KEIN INSEKTENSTERBEN IM WALD - ZUM UMGANG MIT SCHWAMMSPINNER-BEFALL IN WÄLDERN - BUND Naturschutz
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Schwammspinner-Raupe, Foto: Moni Nunn ZUM UMGANG MIT SCHWAMMSPINNER-BEFALL IN WÄLDERN …………………………………………………………….………......................... KEIN INSEKTENSTERBEN IM WALD Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) kritisierte in den letzten Jahren immer wieder, dass die Forstverwaltung Eichenwälder mit Pestiziden begiften lässt. Hintergrund sind starke Vermehrungen des Schwammspinners, dessen Raupen vor allem an Blättern von Eichen fressen. Nach Ansicht des BN sind die flächigen Pestizideinsätze, durch die zuletzt im Jahr 2020 etwa 3.000 Hektar Eichenwälder vom Hubschrauber aus begiftet wurden, naturschutzfachlich höchst bedenklich, forstfachlich nicht notwendig und rechtlich nicht zulässig. Der BN appelliert deshalb an Waldbesitzer und Kommunen, einem flächigen Gifteinsatz in ihren Wäldern nicht zuzustimmen. Derartige flächige Begiftungen der sehr artenreichen Eichenwälder sind vor dem Hintergrund des erfolgreichen Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ überhaupt nicht mehr zeitgemäß und der Bevölkerung nicht vermittelbar. 1. ARTENREICHE EICHENWÄLDER Vielfalt ist enorm, aber leider durch die NICHT WEITER BEGIFTEN UND Ausbringung des Fraßgiftes Mimic bedroht: insgesamt sind es in Deutschland 699 GEFÄHRDEN blattfressende Gliederfüßer-Arten, die auf und Die Begiftungsaktionen in Eichenwäldern sind von der Eiche leben.1, 2 Darunter sind 305 naturschutzfachlich höchst bedenklich und Schmetterlings-, 208 Käfer-, 45 Gallwespen- deshalb so gravierend, weil die Eiche von allen und 39 Wanzenarten. Baumarten den mit Abstand höchsten natürlichen Insektenreichtum aufweist. Die 1
Hunderte von Insektenarten betroffen Bodenpflanzen (Abb. 3, 4) in diesen Wäldern Das 2020 ausgebrachte Insektizid Mimic wirkt vorkommen. Da allein von den 1.406 nicht nur speziell gegen die Raupen des Großschmetterlingsarten in Deutschland 971 Schwammspinners. Es kann alle frei Arten eine Waldbindung haben, kann man, fressenden, sich häutenden Gliederfüßler- wenn man die Kleinschmetterlinge Arten in diesen Wäldern töten, die an mit dem hinzunimmt, von einer vierstelligen Zahl an Insektizid benetzten Blättern der vorhandenen Schmetterlingsarten ausgehen, die hier in Bäume, Sträucher, Kräuter und Gräser fressen. Eichen- bzw. Laubmischwäldern potentiell betroffen sein können. Abb. 1: Der Pustelspanner, der an der Eiche frisst und als Jungraupe überwintert, Foto: Oskar Jungklaus Damit sind die Schmetterlinge als die artenreichste der o.g. Tiergruppen besonders massiv betroffen (s. Abb. 1, 2, 3, 4). So schreibt auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Mimic eine hohe Toxizität für „Nichtzielarten“ unter den Schmetterlingen zu3, weil alle Arten, deren Raupen im Zeitraum der Mimic-Begiftung an Pflanzen fressen, das Gift aufnehmen und dadurch getötet werden. Abb. 3 und 4: Der Kaisermantel ist ein attraktiver Waldschmetterling (oben), dessen Raupen sich von Veilchen ernähren (unten). Fledermausvorkommen in vielen Wäldern nicht bekannt In Eichenwäldern sind verschiedene weitere relevante Artengruppen mit einer sehr hohen Artenvielfalt vertreten, z.B. Fledermäuse oder Abb. 2: Schwarzes L, ein Trägspinner, dessen Raupen an Vögel. Diese Gruppen können ebenso Buchen fressen, dort auch überwintern; Foto: Oskar betroffen sein, weil sie auf Insekten als Jungklaus Nahrung angewiesen sind. Betroffen sind aber nicht nur die über 300 Als besonders sensibel gelten dabei Schmetterlingsarten, die an Eichen leben, Fledermäuse, weil sie einen außerordentlich sondern viele weitere Arten, die an anderen hohen Energiebedarf haben, den sie tagtäglich Bäumen (Abb. 2), Sträuchern und durch die Nahrung aufnehmen müssen.2 Durch die Begiftung der freifressenden Raupen fällt 2
jedoch ein zentraler Teil der energiereichen Stamm und in der Innenkrone von Eichen nach Beute weg. Nahrung suchen4. Viele Fledermausarten nutzen Eichenwälder als Untersuchungen im Gemeindewald Lebensraum, Quartier- und Jagdgebiet 2. Alle Schwebheim aus dem Jahr 1994 belegten heimischen 22 Arten kommen in Wäldern vor. massive Auswirkungen auf die Vogelbruten (Abb. 7). Wegen der Schwammspinner- Begiftung („flächig behandelt“) waren im überwiegenden Teil der Nistkästen die Jungen gestorben bzw. die Eier leer, was in „unbehandelten“ Wäldern nahezu nicht vorkam. Abb. 5: Bechsteinfledermaus, Foto: Wolfgang Willner Die Verbreitung der Fledermäuse im Wald ist nur unzureichend bekannt, weil in vielen Waldgebieten gar keine Erfassung durchgeführt wurde. So wurde z.B. die Nymphenfledermaus jahrzehntelang übersehen, weil sie überwiegend im Kronenraum lebt. Besonders bedroht durch die Gifteinsätze ist auch die gefährdete FFH-Art Abb.7: Vogelmortalität bei Dimilineinsatz; Bechsteinfledermaus, weil die Raupen, die Schwammspinner-Bekämpfung 1994; deren Hauptnahrungsquelle darstellen, durch Nistkastenkontrollen im Gemeindewald Schwebheim, Lkr. Schweinfurt die Begiftung vernichtet werden (Abb. 5). Kein Risiko für Bienen? Obwohl Mimic als „nicht bienengefährlich“ eingestuft ist, hat z.B. das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt im Rahmen der Begiftungsaktionen 2020 empfohlen, dass die Bienenkästen für den Zeitraum der Befliegung umgesetzt werden oder zumindest am Behandlungstag geschlossen gehalten werden sollen.5 Die Wildbienenarten Frühlings-Schmalbiene oder die stark gefährdete Eichen-Erdbiene Abb. 6: Blaumeise, Foto: Johannes Selmansberger sammeln Eichenpollen als Nahrung für ihre Brut. Damit wird Mimic in die Nester getragen, Verhungerte Vogeljunge die Auswirkungen auf die Brut werden nicht Eine Untersuchung aus den Jahren 2004 und untersucht. 2005 in Eichenwäldern am Autobahndreieck Hochgiftig für Wasserorganismen Werneck zeigt, dass die Schwammspinner- Begiftung mit dem Häutungshemmer Dimilin Wegen der großen Toxizität von Mimic für bei den Vögeln zu deutlich weniger Arten und Wasserorganismen müssen Gewässer, auch Individuen führt, besonders bei den periodische, vom Besprühen mit Gift Insektenfressern und den Vogelarten, die am ausgenommen werden (Abstand 25 m) 6. 3
Darüber hinaus können auch Krebse und Amphibien von der Begiftung betroffen sein7. Aus BN-Sicht ist problematisch, dass nicht alle kleinen und kleinsten Gewässer, in denen z.B. Gelbbauchunken vorkommen können, in diesen Wäldern genau erfasst werden. Somit besteht die Gefahr, dass die Gewässer unzulässig begiftet werden. Abb. 8: BN kämpft mit Imkern gegen Gifteinsätze im Wald; Foto: BN Abb. 9 und 10: Nach Kahlfraß wiederbelaubte 2. „BESTANDSGEFÄHRDUNG“ ALS Eichenwälder, oben in Gunzenhausen (Okt. 2019), unten GRUNDVORAUSSETZUNG NICHT bei Rüdisbronn im Landkreis Neustadt/Aisch (Jul. 2018). Für diese Wälder hat Forstverwaltung einen Gifteinsatz GEGEBEN gegen Schwammspinner-Raupen wegen Bestands- Die zentrale Grundbedingung für einen gefährdung vorgesehen, was Eigentümer aber abgelehnt derartigen Gifteinsatz mit Luftfahrzeugen ist, haben. Fazit: keine Bestandsgefährdung! Fotos: BN dass die betroffenen Eichenwälder durch den Dies liegt unter den Holzmengen, die bei einer Schwammspinner-Fraß in ihrem Bestand bedroht sein müssen, d.h. dass ein flächiges regulären Durchforstung entnommen werden. Absterben droht.7,8 Eine Landtagsanfrage zu Die „vermutete“ Bestandsgefährdung ist nicht den Begiftungsaktionen 2018 hat zu Tage belegt bzw. das Risiko minimal (s. Abb. 9, 10). gebracht, dass es nirgends zu derartigem Damit entfällt nach BN-Auffassung die rechtliche Grundlage für einen derartigen flächigem Absterben gekommen ist, wenn Pestizideinsatz. Eichenwälder entgegen der Forstempfehlung aus verschiedenen Gründen (z.B. bei speziellen Auch wenn der BN nachvollziehen kann, dass Artenvorkommen) nicht begiftet wurden.9 sich Waldbesitzer um ihren Wald sorgen, sind Begiftungen auch forstfachlich nicht not- Auch für frühere Massenvermehrungen ist ein flächiges Absterben von Eichenwäldern nicht wendig, wenn Wälder in ihrem Bestand nicht gefährdet sind bzw. das Risiko minimal ist. wissenschaftlich belegt. Der Fraß durch die Schwammspinner-Raupen kann zwar auch zum Der BN begrüßt es, dass es Waldbesitzer und Kahlfraß führen. Da die Eichen aber im Sommer Kommunen gibt, die sich bei früheren i.d.R. einen Johannistrieb ausbilden, d.h. Massenvermehrungen trotz Kahlfraß-Gefahr wieder austreiben, kommt es bei einem reinen und trotz einer Begiftungs-Empfehlung der Schwammspinner-Fraß allenfalls zum Ausfall Forstverwaltung gegen eine Begiftung ihrer einzelner Bäume. Selbst die Bayerische Wälder ausgesprochen haben. Die betroffenen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Wälder sind nicht abgestorben! Der BN fordert (LWF) rechnete für diesen Fall mit einer deshalb für Waldbesitzer eine finanzielle Ausfallquote von unter 10 Prozent.10 Honorierung, wenn diese zum Schutz der 4
Artenvielfalt auf Gifteinsätze verzichten und sie Mustern und Zyklen: vom Aufbau der das Risiko tragen, dass es zum Ausfall einzelner Population über einen Höhepunkt bis zum Bäume kommt. natürlichen Zusammenbruch. Dabei fressen die Raupen besonders an Eichen, aber auch an 3. BISHERIGE GIFTEINSÄTZE MIT LUFT- anderen Laubbäumen und Sträuchern, in FAHRZEUGEN RECHTLICH UNZULÄSSIG extremen Jahren bis zum Kahlfraß. Aus Sicht des BN sind die mit Luftfahrzeugen Die Schwammspinner überwintern in den praktizierten Gifteinsätze in Eichenwäldern Eihüllen als fertig entwickelte Räupchen. Sie aus verschiedenen Gründen rechtlich nicht schlüpfen im Frühling mit dem Blattaustrieb zulässig. und beginnen sofort zu fressen. Die kleinen Eine Bestandsgefährdung der Eichenwälder Raupen werden mit Hilfe langer Schwebhaare als notwendige Grundvorausetzung für oft kilometerweit mit dem Wind verfrachtet. Gifteinsätze aus der Luft ist nicht gegeben. Während der 6 bis 12 Wochen dauernden Unvollständige naturschutz- und Entwicklung frisst jede Raupe etwa einen artenschutzrechtliche Prüfungen: Die Quadratmeter Laub und häutet sich mehrfach. betroffenen Einzelflächen werden nicht Die Raupenhaare der späten Raupenstadien hinreichend daraufhin untersucht, ob können bei empfindlichen Menschen schützenswerte und gefährdete Arten bzw. Hautreizungen hervorrufen.11 relevante Schutzgüter vorkommen. o Soweit Natura 2000-Gebiete betroffen sind, fehlt eine vollständige FFH- Verträglichkeitsprüfung, bei der alle FFH-II-Anhang-Arten sowie lebensraumtypische Arten der FFH- Gebiete erfasst sein müssen. Als Voraussetzung dazu müssen Erhebungen für alle betroffenen Einzel- flächen für die verschiedenen Arten- gruppen vorliegen. Dies ist aber nicht der Fall. Abb. 11: Zwei Schwammspinner-Weibchen mit o Der besondere Artenschutz nach § 44 schwammartigen Gelegen; Foto: Sven Finnberg Abs. 1 BNatSchG erfordert eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP), die Nach der Verpuppung schlüpfen die Falter bei Hinweisen auf bzw. Vorkommen von (Abb. 11) zwischen Juli und Ende September. streng geschützten Arten (d.h. FFH IV- Nach der Begattung legt das Weibchen einige Anhang-Arten und Vogelarten der Hundert Eier in einem Gelege ab und umhüllt Vogelschutzrichtlinie) immer durch- es mit gelblicher Afterwolle zum Schutz gegen geführt werden muss. Als Voraussetzung die Winterkälte. Dieses schwammige Gebilde dazu müssen Erhebungen für alle hat dem Schwammspinner seinen Namen betroffenen Einzelflächen für die gegeben (Abb. 11). verschiedenen Artengruppen vorliegen. Zusammenbruch der Population Dies ist aber nicht der Fall. Die Schwammspinner haben eine große Anzahl natürlicher Feinde, von denen viele dazu 4. HINTERGRUNDINFORMATIONEN beitragen, dass eine Massenvermehrung Steckbrief Schwammspinner immer auf natürliche Weise zu Ende geht. Dazu zählen Krankheitserreger (z.B. Bakterien und Der Schwammspinner ist ein wärmeliebender Viren), Schmarotzer (z.B. bestimmte Fliegen Nachtfalter, der vor allem in warmen, oder Wespen) (Abb. 12) und Räuber (z.B. Käfer trockenen Sommern zu Massenvermehrungen und Ameisen, Vögel oder Kröten). fähig ist. Diese folgen immer bestimmten 5
verkürzt sich die Zeit zwischen den Kalamitäten erheblich und diese können sich dadurch um einiges verstärken! Rechtliche Vorgaben für Begiftung Laut EU-Rahmenrichtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (RL 2009/128/EG) und Pflanzenschutzgesetz (PflSchG §18) ist das Sprühen von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen generell verboten. Es kann aber unter bestimmten Bedingungen genehmigt werden. Die Ausbringungen werden von der Abb. 12: Von Igelfliege parasitierte Schwammspinner- LWF vorbereitet, geplant und mit Raupe; Foto: Oskar Jungklaus Unternehmern durchgeführt. Bei den Obwohl die Schwammspinner-Population Begiftungen mit dem Hubschrauber sind eine vielerorts 2020 zusammengebrochen ist, hat Reihe von Auflagen einzuhalten: Abstände zum die Forstverwaltung 3.000 Hektar an Waldrand, zu Oberflächengewässern, zu Waldfläche begiftet. Gebäuden und zu relevanten Schutzgütern. Die BN-Kreisgruppe Bad Kissingen hat 2020 Die Forstverwaltung sieht in den Schwamm- diesen Prozess begleitet und den spinner-Vermehrungen eine Bestands- Zusammenbruch der Schwammspinner- gefährdung von Eichenwäldern, die sie in den Population durch Parasiten und räuberische letzten Jahrzehnten versucht hat, mit Käfer dokumentiert.12 So wurde der ansonsten Pestizidausbringung aus der Luft (früher in Bayern vom Aussterben bedrohte Dimilin, jetzt Mimic) einzudämmen. Laut LWF schillernde Große Puppenräuber (Abb. 13) zieht „ein hohes Risiko für einen Kahlfraß … wohl erstmalig in der Region nachgewiesen - nicht zwingend eine Behandlung des ausgelöst durch das große Nahrungsangebot. betroffenen Waldbestandes mit Pflanzen- Der Käfer wird mehrere Jahre alt und frisst in schutzmitteln nach sich. Kriterium ist einer Saison etwa 400 Raupen. Auch seine ausschließlich eine bestandsbedrohende Larven sind sehr gefrässig und entwickeln sich Gesamtsituation.“8 schnell. In naturschutzrechtlicher Hinsicht sind dabei die rechtlichen Vorgaben der Schutzgebiete (insbesondere Naturschutzgebiete und Natura- 2000-Gebiete) sowie des besonderen Arten- schutzes (§ 44 Abs. 1 Bundesnaturschutz- gesetz) zu beachten. Für FFH- und Vogelschutz- Gebiete ist eine vollständige FFH-Verträglich- keitsprüfung verpflichtend, wozu alle FFH-II- Anhang-Arten sowie lebensraumtypische Arten in den FFH-Gebieten erfasst sein müssen. Darüber erfordert der besondere Artenschutz eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung Abb. 13: Der große Puppenräuber, Foto: Oskar Jungklaus (saP) bei Hinweisen bzw. Vorkommen von streng geschützten Arten (d.h. FFH IV-Anhang- Man muss sich im Klaren sein, dass eine Arten und Vogelarten der Vogelschutzricht- Begiftung Räubern und Parasiten die linie). Sie muss für alle Einzelflächen, die Lebensgrundlage entzieht. Diese Gegenspieler begiftet werden sollen, durchgeführt werden brauchen eben auch einen gewissen „Besatz“ und zwar unabhängig davon, ob Flächen an Wirtsorganismen, um bei geschützt sind. Relevant sind hier vor allem Massenvermehrungen schneller aktiv werden Fledermäuse, Vögel und Schmetterlinge, die in zu können. Wenn dies nicht gegeben ist, den Eichenwäldern vorkommen können. 6
Auswirkungen Mimic Waldboden nicht flächig befahren, sondern Mimic (Wirkstoff Tebufenozid) ist ein nur auf Rückegassen in weitem Abstand Insektizid, das laut Datenblatt „sehr giftig für waldfreundliche Jagd soll Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung“ Naturverjüngungen und ggfs. ist3, dessen Freisetzung in die Umwelt zu Anpflanzungen ohne Schutz ermöglichen vermeiden und dessen Eindringen in Erdreich, Mischwälder mit einer breiteren Palette aus Gewässer und Kanalisation zu verhindern ist. wärmetoleranten, heimischen Baumarten Weiter ist es gesundheitsschädlich bei anstreben: d.h. neben Eichen auch Verschlucken, verursacht Hautreizungen, kann Spitzahorn, Feldahorn, Winter- und allergische Hautreaktionen verursachen, Sommerlinde, Vogelkirsche, Elsbeere und verursacht schwere Augenschäden und Speierling. Wichtig sind v.a. auch –reizungen. schattentolerante Baumarten wie Buche, Es wirkt als Fraßgift, das eine vorzeitige Linden und Hainbuche Häutung der Raupen auslöst. Dabei wirkt es Wichtig für die Artenvielfalt sind nicht spezifisch auf Schwammspinner-Raupen, sogenannte Pionierbaumarten wie die sondern auf alle frei fressenden (d.h. sich frei Birke, Aspe, Salweide, Traubenkirsche und bewegenden) Insektenarten, die sich von Vogelbeere, an denen viele Arten leben Blättern der vorhandenen Bäume, Sträucher, Entscheidend ist es, die Klimakrise durch Gräser und Kräuter in den begifteten Wäldern wirksame Maßnahmen so zu begrenzen, ernähren. Das ausgebrachte Gift benetzt nicht dass die Wälder nicht deren Opfer werden nur das Blätterdach, sondern alle Schichten bis hin zur Bodenvegetation. 5. SCHWAMMSPINNER-RAUPEN IM Der Wirkstoff Tebufenozid weist ein SIEDLUNGSBEREICH erhebliches Gefährdungspotential für im Wenn Haus- und Gartenbesitzer direkt an Wasser lebende wirbellose Tiere auf.4 Wälder mit starkem Schwammspinner-Befall Noch Wochen bis Monate nach der grenzen, kann es zu Beeinträchtigungen Anwendung können toxische Konzentrationen kommen. Um diese zu begrenzen, können auf den behandelten Flächen verbleiben. folgende Maßnahmen hilfreich sein: Hierdurch können auch solche Arten Kontrolle der Bäume auf Schwamm- geschädigt werden, die erst einige Zeit nach spinnerbefall. Sollten Gelege entdeckt der Anwendung auftreten. werden, können diese mit einer Laut Risikobericht des Bundesamtes für Drahtbürste in einen Eimer gekehrt und Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dann verbrannt werden. Auch ein scharfer aus 20173 an den Landesbetrieb Wald und Holz Wasserstrahl aus einem Dampfreiniger tut NRW weist Mimic eine hohe Toxizität für gute Dienste. Dabei zur Sicherheit „Nichtzielarten“ auf: bei Schmetterlingen und Handschuhe und Kleidung tragen, die Arme allgemein auch bei Gliederfüßern. und Beine vollständig schützen. Die Gelege finden sich auch an Hauswänden, Garagen Wälder erhalten – ohne Gift oder Lichtmasten. Insektizideinsätze - gerade flächige aus der Luft Außenbeleuchtung abstellen und - können massive Folgewirkungen auf Umwelt Anstrahlen der Hauswände vermeiden, weil und Mensch haben, wie immer mehr Weibchen zur Eiablage auf Licht zufliegen. Untersuchungen zeigen.1, 13 Der BN lehnt Die jungen Raupen können abgesammelt solche Einsätze ab und wirbt stattdessen für und mit heißem Wasser abgetötet werden. giftfreie Maßnahmen, die Waldökosysteme als Ein Leimring am Baum kann halfen, da die solche erhalten und deren Vitalität erhöhen: Raupen an den Stämmen auf und ab laufen. Förderung eines feuchten Waldinnenklimas, Bewährt haben sich auch sogenannte d.h. keine starken Holzeinschläge Fanggürtel. Dabei werden Jutesäcke (o.ä.) Keine Entwässerung locker an Bäume gebundenen. Raupen 7
nehmen dies als Verstecke gerne an und Raupen: absammeln, abkehren oder können von dort leicht abgesammelt absaugen. Keinesfalls selbständig zu Gift werden (Abb. 14). greifen! Kommunen können die betroffenen Einwohner unterstützen, indem sie beispielsweise Abwehrzäune aus Folien mit Klebestreifen oder Metallzäune (ähnlich Schneckenzäunen) aufbauen und diese Barrieren engmaschig kontrollieren oder Kehrmaschinen einsetzen, die die Raupen aufnehmen, wenn diese auf Gärten zukrabbeln. Für Vielfalt im Garten sorgen: Nistkästen für Vögel und Fledermäuse helfen den Abb. 14: Fanggürtel, unter denen Raupen und Gespinste natürlichen Feinden des Schwammspinners versteckt sind und abgesammelt werden können. Foto: BN einen Platz im Garten zu finden. Sollte es in der Nähe eines Hauses doch zu Wichtig ist, dass solche Phänomene einer Massenvermehrung kommen, hilft nur vorübergehende Ereignisse sind und die Natur noch die mechanische Entfernung der sich in der Regel selbst hilft. 7 Pflanzenschutz mit Luftfahrzeugen–Naturschutzfach- LITERATUR liche Hinweise für die Genehmigungsprüfung. Gemein- 1 Brändle, M. & R. Brandl (2001). Species richness of sames Informationspapier von BfN und UBA. 70/2018. insects and mites on trees expanding Southwood. Journal https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/m of Animal Ecology 70(3) edien/1410/publikationen/2018-08-29_texte_70- https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10. 2018_pflanzenschutz-luftfahrzeuge.pdf 1046/j.1365-2656.2001.00506.x 8 Schwammspinner-Massenvermehrung in Franken; 2 Brunk, I., Sobczyk, T. & Lorenz J. (2017): Schutz des https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/waldschutz/dat Naturhaushaltes vor den Auswirkungen der Anwendung eien/a121_schwammspinner.pdf von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft in Wäldern und im 9 https://www.kerstin-celina.de/wp- Weinbau; Umweltbundesamt Texte 21/2017, 250 S. content/uploads/2020/05/Schwammspinner.pdf 3 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel- 10 LWF aktuell 5 (1996) sicherheit: Extension of Authorisation for minor use, Art. 11 Der Schwammspinner (Lymantria dispar); 51 Mimic, BVL Registration Number: 024270-00/06, https://www.waldwissen.net/waldwirtschaft/schaden/ins 20.01.2017 ekten/wsl_schwammspinner/index_DE 4 Schönefeld, V. (2005): Einfluss des Häutungshemmers 12 https://www.mainpost.de/regional/bad- Diflubenzuron auf die Fauna von kissingen/wie-geht-es-dem- Waldlebensgemeinschaften; Diplomarbeit schwammspinner;art433641,10457941; Fachhochschule Weihenstephan, Fachbereich Wald und https://www.mainpost.de/regional/bad- Forstwirtschaft. 187 S. kissingen/parasiten-machen-dem-gefuerchteten- 5 Mitteilung an Bienenzuchtverein 1872 Schweinfurt; schwammspinner-das-leben-schwer;art433648,10469619 https://bienenzuchtverein-sw.de/category/blog/ 13 Leopoldina, 2018: Der stumme Frühling – Zur 6 Insektizid Mimic – Sicherheitsdatenblatt, Wirkung Notwendigkeit eines umweltverträglichen https://www.agrarinfo.de/certis/deutschland/78.htm Pflanzenschutzes; https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2 018_Diskussionspapier_Pflanzenschutzmittel.pdf BUND Naturschutz in Bayern e.V. Bauernfeindstr. 23 Stand Oktober 2020 90471 Nürnberg Impressum: Ansprechpartner zum Thema: Herausgeber: BUND Dr. Ralf Straußberger Tel. 0911 / 81 87 8-0 Naturschutz in Bayern e.V. 0911 / 81 87 8-22 Fax 0911 / 86 95 68 Redaktion und Text: ralf.straussberger@bund-naturschutz.de lfg@bund-naturschutz.de Dr. Ralf Straußberger www.bund-naturschutz.de Marion Betzler 8
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