Kinder, was habt ihr geleistet! - L. Agassiz und H. Harrer im Museum Grindelwald. Hans Barth
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© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Hans Barth Kinder, was habt ihr geleistet! L. Agassiz und H. Harrer im Museum Grindelwald. 1
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Hans Barth Kinder, was habt ihr geleistet!1 L. Agassiz und H. Harrer, Rassisten und Grindelwald. Der Eingang des Grindelwalder Heimatmuseums liegt nicht zu ebener Erde. Nein, er muss erklommen werden und ist nur über eine steile Treppe zu erreichen. Ob sich die Grindelwalder dabei etwas gedacht haben, weiss ich nicht. Jedenfalls kommt hier niemand ins Museum, der nicht wenigstens das Treppensteigen beherrscht, dieser Vorform des in Grindelwald zu höchster Perfektion gebrachten Bergsteigens. Und das ist nicht die einzige Prüfung, die potentielle BesucherInnen abzulegen haben. Dem Nachweis der körperlichen Eignung geht in Grindelwald zunächst ein Intelligenz- und Gesinnungstest voran. Wenn die KandidatInnen ihren Fuss noch nicht auf die erste Stufe besagter Treppe gesetzt haben, werden sie mit einer in die Museumsmauer geschraubten Eisentafel konfrontiert, auf der es heisst: "DIENEN UND ERTRAGEN" und darunter "Die Gebirgssoldaten der 3. Division Oktober 1962". Wer da nicht zurückschreckt, der weiss, was ihn erwartet, hat sich einverstanden erklärt und darf den Aufstieg wagen. 1 ADOLF HITLER zu Heinrich Harrer, Breslau im Juli 1938. 2
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. "Es war wie in der Diskussion um die Schweiz im Zweiten Weltkrieg: Man reagierte allergisch auf jede Bewegung im Geschichtsbild, identifizierte sich blind mit den früheren Eliten, und Kritiker von auswärts hatten sowieso unrecht."2 Am 1. Juli 2012 wurde - am Fusse von Eiger, Jungfrau und Mönch - im Heimatmuseum des Schweizer Touristenortes Grindelwald eine Ausstellung eröffnet. Landesweit die erste ihrer Art. Heinrich Harrer, Eiger-Nordwand Nein, sie war nicht Heinrich Harrer (1912-2006) gewidmet. Diesem Oesterreicher und drei weiteren Alpinisten war vom 21. bis 24. Juli 1938 die Erstdurchsteigung der Eiger-Nordwand gelungen. Eine Sensation, an die man sich in Grindelwald gerne erinnert. Bis heute hat Heinrich Harrer sein Motorrad im Heimatmuseum von Grindelwald geparkt. Dort hat es einen Ehrenplatz und ist sogar ohne Eintritt ins Museum, von der Strasse aus, zu besichtigen: ausgestellt als Kundenfang im Schaufenster des kleinen Museums. Das ist gut für den Tourismus, von dem man in Grindelwald zu "über 90 %"3 lebt. Heinrich Harrer mögen alle: diejenigen, die auf "Berg Heil" stehen, aber auch diejenigen, die ihr Heil im fernen Tibet suchen, in das Harrer 1944 aus britischer Gefangenschaft floh, bis hin zum jungen Dalai Lama, dessen lebenslanger Freund er wurde. Brad Pitt, den auch alle mögen, spielte den Harrer im Kassenschlager "7 Jahre in Tibet". Annektion Oesterreichs und Lob vom Führer Sechzig Jahre lang ging das gut. Sehr zur Freude Grindelwalds. Bis dann, 1997, nicht mehr von "Berg Heil!" die Rede war, sondern von "Heil Hitler!". Das war schlecht für den 2 DANI DI FALCO, Brauner Schnee. In: DIE ZEIT, 28.6.2012. (Artikel über die Agassiz-Ausstellung in Grindelwald.) 3 http://www.gemeinde-grindelwald.ch/pages/de/Geschichtslehrpfad_1146_1996.html 3
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Tourismus. Aber eigentlich hätte man es bereits damals, am 24. Juli 1938, in Grindelwald wissen müssen. Fünf Jahre schon war Adolf Hitler im benachbarten Deutschland an der Macht und organisierte dort Terror und tägliche Verbrechen. Und gerade vier Monate zuvor, am 12. März, hatte der Führer das Nachbarland Oesterreich annektiert. Wie sah der Oesterreicher Heinrich Harrer das wohl? Hat man ihn gefragt, in Grindelwald? Wenige Tage nach der Eiger-Besteigung stand Heinrich Harrer neben seinem Landsmann Adolf Hitler, der begeistert war: "Kinder was habt ihr geleistet!". Na und? Ging das Grindelwald etwas an? Die Homepage des sauberen Oertchens sagt bis heute zu Harrers Empfang durch Hitler nur dies: "Nach der Erstdurchsteigung kehrten die vier Alpinisten mit Glanz und Gloria zurück nach Deutschland und Österreich [...]"4. Mit Glanz und Gloria? Vom Terror kein Wort. Liest man den Grindelwalder Museumsführer, so erfährt man nur dies: "Die Ausstellungen im Untergeschoss. Motorrad von Heinrich Harrer. Mit diesem Motorrad ist Heinrich Harrer im Juli 1938 von Graz nach Grindelwald gefahren, wo sein Wiener Bergkamerad Fritz Kasparek bereits auf ihn wartete. Zwischen dem 21. und 24. Juli gelang den beiden zusammen mit den Deutschen Anderl Heckmair und Wiggerl Vörg die Erstdurchsteigung der Eigernordwand. Das Motorrad von Heinrich Harrer blieb in Grindelwald, geriet in Vergessenheit und galt schliesslich als verschollen. 2001 kam es an einem anderen Ort im Berner Oberland wieder zum Vorschein und wurde dem Grindelwalder Museum zum Verkauf angeboten. Die Heimatvereinigung Grindelwald orientierte den rechtsmässigen Besitzer Heinrich Harrer über das Auftauchen seines Motorrades, worauf dieser das Motorrad dem Grindelwalder Museum übergab."5 Abgesehen davon, dass auch dieser Text den Museumsbesucher mit keinem Wort auf die hochbrisante politische Problematik der Reise von Heinrich Harrer nach Grindelwald aufmerksam macht, ist der Museumstext auch ansonsten lesenswert. Das Motorrad soll in Grindelwald 'geblieben' sein? Die Suedeutsche Zeitung sagt, Einheimische hätten es geklaut.6 Es soll 2001 dem Museum zum Kauf angeboten worden sein? Der Anbieter wusste also, was es mit dem Motorrad auf sich hatte. Wer war der Anbieter? Warum wurde er nicht belangt? Grindelwalder Verhältnisse ... SA, SS, NSDAP und Dalai Lama Zurück zu 1997: das Jahr, in dem jeder – auch in Grindelwald - erfuhr, wer Heinrich Harrer sonst noch war. Der österreichische Journalist Gerald Lehner hatte es recherchiert, der deutsche "Stern" publiziert.7 Vor seinem Auftritt in Grindelwald hatte Harrer am 10.3.1938, also zwei Tage vor der Annektierung Oesterreichs, die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt, die ihm am 1.5.1938 bestätigt wurde. Am 1.4.1938, nur zwei Wochen nach der NS- Annektierung Oesterreichs, war er der SS beigetreten. Und lange zuvor, im Oktober 1933, wurde er Mitglied der damals in Oesterreich illegalen SA, der Schlägertruppe der Nazis.8 Noch früher, am 1.1.1933, trat Harrer dem österreichischen NS-Lehrerbund bei. Nach seiner 4 http://www.gemeinde-grindelwald.ch/pages/de/Nordwand_Erstdurchsteiger_Harrer.html (am 6.8.2012) 5 Museumsführer Heimatmuseum Grindelwald 6 Sueddeutsche.de 10.7.2008 : Eiger-Nordwand. Der launische Berg. 7 LEHNER, Gerald, MÜLLER, Tilman (1997): Ein Held mit braunen Flecken. In: Stern, Hamburg, 28. Mai 1997. Siehe auch: LEHNER, Gerald (2007) : Zwischen Hitler und Himalaya. Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer. Wien : Czernin, 2007. Dort ist auch der Stern-Artikel abgedruckt (pp.128-135). 8 Dazu Harrer dem SPIEGEL (45/1997) gegenüber: "Das stimmt nicht. Ich bin nie bei der SA gewesen. Aber ich habe 1938, um schneller die Genehmigung für die Heirat mit Lotte Wegener, der Tochter des Grönlandforschers Alfred Wegener, zu bekommen, ein Papier unterschrieben, das eine alte Mitgliedschaft dokumentieren sollte. Tatsächlich bin ich nie Mitglied in der SA gewesen." 4
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Ehrung durch Adolf Hitler heiratete er – mit dem Wohlwollen von Reichsführer-SS Heinrich Himmler – am 24. Dezember 1938 Lotte Wegener (1920–1989), Tochter des berühmten Entdeckers der Kontinentalverschiebung Alfred Wegener (1880-1930). Lotte Wegener brachte im Dezember 1939 den gemeinsamen Sohn Peter (1939-) zur Welt und liess sich später von Harrer scheiden. Am 6.4.1939 ging Harrer, als Mitglied einer NS-Expedition zum Nanga Parbat, Britisch-Indien, wo er mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 in britische Gefangenschaft geriet. Rainer Rettner, dessen Buch "Eiger. Triumphe und Tragödien 1932- 1938. Zürich, 2. Aufl. 2009" man im Heimatmuseum Grindelwald kaufen kann, schreibt: "[...] Fritz Kolb, der später österreichischer Botschafter in Pakistan werden sollte, war nach dem Kriegsausbruch 1939 Mitinsasse von Harrer im nordindischen Gefangenenlager Deolali. Kolb nannte Harrer einen der aggressivsten Nazi-Anhänger im Lager, der auch nach der Wende im Weltkrieg (1941/42) nie von seinen Ansichten abgewichen sei." Rettner fährt fort: "Kolbs Tochter, Susanna Morawetz, wusste noch mehr Details: "Mein Vater erzählte mir, dass sich Harrer wiederholt gerühmt hat, in der Reichsprogromnacht 1938 die Grazer Synagoge angezündet zu haben."" 9 Aber vielleicht hat Harrer auch bei dieser Gelegenheit nur "angeben" wollen, so wie er es nach eigenen Angaben gegenüber dem NS-Regime tat, als er zu dessen Akten gab, bereits seit Oktober 1933 Mitglied der SA und seit April 1938 Mitglied der SS zu sein.10 1944 gelang Harrer die Flucht nach Tibet, wo er zum Lehrer des Dalai Lama wurde, bis er 1951 nach Europa zurückkehrte. Der Journalist Lehner über Harrer: "Harrer war nach dem Krieg ein Schönfärber und Ausblender, der mit seinen Abenteuern in der Eigerwand und bei der Nanga-Parbat- Expedition von 1939 ein Millionenvermögen verdient hat – ohne seine Verstrickungen mit dem NS-Regime auch nur ansatzweise zu erwähnen. Beide Unternehmungen waren mit Hitlers Machtübernahme, Propaganda und der braunen Sportmaschinerie verknüpft. Harrer wurde dabei nicht von Hitler missbraucht, wie er nach meiner Publikation seines SS-Akts behauptete. Er war prominenter Teil des Räderwerks und trieb in Himmlers Diensten seine Karriere voran. Nicht mehr und nicht weniger."11 Und die Rolle Grindelwalds? Die Ausblendung der Ausblendung. Es ist eine Art Beihilfe zur Ausblendung. Nicht mehr und nicht weniger. Harrer & Grindelwald Harrer hat Grindelwald die Treue gehalten und "ist nach seinem grossen Triumph mehrmals nach Grindelwald zurückgekehrt". Unbehelligt, versteht sich. Grindelwald versichert : "Der Mythos bleibt". Nun hält sich ein Mythos nicht von allein, da muss man schon mit viel Ueberzeugung nachhelfen. Grindelwalds Hilfe ist genau 352 Worte lang. Schwärmerische Worte über den im Jahre 2006 Verstorbenen. Und ein Foto. Nein, nicht das mit dem Hitler. Ein Foto, unterschrieben: "Der Mythos bleibt: Heinrich Harrer (links), Erstdurchsteiger der Eigernordwand, mit Seilpartner Anderl Heckmair anlässlich der 60-Jahr-Feier der Nordwand-Durchsteigung auf der Kleinen Scheidegg im Jahre 1998.". 9 RETTNER, Rainer (2009) : Eiger. Triumphe und Tragödien 1932-1938. Zürich : AS Verlag, 2. Aufl. 2009. (1. Aufl. 2008). p. 261. 10 LEHNER, Gerald, MÜLLER, Tilman (1997) : a.a.O. p.131. 11 In: bergundsteigen im Gespräch mit Gerald Lehner. bergundsteigen 2/11. p. 22. 5
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. 339x Begeisterung, 13x Kritik. Und die Sache mit den Nazis, der SA, der SS, der NSDAP? Nun ja, die ist nicht so gut für den Tourismus, von dem man ja zu über 90% lebt, in Grindelwald. Trotzdem. Grindelwald ist eine mutige Gemeinde, die diesem Thema nicht aus dem Wege geht. Sie hat zwischen nützlicher Begeisterung und kritischem Geschichtsbewusstsein einen ausgewogenen Kompromiss gefunden: 339 Worte der Begeisterung, von denen allein 73 dem touristisch wertvollen Motorrad gewidmet sind, und demgegenüber die 13 Worte eines einzigen in all der Bewunderung verloren dastehenden Sätzchens: "Als Mitglied der NSDAP und SS geriet Harrer nach dem Krieg in Kritik.". In was man nicht so alles gerät, im Leben! Ein winziger Satz, der völlig offen lässt, was Grindelwald von der Kritik hält. Vor allem ein Satz, der die Leser in die Irre führt. "Nach dem Krieg"? Also 1945? Nein? Also 1951, bei Harrers Rückkehr nach Europa? Auch nicht? Dann eben erst 1997, als Harrer zunächst noch alles leugnete! Aber war er wirklich "als Mitglied der NSDAP und SS" in die Kritik geraten oder nicht vielmehr als beharrlicher Vertuscher12 und Leugner seiner Nazi-Vergangenheit, deren Aufarbeitung für das, was Grindelwald den "Mythos" nennt, nur abträglich hätte sein können? Im Alter von 85 holte diese Vergangenheit Heinrich Harrer ein. Der "Mythos" war damit vorbei. Ausser in Grindelwald, wo der Mythos - so die dörfliche Homepage – "bleibt". Im Grindelwalder Lobgesang der 339 Wörter fällt das kleine 13-Wörter-Sätzchen über Harrers SS- und NSDAP-Mitgliedschaft kaum auf. Es steht da wie verirrt, verwirrt, zusammenhanglos, wie ein Versprecher. Und zwar so: "Er ist Verfasser des bekannten Buches «Sieben Jahre in Tibet», das 1997 mit gleichem Titel auch zu einem Hollywood- Streifen verfilmt worden ist. Als Mitglied der NSDAP und SS geriet Harrer nach dem Krieg in Kritik. Heinrich Harrer ist nach seinem grossen Triumph mehrmals nach Grindelwald zurückgekehrt.". Die "Kritik" geht unter zwischen "Hollywood" und "Triumph". Das SS- Sätzchen gehört ganz offensichtlich nicht in den Text, in dem es mutterseelenallein herumsteht, verloren, ohne Echo und Wirkung, es könnte an jeder anderen Stelle eingefügt oder auch weggelassen worden sein. Harrer ist in vieles geraten: in Schnee, Eis, Kritik und auch in Gefangenschaft. Ein Abenteurer eben. 12 "SPIEGEL: "Haben Sie nie die Pflicht zu öffentlicher Reue empfunden?" Harrer: "Man geht doch nicht hausieren damit, daß man einmal einen solchen Fehler und eine solche Blödheit begangen hat." In: SPIEGEL, 45/1997. 6
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Quelle: RETTNER, Rainer (2009) : Eiger. Triumphe und Tragödien 1932-1938. Zürich : AS Verlag, 2. Aufl. 2009. (1. Aufl. 2008). p. 267. Die dortige Bildlegende: "Geleugnete Tatsache: Heinrich Harrer (rechts) hatte seinen Hakenkreuzwimpel nicht nur am Zelt plaziert, er befand sich auch in der Nordwand in seinem Rucksack. In der Mitte Fritz Kasparek, links der Wiener Rudi Freißel, zu Besuch im Lager der Konkurrenten." 7
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Quelle: Der Spiegel, No 45, 03.11.1997. Auf dem Photo von links nach rechts: Heckmair, Harrer, Hitler, Kasparek, Vörg, Reichssportführer von Tschammer und Osten, Reichsinnenminister Frick. Anhang. Hier eine Zusammenstellung der Judengesetze, die bis zur Abreise von Heinrich Harrer nach Asien erlassen wurden und für die SS-Männer und NSDAP-Mitglieder – zu denen Harrer gehörte - einstanden. (Quelle:http://denktag2001.denktagarchiv.de/projekte/06/geschichte/holocaust/judengesetze.h tm). Die Judengesetze Boykott aller "nichtarischen" Geschäfte. 01.04.1933 "Nichtarische" Justizbeamte erhalten in Preußen Zwangsurlaub. 07.04.1933 Juden dürfen kein Rechtsanwaltbüro eröffnen. Alle Beamten mit mindestens einem jüdischen 11.04.1933 Großelternteil werden aus dem Staatsdienst entlassen. Jüdische Ärzte dürfen nicht mehr für Krankenkassen tätig 22.04.1933 sein. Juden dürfen keine Patentanwälte mehr sein. Die Zahl der jüdischen Studenten an Hochschulen und 25.04.1933 Universitäten wird beschränkt. 8
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Alle jüdische Arbeiter und Angestellten bei Behörden 04.05.1933 werden entlassen. Juden dürfen nur in Ausnahmefällen den Doktorgrad 11.01.1934 erwerben. Jüdische Medizinstudenten werden nicht mehr zur 05.02.1934 Staatsprüfung zugelassen. Jüdische Apotheker werden nicht mehr zur Prüfung 08.12.1934 zugelassen. Jüdische Zeitungen dürfen nicht mehr in Geschäften oder 06.09.1935 Kiosken verkauft werden. 14.11.1935 Juden verlieren das Wahlrecht. Jüdische Notare, Ärzte, Professoren und Lehrer dürfen 21.12.1935 nicht mehr im Staatsdienst tätig sein. Jüdische Lehrer dürfen keinen Privatunterricht mehr 15.10.1936 erteilen. 26.01.1937 Juden dürfen keine Viehhändler mehr sein. 05.02.1937 Juden dürfen keine Jäger mehr sein. 13.02.1937 Juden dürfen nicht mehr Notar werden. 15.04.1937 Juden dürfen den Doktorgrad nicht mehr erwerben. 02.07.1937 Die Zahl jüdischer Schüler an Schulen wird begrenzt. Juden, die mehr als 5000 Mark besitzen, müssen dies 26.04.1938 anmelden. Alle jüdischen Gewerbebetriebe werden erfasst und 14.06.1938 gekennzeichnet. 20.06.1938 Juden dürfen keine Behörden betreten. 11.07.1938 Juden dürfen sich nicht an Kurorten aufhalten. 25.07.1938 Jüdische Ärzte erhalten Berufsverbot. Alle nach Juden benannten Straßen müssen umbenannt 27.07.1938 werden. 9
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. 27.09.1938 Berufsverbot für jüdische Rechtsanwälte. Juden müssen ihre Reisepässe abgeben. Neue Reisepässe 05.10.1938 werden nur beschränkt ausgestellt und erhalten den Aufdruck J (Jude). 09.11.1938 Die "Reichskristallnacht" 11.11.1938 Juden dürfen keine Waffen besitzen. Juden dürfen keine Kinos, keine Konzerte und keine 12.11.1938 Theater mehr besuchen. 15.11.1938 Jüdische Kinder keine öffentlichen Schulen mehr besuchen. 29.11.1938 Juden dürfen keine Brieftauben mehr halten. 03.12.1938 Juden müssen ihre Führerscheine abgeben. Jüdische Studenten werden von Hochschulen und 06.12.1938 Universitäten ausgeschlossen. Juden erhalten Kennkarten. Juden müssen einen Zwangsvornamen annehmen. Männliche Juden erhalten zu 01.01.1939 ihrem Vornamen den Namen "Israel", weibliche den Zusatz "Sara". Berufsverbot für jüdische Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, 17.01.1939 Zahntechniker, Heilpraktiker und Krankenpfleger. 10
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. GRINDELWALD und LOUIS AGASSIZ "Jahrzehnte vor Auschwitz wurde die »Endlösung« in der Neuen Welt auf den Weg gebracht. In Nordamerika rotteten Weisse die Ureinwohner aus, und vier Jahrzehnte vor dem Holocaust in Europa perfektionierte Deutschland das Modell in Afrika."13 Louis Agassiz Die Ausstellung Am 1. Juli 2012 wurde - am Fusse von Eiger, Jungfrau und Mönch - im Heimatmuseum des Schweizer Touristenortes Grindelwald eine Ausstellung eröffnet. Landesweit die erste ihrer Art: "Louis Agassiz (1807-2012) : Glaziologe, Rassist". Was Agassiz mit Grindelwald zu tun hat? Nun, nach ihm ist einer der Grindelwalder Bergriesen benannt: das Agassizhorn. Und bei Agassiz hat man in Grindelwald auch nicht nachgefragt, was denn aus dem wohl geworden sei, so im Laufe seines Lebens. Dank der Ausstellung wissen heute alle in Grindelwald, dass der Louis Agassiz nicht nur ein Glaziologe war, sondern auch ein schrecklicher Rassist. Ja, die hätten sich gut treffen können, der Agassiz und der Vater vom Hitler. Als Agassiz 1873 in den USA starb, da war der Alois Hitler schon 36 Jahre alt. Die waren Zeitgenossen. Und die Tochter vom Agassiz, die Ida, die hat den Aufstieg der Nazis erlebt und ist erst zwei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers gestorben. Und jeder weiss jetzt in Grindelwald, dass der Agassiz und der Hitler sich völlig einig waren und dass es auch beide, zuerst der Agassiz, dann der Hitler, so geschrieben haben, dass die Menschen in Rassen aufgeteilt seien, dass die Rassen unterschiedlich viel wert seien, dass die Weissen die Herrenrasse seien, dass die Rassenmischung nur Missgeburten hervorbringe, dass die Rassenreinheit das Kostbarste sei, dass Rasse eine Frage des Blutes sei und dass der Staat die absolute Verpflichtung habe, für die Reinheit des Blutes zu sorgen. Und zwar mit allen Mitteln. Dass davon alles abhänge, unsere Kultur und unser Ueberleben. Und dass man in diesen Fragen keinerlei Mitleid haben dürfe. Darin waren sich Agassiz und Hitler einig und in Grindelwald weiss das jetzt jeder. Und dann ist da die Frage mit dem Agassizhorn. Dieser Berg, mit dem Namen von dem Agassiz. Soll der bleiben oder nicht? Jetzt, wo jeder in Grindelwald weiss, an was das Agassizhorn erinnert, also was der Agassiz dachte und was der Hitler dachte. 13 BURG, Avraham (2009) : Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss. Frankfurt : Campus, 2009. p. 187-188. (Original auf Hebräisch, 2007). Avraham Burg (geb. 1955 in Jerusalem), Sohn eines Holocaust- Ueberlebenden, war Berater von Simon Peres, Knesset-Mitglied, Präsident des Jewish Agency und der World Zionist Organization, mehrere Jahre Präsident der Knesset, seit 2003 scharfer Kritiker Israels. Vgl. BURG, Avraham (2003), The end of Zionism. Israel must shed its illusions and choose between racist oppression and democracy. In: The Guardian, Monday 15 September 2003. 11
© Sept. 2012/Febr. 2013. H. Barth : Kinder, was habt ihr geleistet! Agassiz und Harrer im Museum Grindelwald. Anhang. 1846 reiste Louis Agassiz in die USA und liess sich dort nieder: in einem Land, dessen Alltag schon seit mehreren Jahrhunderten vom alltäglichen Verbrechen der Sklaverei und der Vernichtung der Indianer-Völker bestimmt war. Agassiz fühlte sich besonders wohl in den USA und blieb dort bis zu seinem Tode 1873. Das Verbrechen an den Indianer-Völkern rechtfertigte er mit deren Charakter. Zum Verbrechen an den Afro-Amerikanern nahm er nie öffentlich Stellung, besuchte aber Sklaven-Gulags, studierte die absolut entrechteten Frauen und Männer, liess sie entkleiden und fotografieren und benutzte die Fotos in öffentlichen Vorträgen, um die Minderwertigkeit der Schwarzen zu beweisen. Sein besonderer Hass galt den "Mischlingen", in denen er ein Bündel von Defekten sah. Im sexuellen Kontakt zwischen Weissen und Schwarzen sah er eine Sünde wider die Natur, eine Rassenschande. Diese Wahnvorstellung teilte er mit den meisten Euro-Amerikanern seiner Zeit. Wenig später findet man sie bei Adolf Hitler, bis 1945. In den Gesetzen vieler US- Staaten bis 1967. Interkulturelle Ehe-Verbote in den USA Aufhebung der Verbots-Gesetze von Mischehen in den einzelnen US-Staaten. Ohne interkulturelle Eheverbote Vor 1887 aufgehoben. 1948 bis 1967 aufgehoben. 12. Juni 1967 aufgehoben. Quelle: wikipedia 12
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