-     als eine Kirche, die mit Besitz, Gel-     mung der Eucharistie durch die Feier   Gott, von Jesus, von seinem Geist.
     gen – wie damals nach der Aufer-         tung und Macht anders umgeht,             der heiligen Messe, aber auch durch    Dorthin, wo wir uns nähren lassen
     stehung an Petrus und die anderen        achtsam nach den Seligpreisungen          Wortgottesfeiern mit Kommunion         von seiner Nahrung, dorthin, wo
     Jünger –, in der die Frauen nicht auf-   der Berg- und Feldpredigt.                und durch eucharistische Anbetung.     Glaube sich eher nicht als machtvoll,
     geben, nach den Begrabenen und                                                     Denn auf unserem Weg nach Gali-        stürmisch und feurig darstellt – trotz
     verloren Geglaubten zu schauen –         Vielleicht ist gerade auch nach dem       läa nehmen wir ja die Erfahrung        aller notwendigen pfingstlichen
     hoffend wider alle Hoffnung – und        tiefen Vertrauensverlust durch den        von Jerusalem mit: Tod und Aufer-      Begeisterung –, sondern in der Stille
     deshalb die ersten Zeuginnen wer-        Missbrauch in der Kirche mehr ,Gali-      stehung Jesu als ,Schlüsselerlebnis‘   und im Schweigen gesucht wird.
     den dafür, dass der große Stein des      läa‘ als ,Jerusalem‘ dran – statt dicht   der Hoffnung und das Abendmahl
     Grabes schon weggewälzt ist.             gebaut und fest gefügt eher offene        mit der Fußwaschung als bleibende      Wohin sollen wir gehen? Zum Galiläa
                                              und überschaubare Lebenseinheiten         Form seiner Gegenwart in unserer       einer Kirche bei den Menschen, mit
     Ich wünsche mir eine galiläische         auf dem Weg –, eingestreut als            Mitte. Um die Nähe zur Eucharistie     den Menschen, für die Menschen,
     Kirche, in der wir Gastfreundschaft      schöpferische Minderheit, eben als        in unseren Gemeinden zu erhalten,      um Gottes Reich aufzubauen. Erin-
     anbieten, aber auch um Gastfreund-       Diaspora, als Salz und Licht, nicht als   brauchen wir, so denke ich, neben      nern wir uns an die erste Botschaft
     schaft bei den Menschen werben,          mächtige Festung. „Mehr Evange-           den zölibatär lebenden hauptamt-       Jesu in Galiläa: „Die Zeit ist erfüllt,
     die kaum noch eine Beziehung zur         lium – weniger Kirche“, so möchte         lichen Priestern auch Priester mit     das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um
     Kirche haben oder gar nicht zur          ich das zusammenfassen.                   Beruf und Familie, die mit und in      und glaubt an das Evangelium!“ (Mk
     Kirche gehören. In wenigen Jahren                                                  kleinen Kreisen als Gemeinschaft       1,15) Heute erleben wir wieder eine
     werden alle Christen in unserem          Wohin sollen wir gehen?                   die Erfahrung der Eucharistie wieder   ,Zeitenwende‘, wie Papst Franziskus
     Land insgesamt – also katholische,                                                 vertiefen können wie in der frühen     in seinem Brief an das pilgernde Volk
     evangelische, orthodoxe und frei-        Gehen wir auch mit Elija, liebe           Kirche. Dabei dürfen wir auch die      Gottes in Deutschland schreibt, die
20   kirchliche – weniger als die Hälfte      Schwestern und Brüder, der, voll-         weiteren Begebenheiten um Elija am     nicht nur äußere Maßnahmen und            21
     der Bevölkerung stellen, also eine       kommen resigniert, sich den Tod           Horeb nicht unterschätzen: Gott ist    Veränderungen braucht, sondern
eine innere Umkehr des ganzen         „Selig die Hungernden (Lk 6,21).       Liebe Schwestern und Brüder,             des dreieinigen Gottes, der Segen
     Menschen mit Kopf, Herz und           All diese Worte des Trostes, die       „bewusst zu leben beginnen, was          des Vaters und des Sohnes und des
     Hand, eine Einübung neuer Hal-        Jesus in Galiläa zu uns sprach,        vordem in Galiläa in der Unmittel-       Heiligen Geistes. Amen.
     tungen statt nur neuer Handlungen.    sind die Fußspuren eines Weges,        barkeit der ,Nachfolge‘ Jesu geschah
     Und dafür brauchen wir ein neues      auf dem er uns vorangegangen ist.      – darum geht es in unserem Neuen
     Hineinleben ins Evangelium. Das       Niemals seither ist unser Leben nur    Jahr 2020 ganz besonders, weil wir
     bedeutet eine neue Beziehung zu       ein Weg zum Grab, ein Weg ins Nir-     den Synodalen Weg in der Kirche in
     Christus, der das Evangelium in       gendwo, sondern wir folgen fortan      Deutschland und in unserem Bistum
     Person ist. Wir brauchen eine immer   den Fußspuren einer unzerstörbaren     gehen wollen. Er soll nichts anderes
     tiefere Annahme seines Lebensstils    Hoffnung, und unser Leben ist wie      zum Ziel haben, als dass Kirche wie-
     in der ganzen Kirche.                 eine Wallfahrt zur Stätte der Wahr-    der den Auferstandenen in ,Galiläa‘
                                           heit an den Ufern des kleinen Sees     erlebt und, gestärkt durch die Erfah-
     Lassen Sie mich schließen mit         Gennesareth, in dem der Himmel         rungen von Jerusalem, von diesem
     einem Text zu unserem heutigen        sich spiegelt und an dem jene Worte    Galiläa aus hinausgeht in die Welt,
     Evangelium, der nun auch schon        ewigen Friedens zum erstenmal          zu den Menschen, wo immer sie
     wieder 40 Jahre alt ist, von Eugen    gesprochen wurden. Sie werden uns      leben, lieben und leiden.
     Drewermann:                           immer voraus sein, aber sie markie-
                                           ren doch die Richtung und Bestim-      Den Jüngerinnen und Jüngern
     Seit diesem Augenblick des Oster-     mung unseres Lebens, und je mehr       damals am Grab bereitete die Ver-
     morgens kann unser Leben eine         wir ihnen folgen, desto weiter wird    kündigung der Auferstehung Schre-
     neue Richtung gewinnen, kein          unser Herz in der Freude des Glücks,   cken und Angst. Aber durch ihren
     Verhocken mehr an den Rändern         je mehr wird hereinscheinen vom        Weg nach Galiläa wurden sie zu
     des Diesseits, kein bloßes Starren    Lichte dieses Ostermorgens. Der        mutigen Zeugen und Zeuginnen des
     der Sehnsucht auf ein Ufer jenseits   „Engel“, der zur rechten Seite der     Lebens Jesu.
     des Meeres. Unser Leben hier auf      Stelle Platz genommen hat, an die
     Erden vermag zu einem Weg zu          man den Leichnam Jesu gelegt           Gehen wir, liebe Schwestern und
     werden, der an den Ort zurück-        hatte, möchte und ermöglicht, daß      Brüder, trotz allem, was auf uns
     führt, wo wir all das schon einmal    wir bewußt zu leben beginnen, was      lastet, ermutigt und beherzt in dieses
     gehört haben, an das wir glauben      vordem in der Unmittelbarkeit der      neue Jahr und lassen wir uns vom
     mochten, um zu leben: „Selig          „Nachfolge“ geschah.                   Geist Gottes, der der Geist Jesu von
     sind die Weinenden“ (Lk 6,21).        (Eugen Drewermann, Das Marku-          Galiläa und Jerusalem ist, herausfor-
     „Die Zöllner und die Dirnen kom-      sevangelium. Zweiter Teil: Mk 9,14-    dern und leiten. Dann wird auch auf
22   men vor euch in das Himmelreich       16,20, Freiburg 1988, S. 695 f.)       diesem Jahr Segen ruhen, der Segen                                           23
     (Mt 21,31).
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