Kinder- und Jugendarbeit - Partner für Bildung - Deutsche ...

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Kinder- und Jugendarbeit - Partner für Bildung - Deutsche ...
Kinder- und Jugendarbeit –
Partner für Bildung
Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland

    Für die Bildung
    unverzichtbar
    Ob Integration und Inklusion, Ganztagsausbau oder Digitalisierung – die Aufgaben, die
    Schulen als zentrale Bildungsorte heute bewältigen sollen, sind extrem umfangreich. Die
    Bildung und Ausbildung junger Menschen fordert hohen Einsatz und spezielle Fähigkeiten.
    Diese nur von den Verantwortlichen in der Schule – Leitung, Lehr- und gegebenenfalls
    weiteren Kräften – zu verlangen, ist unrealistisch. Und auch nicht notwendig, denn Kinder
    und Jugendliche erfahren Bildung an unterschiedlichsten Orten und auf vielfältige Weise.

    Das heißt: Die Schule muss nicht alle Bildungsarbeit leisten, aber auch nicht die erziehenden
    Eltern allein. Auch Bibliotheken und Jugendklubs, Musikschulen oder MakerSpaces vermitteln
    Kindern und Jugendlichen tagtäglich wertvolles Wissen. Für die Deutsche Telekom ­Stiftung
    findet gute Bildung deshalb in einem umfassenden Bildungs-Ökosystem statt: Schulen
    gehören ebenso dazu wie außerschulische Akteure.

    Ein solcher Akteur ist die Kinder- und Jugendarbeit. Mit Einrichtungen aus diesem Umfeld
    arbeitet die Telekom-Stiftung unter anderem in ihren Vorhaben „Ich kann was!“ und
    „GestaltBar – die digitale Werkstatt“ zusammen.

    Aus diesen Kooperationen wissen wir, dass Zusammenarbeit besonders dann gelingt, wenn
    die Partner einander gut kennen und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Was macht
    den Bildungsakteur Kinder- und Jugendarbeit aus und welche Rolle spielt er im gesamten
    Bildungs-Ökosystem von Kindern und Jugendlichen in Deutschland? Wie wirkt er mit
    Schulen zusammen? Mit welchen Herausforderungen sieht er sich konfrontiert? Und was ist
    zu tun, um diese zu bewältigen? Die Deutsche Telekom Stiftung stellt sich diesen Fragen und
    möchte zu einer vertiefenden Diskussion der Antworten einladen, die sie in diesem White-
    paper zusammengestellt hat.

2                                                                           Deutsche Telekom Stiftung – April 2021
KINDER- UND JUGENDARBEIT

                                       „DIE KINDER- UND JUGENDARBEIT IST EIN
                                  BILDUNGSAKTEUR MIT BESONDEREN KOMPETENZEN:
                                NAH AN DER LEBENSWIRKLICHKEIT JUNGER MENSCHEN,
                             OFFEN ZUM AUSPROBIEREN UND ENTDECKEN EIGENER STÄRKEN,
                                     SOGAR ZUM SCHEITERN. UND DAS ALLES FREI
                                VON LEISTUNGSDRUCK. DAS SIND LERN­G ELEGENHEITEN,
                                      DIE DIE DEUTSCHE BILDUNGS­L ANDSCHAFT
                                                DRINGEND BRAUCHT.“
                                            Thomas de Maizière, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom Stiftung

 Kinder- und Jugendarbeit – wovon reden wir?
 Die eine Kinder- und Jugendarbeit gibt es             laut Statistischem Bundesamt 24.323 die-           	Veranstaltungen und Projekte, also punk-
 nicht – dafür ist dieser Teilbereich der Kinder-      ser Angebote für prinzipiell alle Kinder und          tuelle, zeitlich begrenzte Angebote, von
 und Jugendhilfe zu vielfältig. Was aber alle ihre     Jugendlichen – davon 19.730 einrichtungs-             denen es laut Statistischem Bundesamt
 Angebote eint, sind zentrale Prinzipien wie           bezogene und 4.593 mobile.                            2019 insgesamt 105.864 gab.2
 die grundsätzliche Offenheit für alle Kinder
 und Jugendlichen, Orientierung an ihren Inter-         ruppen- oder verbandsbezogene Ange-
                                                       G                                                 Die verschiedenen Bereiche überschneiden
 essen und Bedürfnissen, die Freiwilligkeit zur        bote von Jugendorganisationen mit unter-          sich allerdings: So betreiben etwa viele
 Teilnahme sowie Selbstorganisation und Parti-         schiedlichsten inhaltlichen Schwerpunk-           Jugendverbände schon lange eigene Einrich-
 zipation der jungen Menschen. Das Statisti-           ten und Wertorientierungen wie christliche        tungen und machen offene Angebote. Und es
 sche Bundesamt unterscheidet drei Arten von           Jugendverbände, Jugendorganisationen              kommen stetig neue Angebote und Anbieter
 Angeboten:1                                           politischer Parteien, Vereine junger Migran-      hinzu, etwa mit digitalen Inhalten wie Robotik
                                                       ten, aber genauso Pfadfinder, Jugendfeu-          oder Programmieren, wodurch das Feld zuneh-
  	Offene Angebote in wohnortnahen Ein-              erwehr, Naturschutzjugend oder Deutsche           mend vielfältiger, aber auch unübersichtlicher
     richtungen wie Jugendtreffs, Jugendklubs,         Sportjugend. 2019 gab es 26.475 gruppen-          wird.
     Jugendzentren oder auch durch mobile,             bezogene Angebote.
     aufsuchende Einrichtungen. 2019 gab es

Deutsche Telekom Stiftung – April 2021                                                                                                                    3
Was Kinder- und Jugendarbeit
    als Lernort leistet
    Der Bildungsauftrag der Kinder- und Jugendarbeit ist
    gesetzlich verankert. Paragraph 11 des Sozialgesetz­
    buches VIII nennt ihn an erster Stelle der Aufgaben:

    „Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören:
                                                                                            8 -10
                                                                             der Teenager besuchen
                                                                                                                           %
    1.  außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner,                    mindestens einmal wöchentlich
    ­politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller,                     ein Jugendzentrum.                 7
     ­naturkundlicher und technischer Bildung [...]“

    Und dass die Kinder- und Jugendarbeit diesen Auftrag
    erfüllt, wird regelmäßig auf politischer Ebene besprochen        Orte für mehr Bildungsgerechtigkeit
    und auch offiziell bestätigt. So weist das Bundesjugendku-
    ratorium auf ihre Rolle als „Gegengewicht zu Schule und zu       Eine große Stärke der Kinder- und Jugendarbeit ist es, dass
    kommerziellen Freizeitwelten“ hin, wo Kinder und Jugend-         sie gerade für diejenigen ein zentraler Lern- und Erpro-
    liche „Möglichkeitsräume für selbst gestaltete vielfältige       bungsort ist, die sich in der Schule schwertun. Beson-
    Lern- und Bildungsprozesse“ finden.3 Der 15. Kinder- und         ders gut gelingt dies der offenen Kinder- und Jugendar-
    Jugendbericht betont, dass die Kinder- und Jugendarbeit          beit: „Jugendzentren sind offensichtlich ein Angebot, das
    „jungen Menschen Orte, Gelegenheiten und Möglichkeiten           Jugendlichen mit niedrigerer formaler Bildung ein breites
    bietet, in denen sie ihre Freizeit-, Gesellungs- und Bildungs-   Spektrum informeller Bildungsmöglichkeiten bietet. […] Die
    bedürfnisse unter Gleichaltrigen zu realisieren suchen […]       offene Jugendarbeit ist ein Angebot, das es im Gegensatz
    Sie stellt zudem einen Ort dar, an dem sich Kinder und           zu den meisten Typen verbandlicher Jugendarbeit schafft,
    Jugendliche Kompetenzen aneignen, sich ihre Lebenswelt           Personen mit weniger Bildungsressourcen zu erreichen.“ 8
    erschließen und sich mit ihr auseinandersetzen.“4
                                                                     Damit trägt die Kinder- und Jugendarbeit zu mehr Chancen-
    In Abgrenzung zum formalen Lernen in der Schule werden           gerechtigkeit bei, an der es in Deutschland nach wie vor
    die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit gemeinhin dem          mangelt. Neben positiven Entwicklungen in dieser Hinsicht
    nonformalen Lernen zugeordnet.5 Und aus dieser Pers-             hält der Bildungsbericht 2018 fest: „Nicht alle Kinder,
    pektive wirkt die Typisierung auch zutreffend: „[Es] handelt     Jugendlichen und Erwachsenen kommen mit dem Trend zur
    sich [in der Kinder- und Jugendarbeit, Anm. d. Verf.] eher       steigenden Bildungsbeteiligung mit. Es bleibt eine große
    um offene Lernwelten als um strukturierte Lernorte. Im           Zahl an Personen mit geringen Bildungserfolgen. […] Als
    Vergleich zum schulischen Unterricht sind die Lern- und          besonders bedeutsam erweist sich dabei nach wie vor die
    Bildungsprozesse in der Kinder- und Jugendarbeit durch           Herkunft, bei der meist sozioökonomische und migrations-
    einen hohen Anteil an freiwilligen, selbst organisierten         bezogene Problemlagen zusammenfallen.“ 9 Schlechtere
    Aneignungsprozessen aufseiten der Jugendlichen geprägt.          Startchancen haben hierzulande knapp 28  Prozent aller
    Die erfolgreiche Bewältigung der Lern- und Bildungspro-          Minderjährigen, das sind 3,6 Millionen Kinder und Jugend-
    zesse wird nicht formal geprüft und eröffnet keine Berech-       liche – sei es, weil ihre Eltern nicht erwerbstätig sind, ihre
    tigungen auf weitergehende Karrieren innerhalb des               Eltern keine abgeschlossene Berufsausbildung haben oder
    Bildungssystems.“6 Gerecht wird die Eingrenzung auf den          weil sie in Armut leben oder davon bedroht sind.10 Die enge
    Begriff des nonformalen Lernens der Bildungsrealität vor         Verknüpfung mit dem Bildungserfolg hat Folgen: 2018 etwa
    Ort jedoch nicht. Denn es finden sich in der Kinder- und         verließen sieben Prozent der Jugendlichen die Schule ohne
    Jugendarbeit sehr wohl auch stark formalisierte Kursange-        wenigstens einen Hauptschulabschluss. Das waren konkret
    bote. Beispiele hierfür sind Aus- und Weiterbildungen in         knapp 54.000 junge Menschen mit geringen Aussichten
    Verbänden wie Jugendrotkreuz oder Jugendfeuerwehr oder           auf dem Ausbildungs- und Stellenmarkt.11 2018 hatten über
    Schulungen für ehrenamtlich Mitarbeitende und Zertifizie-        zwei Millionen der 20- bis 34-Jährigen in Deutschland –
    rungen von Lern- und Bildungserfahrungen wie die Jugend-         14,4 Prozent – keinen Berufsabschluss.12
    leitercard „Juleica“. Zugleich finden in der Kinder- und
    Jugendarbeit vielfältige informelle Bildungsprozesse statt.
    So zeigt sich an dieser Frage abermals, wie schwer das Feld
    in seiner Vielfalt zu fassen ist.                                      „WIR GEBEN ALLEN KINDERN UND
                                                                      JUGENDLICHEN GLEICHE BILDUNGSCHANCEN.“
                                                                          aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
                                                                                       für die 19. Legislaturperiode

4                                                                                                  Deutsche Telekom Stiftung – April 2021
KINDER- UND JUGENDARBEIT

                                                                         „BILDUNG IST DER UMFASSENDE
Umso mehr braucht es Orte für mehr Chancengerechtig-              PROZESS DER ENTWICKLUNG UND ENTFALTUNG
keit, wie die Kinder- und Jugendarbeit sie bietet. Wo junge         DERJENIGEN FÄHIGKEITEN, DIE MENSCHEN
Menschen unterschiedliche Lernanreize bekommen, sich                   IN DIE LAGE VERSETZEN, ZU LERNEN,
ohne Leistungsdruck ausprobieren können und Bestärkung
durch erlebte Selbstwirksamkeit erfahren. Auch in Projekten          LEISTUNGSPOTENZIALE ZU ENTWICKELN,
der Deutsche Telekom Stiftung zeigt sich immer wieder,               ZU HANDELN, PROBLEME ZU LÖSEN UND
dass sich Kinder, die sich in der Schule kaum konzentrie­ren              BEZIEHUNGEN ZU GESTALTEN.“
können, unter anderen Rahmenbedingungen deutlich
                                                                               Bundesjugendkuratorium u. a., 200215
besser auf ein Thema einlassen und fokussieren können.
Gut beobachten lässt sich dies etwa in zwei aktuellen Stif-
tungsprojekten: der „GestaltBar“ ( telekom-stiftung.de/
gestaltbar), in der sich Jugendliche im Hauptschulbildungs-
gang kreativ mit digitalen Medien auseinandersetzen, und          zu stärken – die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und
bei „Ich kann was!“ ( telekom-stiftung.de/ikw), womit             Jugendlichen, ihre Kommunikations-, Team- und Konflikt-
die Telekom-Stiftung gerade solche Projekte der offenen           fähigkeit und die Kenntnis eigener Stärken.16 Dies dürfte
Kinder- und Jugendarbeit fördert, die jungen Menschen             auch eine gute Basis für die Eigenschaften schaffen, die
einen kreativen und zugleich kritischen Umgang mit Medien         bei Bildungsexperten als wichtige Kompetenzen für das
und der digitalen Welt vermitteln.                                21. Jahrhundert gelten: Kommunikation, Kollaboration,
                                                                  Kreativität und kritisches Denken.

                           3,6
                                                                  Schul- und ausbildungsbezogene Fertigkeiten im engeren
                                                                  Sinne stehen den Befragten zufolge nicht an gleicher Stelle

                                            Mio.                  in der Kinder- und Jugendarbeit, spielen aber dennoch eine
                                                                  große Rolle. Die meisten Einrichtungen machen konkrete
                                                                  Angebote: Sie unterstützen bei der Vorbereitung von Refe-
                                                                  raten, veranstalten Bewerbungstrainings und helfen bei der
             Kinder und Jugendliche                               Berufsorientierung. Einrichtungen, die sehr viele Kinder
                                                                  und Jugendliche aus benachteiligten Familien betreuen,
           mit schlechten Startchancen                            unterstützen hier noch einmal stärker.
              leben in Deutschland.
                                                                  Die Ergebnisse decken sich mit der Wahrnehmung von
                                                                  befragten Schulvertretern. Stärken sahen diese auch
                                                                  im „anderen Zugang“ zu den Schülern und in der Berei-
Kompetenzvermittlung konkret                                      cherung durch andere, ergänzende Themen und Inhalte
                                                                  (alltagsbezogene Fähigkeiten, „Dinge, die im Unterricht
Bildung ist „ein umfassender Prozess der Entwicklung und          zu kurz kommen“). Und sie betonten die kompensatori-
Entfaltung derjenigen Fähigkeiten, die Menschen in die            sche Rolle, die die Kinder- und Jugendarbeit damit über-
Lage versetzen zu lernen, ihre Potenziale zu entwickeln, zu       nimmt und von der auch die schulische Bildung profitiert:
handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen zu gestalten.          Sie gleiche Defizite aus, was sich wiederum positiv auf das
Es ist ein Prozess der Emanzipation, der auf die Entfaltung       Lern- und Arbeitsverhalten sowie die kognitive Entwicklung
von Urteils-, Analyse- und Kritikfähigkeit abzielt. Sie ist die   der Kinder und Jugendlichen auswirke. Dies sei entlastend
Grundlage für Teilhabe und Mitgestaltung an der Gesell-           für die Schule, oder wie es ein schulischer Interviewpartner
schaft und umfasst alle Lebensbereiche.“ So definiert –           formuliert: Die Kinder- und Jugendarbeit könne „Druck raus-
anknüpfend an die „Leipziger Thesen“ unter anderem des            nehmen aus der Schule“. (Mehr zur Umfrage: siehe Kasten
Bundesjugendkuratoriums13 –, sieht der Deutsche Bundes-           Seite 6.)
jugendring Bildung als zentrales Thema der Jugendver-
bände.14

Eine Umfrage der Telekom-Stiftung 2017 ( telekom-­
stiftung.de/jugendarbeit_bildungsakteur) zeigt auf, was
das konkret bedeutet: Demnach sehen die Pädagogen
in der offenen Kinder- und Jugendarbeit ihre wichtigste
Aufgabe darin, personale und soziale Grundkompetenzen

Deutsche Telekom Stiftung – April 2021                                                                                                           5
Die offene Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsakteur –
    eine repräsentative Umfrage
    Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat         Die wichtigsten Fortschritte der Kinder und          an (Referatsvorbereitung [82 %], Bewer-
    2017 im Auftrag der Deutsche Telekom Stif-       Jugendlichen durch die offene Kinder- und            bungstraining [72 %], Hausaufgabenbetreu-
    tung 300 Verantwortliche von Jugendhäu-          Jugendarbeit:                                        ung [55 %], Nachhilfe [41 %]).
    sern, Jugendzentren und Jugendklubs befragt        steigende soziale Kompetenz (52 %                nennen ein größeres Selbstbewusstsein als
    ( telekom-­stiftung.de/jugendarbeit_               Zustimmung)                                        einen der wichtigsten Fortschritte der Kin-
    bildungsakteur). Flankierend wurden Tiefen-        mehr Selbstständigkeit und Verantwor-            der und Jugendlichen (51 % Zustimmung).
    interviews mit sechs Schulvertretern geführt,      tungsübernahme (31 %)                              In allen anderen Einrichtungen spielt dies
    die die Kinder- und Jugendarbeit aus Koope-                                                           eine deutlich geringere Rolle (Gesamtdurch-
    rationen kennen. Einige Ergebnisse auf einen     Konkrete schul- oder ausbildungsbezogene             schnitt: 24 %)
    Blick:                                           Angebote sind vor allem:
                                                      bei der Vorbereitung auf schulische Refe-       Aus Schulsicht liegen die Leistungen der
    Ihre wichtigsten Bildungsleistungen aus           rate, Vorträge oder Präsentationen unter-         Kinder- und Jugendarbeit vor allem in …
    Sicht der offenen Kinder- und Jugendarbeit:       stützen (73 % Zustimmung)                           der Entwicklung von Persönlichkeit, Selbst-
      Persönlichkeitsentwicklung der Kinder         Bewerbungstraining (64 %)                         bewusstsein, sozialen und kommunikativen
      und Jugendlichen unterstützen (93 %             Berufsorientierung (61 %)                         Fähigkeiten
      Zustimmung)                                                                                         der Förderung von Alltagskompetenzen und
      Kommunikations-, Team- und Konfliktfähig-    Einrichtungen, die sehr viele Kinder und             Interessen
      keit vermitteln (90 %)                         Jugendliche aus benachteiligten Familien             (schul-)ergänzenden Bildungsangeboten
      individuelle Stärken zu entdecken helfen     betreuen, …                                          wie dem Erklären von Inhalten aus nicht-
      (86 %)                                           bieten die meisten abgefragten schul- und        schulischer Perspektive, Sprachentwicklung
      Eigeninitiative fördern (80 %)                 ausbildungsbezogenen Angebote häufiger             und Vermittlung von Arbeitstechniken

                           Was die Arbeit erschwert –
                           aktuelle Herausforderungen
                           Die Kinder- und Jugendarbeit ist vielen Kindern und Jugend-
                           lichen ein zentraler Lern- und Erprobungsort und leistet
                           einen wichtigen Bildungsbeitrag, insbesondere für dieje-
                           nigen, die sich in der Schule allein schwertun. Doch die
                           Akteure der Kinder- und Jugendarbeit haben mit Schwie-
                                                                                                                        750
                                                                                                       Kinder und Jugendliche teilen
                           rigkeiten zu kämpfen, die sie in ihrem Engagement schwä-
                           chen. Die größten Herausforderungen sind:
                                                                                                     sich rechnerisch eine Einrichtung
                                                                                                       der Kinder- und Jugendarbeit.
                           Angebot quantitativ und zeitlich begrenzt: Das Angebot
                           der Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland ist knapp
                           aufgestellt: Über 11 Millionen junge Menschen zwischen          damit auf jede der 14.587 Einrichtungen im Jahr 2018 – vom
                           sechs und 21 Jahren gibt es hierzulande.17 Beispielhaft auf     Jugendzentrum bis zum kleinsten Jugendtreff – über 750 poten-
                           die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die offene         ziell Nutzende.18 Berücksichtigt man, dass auch viele junge
                           Kinder- und Jugendarbeit heruntergerechnet, kommen              Menschen bis 27 zu den Nutzern der offenen Angebote

6                                                                                                                         Deutsche Telekom Stiftung – April 2021
KINDER- UND JUGENDARBEIT

zählen, fällt das Verhältnis von Angebot und Zielgruppe
noch ungünstiger aus. Hinzu kommt, dass „nur etwas mehr
als ein Viertel der offenen Angebote der Kinder- und Jugend-
arbeit (27,5 %) in einer typischen Woche an mindestens fünf
Tagen geöffnet war. […] Offene Angebote sind also in der
                                                                                               43
                                                                       der Beschäftigten in Einrichtungen
                                                                                                                 %

Regel nicht ständig für Kinder und Jugendliche erreichbar,            der offenen Kinder- und Jugendarbeit
sondern nur an bestimmten Tagen und Tageszeiten.“19                     in Ostdeutschland sind befristet
 Knappe und unsichere personelle Ressourcen: Die päda-                            beschäftigt.
 gogischen Fachkräfte arbeiten oft unter hoher Belastung
 und in ungünstigen Beschäftigungsverhältnissen. So waren
 laut einer Erhebung des Deutschen Jugendinstituts 2016            und Jugendliche gleich doppelt, wenn sie durch schwie-
 in der offenen Kinder- und Jugendarbeit 27 Prozent des            rige soziale Bedingungen besonders dringend gute kosten-
 Personals befristet beschäftigt – in Ostdeutschland betrug        lose Angebote bräuchten, diese aber nur in geringerem
 der Anteil sogar 43 Prozent. Und: „Bei zehn Prozent der           Umfang gemacht werden können. Und mit neuen Heraus-
 Einrichtungen ist das gesamte Personal befristet beschäf-         forderungen wie schulischem Ganztag oder Digitalisierung
 tigt. In Ostdeutschland trifft dies auf jede fünfte Einrich-      kommen auf die Kinder- und Jugendarbeit nicht nur weitere
 tung zu.“20 Solche Rahmenbedingungen in puncto Personal           inhaltliche Aufgaben, sondern auch zusätzliche Kosten zu,
 wirken sich nicht nur negativ auf Vielfalt, Qualität und Konti-   wenn sie überzeugend gemeistert werden wollen.
 nuität des Angebots aus, sondern auch auf die Attrakti-
 vität des Arbeitsfeldes und damit die Gewinnung qualifi-          Mangelnde Wahrnehmung, fehlende Wertschätzung: Ein
 zierten Personals. „Mehr als drei Viertel der Einrichtungen       erheblicher Teil der Verantwortlichen in der Kinder- und
 sieht Schwierigkeiten, adäquates Personal für die Stellen         Jugendarbeit fühlt die eigene Arbeit wenig wertgeschätzt,
 der Einrichtungen zu finden.“ 21 Und dies wird zukünftig          so ein weiteres Ergebnis der repräsentativen Befragung
nicht einfacher werden: Die Arbeitsgemeinschaft für                für die Telekom-Stiftung.24 Nach Meinung der befragten
Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) prognostiziert bis zur Mitte         Schulvertreter besteht zwar eine diffuse positive Wahr-
der 2020er-Jahre einen zusätzlichen Personalbedarf von             nehmung – „da passiert etwas Gutes“ –, doch insgesamt
­21.500 Fachkräften.22                                             nehmen sie eher Gleichgültigkeit bis Geringschätzung in
                                                                   der öffentlichen Meinung wahr. Die vermuteten Gründe:
                                                                   mangelnde Information, falsche Vorstellungen und Vorur-
WER FINANZIERT DIE KINDER- UND                                     teile. Die Vertreter der Kinder- und Jugendarbeit sehen auch
JUGENDARBEIT?                                                      die fehlende Messbarkeit ihrer Leistung und die insgesamt
                                                                   geringe Wertschätzung pädagogischer Arbeit (11 Prozent)
Ausgaben 2019 in Milliarden €                                      als Hemmnis. Beide Seiten kritisieren eine mangelnde
                                                                   Lobby für die Kinder- und Jugendarbeit.
            Bund
                         0,5                                       Die geringe Wertschätzung äußert sich laut beiden Gruppen
                                                                   in einer mangelhaften finanziellen Ausstattung, schlechter
                               gesamt                              Bezahlung des Personals oder fehlendem Personal.
                                               Kommunen
                   0,4          2,5      1,6
                                                                   Vertreter der Kinder- und Jugendarbeit sehen ihre „Anstren-
     Länder
                                                                   gung unterbezahlt“ und vermissen – wie auch die Schul-
                                                                   vertreter  – „In­­­vestitionen in die Kinder- und Jugendarbeit“
                                                                   durch die Politik.

Finanzielle Hauptlast bei den Kommunen: Den weitaus                      „DIE CHANCEN VON KINDERN UND
größten finanziellen Anteil in der Kinder- und Jugendarbeit           JUGENDLICHEN DÜRFEN NICHT ABHÄNGIG
tragen die Kommunen. Von den 2,5 Milliarden Euro Gesamt-
ausgaben 2019 23 haben die Gemeinden und Zweckver-                   VOM WOHNORT UND DER DORTIGEN ÖFFENT­
bände 1,6 Milliarden aufgewendet. Demgegenüber stehen                     LICHEN HAUSHALTSLAGE SEIN.“
Bund und Länder, die jeweils 500 bzw. 400 Millionen dazu-            Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder-
gaben. Problematisch ist diese Aufteilung vor allem für                und Jugendhilfe (AGJ) und Mitglied der Expertenjury von
arme Kommunen: Eine schlechte Kassenlage trifft Kinder                    „Ich kann was!“, einem Projekt der Telekom-Stiftung

Deutsche Telekom Stiftung – April 2021                                                                                                              7
„DER GRÖSSTE TEIL DES PERSONALS IN DEN
      EINRICHTUNGEN DER OFFENEN KINDER- UND                               als Schülerinnen und Schüler reduziert. Die Bedeutung
       JUGENDARBEIT HAT EINEN AKADEMISCHEN                                außerschulischer Lern- und Lebensorte für ihre Teil-
                                                                          habe, ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen – gerade
            PÄDAGOGISCHEN ABSCHLUSS.“
                                                                          in belastenden Zeiten – fand kaum Beachtung.28 Auch
                         Mike Seckinger u. a., 2016 25                    in Diskussionen um zunehmende Bildungs- und Chan-
                                                                          cenungerechtigkeit ging der Blick an den Kompetenzen
                                                                          und Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit vorbei.
    Welchen Stellenwert hat die Kinder- und Jugendarbeit auf              An adäquaten Hilfen für die Einrichtungen mangelte es
    der politischen Agenda? Allein folgende Beispiele legen               dementsprechend auch: So war die Sicherung von Fix-
    nahe: einen geringen.                                                 kosten, wie sie die Überbrückungshilfen der Bundes-
                                                                          regierung vorsah, von den zumeist öffentlich geförder-
      In der jüngst umfassend verfolgten Novellierung des               ten Trägern der Kinder- und Jugendarbeit gar nicht in
       Kinder- und Jugendhilfegesetzes spielte die Kinder-                Anspruch zu nehmen. Vielmehr wären Finanzhilfen für die
       und Jugendarbeit nur eine marginale Rolle, und es ist              vielen zusätzlichen Aktivitäten der Einrichtungen nötig
       nicht auszuschließen, dass das Ergebnis gar zu einer               gewesen, die den weiteren Kontakt zu den Kindern und
       Schlechterstellung der Kinder- und Jugendarbeit führt.             Jugendlichen erst möglich gemacht haben, etwa für eine
       So befürchtet die Bundesarbeitsgemeinschaft Offene                 technische Ausstattung, um digitale Austausch-, Bera-
       Kinder- und Jugendeinrichtungen „eine weitere Ver-                 tungs- oder Kreativformate anzubieten.29
       schärfung der Verteilungsschieflage in Planungspro-
       zessen der sozialräumlichen Jugendhilfeplanung“ und              Kooperationen im schulischen Ganztag, die mit eigenen
       kritisiert „die immer stärkere Ausdifferenzierung und            Prinzipien vereinbart werden müssen: Mit ihren vielfäl-
                                                                        tigen Angeboten, nah an den Interessen und Bedürfnissen
                                                                        der Kinder und Jugendlichen, ist die Kinder- und Jugend-
    WIE EINRICHTUNGEN DER OFFENEN KINDER-                               arbeit der ideale Kooperationspartner für die Ganztags-
    UND JUGENDARBEIT DAS GESELLSCHAFTLICHE                              schule. Ein höheres Engagement stellt aber sowohl ihre
    ANSEHEN IHRER ARBEIT ERLEBEN 26                                     Ressourcen als auch ihre eigene, ursprüngliche Rolle auf
                                                                        den Prüfstand: Wie lässt sich der Bedarf an Betreuung von
    Angaben in Prozent                                                  Schulkindern einerseits decken, ohne dass andererseits
                         weiß nicht                                     Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene darunter
       hohes                                                            leiden?30 Auch ist unklar, wie die Kinder- und Jugendar-
       Ansehen                   1                                      beit trotz der Vermischung ihrer Angebote mit formalen
                    20                                                  Bildungsprozessen ihr spezifisches Profil bewahren kann,
                                                 weder beson­ders       das sie grundsätzlich von der Schule unterscheidet und
                                         47      hohes noch besonders   das ihre besondere Stärke als Bildungsakteur ausmacht:
                                                 geringes Ansehen       ihre Prinzipien wie Offenheit, Freiwilligkeit und Selbstbe-
                                                                        stimmung – ihre Grundhaltung, Kindern und Jugendlichen
                   32
                                                                        freiere, „eigene“ Räume und Ressourcen ohne Leistungs-
      geringes
      Ansehen                                                           druck zur Verfügung zu stellen.

                                                                        Es geht für die Kinder- und Jugendarbeit um ein schwieriges
                                                                        Ausbalancieren ihrer verschiedenen Rollen. Und der Weg
      Ausgabensteigerung von individuellen Hilfen“, die zulas-          zu einem flächendeckend gut funktionierenden, qualitativ
      ten von Akteuren wie der Kinder- und Jugendarbeit gehen           hochwertigen Ganztag ist noch weit: „[Es] ergeben sich im
      können. Bei der Gesetzesnovelle sei auch versäumt wor-            Ganztag, egal wo er räumlich verortet ist, Spannungsfelder
      den, der häufigen, rechtswidrigen Praxis einen Riegel vor-
      zuschieben, Kinder- und Jugendarbeit als „freiwillige Leis-
      tung“ zu behandeln. Es hätte der Klarstellung bedurft,                      „KOOPERATIONEN SIND NUR
      dass sie „in einem angemessenen Umfang und mit klaren                    DANN SINNVOLL, WENN SICH BEIDE
      Qualitätsmerkmalen […] zur Verfügung zu stellen ist.“ 27                 PARTNER MIT IHREN SPEZIFISCHEN
                                                                                POTENZIALEN UND DAMIT AUCH
      In der Corona-Krise schien die Kinder- und Jugendar-
       beit fast gänzlich vom politischen Radar verschwunden:                 EIGENHEITEN EINBRINGEN KÖNNEN.“
       Lange Zeit wurden Kinder und Jugendliche auf ihre Rolle                         Deutscher Bundesjugendring31

8                                                                                                    Deutsche Telekom Stiftung – April 2021
KINDER- UND JUGENDARBEIT

                                                                Bedienkompetenzen oder Datenschutzfragen genauso
 Kooperation in Zahlen                                          wenig zum selbstverständlichen Repertoire wie Wissen um
                                                                die Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien. Darüber hinaus
 Zwischen 2002 und 2018 ist die Zahl der Ganztags-              fehlt es an einem grundlegenden Verständnis für eine
 schulen in Deutschland von 5.396 auf 21.048 gestiegen.         Kultur der Digitalität, also dass junge Menschen sich selbst-
 77 Prozent von ihnen arbeiten für die Gestaltung des           verständlich in verschränkten digital-analogen Lern- und
 Ganztagsbetriebs mit externen Kooperationspartnern             Lebensräumen bewegen. Das pädagogische Handeln muss
 zusammen. Oder aus Sicht der offenen Kinder- und               darauf ausgerichtet sein. Dies gilt für die Aus-, Fort- und
 Jugendarbeit: Jedes dritte Jugendzentrum kooperiert mit        Weiterbildung von Pädagogen. Zudem mangelt es in vielen
 Schulen im Rahmen der Nachmittagsbetreuung.32                  Einrichtungen an einer ausreichenden digitalen Ausstat-
                                                                tung. Diese und weitere solcher Herausforderungen hat die
                                                                Expertenjury von „Ich kann was!“ in gemeinsamen Forde-
                                                                rungen34 benannt, die auch in die abschließenden Empfeh-
zwischen schulischen und außerschulischen Partnern und          lungen dieses Whitepapers eingeflossen sind.
ihren jeweiligen Selbstverständnissen und Anforderungen.
Auch dort, wo Kinder bereits ganztags betreut werden,           Umso ernüchternder, dass die Kinder- und Jugendarbeit
werden die Angebote den Ansprüchen an eine bestmög-             auch hier nicht als Bildungsort auf der politischen Agenda
liche Beteiligung, Persönlichkeitsentfaltung und Förderung      ist – wie etwa zu merken bei der „Initiative Digitale Bildung“
von Kindern nicht durchgängig gerecht.“33                       der Bundesregierung. Deren Ziel: „die Kompetenzentwick-
                                                                lung in einer digital geprägten Welt zu fördern“. Handlungs-
Fachkräfte ohne digitale Grundbildung, Einrichtungen            felder wie „Ausstattung von Lernorten“ oder „Kompetenzen
ohne technische Ausstattung: Aus eigenen Projekten wie          von Lehrenden“ richten sich vor allem auf formale Bildungs-
„GestaltBar“ ( bit.ly/gestaltbar-beispiel) und „Ich kann        einrichtungen. Ein systematischer Blick auf außerschuli-
was!“ ( bit.ly/ikw-beispiel) weiß die Telekom-Stiftung,         sche Lernorte, ihre Potenziale und Bedarfe in Sachen Digi-
dass Pädagogen in der Kinder- und Jugendarbeit das krea-        talisierung und Bildung fehlt offenbar.35
tive Potenzial digitaler Medien schon heute nutzen – und
das in hoher Qualität. Zugleich wird hier sichtbar, dass die
Kinder- und Jugendarbeit beim Thema Medienbildung und             „DAS BUNDESJUGENDKURATORIUM SIEHT DIE
in der Nutzung digitaler Möglichkeiten noch großen Unter-       DRINGENDE NOTWENDIGKEIT, EINEN DIGITALPAKT
stützungsbedarf hat: So müssen die Einrichtungen etwa
                                                                KINDER- UND JUGENDHILFE ZWISCHEN BUND UND
zur Durchführung vieler „Ich kann was!“-Projekte externe
Pädagogen verpflichten. Dies dürfte in fehlenden Kapa-           LÄNDERN EINZURICHTEN UND DIE KINDER- UND
zitäten begründet sein, aber auch in mangelndem Know-          JUGENDHILFE MIT EINER EIGENSTÄNDIGEN DIGITAL-
how in den Einrichtungen selbst. Denn Medienbildung oder        STRATEGIE IN DER GESAMTEN BREITE [...] FÜR DAS
eine digitale Grundbildung sind heute noch längst kein            DIGITALE ZEITALTER WEITERZUENTWICKELN.“
fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung pädagogischer
Fachkräfte in der Kinder- und Jugendarbeit. So gehören                          Bundesjugendkuratorium, 202136

 Digitale Medien eröffnen neue Bildungschancen
 Aber nicht automatisch und für alle glei-          ressourcenreichen Netzwerken praktiziert.         persönliche Erfolgserlebnisse und berufliche
 chermaßen. Studien zeigen, dass gerade             Auch die Bildungspotenziale digitaler Medien      Perspektiven bringen. Mit Blick auf die sich
 sozial benachteiligte Kinder und Jugend-           kommen vor allem denjenigen zugute, die           ändernden Anforderungen auf dem Arbeits-
 liche im Umgang mit digitalen Medien mehr          anschlussfähige Voraussetzungen mitbringen        markt nimmt die OECD an, dass außerhalb
 Unterstützung brauchen, um nicht abge-             und Nutzungsweisen an den Tag legen, die          des formalen Bildungssystems erworbene
 hängt zu werden.37 Soziale Ungleichheiten          eine hohe Passung zu gesellschaftlich aner-       Kompetenzen im Bereich Informations- und
 reproduzieren sich auch hier: „Zwar nutzen         kannten Formen von Bildung haben.“38 Dabei        Kommunikationstechnik sogar einen nied-
 viele Menschen digitale Medien, wirkmäch-          können gerade digitale Medien Chancen             rigeren Bildungsabschluss kompensieren
 tige Beteiligung wird jedoch insbesondere          eröffnen und ihre kreative Nutzung bildungs-      könnten.39
 von Personen mit höherer Bildung und               benachteiligten Kindern und Jugendlichen

Deutsche Telekom Stiftung – April 2021                                                                                                               9
Was zu tun ist – Empfehlungen

     Die Kinder- und Jugendarbeit steht als Bildungsakteur                  „DAMIT SCHULE UND
     vor zahlreichen Herausforderungen. Was sie braucht,               JUGENDARBEIT ERFOLGREICH
     um diesen begegnen zu können, ist nachfolgend
     zusammengestellt.
                                                                      ZUSAMMENARBEITEN KÖNNEN,
                                                                      MÜSSEN ALLE BETEILIGTEN DIE
                                                                    UNTERSCHIEDLICHEN ROLLEN – UND
                                                                    DAMIT STÄRKEN – BEIDER PARTNER
     Die Kinder- und Jugendarbeit braucht …
                                                                   WAHREN UND NUTZEN. FATAL WÄRE ES,
                                                                      DIE KINDER- UND JUGENDARBEIT
                                                                     ZUM ‚VERLÄNGERTEN ARM‘ EINER
                 … eine gesicherte, solide Finanzierung – für           TRADITIONELL ARBEITENDEN
                 genug qualifiziertes Personal in fester Anstel-       SCHULE MACHEN ZU WOLLEN.“
                 lung und ein ausreichendes, verlässlich verfüg-
                                                                    Norbert Hocke, Vorsitzender der Expertenjury von
                 bares Angebot. Dies ist auch bei schlechterer     „Ich kann was!“, einem Projekt der Telekom-Stiftung
                 öffentlicher Kassenlage, besonders nach der
                 Corona-Krise, zu gewährleisten. Hier müssen
                 Kommunen, Länder und der Bund im Rahmen
                 ihrer Zuständigkeiten eine verlässliche Grund-
                 finanzierung sicherstellen.                         … Unterstützung für die Kooperation mit
                                                                     Schulen – damit die Kinder- und Jugendarbeit
                                                                     ihre spezifischen Kompetenzen erfolgreich
                 … eine zukunftssichernde Aus-, Fort- und            in den Ganztag einbringen kann. Dazu sind
                 Weiterbildung  – zeitgemäßer und mehr: Neue         klare Vorgaben von Ländern und Kommunen
                 professionelle Anforderungen, wie sie die           nötig, die alle beteiligten Partner in eine konti-
                 Digitalisierung stellt, machen grundsätzliche       nuierliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe
                 inhaltliche Neujustierungen in der Qualifizie-      bringen.
                 rung notwendig. Steigender Fachkräftebe-
                 darf, auch durch den schulischen Ganztag,
                 erfordert einen Ausbau der Kapazitäten in der       … mehr öffentliche Anerkennung – nicht
                 Ausbildung.                                         nur finanziell, sondern auch ideell. Auch und
                                                                     gerade in Krisen wie der Corona-Pandemie
                                                                     darf die Kinder- und Jugendarbeit nicht aus
                 … Unterstützung durch einen Digitalpakt             dem Blick geraten. Dazu sind eine stärkere
                 für die Kinder- und Jugendhilfe. Hier sind der      und wertschätzende Sichtbarmachung ihrer
                 Bund und die Länder gefordert, eine wirksame        Leistungen sowie eine gesellschaftlich wahr-
                 Digitalisierungsstrategie zu entwickeln und         nehmbare, kontinuierliche Unterstützung
                 gemeinsam mit den Kommunen umzusetzen.              durch alle politischen Ebenen nötig. Hierzu
                 Die zentralen Bestandteile dieser Digitalisie-      zählt auch die Anerkennung des großen ehren-
                 rungsstrategie sollten eine zeitgemäße digitale     amtlichen Engagements in der Kinder- und
                 Ausstattung sowie eine passende Aus-, Fort-         Jugendarbeit.
                 und Weiterbildung im Sinne einer Kultur der
                 Digitalität sein.

10                                                                                     Deutsche Telekom Stiftung – April 2021
KINDER- UND JUGENDARBEIT

Endnoten
1    Vgl. Statistisches Bundesamt, 2021: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Angebote der Jugendarbeit 2019.
2    Erfasst werden hierbei allerdings nur öffentlich geförderte Angebote von öffentlichen oder anerkannten freien Trägern. Angebote, die keine öffentliche Förderung
     erhalten, wie es auf zahlreiche private Initiativen zutrifft, finden sich in der Statistik leider nicht. So zeichnet die amtliche Statistik ein unvollständiges, aber das bislang
     bestmögliche quantifizierbare Bild der Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland.
3    Bundesjugendkuratorium, 2017: Kinder- und Jugendarbeit stärken. Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums, Seite 1. https://www.bundesjugendkurato-
     rium.de/stellungnahmen.
4    Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), 2017: 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen
     und die Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Seite 366.
5    Vgl. hierzu und im Folgenden Baumbast, Stephanie/Hofmann-van de Poll, Frederike/Lüders, Christian, 2014: Non-formale und informelle Lernprozesse in der
     Kinder- und Jugendarbeit und ihre Nachweise.
6    Ebenda, Seite 30.
7    Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), 2017: 15. Kinder- und Jugendbericht, Seite 382.
8    Pluto, Liane/van Santen, Eric, 2018: Jugendarbeit als non-formale Bildung in Deutschland – bewährte Tradition unter neuen Bedingungen, Seite 129 f. In:
     Deutsch-Französisches Jugendwerk/Deutsches Jugendinstitut/Institut national de la jeunesse et de l’éducation populaire, 2018: Non-formale Bildung: Chance oder
     Herausforderung für die Jugendarbeit? Erkenntnisse einer deutsch-französischen Fachtagung.
9    Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.), 2018: Bildung in Deutschland 2018 kompakt, Seite 18.
10   Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2019: Lebenslagen in Deutschland. Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Seite 231;
     Statistisches Bundesamt, 2019: Statistisches Jahrbuch 2019, Seite 31; eigene Berechnungen.
11   Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2020. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitali-
     sierten Welt, Seite 144.
12   Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), 2020: Berufsbildungsbericht 2020, Seite 71.
13   Bundesjugendkuratorium/Sachverständigenkommission für den 11. Kinder- und Jugendbericht/Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, 2002: Bildung ist mehr als
     Schule. Leipziger Thesen zur aktuellen bildungspolitischen Debatte.
14   Deutscher Bundesjugendring, 2012: Jugendverbände machen Bildung – und noch viel mehr. Position 86, Seite 1.
15   Bundesjugendkuratorium/Sachverständigenkommission für den 11. Kinder- und Jugendbericht/Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, 2002: Bildung ist mehr als
     Schule, Seite 1.
16   Deutsche Telekom Stiftung, 2017: Die offene Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsakteur. Eine repräsentative Befragung von 300 Einrichtungen der Kinder-
     und Jugendarbeit, ergänzt um Interviews mit Schulvertretern.
17   Vgl. Statistisches Bundesamt, 2019.
18   Statistisches Bundesamt, 2020: Statistiken der Kinder- und Jugendarbeit 2018. Einrichtungen und tätige Personen, Seite 54; Jens Pothmann, 2020: Leichte
     Beschäftigungszunahmen – das schwankende Personalgefüge der Kinder- und Jugendarbeit, Seite 17. In: Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfesta­
     tistik, 2020: Kommentierte Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik; eigene Berechnungen.
19   Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik, 2018: Kinder- und Jugendhilfereport 2018. Eine kennzahlenbasierte Analyse, Seite 111.
20   Seckinger, Mike/Pluto, Liane/Peucker, Christian/van Santen, Eric, 2016: Ergebnisse der Erhebung bei Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
     Kurzzusammenfassung, Seite 14 f.
21   Ebenda, Seite 15.
22   Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, 2018: Dem wachsenden Fachkräftebedarf richtig begegnen! Entwicklung einer Gesamtstrategie zur
     Personalentwicklung mit verantwortungsvollem Weitblick, Seite 3.
23   Vorläufiges Ist, vergleiche Statistisches Bundesamt (Hrsg.), 2019: Bildungsfinanzbericht 2020, Seite 67.
24   Deutsche Telekom Stiftung, 2017: Die offene Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsakteur. Eine repräsentative Befragung von 300 Einrichtungen der Kinder- und
     Jugendarbeit, ergänzt um Interviews mit Schulvertretern. Zusammenfassung.
25   Seckinger, Mike u. a., 2016: Ergebnisse der Erhebung bei Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Kurzzusammenfassung, Seite 15.
26   Ebenda.
27   Bundesarbeitsgemeinschaft Offener Kinder- und Jugendeinrichtungen e. V., 2020: Stellungnahme der BAG OKJE e. V. zum Referentenentwurf des Gesetzes zur
     Stärkung von Kindern und Jugendlichen.
28   Vgl. u. a. die Stellungnahme des Bundesnetzwerks Kinder- und Jugendarbeit, 2020 oder Gunda Voigts, 2020: Vom „Jugend vergessen“ zum „Jugend
     ermöglichen“: Bewegungs-, Beteiligungs- und Freiräume für junge Menschen in Corona-Zeiten. In: Forum Kinder- und Jugendsport, Ausgabe 2/2020, Seite 93ff.
29   Zu den engagierten und kreativen Aktivitäten der Offenen Kinder- und Jugendarbeit während der Lockdown-Phase 2020 vgl. etwa Gunda Voigts, 2020: Erste
     Ergebnisse einer empirischen Befragung von Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg in geschlossenen Zeiten. Zusammengefasst und
     kommentiert in: Gunda Voigts, 2020: Gestalten in Krisenzeiten: Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in der Corona-Pandemie. In: Offene Jugendarbeit,
     Ausgabe 04/2020, Seite 4ff.
30   Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), 2017: 15. Kinder- und Jugendbericht, Seite 400.
31   Deutscher Bundesjugendring, 2012: Jugendverbände machen Bildung – und noch vieles mehr. Position 86, Seite 3.
32   Siehe Kultusministerkonferenz, 2020: Bericht über die allgemein bildenden Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland.
     2002 bis 2004, Seite 9, und Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland – Statistik 2014 bis 2018, Seite
     9; DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation u. a., 2019: Ganztagsschule 2017/2018. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befra-
     gung. Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, StEG, S. 31, Seckinger u. a., 2016: Ergebnisse der Erhebung bei Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugend-
     arbeit. Kurzzusammenfassung, Seite 26.
33   Bundesjugendkuratorium, 2019: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Zwischenruf des Bundesjugendkuratoriums, Seite 3.
34   Expertenjury „Ich kann was!“, 2019: Offene Kinder- und Jugendarbeit: Eigenständiger Bildungsakteur.
35   Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2021: Initiative Digitale Bildung.
36   Bundesjugendkuratorium, 2021: Digitalität von Kindheit und Jugend. DigitalPakt Kinder- und Jugendhilfe. Zwischenruf des Bundesjugendkuratoriums.
37   Vgl. OECD, 2015: Students, Computers and Learning: Making the Connection, PISA, OECD Publishing; Deutsche Telekom Stiftung, 2015: Total digital? Wie
     Jugendliche Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien erwerben. Ergebnisse des Vertiefungsmoduls zur ICIL-Studie 2013.
38   Bundesjugendkuratorium, 2016: Digitale Medien. Ambivalente Entwicklungen und neue Herausforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Stellungnahme
     des Bundesjugendkuratoriums, Seite 31 f.
39   OECD, 2016: Bildung auf einen Blick 2016, Seite 112.
40   Europäische Kommission, 2018: Developing digital youth work.

Deutsche Telekom Stiftung – April 2021                                                                                                                                                           11
Die Deutsche Telekom Stiftung wurde 2003
                       gegründet, um den Bildungs-, Forschungs- und
                   Technologiestandort Deutschland zu stärken. Mit einem
                   Kapital von 150 Millionen Euro gehört sie zu den großen
                    Unternehmensstiftungen in Deutschland. Die Stiftung
                      unterstützt gezielt Projekte, die sich an Kinder und
                    Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren richten und
                    sich mit Themen aus dem mathematisch-naturwissen-
                         schaftlich-technischen Umfeld beschäftigen.

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