Kirche und Parteien nach 1945

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Die Gründung der CDU

Kirche und Parteien nach 1945

                                                        CDU in meiner Gemeinde habe ich dadurch unter-
Die Gründung der CDU                                    stützt, daß ich einem meiner Presbyter, der mit zu
                                                        den Gründern gehört, geholfen habe, aus der Zahl
                                                        der bekannten Gemeindeglieder diejenigen Männer
1. Die neu entdeckte öffentliche Verant-                und Frauen auszusuchen, von denen wir annahmen,
wortung der Kirche                                      daß sie wohl für die CDUzu gewinnen wären. Sie
  Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sahen füh-      sind zum größten Teil Mitglieder geworden, wenn
rende Kreise der evangelischen Kirche in Deutsch-       auch einige sich zur Zeit noch zurückhalten. Aus
land - neben allen Chancen einer eigenständigen         meiner früheren Gemeinde übersende ich Ihnen eine
kirchlichen Neuordnung - die Notwendigkeit, in neu-     Aufstellung der Namen von Männern und Frauen,
er Weise den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche zu ge-   von denen ich gleichfalls annehme, daß sie für die
stalten.1                                               CDU gewonnen werden können … Sie … werden
  So wurde bei der ersten Kirchenversammlung des        schon wissen, wie Sie diese, meine alten Freunde,
deutschen Protestantismus nach dem Kriege, vom 27.      erreichen und in die CDU eingliedern können.
bis 31. August 1945 in Treysa, in einem kleinen Aus-      … Zur politischen Arbeit gehört, wie zum Krieg-
schuß ein “Wort zur Verantwortung der Kirche für        führen Geld, Geld und nochmals Geld, nur daß es
das öffentliche Leben“2 erarbeitet. Es war zwar kei-    für die politische Arbeit freiwillig gegeben werden
ne Zeit mehr zur Verabschiedung, doch wurde die-        muß … Ich sende Ihnen daher mit gleicher Post ei- 12345678901234567
ses Wort, wie Kurt Nowak formulierte, „zum Leitseil     nen Beitrag von RM 30,- und habe bei einigen Glie- 12345678901234567
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protestantischen Selbstverständnisses“3 auf dem Weg     dern meiner Gemeinde zusammen nochmals RM 12345678901234567
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der Evangelischen Kirche hin zur neuentdeckten Ver-     120,- aufgebracht ...“                                         5
                                                                                                               12345678901234567
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                                                          Auf der Ebene der kirchenleitenden Prominenz be- 12345678901234567
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antwortung für das öffentliche Leben. Die rheinische                                                           12345678901234567
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Kirche verschickte es an alle ihre Pfarrer, um sich     schrieb Altbischof Kunst, damals Superintendent in 12345678901234567
damit zu identifizieren. In Lippstadt zögerten Anfang   Herford und Verbindungsmann der westfälischen Kir-
September 1945 die Protestanten noch, mit den Ka-       che zur CDU, die Nähe bzw. Verflochtenheit zwi-
tholiken zusammenzugehen, da noch nichts von der        schen Ev. Kirche und CDU mit den Worten:
Konferenz aus Treysa vorlag; in Hagen wurde das           In der CDU waren damals eine Summe von Leu-
Wort von Treysa von evangelischen CDU-Mitgrün-          ten, die nur einfach auch Figuren in der Bekennen-
dern herangezogen, da es ja ihren Weg unterstützte.     den Kirche gewesen waren. Da gehörte Gustav Hei-
  So fand in diesem offiziösen Wort die selbstver-      nemann dazu, ein Mann wie Robert Tillmanns, ein
ständliche Nähe breiter kirchlicher Kreise zur ent-     Mann wie Hermann Ehlers; Otto Dibelius wurde
stehenden christlich-demokratischen bzw. christlich-    Mitglied der CDU, Heinrich Grüber war einer der
sozialen Union ihren weithin akzeptierten Nieder-       Gründer der Berliner CDU, Ernst Lemmer war einer
schlag.                                                 der Gründer der CDU, also da waren eine Summe
  Wie dies in der Gründungsphase der CDU ausse-         von Leuten aus der Bekennenden Kirche, die von
hen konnte, beschrieb ein westfälischer Pfarrer ge-     Anfang an zur CDU gehörten; und nun bitte ich Sie,
genüber dem evangelischen Hauptgeschäftsführer der      was ist denn nun natürlicher als dies, daß mit denen
westfälischen CDU:                                      ein besonders herzliches und nahes Verhältnis be-
  „Treten wir im Interesse unserer eigentlichen Ar-     stand. Die waren für uns ja gar keine Parteileute, das
beit nicht öffentlich hervor, so sind wir doch keine    waren ja unsere Brüder, mit denen wir auf der Syn-
stummen Hunde … Die Gründung der Ortspartei der

                                                                                                             109
Die Gründung der CDU
                    ode oder in der Kirchenleitung oder sonstwo zusam-     gust 1945 vom rein katholischen Gründungsausschuß
                    menkamen.“                                             für den vorläufigen Vorstand der dann am 2. Sep-
                                                                           tember in Bochum gegründeten Christlich-Demokra-
                    2. Die Anfänge in Westfalen                            tischen Partei für Westfalen vorgeschlagen wurden.
                     Die geschlossenen evangelischen Gebiete lagen in      Es ist daher kein Wunder, daß die Evangelischen den
                    Ostwestfalen und im Siegerland, wo in der Weima-       in der katholischen Arbeiterschaft verankerten
                    rer Zeit auch der Christlich-Soziale Volksdienst als   Zentrumsvertretern wie „Offiziere ohne Mannschaf-
                    Versuch einer evangelischen Partei einen stärkeren     ten“ erschienen.
                    Rückhalt gehabt hat. Hier war Herford mit dem frü-       In Bochum stieß dann der aus der christlich-sozia-
                    heren deutschnationalen Oberbürgermeister, dem Fa-     len Tradition Stoeckers kommende Hagener Verle-
                    brikanten Dr. Friedrich Holzapfel, ein wesentliches    ger Otto Rippel dazu, der von der DNVP zum Volks-
                    evangelisches Zentrum der entstehenden Christlich-     dienst gegangen war und ihn im Reichstag vertreten
                    demokratischen Partei. In der Anfangszeit der CDU      hatte. Ebenso kam hinzu der frühere preußische
                    sind als Evangelische neben Holzapfel zunächst nur     Kultusminister Otto Boelitz, ehemals DVP, der sich
                    zu nennen: der Betheler Verwaltungsdirektor Johan-     im Kreis Soest um die Bildung einer nichtsozial-
                    nes Kunze und aus dem Dortmunder Gründerkreis,         istischen Sammelpartei „nach den Grundwahrheiten
                    der sich sehr schnell zum Zentrum der westfälischen    und Lebenskräften der Religion“ bemühte und mit
                    CDU entwickelte, der in der evangelischen              der Bochumer Gründung den Tag gekommen sah,
                    Jungmännerarbeit führend tätige Kaufmann Christi-      an dem „nach den ausgestandenen, gemeinsamen
                    an Ebert; alle drei kamen aus der Bekennenden Kir-     Leiden, die beiden großen christlichen Bekenntnisse
                    che. - Mühsam waren die Anfänge auf evangelischer      sich auch zu gemeinsamer Arbeit zusammengefun-
                    Seite. So waren sie die Evangelischen, die Ende Au-    den“ hätten. Holzapfel, der zum stellvertretenden
                                                                           Vorsitzenden gewählt wurde, betonte die Alternati-
                                                                           ve „christlich oder nicht christlich“ als die entschei-
                                                                           dende Frage „für die Rettung Deutschlands“; die
12345678901234567                                                          Christen müßten „wie ein Block“ zusammenstehen,
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 2345678901234567                                                          um sich „gegen die drohende Walze einer
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                                                                           christentumsfeindlichen Politik behaupten“ zu kön-
                                                                           nen. Die bisherige „Zersplitterung wäre mit Schuld,
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 2345678901234567                                                          daß das furchtbare Unglück über“ sie „gekommen
                                                                           wäre“. - In die Programmkommission, in der gemein-
                                                                           sam mit rheinischen CDU-Vertretern gearbeitet wer-
                                                                           den sollte, wurde auf evangelischer Seite außer Ebert
                                                                           der Bochumer Pfarrer Paul Bischoff gewählt.

                                                                           3. Die Evangelische Kirchenleitung in
                                                                           Westfalen
                                                                             In diesem engen Miteinander von evangelischen
                                                                           Theologen und Laien in der Gründungsphase der
                                                                           CDU sah sich auch die Kirchenleitung der Westfäli-
                                                                           schen Kirche selber herausgefordert. Ihre Überlegun-
                                                                           gen zu der Frage, „ob Vertreter der Evangelischen
                                                                           Kirche sich an dem wiederauflebenden Parteileben
                                                                           beteiligen sollen“ bzw., „ob sich die Evangelische
                                                                           Kirche auf eine der bisher genannten politischen Par-
                                                                           teien festlegen oder die Gründung einer evangeli-
                    Abb. 25: Otto Rippel, Hagen - Mitglied des ersten      schen Partei von sich aus betreiben soll“, fanden ihre
                    Landesvorstandes der CDU Westfalen                     Fortsetzung in einem Gespräch mit 15 Vertretern des
                                                                           “kirchlichen Lebens“ am 19. September 1945 in

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Die Gründung der CDU

Bochum-Stiepel. Danach stimmte die Kirchenleitung         und Hans Iwand in Dortmund waren die treibenden
in ihrer Sitzung vom 21. September dem Vorschlag          Kräfte in Westfalen; Karl Kochs Nachfolger als west-
von Präses Koch zu, „folgende Grundgedanken den           fälischer Präses, Ernst Wilm, verstärkte diese Linie
Superintendenten für die Amtsbrüder zu übermit-           der Öffnung für Gespräche mit der Sozialdemokra-
teln“:                                                    tie.
  „Die Kirche kann sich nicht auf eine politische Par-
tei festlegen, aber auch nicht abseits stehen und den     4. Drei Beispiele evangelischer Beteili-
Standpunkt vertreten, sie sei an politischen Dingen
                                                          gung bei lokalen CDU-Gründungen
nicht interessiert. Sie kann z.B. die Totalisierung des
                                                            Als Pfarrer Bischoff bei Beginn des politischen Le-
Staates, die Entwertung der Persönlichkeit, die
                                                          bens in Bochum sah, wie die katholische Kirche sich
Materialisierung des Lebens nicht unbeteiligt verkün-
                                                          engagierte, während die evangelische sich zurück-
digen lassen oder hinnehmen. Ein evgl. Christ darf
                                                          hielt, wurde er selber aktiv. Er nahm u.a. Kontakt zu
einer kirchenfeindlichen Partei nicht angehören.
                                                          Pfarrer Hermann Lutze in Wuppertal auf, der dort zu
  Es ist wichtig, daß die Kirche Fühlung behält mit
                                                          den Gründern der CDU aus den Kreisen der Beken-
den evgl. Mitgliedern der verschiedenen Parteien ...
                                                          nenden Kirche heraus gehörte. Zu den für die CDU
Endlich wird für nützlich erklärt, in den Kirchenge-
                                                          aktiven Protestanten gehörte in Bochum auch der
meinden evgl. Kreise oder Arbeitsgemeinschaften
                                                          stark kirchlich engagierte, im Straßenbahnwesen tä-
einzurichten, in denen die Kirche zu besonderen Fra-
                                                          tige Direktor Tilman Beckers, der in der Weimarer
gen des politischen Lebens (z.B. Schulfrage) Stel-
                                                          Zeit dem Volksdienst angehört hatte; er war Vorsit-
lung nehmen und auf die politische Willensbildung
                                                          zender des örtlichen CVJM und wurde Mitglied der
einwirken kann.“
                                                          westfälischen Kirchenleitung. Zusammen mit dem
  Die parteipolitisch unabhängige Rolle der Kirche
                                                          ebenfalls zum Volksdienst gehörenden Ingenieur,
ist deutlicher als in Treysa zum Ausdruck gebracht.
                                                          dem Presbyter Friedrich Eikholt, gehörte Beckers
Mit der Nennung der Schulfrage wurden allerdings
                                                          neben anderen Evangelischen zu den Teilnehmern
klare Signale im Blick auf die CDU gesetzt, hatte
                                                          der von Zentrumspolitikern initiierten Versammlung 12345678901234567
doch die westfälische Kirchenleitung bereits durch                                                              12345678901234567
                                                          am 31. August 1945 in Bochum zur Vorbereitung 12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
einen Beschluß vom Juli 1945 trotz eigener offene-
                                                          einer interkonfessionellen Partei. Bei der Gründung 12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
rer Position sich von der Haltung der katholischen
Kirche abhängig gemacht, deren Forderung nach der                                                                       5
                                                                                                                12345678901234567
                                                          der Ortspartei am 18. September wurde Eikholt 2. 12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                          Vorsitzender, bei der ersten Kommunalwahl im Ok- 12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
Bekenntnisschule eine entsprechende Forderung der                                                               12345678901234567
                                                                                                                12345678901234567
                                                          tober 1946 zog er in den Stadtrat ein.
evangelischen Kirche nach sich zog. - Die betonte
                                                            So wie in der Weimarer Zeit im Volksdienst, so emp-
Nichtfestlegung auf eine Partei fand in der „kirchen-
                                                          fing Pfr. Bischoff auch jetzt den Anstoß zu seinem
feindlichen Partei“, der ein evgl. Christ nicht ange-
                                                          politischen Engagement aus einer theologischen Sicht
hören durfte, ihre Grenze; gemeint war vor allem die
                                                          der Geschichte. Bischoff sah die Katastrophe von
kommunistische Partei, denn im März 1946 wurde
                                                          1945 als Strafe Gottes für die Sünden des deutschen
Superintendent Kunst zum Verbindungsmann zur
                                                          Volkes an. Deshalb sei eine Partei nötig, die aus in-
CDU und Pfr. Nockemann in Dortmund zum Ver-
                                                          nerer Anerkennung der Schuld und der Buße die Not-
bindungsmann zur SPD bestimmt; und in dem ein-
                                                          wendigkeit der von Gott auferlegten Geschichte auf
zuladenden Kreis für das Gespräch am 19. Septem-
                                                          sich nehme und politisch entsprechend handle.
ber waren neben Sympathisanten und evangelischen
                                                            Ganz am östlichen Rand des Reviers, in Unna, ge-
Gründern der CDU auch Teilnehmer mit Verbindun-
                                                          hörte der evangelische Pfarrer Dr. Hans Lutz, seit
gen zur SPD und zur FDP vorgesehen.
                                                          1937 dort Pfarrer, zu den Mitgründern der CDU. Lutz,
  So wurde in Westfalen, ganz in Entsprechung zum
                                                          der Verbindung zu einem ökumenischen Kreis in
Wort von Treysa, von der Kirchenleitung versucht,
                                                          Dortmund hatte, erfuhr im Juli 1945 von den kon-
bei klarer Neigung zur CDU doch die Linie partei-
                                                          kreten Plänen und Zielvorstellungen zur Gründung
politischer Unabhängigkeit deutlich zu machen;
                                                          einer christlich-demokratischen Partei auf Provinz-
schon sehr früh wurde in Gesprächen mit Vertretern
                                                          ebene, die er auf Kreisebene in Unna umsetzte. So
der Sozialdemokratie ein neues Verhältnis von Kir-
                                                          kamen im September 1945 im Kolpinghaus in Unna
che und Arbeiterschaft angestrebt. Pfr. Nockemann

                                                                                                              111
Die Gründung der CDU
                  etwa 25 Personen beider Konfessionen zusammen,           vitäten in der Kommunalpolitik selber aktiv. Eine Ver-
                  darunter auch solche, die bisher politisch nicht ge-     sammlung mit evangelischen Vertretern ließ für Es-
                  bunden gewesen waren, um über den weiteren poli-         sen selber schon im Juli 1945 die Entscheidung mehr-
                  tischen Weg, ob Zentrum oder eine überkonfessio-         heitlich für die interkonfessionelle Partei fallen. Be-
                  nelle Partei auf christlicher Grundlage, zu diskutie-    grüßt wurde diese Entwicklung von Rechtsanwalt Dr.
                  ren und zu entscheiden. In dieser Versammlung, die       Gustav Heinemann, der auf der überwiegend katho-
                  sich schließlich mit Mehrheit für die gemeinsame         lischen Versammlung als „evangelischer Mann“, viel-
                  christliche Partei entschied, war sicherlich auch der    fältig kirchlich engagiert, das Wort ergriff, genauso
                  in Unna seit Ende 1944 bestehende ökumenische            auch von Superintendent Böttcher und Dr. von
                  Arbeitskreis vertreten, dessen Vorarbeit für die poli-   Falkenhausen, die ebenfalls als Evangelische anwe-
                  tische Unionsidee es dem evangelischen Teil einfa-       send waren. Die Nachricht von der Berliner Grün-
                  cher machte, „mit dem katholischen Teil zusammen-        dung und die Verbindung zu Jakob Kaiser, der vor
                  zukommen“.                                               1933 in Essen für den Reichstag kandidiert hatte, war
                    Im November 1945 war Lutz führend auf evangeli-        dabei für die Essener Entscheidung nicht unwesent-
                  scher Seite auch bei der Gründung der CDP für den        lich, ebenso aber auch die innerevangelische Ent-
                  Kreis Unna beteiligt und übernahm den stellvertre-       scheidung für das politische Zusammengehen mit den
                  tenden Vorsitz. Die bisher einseitige Bindung der Kir-   Katholiken, die bei der „Evangelischen Tagung“ am
                  che an die “besitzenden und gebildeten Klassen” und      17. August 1945 in Wuppertal von Vertretern ver-
                  die Vernachlässigung ihrer Verantwortung für das öf-     schiedener rheinischer Gründungskreise, unter ihnen
                  fentliche Leben bewegten Lutz zu diesem Schritt; und     Heinemann und Böttcher, gefällt wurde. Bei der erst
                  da aufgrund des Mangels an politischer Organisati-       am 27. Januar 1946 möglichen öffentlichen Grün-
                  on für die evangelische Seite der Union so schnell       dungsversammlung sprach der frühere Essener Lei-
                  nicht genug evangelische Aktive gewonnen werden          ter des Christlich-Sozialen Volksdienstes, Studien-
                  konnten, ließ sich Lutz im März 1946 für die CDU         rat Hans Spiecker für die evangelische Seite „vom
                  zum Mitglied der ernannten Stadtvertretung berufen       großen Brückenschlag zwischen den beiden Konfes-
12345678901234567 und vertrat den Bezirk Unna auch beim ersten Par-        sionen“ und der“ ganz neuen politischen Idee“, de-
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 2345678901234567 teitag der westfälischen CDU im Mai 1946 in Reck-        ren Träger die CDU sei. Für die zu ernennende Stadt-
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                  linghausen. Als Evangelischer war in der Unnaer
                  Stadtvertretung für die CDU auch Bergwerksdirektor
                                                                           vertretung wurden als Evangelische Spiecker, Hei-
                                                                           nemann und der Fabrikant und Kaufmann Eduard
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 2345678901234567 Dr. August Fischer Mitglied, der schon in dem be-        Hengstenberg vorgeschlagen. Heinemann wurde im
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                  reits seit August 1945 bestehenden Vertrauensaus-        Frühjahr 1946 zum Stellvertreter des kommunisti-
                  schuß kommunalpolitische Aufgaben wahrgenom-             schen Oberbürgermeisters Renner ernannt. Nach der
                  men hatte. Fischer hatte früher zur Deutschen Volks-     für die CDU erfolgreichen Kommunalwahl im Herbst
                  partei gehört. - Der evangelische Fabrikdirektor Prof.   1946 wurde Heinemann zum Oberbürgermeister ge-
                  Fritz Beckmann, der vor der Gründung der CDU als         wählt.
                  unabhängiger Bürgervertreter dem Kreisvertrauens-
                  ausschuß angehört hatte und dann CDU-Kreistags-          5. Irritationen
                  abgeordneter geworden war, wurde im Frühjahr 1946          Nach dem vielfach emphatischen gemein-
                  in den westfälischen Provinzialrat berufen. - Über       christlichen Start unmittelbar nach Kriegsende zeig-
                  ihren kirchlichen Bekanntenkreis war die bereits in      ten sich im Laufe der Jahre 1946/47 eine Reihe von
                  der Weimarer Zeit im Evangelischen Volksdienst ak-       Problemen für den evangelischen Teil der CDU, die
                  tive Pastorenwitwe Toni Schrader in die CDU ge-          zumindest Irritationen, aber auch Austritte und par-
                  kommen. Toni Schrader, inzwischen Synodalvor-            teipolitische Umorientierungen zur Folge hatten.
                  sitzende der Evangelischen Frauenhilfe, zog 1946 in        Daß eine wirkliche Union, also eine Parität der Kon-
                  den Rat der Stadt ein; in der Ortspartei übernahm sie    fessionen in der Mitgliederstruktur kaum zu erhof-
                  zeitweise den stellvertretenden Vorsitz.                 fen war, war von Anfang an klar. Deshalb versuchte
                    In Essen wurden christliche Gewerkschaftskreise        man, gerade durch die Besetzung der Führungsposi-
                  um den lokalen Zentrumsführer Heinrich Strunk als        tionen der Partei die Union nach außen zu dokumen-
                  Reaktion auf die vor allem kommunistischen Akti-         tieren, was allerdings wegen der geringen Zahl evan-

              112
Die Gründung der CDU

gelischer Aktiver nicht immer gelang und zu inner-        um die christliche Gestaltung des Politischen, die
parteilichen Querelen führte. Entsprechend kritisch       Auseinandersetzung um das Erbe der Bekennenden
waren die konfessionellen Auseinandersetzungen bei        Kirche war trotz wiederholter Gespräche nicht mehr
der Besetzung von Ämtern in der Verwaltung, im            beizulegen. Der Rückzug evangelischer Laien auf die
Bildungsbereich oder anderen öffentlichen Einrich-        kirchlichen Ämter aus Enttäuschung über die genauso
tungen; hier gab es auch lebhaftes kirchliches Inter-     wie andere Parteien säkular und machtpolitisch agie-
esse, und oft war die Klage über die katholische Do-      rende CDU, das Abwandern zur liberalen Partei aus
minanz oder die Enttäuschung über die CDU zu hö-          Unverständnis über solch theologisch engen Spitz-
ren, die doch nur ein verkapptes Zentrum sei. Glei-       findigkeiten angesichts der doch dringend zu bewäl-
ches gilt im Blick auf die mangelnde Berücksichti-        tigenden Not oder auch Neuorientierungen Richtung
gung evangelischer Mitglieder, oft mit deutlich kirch-    SPD in der Hoffnung auf eine neue Begegnung zwi-
lichem Hintergrund, bei der Kandidatenaufstellung         schen Kirche und Arbeiterschaft mit dem Engage-
durch die Partei.                                         ment für mehr Gerechtigkeit im gesellschaftlichen
  Auch die mangelnde organisatorische Präsenz der         Neubau waren die Folgen. Pfr. Lutz, der ab Frühjahr
Evangelischen in der CDU war ein Problem, die Ka-         1947 in der ökumenischen „Arbeitsgemeinschaft für
tholiken hatten da eine ganz andere Basis. Außer-         Christentum und Sozialismus“ mitarbeitete, wech-
dem führte der immer wiederkehrende Vorwurf,              selte zur SPD. Auch Superintendent Heuner in Dort-
durch die Evangelischen werde die Partei zu einem         mund, der zunächst evangelische Laien für die CDU
Sammelbecken der alten Rechten, auch innerhalb des        zu aktivieren sich bemüht hatte, öffnete sich der SPD.
evangelischen Teils der CDU zu Auseinandersetzun-         Andererseits wurde Februar 1948 in der Sitzung der
gen um die Schuldfrage und die Art des Umgangs            westfälischen Kirchenleitung nach einem Vortrag von
mit dem politischen Gegner, so daß sich z.B. Pfarrer      Direktor Johannes Kunze aus Bethel „die wirksame
Bischoff zunehmend enttäuscht von der CDU zurück-         Vertretung des christlichen Anliegens seitens der
zog.                                                      CDU dankbar anerkannt, die unbedingte Neutralität
  Daß die CDU mit ihrem Anspruch, für die Geltung         der Kirche gegenüber allen politischen Parteien und
der zehn Gebote im öffentlichen Leben einzutreten,        die unbefriedigende kirchliche Haltung von führen- 12345678901234567
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trotzdem im September 1946 eine Kundgebung mit            den Mitgliedern der SPD festgestellt“.                 12345678901234567
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Konrad Adenauer in Münster just zur evangelischen
Gottesdienstzeit ansetzte, ärgerte nicht nur evangeli-
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                                                          1. Entsprechend der zeitlichen Begrenzung bis etwa         12345678901234567
sche CDU-Mitglieder, sondern auch die Kirchen-                                                                       12345678901234567
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leitung so sehr, daß sie einen Brief schrieb, hatte sie   1949 wird im Folgenden überwiegend die Beziehung
doch gerade die Gemeindeglieder aufgerufen, christ-       zwischen Ev. Kirche und CDU dargestellt, dies auch im
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liche Persönlichkeiten zu wählen, die insbesondere
                                                          Kirche, obwohl die Gründung der CDU ohne die
für die Heiligung des Feiertages eintreten.               katholischen Initiativen und deren kirchliche Unterstüt-
  Viel mehr Irritationen im evangelischen Teil der        zung nicht denkbar ist. - Für die weiteren Zusammen-
CDU löste aber die breite Diskussion im kirchlichen       hänge sei auf die demnächst im Druck erscheinende
Protestantismus über die theologische Infragestellung     Dissertation des Vf. verwiesen „Volkskirchliche Hoff-
einer christlichen Partei aus, eine Diskussion, die an-   nungen und der Aufbau der Union. Evangelische
gestoßen durch die Schrift von Karl Barth „Christen-      Kirche und CDU/CSU in den ersten Nachkriegjahren“,
gemeinde und Bürgergemeinde“, auch zu politischen         Gießen 1996.
Scheidungen führte. Der kritischen Frage, ob nicht        2. Abgedruckt in: Fritz Söhlmann (Hg), Treysa 1945.
eine christliche Partei mit ihrer parteipolitischen       Die Konferenz der evangelischen Kirchenführer, 27.-
                                                          31. August 1945, Lüneburg o.J. (1946), S. 102-104;
Frontenbildung die evangelische Freiheit gefährde,
                                                          Kundgebungen, Worte und Erklärungen der EKD 1945-
wurde aus den Kreisen der CDU die Bitte gegen-            1959, hg.v. Friedrich Merzyn, Hannover o.J., S.4.
übergestellt, „die christliche Front im politischen       3. Kurt Npwak, Gerhard Ritter als politischer Berater
Raum nicht schwach“ zu machen „und ihr nicht den          der EKD (1945-1949), in: Die Zeit nach 1945 als
guten Glauben“ zu nehmen, da „sie doch im Grunde          Thema kirchlicher Zeitgeschichte - Referat der
nichts anderes“ wolle, „als der Verkündigung des          internationalen Tagung in Hüningen/Bern (Schweiz)
Evangeliums im Volk Raum zu schaffen“. Der Streit         1985, hg.v. Victor Conzemius, Martin Greschart u.
                                                          Hermann Kocher, Göttingen 1988, (S. 235-256), S. 239.

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