Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
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Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Klagenfurt 2012 Hans Peter JESCHKE und Peter MANDL (Hrsg.) Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
Titelblatt: „Unsere Umwelt beginnt in der Wohnung und endet in der Weite der Landschaft“ Aus: IVWSR (1973): Wiener Empfehlungen. Luxemburg. In: Jeschke, Hans Peter (Hrsg.) (1982): Problem Umweltgestaltung. Ausgewählte Bestandsaufnahme, Probleme, Thesen und Vorschläge zu Raumordnung, Orts- und Stadtgestaltung, Ortsbild- und Denkmalschutz, Landschaftspflege und Umweltschutz. Verlag Stocker, Graz. (= Schriftenreihe für Agrarpolitik und Agrarsoziologie, Sonderband 1) Medieninhaber (Herausgeber und Verleger): Institut für Geographie und Regionalforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Universitätsstraße 65-67, A-9020 Klagenfurt Herausgeber der Reihe: Ass.-Prof. Mag. Dr. Peter MANDL Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR Schriftleitung: Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR Redaktionelle Betreuung: Dipl.-Ing. Stefan JÖBSTL, Bakk. Webdesign und –handling: Natalie SCHÖTTL, Dipl.-Geogr. Philipp AUFENVENNE ISBN 978-3-901259-10-4 Webadresse: http://geo.aau.at/kgs28
Hans Peter Jeschke, Peter Mandl (Hrsg.) (2012): Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention. Institut für Geographie und Regionalforschung an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Klagenfurter Geographische Schriften, Heft 28. DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN Hans Peter JESCHKE Das Beispiel der Region Mauthausen / Gusen (Cultural heritage and memorial landscape Mauthausen / Gusen) 1. Die monströse topographische Dimension des Terrors in Europa - Die „stummen Zeugen“ in der Landschaft 1.1 Ideengeschichtliche Entwicklung und Veränderung der Gedenkstätten Die Gedenkstätten Die Disziplin der Gedenkstättenpädagogik will insbesondere dazu beitragen, dass „[...] Auschwitz nicht noch einmal sei“ (W. Adorno). Gleichzeitig soll die Erinnerung und das Gedenken an die in den Konzentrationslagern und an anderen Orten ermordeten und geschundenen Opfer des Nationalsozialismus in die jeweils nächste Generation in die jeweils nächste Generation tradiert werden. Die Gedenkstättenarbeit und die wissenschaftliche Grundlagenforschung hiefür basieren u.a. auf dem immateriellen und materiellen Erbe, das in verschiedener Weise alle Funktionen eines Erinnerungsortes und anderer historischer Relikte von zeitgeschichtlicher Bedeutung in den Landschaften Europas unterstützt. Ohne auf die Ideengeschichte der Gestaltung von Gedenkstätten im Detail einzugehen, kann doch festgehalten werden, dass sich frühe Gestaltungsinitiativen schwerpunktmäßig auf Friedhöfe und Monumente bezogen und später die Einrichtung von Museen erfolgte, die mit einer Rückwirkung auf die Sicherung und Präsentation der Außenanlagen einherging. Hernach folgten museale Techniken auf Außenanlage und teilweise Inszenierungen. Der Aspekt eines Erinnerungsmales und dessen Präsentation überlagert jedoch nach wie vor die anderen bereits genannten Funktionen eines Gedenkstättenareals. Zudem wurden die Gedenkstätten lange Zeit nach ihrem Erscheinungsbild und weniger nach ihrer historischen Bedeutung bewertet (Skriebeleit 2002, S. 15). So wurde z. B. „die Gedenkstätte Mauthausen lange Zeit nahezu als einziger Ort der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wahrgenommen und so der Blick auf die Monstrosität des Lagers Gusen, das nur wenige Kilometer von Mauthausen entfernt bestanden hatte und in dem mehr Menschen ums Leben gekommen waren als im Lager Mauthausen selbst, durch die Monopolisierung des Gedenkens in Mauthausen verstellt“ (Berz 2003, S. 9). Funktionen und Bedeutung der „stummen Zeugen“ als Mahnmal Eine besondere und steigende Bedeutung haben dabei die räumlich in Erscheinung tretenden zeitgeschichtlichen Relikte als „stumme Zeugen“ in der Landschaft. Dies wird schon sehr früh durch die Worte des prominenten Zeitzeugen Primo Levi eindrucksvoll illustriert: „Was wollt ihr mit diesen verseuchten Baracken, diesen alptraumartigen Gittern, den Abortreihen, den Öfen und Galgen machen?“, hätte ein Großteil von uns, glaube ich, geantwortet: „Weg mit allem. Ebnet alles ein, macht alles dem Erdboden gleich, zusammen mit dem Nazismus und allem, was deutsch ist!“ Das hätten wir gesagt (viele haben auch tatsächlich so geantwor- 509
510 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ tet, den Stacheldraht niedergerissen, die Baracken angezündet), und wir hätten uns geirrt. Die Schrecken konnten nicht ausgelöscht werden. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verlieren jene Reste nichts von ihrer Bedeutung als Mahnmal, im Gegenteil, sie gewinnen an Bedeutung. Sie lehren besser als jede Abhandlung oder jedes Memorandum, wie unmenschlich das Hitler-Regime war, auch in seiner Wahl von Schauplätzen und Archi- tekturen (Ausstellungseröffnung in der Galleria San Fedele in Mailand 1986, S. 163). 1.2 Topographie des nationalsozialistischen Terrors – Überblickshinweise für Europa (Täter – und Opferperspektive) Zweifellos gehören in Europa daher die Areale der Konzentrationslager mit ihren baulichen und sonstigen Zeugnissen, KZ-Überresten und damit im Funktionszusammenhang stehenden weiteren historischen Relikten in der jeweiligen Region selbst zu den Hauptexponaten. Dies gilt es daher auch in den Vordergrund zu stellen. Dies bedarf insbesondere der Erklärung, der Interpretation und Bewertung, wohingegen die Gedenkstättenbauten als interpretative Elemente gesehen werden müssen. Die Abbildung 1: „Topographie des Terrors“ markiert mit ausgewählten Zentren der NS-Gewaltherrschaft in graphisch reduzierter Form die monströse räumliche Dimension des Terrors in Europa. All diese Areale, Zentren, Objekte, Nutzungsstrukturen und Marschrouten der Häftlinge etc. in verschiedenen Ausprägungen, haben ein zeitgeschichtliches Potential, das mit neuen Methoden der GIS- und 3D- Technologie verbessert zu nutzen ist. Abb. 1: Topographie des nationalsozialistischen Terrors in Europa - Standorte zentraler Lenkungseinrichtungen oder Lenkungsinitiativen für den Völkermord in Europa. In dieser Darstellung sind aus graphischen Gründen mehrere Informationen zusammengefasst. (Konzept und Bearbeitung © Dipl.-Ing. Dr. H.P. Jeschke)
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 511 ___________________________________________________________________________ a) Standorte zentraler Lenkungseinrichtungen oder Lenkungsinitiativen für den Völkermord in Europa (Bezeichnung in schwarzer Schrift) Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei (Heinrich Himmler) mit dem Reichsicher- heitshauptmann, Sicherheitsdienst des Reichsführers SS und der Geheimen Staatspolizei (GESTAPO) in Berlin. Dachau war als „Musterlager“ das erste Konzentrationslager, erstes Schulungszentrum 1933 – 1942 (Systematisierung des Terrors durch die Konzeption der „Lagerordnung“ und „Strafvorschriften“, die im Prinzip bis zum Kriegsende gegolten haben) und erster Standort der Inspektion der Konzentrationslager 1933 – 1942. Das Konzentrationslager Oranienburg/Sachsenhausen war Inspektion der Konzentrationslager ab 1942 – 1945 und Wirtschaftsverwaltungs-Hauptamt mit zentraler Lenkungs- bzw. Leitungsfunktion für sämtliche KZ-Lager im „T-Gebäude“ sowie ab 16.3.1942 mit der zentralen Lenkungsaufgabe für den gesamten „Arbeitseinsatz“ der Häftlinge für die Rüstungs- industrie betraut. Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion (Reichsminister A. Speer) in Berlin Wewelsburg/ Paderborn war Konzentrationslager und geplantes Zentrum der SS-Weltan- schauung. „Wannseekonferenz“ am 20.11.1942 in Berlin. b) Konzentrationshauptlager und Vernichtungszentren Die Darstellungen beziehen sich aus graphischen Gründen nur auf die zwei angeführten Kategorien. Als ergänzender Hinweis zur Gesamtzahl der Zentren des Terrors muss erwähnt werden, dass es von 1933 – 1945 insgesamt im Machtbereich des Nationalsozialismus 17 verschiedene Kategorien von Terrorstätten (Konzentrationslager, Nebenlager bzw. sonstige Außenkommandos, Vernichtungszentren, Ghettolager, Zuchthäuser mit Hinrichtungsstätten etc.) und weit über 10.000 Lager (G. Schwarz 1996, S. 261) gab. 1. KZ-Hauptlager (Standort und Bezeichnung in roter Farbe) Als KZ-Hauptlager werden jene 23 Lager in ganz Europa bezeichnet, die nach 1936 als große mit eigenständiger Verwaltung ausgestattete Konzentrationslager mit insgesamt ca. 1202 Außenkommandos (G. Schwarz 1996, S. 179) eingerichtet wurden. Eine dieser Hauptlager (Mauthausen / Gusen) wird im Punkt 5 beispielhaft auf Grund der neuen Konzepte vorgestellt. Anzumerken ist, dass der Lagerkomplex Mauthausen / Gusen selbst wieder mehr als 40 Außenlager in der Ostmark hatte bzw. Ziel von Todesmärschen war, die in der Abbildung 2 nicht dargestellt sind. 2. Vernichtungszentren Die auch als Todes-, Vernichtungslager oder Vernichtungszentren (H. Weinmann, 1990) bezeichneten 8 Stätten verfügen neben der SS-Infrastruktur und Tötungseinrichtungen nur über „Häftlings-Sonderkommandos“ für die Tätigkeit der sofortigen Vernichtung der Verschleppten und daher über keine Strukturen zur Unterbringung von größeren Häftlingsgruppen. Diese „Häftlings-Sonderkommandos“ wurden „von Zeit zu Zeit ausge- tauscht“, d.h. ermordet und durch andere „Arbeitsfähige“ ersetzt (G. Schwarz, 1996). Unter den genannten Orten befindet sich Auschwitz/Birkenau, das Vernichtungsstätte und Konzentrationslager war. Auschwitz wird daher auch in der Aufstellung der Konzentrations- hauptlager mitgenannt. Wegen dieser historischen Funktion und herausragenden Bedeutung
512 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ für den Völkermord bzw. als Gedenkstätte (assoziative Bedeutung) hat die UNESCO Auschwitz im Rahmen der internationalen Welterbekonvention als Weltkulturerbe unter Schutz gestellt. c) „Häftlingseinsatz“ in SS-Wirtschaftsunternehmen und der Rüstungsindustrie (Auswahl). Die Standorte sind kartografisch nicht ausgewiesen. SS – Wirtschaftsunternehmen Das Wirtschaftsimperium der SS bestand mit dem Stand 30. September 1943 aus neun Fachgruppen (Stahl W., Amt W I Steine und Erden, Amt W II Steine und Erden Ost, Amt W III Ernährungsbetriebe, Amt W IV Holzbearbeitungsbetriebe, Amt W V Land-, Forst- und Fischwirtschaft, Amt W VI Textil- und Lederverwertung, Amt W VII Buch und Bild, Amt W VIII Sonderaufgaben) mit 34 Einzelunternehmungen. Stellvertretend für die große Anzahl werden genannt: Deutsche Ausrüstungswerke GmbH, Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH, Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH, Gesellschaft für Textil – und Lederverwertung GmbH, Ostindustrie GmbH und Gusthoff – Werke (Hutterberger 2003). Rüstungsindustrie In zahllosen Firmen erfolgte in unterschiedlicher Intensität ein „Häftlingseinsatz“. Im Bereich der Rüstungsindustrie können 39 Unternehmen besonders genannt werden. Davon werden hier herausgehoben: AEG, BMW, Borsig, Flick–Konzern, Ford, Gustloff–Werke, Heinkel, IG-Farben, Junkers, Klöckner, Krupp, Messerschmitt, Reichswerke Hermann Göring, Rheinmetall, Siemens – Schuckert, Steyr – Daimler Puch (Hutterberger 2003). 1.3 Zum Verlust und zur Veränderung der authentischen Orte, des Gesamtgefüges, der Struktur und des Umfeldes von Gedenkstätten und anderer zeitgeschichtlich bedeutsamer Orte und Objekte Die Veränderung der ehemaligen KZ-Areale und deren Umgebung hat im Laufe der Zeit ein anderes Aussehen und eine andere Wahrnehmung der historischen Überreste mit sich gebracht: Die „schöne Natur“ in Gedenkstättenarealen wirkt vielfach im Unterschied zu überfüllten Baracken lieblich, nachwachsende Bäume verändern die Landschaft, und der Verfallszustand der Gebäude macht nur schwer nachvollziehbar, wie sie vor mehr als 60 Jahren gewirkt haben (Lutz, Gedenkstätten S. 44). Weitere aktuelle Veränderungen der Areale der ehemaligen Konzentrationslager etc. sind exogen durch neue Nutzungsansprüche an das historische Gelände selbst und dessen Umgebungsbereich (Bauland, Verkehrsinfrastruktur, Mineralrohstoffentnahmen etc.) und endogen durch Ausstellungs- sowie Tagungsbauten, und vor allem durch viele Vorhaben des „memorial landscaping“ gegeben. Die Banalität der Relikte und die Nichterkennbarkeit der Inferiorität der Geschehnisse am historischen Ort verleitet viele Gestalter und Architekten mit weiträumigen Projekten der Landschafts- und Baugestaltungswettbewerbe das vielfach noch vorhandene historische Gefüge von KZ- Arealen zu verändern, überlagern und damit zu zerstören (Leo 1998, S. 25). Die Spuren der Vergangenheit sollen u.a. durch neue „gestalterische Achsenkonzepte“, also durch landschaftsgärtnerische Mittel (Wald und Park etc.) oder „künstlerische Gestaltungen“„sichtbar“ gemacht werden. Darüber hinaus sind nachhaltige Veränderungen der Umgebung – es werden keine Umgebungsschutzzonen ausgewiesen - und der Verlust vieler Relikte in diesen Zonen im Laufe der Zeit zu beklagen.
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 513 ___________________________________________________________________________ Abb. 2: Der Steinbruch „Wiener Graben“ in seiner 3 D-Visualisierung mit einem Aufklärungsfoto der amerikanischen Luftwaffe und (im Hintergrund) einem Orthofoto 2001. Unterhalb der markierten Funktionsfläche des Steinbruchs sind deutlich die SS-Kasernenbaracken (vor dem unmittelbaren Eintritt in das KZ Mauthausen-Gelände durch das Jourgebäude) zu erkennen. Links vor den genannten Kasernengebäuden sind Ausschnitte des „Krankenlagers“ („Russenlager“) zu sehen. Abb.3: Der Steinbruch „Wiener Graben in seiner 3 D-Visualisierung mit dem Orthofoto 2001 und der gleichen Markierung wie in Abb. 2. Deutlich sind die Veränderungen des historischen Geländes zu sehen. Die SS-Kasernenbaracken wurden in den Nachkriegsjahren abgetragen. Auf den Fundamentterrassen befindet sich jetzt ein weitläufiger Hain der „Denkmäler der Nationen“. Gleiches gilt für das Gelände des „Krankenlagers“, der sich als Wiesenfläche mit einem durch eine kleine Allee gestalteten Denkmal zur Erinnerung an die inhaftierten und ermordeten Sowjetbürger darstellt.
514 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ Abb. 4: Steinbruch „Wiener Graben“ mit der „Todesstiege“ (Foto: H. Hutterberger) Abb. 5: Steinbruch „Wiener Graben“. Ruine des Steinbrechers im östlichen Teil des Steinbruchs (Foto: H. Hutterberger)
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 515 ___________________________________________________________________________ 2. Historische Orte und ihre authentischen Spuren in der Landschaft „zum Sprechen bringen“ – Kontextualisierung und Visualisierung 2.1 „Zum Sprechen bringen“ – Hinweise zu Ausgangslage „Missverhältnis zwischen Erfahrung, die wir gemacht hatten und dem Bericht, der darüber möglich war“ Gerade weil die Aura der Authentizität und der (scheinbaren) historischen „face to face“– Begegnung „vor Ort“ für sehr viele Menschen einen faszinierenden Reiz entfaltet, hoffen besonders junge Besucher, dass sie bei dem Aufenthalt die Geschichte möglichst „authen- tisch“ und sinnlich erfahren können. Immer wieder berichten Gedenkstättenpädagogen über die Enttäuschung der Besucher, wenn das Gesehene nicht diesen Erwartungen entspricht. Viele Besucher, gerade wenn sie zu der Generation gehören, die mit dem Fernsehen aufgewachsen ist, erwarten eine Filmkulisse, wo doch die historische Wirklichkeit nur annäherungsweise nachzuvollziehen ist (Lutz 1995, S. 44). Denn so authentisch z.B. der Ort des Geschehens, Baulichkeiten und andere „vor Ort“ gegebenen Sach-, Bild- und Schriftquellen auch sein mögen, dem vergangenen und damit für immer absenten geschichtlichen Geschehen selbst und dem Handeln und Leiden der einst damit verbundenen Menschen begegnet man an solchen Orten keineswegs direkt, sondern nur in Spuren bzw. „Zeugnissen“. Der Gedenkstättenarbeit wird so bei allen noch so gelungenen Ausstellungsversuchen ein Ungenügen vor der Wirklichkeit des Genozids zu eigen sein, das von dem KZ-Häftling Robert Antelme bereits 1947 mit dem „Missverhältnis zwischen Erfahrung, die wir gemacht hatten und dem Bericht, der darüber möglich war“ artikuliert wurde (Jelich 1994, S. 87). Kontextualisierung und Visualisierung Da diese „authentischen“ Orte nicht für sich selbst sprechen, müssen sie in zutreffender Weise erklärt und interpretiert werden (Lutz 1995, S. 44). Die Objekte als Zeichenträger, verlangen daher nach einer Kontextualisierung, nach einer Rück- und Anbindung der Sachzeugnisse an das Hauptexponat, den Ort sowie die baulichen Denkmale etc. des Konzentrationslagers und somit die Darstellung des Nationalsozialismus am Ort des Geschehens, in der die Nachbarschaft von Tat, Täter und Tatort und damit die gesamtgesellschaftliche Verantwortung sinnfällig wird (Morsch, Überlegungen 1994, S. 89 ff). Der Begriff „Visualisierung“ bezeichnet die Kommunikation von Informationen durch bildliche Darstellungen. Visualisierungen werden eingesetzt, um komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge möglichst einfach und anschaulich darzustellen. Zusätzlich haben Visualisierungen in der Planung oder Geographie die Funktion, Ideen und Entwürfe auf den Raum zu beziehen, um eine visuelle Bewertung von Eingriffen in die natürliche und/oder gebaute Umwelt zu ermöglichen. Damit kommt der Visualisierung eine Schlüsselrolle zu, denn erst durch sie können z.B. die Auswirkungen eines Eingriffes auf die Landschaft beurteilt werden. Basierend auf den Ergebnissen der historischen Grundlagenforschung erfolgte mit Hilfe von historischen Flugbildern der amerikanischen Luftwaffe, aktuellen Orthophotos und Katasterunterlagen in einem geographischen Informationssystem eine neuartige Identifi- zierung noch historischer Elemente und Nutzungsformen sowie eine Visualisierung der Landschaftsentwicklung.
516 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ „Zum Sprechen bringen“ und Erinnerungspotentiale fruchtbar werden lassen Die Gedenkstättenkonzeption des Deutschen Bundestages sieht u.a. vor, dass „die authentischen Orte, gerade bei wachsendem zeitlichem Abstand für die Nachgeborenen erschlossen und „zum Sprechen gebracht“ werden müssen. Dazu gehört, zunächst die Spuren der baulichen Überreste zu sichern und in didaktisch-pädagogischer Perspektive aufzubereiten.“ Dabei dient die Vermittlung historischen Wissens an den authentischen Orten „der von Generation zu Generation jeweils neu zu gestaltenden Selbstvergewisserung mitmenschlicher und demokratischer Grundlagen individuellen und gesellschaftlichen Handelns“. Mit geeigneten Methoden, die der Identität von historischem Ort und Lernort Rechnung tragen und die deshalb besonders geeignet sind, „soll das in den authentischen Orten angelegte Erinnerungs- und Aufklärungspotential fruchtbar werden zu lassen“ (Deutscher Bundestag 1998, S. 242-243). 2.2 Ziele und Grundsätze der Visualisierung Das vorgeschlagene Konzept mit den genannten Methoden und Instrumenten spricht u.a. folgende Ziele der Identifikation, Inventarisierung, Gedenkstättenpädagogik und Pflege an. a) Grundsätze Umfassende Identifikation Es ist daher notwendig, dass die Vielzahl der authentischen Orte und Objekte, gerade bei wachsendem zeitlichem Abstand für die Nachgeborenen verbessert erschlossen und „zum Sprechen gebracht“ werden. Dazu gehört, zunächst die Spuren der baulichen Überreste und andere Relikte (z.B. Marschrouten etc.) zu sichern und in didaktisch-pädagogischer Perspektive aufzubereiten. Um sie aber in einen Bedeutungszusammenhang zu stellen, ist ein interpretierender Umgang unbedingt notwendig, eine Einbettung in den historischen Kontext und eine Präsentation, die die Betrachterinnen und Betrachter zur Reflektion auffordert. Nur dann wird auch die Bedeutung der Relikte sichtbar. Unterstützung der Entkräftung der revisionistischen Manipulation z.B. der Zahl der Opfer und Leugnung der planmäßigen, industriell durchgeführten Ermordung Durch die Visualisierung des Konzentrationshauptlagers und anderen Anlagen des NS- Terrors in ihrem räumlichen bzw. technischen Gesamtausmaß wird die funktionelle Ratio- nalisierung des Terrors im KZ-System nach 1936 erfassbar und damit die Absicht bzw. Planmäßigkeit eines systematischen Völkermordes verdeutlicht. Damit wird die Entkräftung einzelner revisionistischer (Bailer–Galanda 1996, S. 19) Argumentationslinien (Leugnung der Absicht und Planmäßigkeit des Völkermordes (Bailer – Galanda 1996, S. 26) und Zweifel an der Zahl der Opfer, die in immer neuen Varianten vorgebracht werden (Neugebauer 1996, S. 164 ff.) etc.), nachhaltig unterstützt. b) Die räumliche Dimension Gegenstand der Visualisierung und Kartierung: Das „Gehäuse der Gewalt“ – Ein Konzentrationslager bestand nicht nur aus einer Ansammlung von Holzbaracken! Für die Visualisierung der Konzentrationslager müssen wir uns die idealtypische Ausformung des „Gehäuses der Gewalt“ (Walter Sofsky) in Erinnerung rufen. Der genannte Autor (2002, S. 62 ff.) skizziert in seinem Buch „Die Ordnung des Terrors“ die typische Raumordnung der KZ-Lager nach 1936. „Die Modernisierung des KZ-Systems ab 1936 erweiterte nicht nur die Funktionen der Lager, sie rationalisierte auch die Ordnung des Raums. Die Macht besetzte
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 517 ___________________________________________________________________________ den Raum und wandelt ihn vollständig um. Die Geographie des modernen Konzentra- tionslagers ist nicht das Resultat einer Geschichte, sondern eines idealen Plans, der auf historische oder natürliche Bedingungen keine Rücksicht nimmt.“ „Die verschiedenen Funktionsbereiche des Konzentrationslagers wie Häftlingsbereich, SS-Verwaltungsbereich und Arbeitseinsatzbereich bestimmten die sozialen Bedingungen im Lager und repräsentierten unterschiedlichste Lebensverhältnisse und Machtperspektiven“ (Skriebeleit 2002, S. 22). „Die Aktivitäten wurden funktional entmischt, Arbeitsorte, Unterkünfte und Exekutionsstätten räumlich getrennt. Das Lagergelände wurde „zoniert“, in Regionen aufgeteilt. Auf den Lagerplänen erkennt man eine typische Geographie, eine klare Addition von Distrikten und Feldern ... Ein Konzentrationslager bestand nicht nur aus einer Ansammlung von Holzbaracken. Je nach Ausbaustadium befanden sich auf seinem Areal Werkstätten, Fabrikhallen und landwirtschaftliche Betriebe, Heizwerk und Löschteich, Kasernen und Büros, Bordell und Kino, Kantinen, Lazarette, Gefängnis und Krematorium. Vollständig ausgebaut war es eine komplette Ortschaft mit Straßennetz und Gleisanschluss, eine Stadt für Personal und Gefangene, in der tausende, zeitweilig zehntausende Menschen untergebracht waren. In seiner modernen Standardform ist das Lager eine geschlossene Ortschaft mit Einrichtungen, die der Infrastruktur einer Stadt entsprechen. Das Machtzentrum lag im Verwaltungsbezirk (...). Für die Wohnhäuser der SS-Führer war ein Gebiet im Grünen reserviert“ (...). Während die Offiziere in einer Grünzone wohnten, waren die Wachmannschaften in eigenen Unterkünften mit eigener Infrastruktur (Kantine und Krankenrevier, Waffenmeisterei, Garagen, Schießstände, Sportplatz und für die Streifen, ein Hundezwinger etc.) untergebracht. Räumliche Visualisierung als Hilfestellung für die Gedenkstättenpädagogik und damit Unterstützung neuer raumbezogener Bildungsziele, die durch die Methoden der Historischen Geographie und ihrer „Raum-Zeit-Kompetenz“ vermittelt werden können. + Der Lernende/Besucher soll wissen, dass geschichtliche Prozesse sich in Räumen abspielen, erfahren, dass jeder Raum geschichtlich geworden ist, einsehen, dass Räume in verschiedenen Zeiten anders bewertet worden sind, beurteilen, welche Bedingungen und wann zur Inwertsetzung oder Umwertung eines Raumes geführt haben, zur Überzeugung gelangen, dass der Raum den Gestaltungsprozess nicht determiniert, sondern dass geistige Kräfte, gesellschaftliche Bewegungen und technisch-ökonomische Rahmenbedingungen gleiche Räumen sehr differenziert gestalten können (W. Sperling). + Unterstützung der Darstellung des monströsen Ausmaßes des NS-Terrors in Europa durch die Visualisierung der historischen Situation. + Hilfestellung für eine pädagogische Neukonzeption der Besucherführung innerhalb und außerhalb des jeweiligen Lagerkomplexes (z.B. Sichtbarmachung aller KZ- Funktionsbereiche, der in der weiteren Umgebungslandschaft vorhandenen Relikte, historische Zugangswege der Häftlinge, der Objekte der Täterperspektive etc.). Hilfestellung für die Sicherung des zeitgeschichtlichen Erbes für die Zukunft + Grundlagenforschung im Rahmen eines Pflegewerkes für das zeitgeschichtliche Erbe; + Hilfestellung für ein Pflegewerk zur Sicherung des zeitgeschichtlichen Erbes ange- sichts einer kompetenzmäßig aufgeteilten Verantwortung (Bund, Land und Gemeinden).
518 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ Topographisch orientierte Beforschung der Zeitzeugendokumente – ein Desideratum? Ähnliches gilt auch bei der Dokumentation und Auswertung von Zeitzeugenberichten. In vielen Projekten der Zeitzeugenbefragung finden sich lebensgeschichtliche Berichte, vielfach ohne Abfragemodus zum authentischen Ort, also die topographische Orientierung. Viele Befragungs- und Dokumentationsprojekte waren bisher auf die Auswertungen der Lebens- und Überlebensgeschichte der Opfer ausgerichtet, eine Fragestellung zur Topographie des Terrors in den Konzentrationslagern ergab sich „zufällig“ und wurde wissenschaftlich meist nicht angestrebt. 3. Wissenschaftliche Modelle der europäischen Historischen Raumwissenschaften und der UNESCO zur Identifizierung des historischen Ortes mit seinen authen- tischen Elementen Wie soll nun der „authentische Ort“ oder was von ihm als Relikt noch besteht, zum „Sprechen gebracht“ werden? Mit welchen Methoden soll dies geschehen? Was ist vom ursprünglichen „authentischen Ort“ noch übrig? Was verdient überhaupt diese Bezeichnung? Was soll rekonstruiert, archäologisch freigelegt und konserviert werden? Das Wort „authentisch“ hat, meist relativ abstrakt diskutiert, in den letzten 10 Jahren in der Gedenkstättenliteratur eine große Karriere gemacht. Obwohl schon 1994 G. Morsch den Ort in den Mittelpunkt der Gedenkstättenarbeit gerückt hat, ist der „authentische“ Ort weder methodisch und instrumentell operationalisiert worden. Vielfach hat sich die bisherige wissenschaftliche Diskussion auf baulichen Objekten (bauliche oder archäologische Relikte) beschränkt. Die Gedenkstättenarbeit und die Grundlagenforschung verblieben bei den Historikern, Pädagogen und Denkmalpflegern. In unserem Zusammenhang muss auf die Aspekte der Authentizität von Objekten und auch von ganzen Landschaftsräumen eingegangen werden. Für die Betrachtung der historischen Orte sind daher auch das Gefüge, die Strukturen etc. und deren Authentizität in ihrer Auffächerung (Authentizität in der Form, Material, Technik, Funktion und des Gebietes) mit zu berücksichtigen (Petzet 1995, S. 89). a) Der Ansatz der Historischen Geographie bzw. des planerischen und städtebaulichen Schutzes und der Pflege des Kulturgutes Die Kulturlandschaft im raumplanerischen bzw. geographischen Sinne ist geschichtlich gewachsen und ist einem stetigen Wandel unterworfen. Die Angewandte Historische Geo- graphie inventarisiert, analysiert und bewertet aus ihrer Raum-Zeit-Komponente historische Strukturen und historische Substanz in der heutigen Kulturlandschaft bzw. auch gewachsener bzw. historischer Kulturlandschaften als Ganzes. Bei der Darstellung der Kulturlandschaftsgeschichte als historisch-genetische Erklärung finden die Begriffe „Struktur“ und „Gefüge“ wichtige Verwendung. Eine Struktur beschreibt z.B. räumlich zusammenhängende Kulturlandschaftselemente und Kulturland- schaftsbestandteile nach ihrem Aufbau und ihrer Gliederung unter Berücksichtigung zwischen ihnen bestehender Beziehungen und funktionaler Zusammenhänge sowie der Prozesse ihrer Bildung. Ein Gefüge beschreibt eine Gesamtheit von aufeinander bezogenen Kulturlandschaftselementen und Kulturlandschaftsbestandteilen nach ihrer Form und Verteilung sowie räumlichen Anordnung und Ausrichtung zueinander. . Damit werden z.B. nicht nur mehr oder minder sichtbare bauliche Objekte und Strukturen, Fundamente bzw. archäologische Reste, sondern auch z.B. historische Raumnutzungen aus der Zeit der NS- Gewaltherrschaft und historische Wege (Transportwege, Marschrouten der Häftlinge etc.)
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 519 ___________________________________________________________________________ erfasst, die in ihrer Gesamtheit das „Gehäuse der Gewalt“ und die „Ordnung des Terrors“ (Walter Sofsky) abbilden. b) Cultural heritage landscape / relict landscape und ihre assoziative Bedeutung – das Modell der UNESCO als wissenschaftlicher Bezugsrahmen Da Auschwitz als memoriales Kulturerbe von Weltbedeutung auf der Welterbeliste steht und damit als weltweit bedeutende Gedenkstätte unter Schutz steht, liegt es nahe das fachliche Instrumentarium (Begriffe, Schutzkategorien, Pflegekonzepte) als Grundlage für neue Strategien zu nutzen. Die UNESCO hat für das Kulturerbe und Kulturlandschaften (Cultural heritage landscape) ein weltweites wissenschaftliches Modell samt Pflegekonzeption (Cleere 1999 und Rössler 1999) entwickelt, das international als fachlicher Bezugsrahmen auch für Objekte außerhalb der UNESCO-Welterbeliste dienen kann. Dieses Modell umfasst unter anderen 3 Kategorien von Kulturlandschaften, darunter den Typus der Reliktlandschaft. In Kulturlandschaften dieses Typs sind evolutive Prozesse der Gestaltung durch den Menschen beendet. Die bedeutenden charakterisierenden Merkmale sind jedoch in materieller Form noch sichtbar. Die assoziative Bedeutung von Kulturlandschaft ist in der 3. Kategorie beschrieben. Assoziative Landschaften sind Landschaften, mit denen der Mensch besonders herausragende religiöse, künstlerische, kulturelle oder historische Implikationen verbindet. Diese Implikationen sind kausal mit der Landschaft verbunden und können auch nicht sichtbar sein (UNESCO 2003). Damit liegt ein Einordnungsrahmen für das Areal von Mauthausen Gusen als Cultural heritage landscape vom Typus einer relict landscape mit assoziativer Bedeutung von europäischem Rang vor, der zusammen mit der Europäischen Landschaftskonvention für das gegenständliche Projekt im Sinne der Historischen Geographie Anwendung findet. Im deutschen Sprachgebrauch wird für cultural heritage landscape auch Historische Kulturlandschaft bzw. teilweise Denkmallandschaft, ein Begriff der Denkmalkunde (T. Breuer) verwendet. Für die weiter unten vorgestellte Ausstellung wurden neben den englischen Termini die Begriffe „Denkmallandschaft“ und im Hinblick auf die assoziative Bedeutung „Erinnerungslandschaft“ gewählt. 4. Instrumente der GIS- und 3D-Technologie für die verbesserte Kontextualisierung und Visualisierung der Topographie des Terrors a) Vom Relikt oder Detail zum Gesamtsystem Vor Ort lässt sich die regionale Topografie des Terrors heute nur noch aus Fragmenten rekonstruieren. Die meisten dieser isoliert erhaltenen Teile sind unspektakuläre Objekte und Bauwerke, Pfosten, Fundamentreste oder kurze Abschnitte von Mauern und Zäunen. Anlass sich zu erinnern, bieten sie jedoch allein durch ihre Eigenschaft, ein Teil einer „Memorial Landscape“ zu sein. Erinnerung aber bedarf auch der Information. Information, die das Erinnerte in einen Kontext stellt und damit fragmentarische Erinnerungen ergänzt Um die historische Bedeutung der Relikte, die das zentrale Kriterium für den Denkmalwert ist, erfassen zu können, bedarf es vieler Blickwinkel: Da das System des KZ-Hauptlagers als Ganzes bzw. in seiner regionalen Ausformung nicht mehr existiert, müssen sich solche Aspekte heute über die aussagekräftigen Fragmente erschließen oder in ihrem Kontext vermittelt werden. Vom Detail zum Gesamtbild, ein ungewöhnlicher Weg der Informationsvermittlung, aber ein vielschichtiger und abwechslungsreicher.
520 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ Bei einem derartig komplexen Untersuchungsobjekt können gedruckte Publikationen oft nur einen unzureichenden Überblick über den Bestand geben. Beim Hin- und Herblättern zwischen Text, Abbildungen, Plänen und Karten in unterschiedlichen Maßstäben ist es oft schwierig – gerade im Hinblick auf die topographischen Zusammenhänge -, den Überblick zu behalten. Ähnliches gilt für bisherige Präsentationen im Internet. Hier setzen Geoinformationssysteme (GIS) an. Sie erweitern die Darstellungs- und Analysemöglichkeiten einer konventionellen Datenbank um eine räumliche Komponente. Die in der Datenbank erfassten Objekte unterschiedlicher Natur lassen sich im Rahmen von georeferenzierten Karten und Luftbildern darstellen und analysieren. Zugleich ermöglichen Zoom- und Ausschnittwahlfunktionen sowohl den Blick auf die Gesamtstruktur der Gedenklandschaft als auch auf das Detail. Geoinformationssysteme überzeugen dabei durch ihre Anschaulichkeit. Nicht nur Objekte, auch Ereignisse und Persönlichkeiten mit Ortsbezug lassen sich hier darstellen. b) Geoinformationssystem - Eine historisch-geographische Objektdokumentation und Visualisierung der regionalen Topographie des Terrors Aufgabe eines Geoinformationssystems ist die Zusammenfassung der erhobenen Daten, Verwaltung, Analyse und Publikation (Digital, analog und auch online). Für die Objekt- darstellung im Kontext dynamischer Karten und historischer bzw. rezenter Luftbilder des Geoinformationssystems werden Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen aufbereitet, strukturiert und verknüpft. Ziel ist, einen vollständigen Überblick über alle Reste und Spuren des jeweiligen Areals, hier die Memorial Landscape Mauthausen – Gusen / St. Georgen zu geben. Die Objektdaten werden in der Datenbank tabellarisch verwaltet. Neben den verschiedenen Objekten und ihren Eigenschaften werden Orte, Bereiche und Bilder erfasst. Personen und Institutionen, Ereignisse sowie Archivalien und Literatur ergänzen das Datenset. Über die Verknüpfung dieser Datenbestände erweitern sich die Objektinformationen. Zusammenhänge und Hintergründe lassen sich veranschaulichen. So lässt sich z.B. schnell der Bestand an Bildern, Literatur und Dokumenten überschauen, der zu einem bestimmten Objekt vorhanden ist. Darüber hinaus ermöglicht die Einbindung mehrstufiger Such- und Sortierfunktionen in allen Bereichen der Datenbank eine schnelle Auswahl nach frei wählbaren Kriterien. Mit der Erfassung weiterer Eigenschaften erweitern sich die Darstellungs- und Analysemöglichkeiten der Objekte. Dazu gehört z.B. die Zugehörigkeit zu bestimmten Befundschwerpunkten, der Denkmalstatus eines Objektes oder das Errichtungsdatum.
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 521 ___________________________________________________________________________ 5. Zur Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Region Mauthausen, Gusen und St. Georgen. Ein Beispiel einer Denkmal- und Mauthausen / Gusen Erinnerungslandschaft von europäischer Bedeutung H. P. Jeschke cultural heritage and 5.1 Anlass und Ausgangslage für das Projekt „Memorial Landscape authausen/Gusen“ - Zwei Initiativen der Republik Österreich Zwei Initiativen der österreichischen Bundesregierung markieren einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Zeitgeschichte und zeitgeschichtlichem Erbe. Der Versöhnungsfond der Republik Österreich Mit dem Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit, der von allen im Parlament vertretenen Parteien im Jahr 2000 beschlossen wurde, hat die Republik Österreich ein lange Zeit offenes Kapitel aus den dunklen Jahren des NS-Regimes aufgearbeitet. Die gesetzgebenden Körperschaften Österreichs beschlossen einstimmig das Versöhnungsfonds- Gesetz, das am 27. November 2000 in Kraft trat und einen „Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit“ – kurz: den „Versöhnungsfonds“ begründete. Dem Österreichischen Versöhnungsfonds standen insgesamt 436 Millionen Euro für die symbolische Entschädigung der Zwangsarbeiter zur Verfügung. Der Österreichische Versöhnungsfonds hat rund 132.000 Anträge ehemaliger Sklaven- bzw. Zwangsarbeiter genehmigt. Die Reforminitiative des Bundesministeriums für Inneres für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen – Arbeitsschritte für eine Neupositionierung der Gedenkstättenarbeit in Österreich In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde von verschiedenen Seiten immer wieder die Notwendigkeit einer Umgestaltung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und die Neupositionierung der Gedenkstättenarbeit betont. Im Herbst 2000 veranlasste der Bundes- minister für Inneres, Dr. Ernst Strasser, die Konzeption der längst erforderlichen Reformmaß- nahmen. Im November 2002 wurde zur Beratung des Bundesministeriums bzw. des Bundes- ministers für Inneres ein wissenschaftlicher Beirat gegründet. Wesentlichste Reformvorschläge standen im Vordergrund: die Errichtung eines Besucherzentrums in Mauthausen und Gusen eine neue, modulartig konzipierte Ausstellung im Besucherzentrum zur Vor- und Nachbereitung des Lagerbesuchs mit 4 Ausstellungsschwerpunkten ein Informationssystem für den Lagerrundgang das Oral-History-Projekt „Zeitzeugen- und Zeitzeuginnen Mauthausen“ („Mauthausen Survivors Documentation Poject“) (80 Video- und 800 Audiointerviews mit ehemaligen Häftlingen) die Neugestaltung der Homepage die Errichtung eines Besucherzentrums in Gusen mit einer Ausstellung zum Thema „Häftlingsarbeit in der Rüstungsindustrie“. Darüber hinaus erfolgte die Erweiterung der Bestände des Archivs (elektronische Erfassung und Aufbereitung von Daten sämtlicher in Mauthausen registrierter Häftlinge („Häftlingserfassungsprojekt“ / „Häftlingsdatenbank“) sowie die Beschaffung neuer personenbezogener Quellen) Erweiterung des Fotoarchivs.
522 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ < Die erste Phase der Reforminitiative Die Anforderungen der Reforminitiative machten die Errichtung des neuen Besucherzentrums in Mauthausen (2002) notwendig. Anlässlich der Befreiungsfeier 2003 am 11. Mai konnte das fertiggestellte Besucherzentrum und neue Ausstellung „Das Gedächtnis von Mauthausen“ mit den vier unabhängigen Ausstellungsteilen (Modulen) „ZeitzeugInnen“ (20 Videointerviews), „Objekte erzählen Geschichte“, „Geschichte der KZ-Gedenkstätte Mauthausen“ und „Memorial Landscape“ eröffnet werden. < Die zweite Phase der Reforminitiative Im Februar 2004 vom damaligen Innenminister Dr. Ernst Strasser wurde das Internationale Forum Mauthausen beim Bundesministerium für Inneres zur Beratung in grundsätzlichen Angelegenheiten der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gegründet. Wesentliche Schwerpunkte waren und sind unter anderem: < Besucherzentrum Gusen und Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers Gusen, < Veranstaltungsserien, < Neues pädagogischen Konzept, < Mauthausenarchiv als zentrale Forschungs- und Dokumentationsstelle für Österreich und Europa, < Bibliothek mit Literatur zur Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Außenlager, < Schriftenreihe „Mauthausen Studien“ mit der Dokumentation der Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen und der Publikationen einschlägiger wissenschaftlicher Arbeiten. < Jahresberichte der KZ-Gedenkstätte mit der Dimensionen „Forschung“ und „Dokumentation“,< Erhaltung und Sicherung der materiellen Realien und archäologischen bzw. baulichen Überreste der Anlage des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen, < Langfristige Denkmalsanierung und –pflege, < Sicherung des Gedenkstättencharakters des Memorial Gusen in dessen Umgebung, < Dokumentation des zeitgeschichtlichen Erbes und Einleitung eines Unterschutzstellungsverfahrens, < Sicherung des nichtverfüllten Restes der im Gemeinde- gebiet von St. Georgen befindliche Stollenanlage „ Bergkristall“ (Bundesministerium für Inneres 2009). Das Gedächtnis von Mauthausen versus Funktionen des historischen Ortes Im neuen Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Mauthausen wurden in vier Abschnitten der erwähnten Ausstellung unter dem Titel „Das Gedächtnis von Mauthausen“ Formen von Gedächtnis aufgezeigt, wie sie sich in den Arealen der Konzentrationslager bzw. in der Gedenkstätte selbst, in Objekten, Artefakten, Dokumenten zur Geschichte, in der Erinnerung ehemaliger Häftlinge und in den historischen Gesamtanlagen in der Region bzw. noch vorhandenen Relikten davon in der heutigen Landschaft manifestieren. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen will als ein „Garant der Erinnerung“ (Hanna Arendt) (Zit. nach Morsch, 1994) mit dieser parallelen Aufbereitung der historischen Spuren die Vielschichtigkeit dieser Erinnerung, ihre Notwendigkeit, aber auch ihre Brüchigkeit und Mehrdeutigkeit sichtbar machen. Sie will damit auch der ersten und wichtigsten Aufgabe der Gedenkstätten, der Erinnerung gerecht werden, also dem NICHT-IN-VERGESSENHEIT- GERATEN-LASSEN (Morsch 1994, S. 89), ein treuhändisch zu erfüllender Auftrag der überlebenden und ermordeten Häftlinge. Der „Spiegel der Vergangenheit“ mit EDV-Unterstützung „blankgeputzt" - Die historischen Relikte in der Landschaft der Region Im Rahmen der Gesamtausstellung in der KZ-Gedenkstätte wurden auf der Projektvorschlages des Autors an das Bundesministerium für Inneres aus dem Jahr 2000 daher als Modul 4 die Gesamtanlagen des Konzentrationshauptlagers Mauthausen, der
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 523 ___________________________________________________________________________ Konzentrationslager Gusen I, II und III (Lungitz), der SS-Firmen, Rüstungsfirmen und der Rüstungsproduktionsstätten in St. Georgen unter Benutzung von neuen EDV-Instrumenten, historischen Quellenmaterialien und Luftbilder (amerikanische Aufklärungsluftbilder und Orthofotos) für den Besucher erfahrbar. Damit wurde der „Spiegel der Vergangenheit“ mit EDV-Unterstützung „blankgeputzt“ und für alle Besucher bzw. insbesondere auch für die junge Generation mit neuen Grundlagen und Medien eine nachhaltige Unterstützung zur eigenen Urteilsbildung gewährleistet. 5.2 Die Ostmark (Reichsgaue Alpen Donau) und die Region Mauthausen, Gusen und St.Georgen Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Region Mauthausen, Gusen, St. Georgen In der Kulturlandschaft des Unteren Mühlviertels nördlich der Donau eröffnet sich eine vielfältige gestaltete von der Gusen und des Riederbaches in Form von Kerbtälern zer- schnittene Landschaft. Zu sehen sind die Marktgemeinde Mauthausen, Hauptort des Gerichtsbezirkes, und die Ortsgemeinde Langenstein, St. Georgen an der Gusen und Ried in der Riedmark mit ihren zahlreichen Weilern. Das Augebiet der Donau, die Niederterrassen von Donau und Gusen und das Bergland sind weitere Charakteristika der landschaftlichen Vielfalt. Der Süden dieses „Mühlviertler Randlandes“ wird jetzt von der Bundesstraße Nr. 3 durchzogen, die parallel bzw. nördlich der Donau verläuft und die Orte Mauthausen, Langenstein, St. Georgen in Richtung Linz verbindet. Mauthausen kam durch seine Bedeutung im Salzhandel (seit 1335) bzw. Eisenhandel als Brückenstandort (erste Brücke 1505) sowie durch Marktrechte schon im späten Mittelalter zu Ansehen und Reichtum. Die Gewinnung und Verarbeitung von Granit beginnend vom Jahre 1781 bildete eine weitere wirtschaftliche Grundlage. Viele herausragende Bürgerhäuser, Gebäude des Handels, der Verwaltung und kirchliche Objekte geben Zeugnis von diesem Wohlstand und ökonomischer Bedeutung. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Standortqualitäten und Naturraumressourcen der Region nach anderen ökonomischen und ideologischen Gesichtspunkten beurteilt. Am 12. März 1938 erfolgte der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Nur fünf Monate danach, am 8. August 1938, kam es zur Errichtung des Konzentrationslagers Mauthausen. Die absolute Macht des Nationalsozialismus zerstörte damit den Raum als Handlungs- und Lebensraum. Das Granitvorkommen in und um Mauthausen und die räumliche Nähe zu Linz waren für die Wahl des Standortes entscheidend. Die oberösterreichische Landeshauptstadt war von Adolf Hitler als „Führer-Stadt“ vorgesehen und sollte zu einer „Kulturmetropole“ im Sinne des Nationalsozialismus ausgebaut werden. Die Häftlinge waren anfänglich primär in den Steinbrüchen für den Abbau und die Weiterverarbeitung des Granits eingesetzt. Ab Sommer 1942 wurden sie sukzessive für Ausbaumaßnahmen zur Fertigung von Rüstungsgütern herangezogen. Diese standen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den militärischen Niederlagen der Deutschen Wehrmacht und den Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften in der NS-Rüstungsindustrie. Ende 1944 standen bereits der Großteil der Häftlinge des Doppellager Mauthausen-Gusen im Dienste der NS-Rüstungsindustrie
524 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Ostmark (Reichsgaue Alpen Donau): Konzentrationshauptlager Mauthausen mit Nebenlagern und Nebenlager des Konzentrationslagers Dachau Die Übersichtskarten dieser Ebene sprechen 6 Themen an: a) 44 Nebenlager des Konzentrationshauptlagers Mauthausen (G. Botz 2000 und G. Schwarz 1996) b) 14 Nebenlager des Konzentrationslagers Dachau (G. Schwarz 1996) c) „Euthanasie–Stätte“ Schloss Hartheim (mit Gaskammer und Krematorium) d) Todesmärsche Dargestellt ist der Standort des Baues des Südostwalles, die Linienführung der Todesmärsche vom Konzentrationslager Mauthausen nach Gunskirchen bzw. Ebensee sowie aus dem Burgenland vom Südostwall-Bau (G. Botz 2000 und Lappin 2001) e) SS – Wirtschaftsunternehmen Das Wirtschaftsimperium der SS bestand mit dem Stand 30. September 1943 aus neun Fachgruppen (Stahl W., Amt W I Steine und Erden, Amt W II Steine und Erden Ost, Amt W III Ernährungsbetriebe, Amt W IV Holzbearbeitungsbetriebe, Amt W V Land-, Forst- und Fischwirtschaft, Amt W VI Textil- und Lederverwertung, Amt W VII Buch und Bild, Amt W VIII Sonderaufgaben) mit 34 Einzelunternehmungen. Stellvertretend für die große Anzahl wird genannt: Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH. (Huttenberger 2003). f) Rüstungsindustrie In zahllosen Firmen erfolgte in unterschiedlicher Intensität ein „Häftlingseinsatz“. Im Bereich der Rüstungsindustrie können 39 Unternehmen beispielhaft besonders genannt werden. Davon werden hier im regionalen Zusammenhang herausgehoben: Alpine Montanbetrieb, Deutsche Lebensmittel GmbH., Deutsche Reichsbahn Linz, Ennser Zuckerfabrik AG, Lenzinger Zellwolle, Messerschmitt, Mittelwerk GmbH., Papierfabrik AG, Reichswerke Hermann Göring, Steyr – Daimler-Puch AG und Universal Flach-, Stahlbau GmbH. (Huttenberger 2003).
DIE „STUMMEN ZEUGEN“ DES NATIONALSOZIALISTISCHEN TERRORS IN EUROPA - METHODEN UND INSTRUMENTE ZUR INVENTARISIERUNG, INWERTSETZUNG, VISUALISIERUNG UND PFLEGE VON DENKMAL- UND ERINNERUNGSLANDSCHAFTEN 525 ___________________________________________________________________________ Abb. 6 Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Ostmark (Reichsgaue Alpen Donau): Konzentrationshauptlager Mauthausen mit zugeordneten Nebenlagern bzw. Nebenlager des Konzentrationshauptlager s Dachau. (Bearbeitung und Konzept © Dipl.-Ing. Dr. H.P. Jeschke / GIS/3D Bearbeitung Büro Dipl.- Ing. H. Polly/Auftraggeber: Österreichisches Bundesministerium für Inneres (Sektion IV) Wien) Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Region: Areale der Konzentrationslager, Steinbruch- und Rüstungsbetriebe in Mauthausen, Gusen I, II, III und St. Georgen. Abb. 7: Topographie des nationalsozialistischen Terrors in der Region: Areale der Konzentrationslager, Steinbruch- und Rüstungsbetriebe in der Region (Mauthausen, Gusen I, II, III und St. Georgen) Dargestellt ist die Abgrenzung der Denkmal- bzw. Erinnerungslandschaft Mauthausen (Areal im rechten Teil der Abb.), das engere Areal des ehemaligen Zwillingslagers Gusen I und II (Bildmitte), von dem nur mehr wenige Relikte (Denkmalensemble Gusen) existieren und des
526 HANS PETER JESCHKE ___________________________________________________________________________ unterirdischen Rüstungsbetriebes (B 8 Bergkristall – Esche II / St. Georgen an der Gusen) mit noch vorhandenen umfangreichen Stollensystemen (Areal im linken Teil der Abb.). Die stark reduzierte Darstellung der genannten Areale erfolgt auf Aufklärungsluftbildern der amerikanischen Luftwaffe in den Jahren 1944 und 1945, die als Layer der Österreichkarte überlagert wurden. (Bearbeitung und Konzept © Dipl.-Ing. Dr. H.P. Jeschke / GIS/3D Bearbeitung Büro Dipl.- Ing. H. Polly/Auftraggeber: Österreichisches Bundesministerium für Inneres (Sektion IV) Wien). 5.3 Internationale sowie europäische Rahmenbedingungen als Grundlage für die Kontextualisierung und Bedeutung der Region Mauthausen / Gusen - Auschwitz ist Kulturerbe von Weltbedeutung Die UNESCO hat einerseits Auschwitz als Denkmalgebiet mit herausragender assoziativer Bedeutung auf die Weltkulturerbeliste aufgenommen und damit einen der Hauptschauplätze nationalsozialistischen Terrors als internationale, also weltweit bedeutende Gedenkstätte unter Schutz gestellt. - Das Areal des ehemaligen KZ-Hauptlagers Mauthausen ist eine Denkmallandschaft /Reliktlandschaft (Cultural heritage landscape / relict landscape) bzw. Erinnerungsland- schaft von europäischem Rang (memorial landscape of european significance) Das Areal des Konzentrationshauptlagers Mauthausen ist zusammen mit dem KZ Gusen wegen dessen übergeordneten historischen Funktionen von europäischem Rang und ist daher besonders geeignet als Teil einer „Topographie des Terrors in Europa“ den europaweiten Mechanismus des NS-Terrors zu dokumentieren sowie dessen Wirkungsweise zu verdeut- lichen. 5.4 Die GIS–gestützte Bestandsaufnahme und Grundlagenforschung – Arbeitsschritte für ein zeitgeschichtliches Geoinformationssystem der „Memorial Landscape Mauthausen / Gusen / St. Georgen“ Für die Ausstellung und weiterführende Zielsetzungen ist die Kombination von Geogra- phischen Informationssystemen, 3D-Landschaftsvisualisierungen und Kommunikation entscheidend. Mit Hilfe von Geographischen Informationssystemen (GIS) lassen sich vielfältige (Geo)-Daten verwalten, verknüpfen und analysieren. Daher können GIS-basierte Landschaftsvisualisierungen im Vergleich zu herkömmlichen Plänen, Zeichnungen und Modellen zum einen komplexere Datengrundlagen einbeziehen (Input), zum anderen bieten sie vielfältigere Möglichkeiten zur Visualisierung von Daten auch in der Gedenkstättenarbeit (Output). Weil 3D-Computervisualisierungen eine veränderte Wahrnehmung von zeitgeschichtlich relevanten Räumen bewirken wurde dies auch in der Gedenkstättenarbeit in Mauthausen genutzt. Dargestellt werden der Bereich Mauthausen als Denkmal-(Reliktlandschaft) und Erinne- rungslandschaft Mauthausen (Cultural heritage landscape / relict and memorial landscape) mit Arealabgrenzung sowie der Bereich des Konzentrationslagers Gusen I, II, III und des unterirdischen Rüstungsbetriebes in St. Georgen. Dazu gehören Kurzhinweise zu wichtigen Funktionsbereichen und Anlagen in den verschiedenen KZ- Arealen samt Darstellung von wichtigen Anlagen und Punkten auch außerhalb der genannten Zonen sowie die Identifizierung aller noch vorhandenen „Relikte“ in der jetzigen Landschaft. Die Präsentation erfolgt u.a. unter Verwendung des aktuellen Farborthofotos der Region (2001) und der
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