Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen

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Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
Konrad Elmshäuser
                            Thomas Elsmann

Die Historische Gesellschaft Bremen
Der Geschichts- und Altertumsverein
der Freien Hansestadt Bremen
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
Konrad Elmshäuser
                                                                                                   Thomas Elsmann

                                                                      Die Historische Gesellschaft Bremen
                                                                      Der Geschichts- und Altertumsverein
                                                                      der Freien Hansestadt Bremen

Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 2014 – 2017:
Hans Kloft (Hrsg.)
Bürgersinn und Vereinskultur –Vereine im Stadtstaat Bremen
Mit 124 Abbildungen

ISBN 978-3-95494-149-0
ISSN 0447-2624

www.edition-falkenberg.de
1. Auflage 2018
Herausgeber der Reihe: Wittheit zu Bremen
Redaktion: Hans Kloft / Lars U. Scholl
Das Copyright © liegt bei den Autoren und der Edition Falkenberg,
Bremen

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner
Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder irgendein anderes Verfahren)
ohne schriftliche Erlaubnis des Verlages reproduziert oder unter
Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder      Edition Falkenberg
verbreitet werden.
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                                                                                  Vorwort

                                                                                  Als die Wittheit zu Bremen ihr Jahrbuch 2014-17        die bremische Geschichte am Herzen. Sie will deren
                                                                                  unter dem Titel »Bürgersinn und Vereinskultur« der     Erforschung befördern und zur Befassung mit der-
                                                                                  Geschichte der Vereine und der Vereinskultur in der    selben in Vorträgen, Publikationen und Exkursionen
                                                                                  Freien Hansestadt Bremen widmete, hat selbstver-       ermuntern, sie regt hierzu wissenschaftliche Pro-
                                                                                  ständlich auch die Historische Gesellschaft Bremen     jekte, aber auch Laienarbeit an, fördert Publikation
                                                                                  zu dem Band einen Beitrag beigesteuert.                – namentlich über die Stiftung Landesgeschichte
                                                                                      Um diesen Beitrag zur Geschichte des bremi-        der Historischen Gesellschaft Bremen – und ist mitt-
                                                                                  schen Geschichts- und Altertumsvereins einem wei-      lerweile im Alter von mehr als 150 Jahren durchaus
                                                                                  teren Kreis von Interessierten zukommen lassen zu      selbst zum lohnenden Gegenstand der historischen
                                                                                  können und auch, um Mitgliedern – zumal neu beige-     Forschung geworden. In ihrer Geschichte spiegelt
                                                                                  tretenen – einen kurzen Einblick in die über 150jäh-   sich die in der Freien Hansestadt Bremen durch Bür-
                                                                                  rige Geschichte ihres Vereins zu geben, hat die His-   gersinn und Bürgerengagement getragene Kultur des
                                                                                  torische Gesellschaft einen Sonderdruck anfertigen     wissenschaftlichen Vereinswesens.
                                                                                  lassen, für dessen Fertigung sie der Edition Falken-       Hierzu will sie auch in Zukunft gerne beitragen
                                                                                  berg dankt.                                            und ist dafür darauf angewiesen, dass sie von enga-
                                                                                      Die Historischen Gesellschaft Bremen zählt         gierten Mitgliedern getragen wird, denen der Sinn für
                                                                                  zu den Gründervereinen der Wittheit und auch zu        Bremens Geschichte Anliegen und Herzensangele-
                                                                                  den ältesten in Bremen noch aktiven Vereinen aus       genheit zugleich ist.
                                                                                  den Bereichen Kultur und Wissenschaft. Der 1862            Der vorliegende Text soll hierzu als Anregung die-
                                                                                  gegründeten Historischen Gesellschaft Bremen liegt     nen.

                                                                                                                                                                        Bremen, im März 2019

                                                                                                                                                                 Prof. Dr. Konrad Elmnshäuser
                                                                                                                                               Vorsitzer Historische Gesellschaft Bremen e.V.

Der Bremer Roland steht seit 1404 für die Freiheitsrechte der Hansestadt Bremen
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
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                                                                           Die Historische Gesellschaft Bremen –
                                                                           Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien
                                                                           Hansestadt Bremen
                                                                           Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser

                                                                           Prolog                                                 rischen Gesellschaft betrachtet worden, auf das alle
                                                                                                                                  späteren Jubiläen Bezug genommen haben.2
                                                                           Am 13. Juli 1861 fanden sich in Bremen 16 Herren           Es wäre ein Leichtes diesen Gründungsvorgang
                                                                           »theils durch naturwissenschaftliches, theils durch    als erfreuliche und vorausschauende Erfolgsge-
                                                                           historisches Interesse« zusammen, um eine »Sec-        schichte des bremischen Vereinswesens zu schil-
                                                                           tion des Künstlervereins zur Erhaltung Bremischer      dern, trat doch damit ein noch heute bestehender
                                                                           Alterthümer« zu gründen.1 Die schon bald unter         Verein ins Leben, der in den kommenden Jahrzehnten
                                                                           dem Namen »Verein für Bremische Geschichte und         Wichtiges für die Freie Hansestadt leisten sollte und
                                                                           Alter­thümer« geführte Sektion fand im Folgejahr am    bis heute – im 156. Jahr seines Bestehens – ein stets
                                                                           19. März 1862 die Genehmigung und formale Aner-        aktiver Teil des wissenschaftlichen Vereinswesen in
                                                                           kennung durch die Generalversammlung des Künst-        Bremen gewesen ist.
                                                                           lervereins und konnte damit als Unterabteilung             Doch weist schon im Jahr darauf (1863) der
                                                                           (Ab­theilung für Bremische Geschichte und Alterthü-    erste Jahresbericht des Geschäftsausschusses
                                                                           mer) desselben ihre Arbeit aufnehmen. Dieses Datum     der Abtheilung des Künstlervereins für Bremische
                                                                           ist stets als eigentliches Gründungsdatum der Histo-   Geschichte und Alterthümer, der dem ersten Band

Diedrich Rudolf Ehmck (1836-1908), Historiker, Senator, Mitbegründer und
1862 – 1875 erster Vorsitzer der Historischen Gesellschaft Bremen

                                                                                                                                                           Annahme der Statuten der
                                                                                                                                                           »Abtheilung des Künstlerver-
                                                                                                                                                           eins für Bremische Geschichte
                                                                                                                                                           und Alterthümer«, zugleich
                                                                                                                                                           Gründungsdokument der His-
                                                                                                                                                           torischen Gesellschaft Bremen
                                                                                                                                                           vom 19. März 1862
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
8                                                                        Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser     Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                              9

des Bremischen Jahrbuchs vorangestellt wurde,             Gesellschaft von 1765 von Hamburger Bürgern ins
darauf hin, dass mit Gründung dieser Sektion endlich      Leben gerufen worden war.3 In Ermangelung eines
ein in Bremen schon lange als Mangel bedauerter           Vereins wie »der sogenannten patriotischen Gesell-
Zustand behoben wurde – und selbst dies nicht gänz-       schaft Hamburg´s« in Bremen hatte Focke den Advo-
lich befriedigend. Dort heißt es:                         katenverein als Gründungsgesellschaft auserse-
    »Inzwischen (d.i. lange vor 1860) aber mehrte sich    hen.4 Dieser sollte »aus seiner Mitte einen Ausschuß
die Zahl der Vereine im ganzen übrigen Deutschland        erwählen […] zur Errichtung eines Vereins für bre-
in einer Weise, die es auffallend erscheinen lassen       mische Geschichte«.5 Focke hatte die Strukturen
mußte, daß eine seiner ältesten Städte, die sich bis      des Vereins mit »Grundgesetzen«, Statuten und acht
heute als selbstständiges Gemeinwesen behaup-             Sektionen schon beschlussreif vorbereitet und sein
tet hat, nicht bei diesen gleichartigen und zum Theil     Aufruf fiel zunächst in Bremen auch auf fruchtba-
gemeinsamen Bestrebungen vertreten sei. Denn              ren Boden. Immerhin rund 40 einflussreiche Perso-
die meisten dieser Vereine verfolgen nicht blos eine      nen des öffentlichen Lebens, darunter Johann Smidt,
locale Tendenz, nicht blos das Ziel, die geschichtliche   Otto Gildemeister, Heineken, Thulesius, Karl Th. Oel-
Kunde ihrer engeren Heimath zu verbreiten, sondern        richs, D. Wätjen und u.a. die Pastoren Treviranus,
sie thaten dies theils mit dem jene Thätigkeit bele-      Kohlmann und Duntze unterstützten das Vorhaben.6
benden und ihr höhere Gesichtspunkte zuführenden          Doch nachdem Focke noch zu einer Versammlung
Bewußtsein, damit Bausteine zur Geschichte des            am 7. April 1847 eingeladen hatte, um den Histori-
gemeinsamen Vaterlandes beizutragen […].«                 schen Verein nun ins Leben zu rufen, blieb letztlich
    Mit anderen Worten: Der Gesellschaft hafteten         alles ergebnislos und die Bemühungen wurden noch
schon bei ihrer (Vor-) Gründungssitzung am 13. Juli       im Jahr 1847 eingestellt.7 Noch 1854 forderte Bürger-
1861 und auch nach der am 19. März 1862 erfolgten         meister Johann Smidt, dass für die »vaterstädtische
Genehmigung ein gewisser Makel an. Sie war, nach          Geschichtsschreibung« mehr Sorge getragen wer-          Die Glocke und das Gartenlokal des Künstlervereins Bremen, Postkarte um 1900
eigener Einsicht der Berichterstatter, eine »späte        den müsse, ohne dass dies zu Schritten wie einer Ver-
Geburt«, und sie war nur eine unter den Abteilungen       einsgründung geführt hätte. Wie auch immer die Hin-
des 1856 gegründeten Künstlervereins, dessen Vor-         tergründe der gescheiterten Ausgründung aus dem         nannte und erstmals 1874 im Bremisches Jahrbuch                  Die Anbindung an den Künstlerverein war
stand die Gründung am 9. März 1862 als Abteilung          Advokatenverein zu beurteilen sind,8 der Vorgang        bezeichnete), die ab sofort einen eigenen Vorstand           bereits bei der Gründung der Historischen Gesell-
anerkannt hatte, freilich ohne nennenswerte Selbst-       macht deutlich, dass in Bremen noch in den 1840er       stellte. Der Künstlerverein hatte seit seiner Gründung       schaft nicht unumstritten.11 Man sah aber zunächst
bestimmung (wie die Statuten belegen).                    Jahren eine gänzlich eigenständige Gründung eines       neben die Pflege von Kunst, Literatur und Musik, Bil-        die Vorteile des Künstlervereins, seinen Einfluss und
    Zudem hatte die Gründung von 1861/62 einen            Geschichtsvereins auch von angesehenen namentli-        dung durch Vorträge und freien Gedankenaustausch             seine (zumindest zeitweilig) gute finanzielle Ausstat-
erfolglosen Vorlauf, denn erste Versuche zur Grün-        chen Unterstützern einer solchen Unternehmung als       stets ein gesellschaftliches Moment gestellt: in Form        tung, zudem waren viele der Gründungsmitglieder
dung eines historischen Vereins für Bremen sind           nicht tragfähig erachtet wurde. Es verwundert daher     von Unterhaltung und bevorzugt Festivitäten. Hier            in beiden Vereinen vertreten. Noch nach 50 Jahren
bereits in den Jahrzehnten zuvor nachzuweisen.            nicht, dass der zweite Anlauf in dieser Angelegenheit   deutet sich bereits in nuce das Schicksal an, was            bestand die Verbindung fort, auch wenn sie schon im
Der Jurist Wilhelm Focke (1805 – 1865) hatte in Bre-      sich wieder eines »Muttervereins« versicherte, dies-    in vergleichbarer Art die im Sinne der Aufklärung            Jahr 1912 von Wilhelm von Bippen als »ungünstig«
men Pläne zur Gründung eines historischen Vereins         mal im Jahr 1861 des Künstlervereins.                   gegründete Gesellschaft Museum zum Beginn des                empfunden wurde,12 blieb sie dennoch zumindest for-
verfolgt und im Jahr 1846 mit einem Vortrag vor dem           Der Künstlerverein, dessen Geschichte seit sei-     19. Jahrhunderts ereilt hatte: der gesellschaftlich-         mell bis 1936 bestehen.
Advokatenverein den Anstoß zur Gründung eines             ner Gründung bis zu seiner Auflösung im Jahre           unterhaltende Aspekt verdrängte zusehends den                    Zunächst hatten die Nähe und die personelle
»Vereins für Bremische Geschichte« geben wollen.          1936 bis heute nicht befriedigend erforscht ist,        wissenschaftlich-bildenden. Die Feste des Künst-             Verflechtung mit dem Feste und Feiern liebenden
Focke sah sich angeregt und ermutigt durch das Vor-       bestimmte insbesondere bis zur Jahrhundertwende         lervereins nahmen überbordende Formate an, das               Künstlerverein auch in der Historischen Gesell-
bild der Gründung eines historischen Vereins in der       die Geschichte der Historischen Gesellschaft9 und       Repräsentieren und Amüsement – so schien es                  schaft schon früh Elemente typischer bürgerlicher
hanseatischen Schwesterstadt Hamburg im Jahr              auch das Kulturleben des bremischen Bürgertums.10       – standen im Vordergrund. Zugleich wurde er zum              Vereinskultur ausgeprägt. Hiervon zeugen noch
1839. Focke wollte sich daher in Bremen »so viel wie      Ursprünglich in fünf Sektionen unterteilt, konnten      Forum zweier ›Selbstdarsteller‹, die auf ihre eigene         heute prunkvolle »Urkunden«, zu deren Gestal-
möglich nach dem Muster des Hamburgischen […]             ab 1871 die Abteilungen des Künstlervereins ein         Weise in Konkurrenz die bremische Kultur der Zeit            tung sich zahlreiche Entwürfe im Archiv des Ver-
Vereins« richten, wo der Verein für Hamburgische          Stück Selbstständigkeit erreichen. Darunter die heu-    prägten: Heinrich Bulthaupt (1849 – 1905) und Arthur         eins erhalten haben.13 Sie bildeten für die Ernen-
Geschichte 1839 gefördert durch die Patriotische          tige Historische Gesellschaft (wie sie sich seit 1871   Fitger (1840 – 1909).                                        nung von Ehrenmitgliedern und von auswärtigen
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
10                                                                          Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser        Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                               11

                                                                                                                                                                                       liotheca Bremensis, die Bibliothek des Gymnasium
                                                                                                                                                                                       Illustre, mit allerlei ›Merkwürdigkeiten‹ ausgestat-
                                                                                                                                                                                       tet, darunter Urnen, die aus dem bremischen Gebiet
                                                                                                                                                                                       stammten.18
                                                                                                                                                                                            Nun ist das Sammeln und die Erwerbung von
                                                                                                                                                                                       bremischen Altertümern das eine; das andere ist ihre
                                                                                                                                                                                       adäquate Unterbringung. Alle gefundenen »Lösun-
                                                                                                                                                                                       gen« (Dom, Glocke) waren unzureichend, so dass
                                                                                                                                                                                       im Sommer 1878 unter Zustimmung des Künstlerver-
                                                                                                                                                                                       eins die bisherigen Sammlungsgegenstände an den
                                                                                                                                                                                       bremischen Staat abgetreten wurden. Erst als sich
                                                                                                                                                                                       Johann Focke (1848 – 1922) systematisch der Sache
                                                                                                                                                                                       annahm, gelang im Juni 1900 die Eröffnung des His-
                                                                                                                                                                                       torischen Museums in Teilen des ehemaligen Katha-
                                                                                                                                                                                       rinenklosters. Die Historische Gesellschaft hat hier
                                                                                                                                                                                       aber die vorbereitende Kärrnerarbeit geleistet. »Sei-
                                                                                                                                                                                       nem Doppeltitel ›Geschichte und Altertumskunde‹
                                                                                                                                                                                       entsprechend hatte der Verein«, wie es Wilhelm
                                                                                                                                                                                       von Bippen formulierte, neben der historischen For-
                                                                                                                                                                                       schung auch der Gründung des Museums »seine
                                                                                                                                                                                       Kräfte geliehen«.19
                                                                                                                                                                                            Doch waren diese Kräfte vielleicht überschätzt
                                                                                                                                                                                       worden. Rückblickend war das selbst gesetzte inhalt-
                                                                                                                                                                                       liche Konzept der jungen Gesellschaft zu ambitioniert,
Blankourkunde für die Ernennung korrespondierender         Ernennungsurkunde für J.W. Lappenberg (Hamburg) zum          Einblattdruck eines Liedtextes von Alfred Kühtmann             auf wenigen Schultern ruhte (zu) Vieles. So musste
Mitglieder der Historischen Gesellschaft Bremen, um 1900   Ehrenmitglied der »Abtheilung des Künstlervereins für Bre-   (1847 – 1931) für die 25-jährige Stiftungsfeier der Histori-   die Verwaltung der sog. »Dombibliothek« nach weni-
                                                           mische Geschichte und Alterthümer« vom 27. Oktober 1864      schen Gesellschaft am 19. März 1887                            gen Jahren aufgegeben werden. Es handelte sich
                                                                                                                                                                                       dabei wesentlich um das Legat von Gerhard Meyer
                                                                                                                                                                                       (1774 – 1855), der nach seinem Tode seine gesamte
korrespondierenden Mitgliedern öffentlich wirk-            1. Ziele und Aktivitäten: Die erste Generation               mischer ›Antiquitäten und Kunstdenkmäler‹ in den               Sammlung an Bremensien (Bücher, Buchhandschrif-
same Vorlagen, die auch nach außen hin das bür-                                                                         Räumen des Künstlervereins stattgefunden hatte.14              ten, Bildnisse, Stiche etc.) dem Dom vermachte, in
gerlich-kunstsinnige Anspruchsniveau des Vereins           Doch noch einmal zurück zu den Anfängen: Zur                 Das Interesse des neuen Vereins richtete sich, fest-           der Hoffnung, hier eine neue Bibliothek zu begrün-
dokumentierten. Dies wohl auch nicht zuletzt, weil         Gründung der Historischen Gesellschaft hatte es              gelegt in den ersten Statuten, zuvörderst auf sog.             den.20 Dies scheiterte, da weder adäquate Räum-
man als späte Gründung zumindest gegenüber den             nach den gescheiterten Versuchen von 1846/47                 ›Realien‹,15 die zu sammeln oder zumindest zu ver-             lichkeiten noch Mittel vorhanden waren. 1868 wurde
Schwestervereinen in Hamburg und Lübeck in die-            auch im Jahr 1861/62 eines unmittelbaren Anlasses            zeichnen waren. Damit war der Verein mehr in einer             der Gesamtbestand nach maßgeblichem Einsatz des
ser Hinsicht noch Boden gutzumachen hatte. All             bedurft: Durch den Bau der ›Neuen Börse‹ änderte             lokalen institutionellen Vorreiterrolle, nicht aber            seit 1863 amtierenden ersten hauptamtlichen Stadt-
dies endete weitgehend mit dem Kaiserreich und             sich das Bild in Bremens Mitte grundlegend. An               in einer intellektuellen. Spätestens seit dem Ende             bibliothekars Johann Georg Kohl (1808 – 1878) für die
sollte nach dem Ersten und besonders nach dem              der Ostseite des Markts mussten zahlreiche Häu-              des 17. Jahrhunderts entwickelte sich – parallel zu            städtische Bibliothek erworben.21 1874 übernahm
Zweiten Weltkrieg einer sehr viel nüchterneren             ser und die Grundmauern der alten Willhadika-                den auf Repräsentation ausgerichteten adeligen                 die Stadtbibliothek zusätzlich den inzwischen ange-
Vereinskultur Platz machen. Jedenfalls hat die ver-        pelle niedergerissen werden. Die dabei gemach-               Raritätenkabinetten – im Privaten eine Sammellei-              wachsenen Bücherbestand der Historischen Gesell-
einsinterne Kultur der Selbst- und Außendarstellung        ten Funde schienen spektakulärer Art und waren               denschaft, die neben die obligatorischen Bücher,               schaft.22
später nicht wieder ein solch selbstbewusst sinnen-        zu konservieren – aber wie? Und von wem? Nun                 Manuskripte, Münzen und Medaillen auch sog.                         Zwei Formate bildeten sich allerdings bereits in
freudiges Niveau erreicht, das sich im späten 19.          fügten sich die aktuellen Funde offenbar in ein all-         ›Kuriosa‹ stellte.16 In Bremen sind dafür z. B. Johann         den frühen Jahren heraus, die bis heute die Histori-
Jahrhundert natürlich auch auf Formen der bürgerli-        gemein empfundenes Bedürfnis, zumal bereits im               Heinrich Eggeling (1639 – 1713)17 und Johann Philipp           sche Gesellschaft bestimmen: Das Vortragswesen
chen Geselligkeit bezog.                                   Frühjahr 1861 eine viel besuchte Ausstellung bre-            Cassel (1707 – 1783) Belege. Zugleich war die Bib-             und mit dem Bremischen Jahrbuch das identitätsstif-
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
12                                                                         Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser      Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                            13

                                                            Urkundenbuches berufen wurde und seit 1875 ers-                                                                     Reformationsgeschichte (1885), Bremische Werk-
                                                            ter wissenschaftlicher Staatsarchivar war.23 Er sollte                                                              meister (1890), Wilhelm von Bippens dreibän-
                                                            der Historischen Gesellschaft von 1875 – 1881 und                                                                   dige Geschichte der Stadt Bremen (1892 – 1904),
                                                            1893 – 1912 vorstehen. Nachdem Ballast (Bibliothek,                                                                 die Bremischen Biographien (1912 und 1962) und
                                                            Realien) abgeworfen war, konzentrierte sich die                                                                     die Bremische Weihnachtsblätter (1928 – 1958) –
                                                            Gesellschaft fortan auf die qualitative Verbesserung                                                                dies sind nur die wichtigsten Stichworte neben
                                                            ihrer Publikationen. Neue Namen traten in den Vor-                                                                  wissenschaftlichen Flaggschiffen wie dem bis
                                                            dergrund: Neben von Bippen selbst, Franz Buchenau                                                                   heute siebenbändigen Urkundenbuch (bis 1447).27
                                                            (1831 – 1906, Lehrer, Landeskundler), Ernst Dünzel-                                                                 Letzteres ist bis heute von unersetzlichem Wert, so
                                                            mann (1846 – 1907, Lehrer, Historiker), Johann Fried-                                                               aber auch z.B. die 1912, somit an der Grenze der Über-
                                                            rich Iken (1837 – 1902, Pastor und Kirchenhistoriker)                                                               gabe des Vorsitzes der Historischen Gesellschaft an
                                                            und Alfred Kühtmann (1847 – 1931, Jurist). Zugleich                                                                 Hermann Entholt (1870 – 1957, Vorsitzer 1912 – 1950),
                                    Bremisches Jahr-        hatte man 1885 mit den Quellen zur Bremischen                                                                       publizierte Bremische Biographie des neunzehnten
                                    buch. Außeneinband      Reformationsgeschichte eine zweite Serie zum Bre-                                                                   Jahrhunderts, deren erste Skizzierung bereits in den
                                    von Band 96, 2017       mischen Jahrbuch eröffnet, die wesentlich Quel-                                                                     1870er Jahren nachzuweisen ist.
                                                            len und Materialien präsentieren sollte; 1891 folgte
tende Publikationsorgan, das bis heute wesentlich           eine – allerdings unzulängliche – Ausgabe der Kir-
die wissenschaftliche Außenwirkung des Vereins              chenordnung von 1534 durch Johann Friedrich Iken.                                                                   2. Kontinuitäten, Brüche, Wandlungen
prägt. Folgt man den dem Jahrbuch zunächst voran-           Tatsächlich wurde die Reihe dann erst wieder 1968        »Denkmale der Geschichte und Kunst der Freien Hansestadt
gestellten und heute am Schluss publizierten Jah-           (!) mit den Matrikeln des Gymnasium Illustre zu Bre-     Bremen«, Prunkkassette in rotem Leder und Gold für die     Die Historische Gesellschaft war von ihrer poli-
resberichten des Vereins, so fanden pro Session im          men fortgeführt, an die sich rezent 2015 – als Beitrag   Widmungsexemplare des Bremer Senats                        tisch-gesellschaftlichen Ausrichtung her ein bür-
Schnitt sieben bis zehn Vorträge statt, die z.T. als Bei-   zum 150-jährigen Jubiläum – die Edition des Bremer                                                                  gerlich-konservativer Verein mit einer eher »hierar-
träge gedruckt wurden. Der Kreis der Vortragenden                                                                                                                               chischen« Führungsstruktur, in diesem Sinne wurde
war – im Übrigen ebenso wie die Anzahl der Besu-                                                                     Bürgerbuchs anschloss.24 Als besondere Leistung            sie geführt von Wilhelm von Bippen, über Hermann
cher – überschaubar, er rekrutierte sich zunächst                                                                    des 19. Jahrhunderts bleibt allerdings die bereits         Entholt bis zu Friedrich Prüser (1892 – 1974, Vorsitzer
fast durchweg aus Bremern, die wesentlich bremi-                                                                     spätestens 1862 auf Initiative des Künstlervereins         1950 – 1973). Ihre Vortragstätigkeit war an ein wei-
sche Themen vortrugen. Dabei kristallisierte sich in                                                                 beschlossene Reihe Denkmale der Geschichte und             tes Publikum gerichtet, sie erreichte aber z.B. nicht
den frühen Jahren ein Kern an Personen heraus, die                                                                   Kunst der Freien Hansestadt Bremen hervorzuhe-             die Kreise, die der Verein Vorwärts ansprach, der
auch die Beiträge für das Bremische Jahrbuch bei-                                                                    ben, ein in weiten Strecken unkritisches, aber bis         durchaus auch bremische Themen popularisierte.
steuerten: Diedrich Ehmck (1836 – 1908), der erste                                                                   heute besonders durch die von Georg Justus Hun-            Die im Bremischen Jahrbuch regelmäßig publizier-
Herausgeber des Bremischen Urkundenbuches und                                                                        ckel (1808 – 1871) erstellten Lithografien beeindru-       ten Berichte des Vorstandes können wie politische
erste Vorsitzer 1862 bis 1875, Johann Georg Kohl, der                                                                ckendes Werk. Es kam nur zögerlich in Gang und             Seismografen gelesen werden. War im ersten Jahr-
heute vergessene Sprachforscher Elard Hugo Meyer                                                                     sollte letztlich bis 1876 in drei Bänden resultieren. Im   buch »Vaterland« noch eine mehr oder minder unbe-
(1837 – 1908), Hermann Alexander Müller (1814 – 1894,                                                                ersten Band (1864) wurden wesentlich das Rathaus,          stimmte, romantisierende »Leerformel«, so wurde in
Lehrer am Gymnasium der Hauptschule) und der                                                                         der Roland und das Vasmerkreuz thematisiert.25 Der         den Berichten der Jahrbücher 1872 und 1874 sowohl
Jurist Hermann Albert Schumacher (1839 – 1890).                                                                      ursprünglich als Folgeband vorgesehene Teil über           von einem aufgezwungenen Krieg als auch von »poli-
    Ein hohes Maß an Professionalisierung erhielt                                                                    die bremischen Kirchen erschien erst 1876, daher           tischer Wiedergeburt« gesprochen.
die Gesellschaft durch den im Sinne des Historismus                                                                  wurde 1870 von Johann Georg Kohl ein Band unter                Im Berichtszeitraum vom Oktober 1914 bis Okto-
ausgebildeten Wilhelm von Bippen (1844 – 1923), 1870                                                                 dem Titel Episoden aus der Cultur- und Kunstge-            ber 1915 (veröffentlicht 1916) heißt es noch ganz
nach Bremen zur Weiterführung des Bremischen                                                                         schichte Bremens in den Druck gebracht.26                  patriotisch-optimistisch:28 »Der gewaltige Krieg, der
                                                                                                                         Durchaus beeindruckend waren somit in den              trotz der ungeheuren und siegreichen Anstrengun-
                                                                                                                     Anfängen der Historischen Gesellschaft ihre Publi-         gen unserer Heere nach fünfzehn Monaten noch
                                                                                                                     kationsimpulse: Bremische Denkmäler (1862), Bre-           nicht beendet ist […].« Der Ton blieb, der Geist
                                                                                                                     misches Jahrbuch (seit 1863), Bremisches Urkun-            ebenso – wie in einem Spiegel sichtbar im 28. Jahr-
                        Wilhelm von Bippen (1844 – 1923)                                                             denbuch (1873 – 1993), Quellen zur bremischen              gang des Bremischen Jahrbuchs, das erst 1922 ver-
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
14                                                                      Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser    Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                         15

öffentlicht wurde und vier Jahresberichte bis Herbst     dungssenator Richard von Hoff (1880 – 1945), einen     men, zusammenfasste. Von ihr, die in glücklicher              Bis zu einer ausführlichen Untersuchung über
1922 beinhaltete: »Auf das abgelaufene Vereinsjahr       fanatischen Rassekundler,32 in den Vorstand der        Weise Bindung und freie Betätigung vereinigt, dür-        »Die Historische Gesellschaft Bremen und ihr Umfeld
warf das traurige, unerwartete Ende des vierjähri-       Gesellschaft zu berufen. Von Hoff fabulierte in der    fen wir zuversichtlich einen weiteren Aufschwung          in der NS-Zeit« sollten noch einige Jahrzehnte ver-
gen ungeheuren Völkerringens mit aller äußeren           erstmals 1940 vom Direktor der Staatsbibliothek Bre-   erwarten. Er wird sich umso mehr bemerklich               gehen. Im Jahr 2007 wurde eine solche Arbeit jedoch
und inneren Bitternis, die ihm folgte, seine tiefen      men Hinrich Knittermeyer (1891 – 1958) und dem völ-    machen, wenn erst der siegreiche Frieden errungen         durch den Hamburger Historiker Helmut Stubbe
Schatten. Aber wir haben uns bemüht, durch Kum-          kisch-nationalistischen Lehrer und Heimatkundler       ist, den uns die weise Staatsführung des Deutschen        da Luz im Bremischen Jahrbuch veröffentlicht. Auf
mer und Not hindurchschreitend, an unserem Teile         Diedrich Steilen (1880 – 1961) herausgegeben, nati-    Reiches und die des höchsten Ruhmes werten Waf-           seine Analysen von Vorstand, Mitgliedern, Forschun-
unsere Aufgabe zu erfüllen und die heilige Flamme        onalsozialistisch geprägten Landeskunde »Bremen.       fentaten unseres siegreichen Heeres in nicht zu fer-      gen und Publikationen zwischen 1933 und 1945 sei
deutscher Wissenschaft pflegend, auf dem uns             Lebenskreis einer Hansestadt« dann auch über:          ner Zukunft bescheren mögen.« – Zur Nagelprobe            daher hier im Einzelnen verwiesen. Insgesamt lässt
zugewiesenen Felde der historischen Heimatfor-           Die rassische Eigenart des Bremers.33 In von Hoffs     eines politisch gesteuerten Verhältnisses zwischen        sich ihnen entnehmen, dass das Bremische Jahr-
schung nach der Wahrheit zu suchen.« Was blieb           Person lag zudem eine äußere Quelle zur ›Neuaus-       Wittheit und den Vereinen kam es indes nicht mehr,        buch jener Jahre »weitgehend politisch unauffäl-
waren »Not« und »Bedrückung«; selbst 1924 fin-           richtung‹ der Historischen Gesellschaft. Ausgangs-     ebensowenig zu einer Auseinandersetzung mit der           lig ausgefallen« sei und es dem Verein z.B. gelang,
det sich noch die pessimistische Behauptung: »So         punkt war die im Oktober 1924 gegründete Bremer        Vereinspolitik in der NS-Zeit.                            trotz der erwähnten NS-Einflussnahmen einen Arier-
schwer auch die Zeit auf jedem guten Deutschen           Wissenschaftliche Gesellschaft, die spätere Witt-           Wer Friedrich Prüsers Beitrag unter dem Titel        paragraphen nur für den Vorstand in die Satzung
lastet, so tief sie auch jede geistige und wissen-       heit zu Bremen, die u.a. die Publikationen der wich-   »Vierzig Jahre Historische Gesellschaft. 1922 – 1962«     aufzunehmen.37a Vielleicht hat damals gerade die
schaftliche Betätigung mit ihren dunklen Wolken          tigsten Vereine führte.34 Immerhin war die Histori-    im Bremischen Jahrbuch 1962 kritisch liest, wird fest-    konservative Grundhaltung der Vereinsführung und
beschatten mag […].«29 Die unverhohlene Skepsis          sche Gesellschaft mit zwei anderen Vereinigungen       stellen müssen, dass Prüser abwiegelt, ja das eigent-     v.a. ihr Verzicht auf Popularisierungen der bremi-
gegenüber der Weimarer Republik ließ die Anpas-          Gründungsmitglied der Bremer Wissenschaftlichen        liche Problem für den Verein in der unmittelbaren         schen Geschichtswissenschaft dazu geführt, dass
sung an den Nationalsozialismus leicht fallen.30 1934    Gesellschaft. Entholt war längere Zeit gleichzeitig    Nachkriegszeit verortet: »Unter diesen Umständen          »die NS-Politisierung der Historischen Gesellschaft
wurde die Gesellschaft nach dem »Führerprinzip«          Präsident der Wittheit und der Historischen Gesell-    hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis man wieder zu      sich in Grenzen gehalten hat«.37b Für deutlich NS-
umgestaltet und Hermann Entholt in diesem Sinne          schaft. So wurde das Bremische Jahrbuch zur Reihe      Vorträgen und Vorbereitungen für einen neuen Band         affine historische Themen und Betrachtungen stand
ernannt. Die ›Neuausrichtung‹ der Historischen           A, die von Entholt 1928 begründeten Weihnachts-        des Jahrbuches kommen konnte. Es kam hinzu, daß           zudem mit der offiziösen Bremer Stadtzeitschrift »Der
Gesellschaft hatte innere und äußere Quellen: Im         blätter zur Reihe H. Nach der Machtübernahme           ›politische Gründe‹, die bekannte Entnazifizierungs-      Schlüssel« seit 1936 ein populäres Organ zur Ver-
Inneren verhielten sich Entholt und sein Nachfol-        der NSDAP in Bremen wurden die Präsidenten der         gesetzgebung samt ihren Vorstufen, den Bestand des        fügung, in dem Wissenschaftler der Historischen
ger in der Leitung des Staatsarchivs Friedrich Prü-      Gesellschaft vom Senat ernannt: zunächst Her-          Vorstandes erschütterten. Es hat Jahre gedauert, bis      Gesellschaft wiederum vielfach publizierten.37c
ser in ihren vor-demokratischen Grundhaltungen           mann Entholt, dann ab 1936 Hinrich Knittermeyer.       hier wieder alles so beieinander war, daß eine gedeih-
rasch systemkonform, wer jedoch einen Blick in           Um den Einfluss des Staates auf die angeschlos-        liche Weiterentwicklung gewährleistet erschien.«36
das Bremische Jahrbuch mit seinen Beiträgen bis          senen Vereine zu sichern, wurde die Bremer Wis-             Auf Prüsers Ausscheiden folgte eine Zeit des         3. Veränderte Ziele und Aktivitäten:
zum Jahre 1944 und den in den Jahren gehaltenen          senschaftliche Gesellschaft in ein staatliches Amt     Interregnums (in der auch 1975 das Bremische              Die zweite und dritte Generation
Vorträgen wirft, wird weniges vordergründig inhalt-      überführt, seit Juni 1941 unter dem Namen Wittheit     Jahrbuch dem Staatsarchiv als genuine Aufgabe
lich dem Zeitgeist Verhaftetes finden. Ost-, Kolonial-   zu Bremen. Die Wittheit bzw. ihre Vorläuferorgani-     zuwuchs), ehe 1977 (bis 1993) Eugen de Porre –            Als ein Kern der Gesellschaft hatte sich – wie
und Rasseforschung wurden in jenen Jahren zwar           sation hatten sich seit 1933 verstärkt rassekundli-    zugleich Mitarbeiter des Staatsarchivs – das Amt          bereits gezeigt – schnell das Vortragswesen her-
allseitig propagiert, fanden hier aber nach außen        chen Fragen sowie der Ost- und Kolonialforschung       des Vorsitzers übernahm. Seinen, wenn auch weni-          ausgeschält. Es verlor in den Jahrzehnten zuse-
hin wenig Widerhall. Dennoch ist die Referenz an         zugewandt, getrieben von dem in der Universitäts-      gen Bemerkungen zur Rolle der Historischen Gesell-        hends die reine Fokussierung auf Bremen, sowohl
die Machthabenden deutlich. So begann Hermann            laufbahn gescheiterten Knittermeyer. Offensichtlich    schaft in der NS-Zeit anlässlich des 125.ten Jubiläums    was die Referenten als auch die Themen anbetraf.
Entholt seine Ausführungen anlässlich des 75. Stif-      war man sich seitens der Historischen Gesellschaft     1987 fehlt – bei aller Anerkenntnis besonders für Her-    Kreisten sie zunächst noch stark um den weiteren
tungsfestes der Historischen Gesellschaft mit einer      über die zukünftige Einflussnahme der Wittheit nicht   mann Entholt – der bloße Versuch der Rechtfertigung       hansischen Raum, so fiel auch diese Begrenzung.
Eloge auf den Führer:31 »Wenn deutsche Männer            klar, ja offiziell begrüßte man die Gründung im Jah-   wie bei Prüser.37 Die zeitliche Differenz tat ein Übri-   Begünstigt wurde diese Entwicklung nicht zuletzt
und Frauen in festlicher Stunde sich versammeln,         resbericht 1940/41 noch mit patriotischem Über-        ges, zumal viele der jetzt Handelnden nur noch peri-      durch engere Kooperationen mit anderen wissen-
ziemt es sich, zuerst des Führers zu gedenken. Unser     schwang:35 »Die wichtigste Änderung der beste-         pher oder gar nicht mehr von der NS-Zeit betroffen        schaftlichen Vereinen in Bremen, besonders unter
Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, der das Vater-    henden Verhältnisse hat sich aber im Herbst dieses     waren. Dennoch blieb der Historischen Gesellschaft        dem Dach der Wittheit. War dies wesentlich auf
land mit starker Hand regiert, dessen unablässiges       Jahres vollzogen, indem der Herr Regierende Bür-       etwas Konservatives verhaftet, sichtbar in der lange      Vereinsmitglieder beschränkt, wurde das Bremi-
Bestreben es ist, ihm Frieden und Glück zu sichern:      germeister die Historische Gesellschaft gleich den     Zeit vorherrschenden Skepsis gegenüber der neu            sche Jahrbuch zum ›Aushängeschild‹ nach außen.
Sieg-Heil.« Ebenso hatte Entholt entscheidenden          anderen wissenschaftlichen Vereinen unserer Stadt      gegründeten Universität Bremen, wobei diese Skep-         Neben Hermann Entholt und Friedrich Prüser haben
Einfluss darauf, den nationalsozialistischen Bil-        zu einer neuen Organisation, der Wittheit zu Bre-      sis sicherlich beiderseits vorhanden war (s.u.).          andere Autoren bis heute wichtige Beiträge zur
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
16                                                                           Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser       Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                         17

                                                              den Titel »1000 Jahre Bremer Kaufmann« gestellt.
                                                              Immer noch unverzichtbar und brauchbar ist bis
                                                              heute die unter der Redaktion von Wilhelm Lührs
                                                              erschienene Bremische Biographie 1912 – 1962, pub-
                                                              liziert 1969 (anlässlich der 100. Jubiläums 1962). Ein-
                                                              zelne Artikel sind allerdings recht kritisch zu sehen,
                                                              da in ihnen die NS-Zeit als randständig behandelt
                                                              und das Handeln einzelner Personen in jenen Jahren
                                                              bagatellisiert wird.
                                                                   Ein für die Binnenwirkung, die Bindung der Mit-
                                                              glieder und die Werbung neuer Interessierter nicht
                                                                                                                                                                                                        Besichtigung des Focke-
                                                              hoch genug zu bewertender Faktor waren die ange-                                                                                          Museums an der Großenstraße
Sommerliche Exkursion mit Archivleiter Dr. Friedrich Prüser   botenen Exkursionen und Studienfahrten – für nicht                                                                                        mit Damen in der Zwischen-
(2. v. links, 1950 – 1973 Vorsitzer) an der Mahndorfer        wenige das ›Salz in der Suppe‹ mit einer Melange                                                                                          kriegszeit
Landstraße, 1942                                              aus Unterhaltung und Belehrung. Folgt man den
                                                              Angaben im Bremischen Jahrbuch, so begannen               dass die Bedeutung der Gesellschaft für den inner-       Ansgarii hatte sich u.a. Gerhard Müller-Menckens
                                                              Ausflüge und Wanderungen im unmittelbaren Vor-            städtischen Diskurs abgenommen hatte bzw. ihre           (1917 – 2007) für die Vereinigung für Städtebau einge-
bremischen Geschichte im weitesten Sinne gelie-               feld des Ersten Weltkrieges (auch wenn sie ›offiziell‹    Argumente unter gänzlich veränderten politischen         reiht, ebenso die sog. Bremische Gesellschaft Lüder
fert. Beispielhaft genannt seien: Ludwig Beutin               erstmals für das Jahr 1923 angesetzt werden), dazu        gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weitge-             von Bentheim. Hier ergaben sich nun – um es zurück-
(1903 – 1958, Wirtschaftshistoriker), Rolf Engelsing          kamen bald Führungen und Besuche in Museen                hend ignoriert wurden. In der ursprünglichen Sat-        haltend auszudrücken – bedenkliche Nahtstellen zur
(1930 – 1986, Bibliothekar, Sozialhistoriker), Ernst          – allesamt bezogen auf Bremen und das unmittel-           zung der Gesellschaft hatte sich unter § 2 die For-      zweiten Eingabe. Die Bremische Gesellschaft Lüder
Grohne (1888 – 1957, Direktor des Focke-Museums),             bare geografische Umfeld, z.T. in Begleitung von          derung befunden:39 »[…] insbesondere auch für den        von Bentheim war im Grunde nur zu dem Zwecke
Alwin Lonke (1865 – 1947, Lehrer, Frühgeschichtler),          Damen. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges           Schutz und Fortbestand interessanter Bauwerke            gegründet worden, den Luckardt-Bau zu verhindern.
Heinrich Schecker (1891 – 1944, Lehrer, Kulturwis-            und der unmittelbaren Nachkriegszeit fanden kaum          und sonstiger Kunstdenkmäler Sorge zu tragen,            Im Zusammenhang mit der Historischen Gesellschaft
senschaftler), Ilse Schunke (1892 – 1979, Bibliothe-          Unternehmungen statt – sie wurden erst 1951 wie-          […].« Das klang gut, war aber kaum zu realisieren,       u.a. hielt sie nun ein Plädoyer für den Entwurf von
karin), Herbert Schwarzwälder, Karl Heinz Schwe-              der aufgenommen, dann aber auf die Dauer und als          wie bereits 1874 eingeräumt werden musste, da die        Müller-Menckens. Man mag auch noch heute kri-
bel (1911 – 1992, Archivdirektor seit 1957), Hermann          Studienfahrten intensiviert. Friedrich Prüser selbst,     Gesellschaft über keine direkten Einflussmöglichkei-     tisch zur gefundenen Lösung stehen – aber der Ent-
Tardel (1869 – 1951, Lehrer, Theaterforscher) und             der Nordbremer Curt Allmers (1902 – 1972) und dann        ten verfügte.40 Alwin Lonke konnte 1937 immerhin von     wurf von Müller-Menckens war wenig überzeugend.
Heinrich Tidemann (1878 – 1952, Lehrer, Literatur-            ganz besonders Eugen de Porre standen bis in die          einem geglückten Einspruch seitens des Vorstan-          Was nun die Bremische Gesellschaft Lüder von Ben-
wissenschaftler) und natürlich auch immer wieder              90er Jahre für diese Entwicklung. Die Fahrten wur-        des der Historischen Gesellschaft berichten.41 Zur       theim anbetraf, so hatte sie selbst einen Vorschlag
renommierte auswärtige Autorinnen und Autoren,                den nun sogar mehrtägig, führten gelegentlich pro-        Nagelprobe sollte es indes nach den Zerstörungen         zur Bebauung der Ostseite des Marktplatzes einge-
die bremische Themen bearbeitet oder in Bremen                fessionalisiert ins benachbarte Ausland, blieben          des Zweiten Weltkrieges und den für die historische      bracht, freilich ohne an eine parlamentarische Nut-
vorgetragen haben. Spätestens seit den 1950er                 inhaltlich aber meist noch der hansischen Tradi-          Bausubstanz ähnlich zerstörerischen Wiederaufbau-        zung zu denken. Sie schlug die Bebauung mit histo-
Jahren wird im Jahrbuch eine zweite Ebene der                 tion im nordwestdeutschen Raum und bremischen             plänen für Bremen in den 1950er und 1960er Jahren        rischen Giebelhäusern vor. So blieben die Ansinnen
›Professionalisierung‹ greifbar: der wissenschaft-            Handelswegen verhaftet. Was in den 1960er Jah-            kommen. Im Juli 1958 erhob die Historische Gesell-       ergebnislos. Die Einmischung in die Politik wurde
lich tätige Gymnasiallehrer, der in vielen Heimat-            ren neu hinzukam, waren die sog. ›Grenzlandfahr-          schaft z. T. im Verbund mit anderen Vereinen oder        nicht wahrgenommen, sie hatte den Charakter der
und Regionalvereinen die Publikationen prägte,                ten‹ entlang der innerdeutschen Grenze, zumal sie         Einzelpersonen Widerspruch gegen drei Bremen auf         Stellungnahme einer akademischen Minderheit, die
wurde allmählich zur Ausnahmenerscheinung in                  (wie Exkursionen nach Berlin) bezuschusst wurden.         lange Sicht verändernde städtebauliche Maßnah-           der Fortschrittseuphorie im Wege zu stehen schien
einer Nebenrolle.                                             Eugen de Porre hatte zum 125-jährigen Jubiläum            men:42 1. Den Abriss der Ruine von St. Ansgarii (wo      und kaum noch Einfluss auf die Politik hatte. Dass
    Darüber hinaus sind neben den schon erwähnten             1987 den schönen Satz geprägt:38 »Vielleicht würden       der Denkmalschutz aufgehoben worden war). 2. Den         bald politische Akteure aus anderen akademischen
Matrikeln des Gymnasium Illustre zwei weitere Pub-            die Gründerväter die Hände über dem Kopf zusam-           Bau der Bremischen Bürgerschaft nach dem Ent-            Milieus in der Lage sein sollten, größere Bauprojekte
likationen hervorzuheben: 1965 wurde das für Bre-             menschlagen ob der Unkultur und verbogenen Wis-           wurf von Wassili Luckardt (1889 – 1972). 3. Die Bebau-   in Bremen zu verhindern, weil sie tatsächlich Men-
men so bedeutende Marktprivileg Ottos I. aus dem              senschaft.«                                               ung des ehemaligen Hillmann-Grundstückes. Dabei          schen mobilisieren konnten, sollte sich wenig spä-
Jahre 965 in großem Stil gefeiert und Band Fünfzig                 In einem Punkt musste das Führungspersonal           zeichneten sich merkwürdige, z. T. widersprüchliche      ter in der Auseinandersetzung um die sog. ›Mozart-
des Bremischen Jahrbuchs als Sonderband unter                 der Historischen Gesellschaft allerdings erkennen,        Allianzen ab. In die Allianz gegen den Abriss von St.    trasse‹ zeigen.
Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
18                                                                        Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser        Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                                19

4. Die Mitglieder                                                                                                     in Bezug auf die Zusammensetzung des Vereins                    Vietor (1860 – 1929) und Käthe Stricker (1878 – 1979).
                                                                                                                      erst die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit den              Letztere – »Fräulein Stricker« – nahm bis ins hohe
Wer waren aber abgesehen von den in den Jahres-                                                                       60er Jahren finden sich auch vermehrt nicht-aka-                Alter regen Anteil am Vereinsleben und hinterließ
berichten gut dokumentierten Herren des Vorstands                                                                     demische Berufsbezeichnungen und Namen von                      ein interessantes Selbstzeugnis zu ihrer Erinne-
die Mitglieder der Historischen Gesellschaft? Der                                                                     bremischen Firmen oder Körperschaften – die nun                 rung an den Verein: »Dann kam die Begegnung mit
Verein war bereits in jungen Jahren mit beacht-                                                                       auch gezielt als Mitglieder geworben wurden – in                der Historischen Gesellschaft im Herbst 1912. Ich
lichen Zahlen gestartet und hatte schon im ersten                                                                     den Mitgliederlisten, in denen die Zahl der Mitglie-            betrat etwas schüchtern das damalige Sitzungszim-
Jahr seines Bestehens über 400 Mitglieder! Diese                                                                     der zwischenzeitlich auf über 800 anstieg. 1962 – im           mer in der heutigen Glocke nach seiner Form »Okto-
kamen zunächst aus dem Künstlerverein und ent-                                                                        Jahr des 100jährigen Bestehens – waren unter den                gon« benannt, mit feierlicher Ausstattung von alten
sprachen seiner sozialen Zusammensetzung, womit                                                                       persönlichen Mitgliedern neben 479 Männern 174                 Ledertapeten und anderem mehr. War ich doch das
zunächst ein Schwergewicht auf der Gruppe der                                                                         Frauen verzeichnet. Dies war immerhin ein Fort-                 einzige weibliche Wesen unter würdigen, meis-
Kaufleute lag. Im Vorstand fand man zwar Fachhis-                                                                     schritt, denn die Historische Gesellschaft war als              tens schon älteren Herren. Ich ahnte nicht, wie viel
toriker, doch waren klassisch bürgerliche Berufs-                                                                     ein reiner Herrenklub gegründet worden und blieb                Freude und Anregung zum Schaffen neben biswei-
gruppen wie vor allem Juristen und Ärzte stark ver-                                                                  dies auch lange. Frauen nahmen zunächst eher als                len freundschaftlich werdenden Beziehungen mir
treten, zu denen weitere Akademiker kamen. Auch                                                                       Damen in Begleitung – bei geselligen Anlässen – an              das Archiv und die Historische Gesellschaft bringen
Mitglieder außerhalb Bremens, selbst im Ausland,                                                                      den Aktivitäten teil. In einer Vereinskartei aus dem            würden. Ich hielt dieses Referat am 15. April 1916 als
sind zu verzeichnen, als Ausdruck einer heimatli-                                                                     Jahr 1918 finden sich erste weibliche Mitglieder: die           »Novum« in der Geschichte unserer Gesellschaft
chen Verbundenheit von Buten-Bremern, die über                                                                        Oberlehrerinnen Mathilde Plate (1878 – 1963), Anna              (und) freute mich über das ›Bravo‹, das der stellver-
den Verein und seine Publikationen Bremen ver-
bunden bleiben wollten. Als besondere Ehrung kam
es zur Ernennung von korrespondierenden Mitglie-
dern und auch Ehrenmitgliedern, jedoch konnte der                                                                     Möbel (Schreibtisch und Stuhl) aus der alten Geschäftsstelle der Historischen Gesellschaft in der Ausstellung
                                                          Glückwunsch des Vereins für Hamburgische Geschichte zum
                                                                                                                      »Der Sinn für Bremens Geschichte« im Staatsarchiv im Jahr 2012
Verein den Schwung der Gründerjahre nicht auf             50jährigen Bestehen der Historischen Gesellschaft Bremen
Dauer halten, denn Mitglied konnte man nur über           vom 13. April 1912. Jugendstil-Urkunde in Leder gebunden,
                                                          angefertigt von der Hamburger Künstlerin Ilse Koch-Amberg
den Zutritt zum Künstlerverein werden. Daher san-
                                                          (1869 – 1934)
ken zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Mitglieder-
zahlen des Vereins stark und im Jahr 1904 war mit
nur noch 46 Mitgliedern der Tiefpunkt erreicht. Nun
                         erst löste man die Mitglie-
                         derbindung an den Künst-         Maß sich um diese Zeit die Historische Gesellschaft
                          lerverein und schaffte die      im Bewusstsein ihrer Mitglieder als eigenständig
                          Trendwende: Rund zehn           profilierter Verein unter eigenständiger Leitung ver-
                          Jahre später waren wie-         stand, belegen zwei von den Mitgliedern anlässlich
                          der ca. 130 Mitglieder zu       des 50-jährigen Jubiläums 1912 den beiden Vor-
                         verzeichnen. In welchem          sitzern Wilhelm von Bippen und Johann Focke in
                                                          Dankbarkeit gestiftete silberne Münzpokale.43 Auch
                                                          in seiner nun doch sehr stark wissenschaftlichen
                                                          Außenwirkung hatte sich der Verein bis dahin ein
                                                          eigenständiges Profil erarbeitet – dies nicht zuletzt
                                                          im Verhältnis zu und durch Anerkennung von ver-
                                                          wandten Vereinen in Norddeutschland.
                          Bremischer Münzpokal. 1912          So näherte sich im Laufe der 1920er Jahre die
                          gestiftet von den Mitgliedern
                                                          Mitgliederzahl wieder derjenigen der Anfangsjahre
                          der Historischen Gesellschaft
                          für Johann Focke. Silber mit    an. Die 30er Jahre und die NS-Zeit waren in Bezug
                          Gravur und Widmung im Fuß       auf die Mitgliederzahlen keine Zäsur. Dies war auch
20                                                                        Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser         Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                                  21

                                                                                                                      Dobben, die Historische Gesellschaft fand ein Ausweichs-       Veranstaltungen wie die traditionellen »Dreiertreffen«
                                                                                                                      tandort im Landherrnamt an der Dechanatstraße. Die Ver-        der Geschichtsvereine von Bremen, Stade und Bremer-
                                                                                                                      bindung von Geschichtsverein und Archiv ist ein in vielen      haven-Cuxhaven stets erneuert wurde.
                                                                                                                      Städten übliches und geschätztes Modell, das sich in Bre-          Überhaupt verdeutlicht ein Blick in die Berichte der
                                                                                                                      men auch in der Zusammensetzung von Vorstand und Vor-          60er bis 80er Jahre, dass auch Geselligkeit und (nicht
                                                                                                                      sitz ausdrückte.45 In die Mitte der 60er Jahre und um das      nur wissenschaftlicher) Meinungsaustauch ein wesent-
                                                                                                                      Umfeld der Jahrtausendfeier des bremischen Kaufmanns           licher Faktor im Vereinsleben waren. Adventliche Ver-
                                                                                                                      fällt dennoch ein gewisser personeller Bruch im Vorstand,      anstaltungen und kommunikative Formate (sog. Klön-
                                                                                                                      da sich die dort bisher stets führenden Archivare (damals      schnackabende) durchaus auch in gastronomischer
                                                                                                                      Dr. Karl Heinz Schwebel, Dr. Wilhelm Lührs und Fritz Peters)   Umgebung kamen einem offenbar verbreiteten Bedürf-
                                                                                                                      1964 aus dem Vorstand zurückzogen.46 Erst 1974 wurde mit       nis entgegen und brachten es auf erhebliche Besucher-
                                                                                                                      Eugen de Porre (1977 – 1993 als Vorsitzer, danach Ehrenvor-    zahlen.
                                                                                                                      sitzender) an diese Kontinuität wieder angeknüpft, die sich        Zugleich stand das Vortragswesen in einer echten
                                                                                                                      dann auch auf die Leiter und Wissenschaftler im Staatsar-      Blüte. Auch die Vorträge fanden an wechselnden Stand-
                                                                                                                      chiv bezog und auch heute noch so gegeben ist.47 Heute         orten statt. In der Nähe des alten Standorts an der Glo-
                                                                                                                      befindet sich die Geschäftsstelle in dem 1967 am Präsident-    cke war zunächst der Domkapitelsaal lange Jahre das
                                                                                                                      Kennedy-Platz bezogenen Neubau des Staatsarchivs.              Standarddomizil, ebenso der Saal im Haus Schütting.
                                                                                                                           Bis in die 80er Jahre spielte auch die Vernetzung mit     Seit Eröffnung des Hauses der Wissenschaft finden
                                                                                                                      hiesigen und auswärtigen historischen und heimatge-            die Vorträge zumeist dort (ehem. Haus Vorwärts Sand-
                                                                                                                      schichtlichen Vereinen und Verbänden eine wichtige Rolle.      straße) statt, was nicht zuletzt die Kooperation mit ande-
                                                                                                                      In den Jahresberichten wurde den »Beziehungen zu ande-         ren Vereinen unter dem Dach der Wittheit vereinfacht.
                                                                                                                      ren Vereinen«, also Besuchen andernorts, aber auch Emp-        Kleine Vorträge oder interne Veranstaltungen finden
Das Staatsarchiv Bremen An der Tiefer um 1930                                                                         fängen und Führungen für besuchende Vereine in Bremen          meist im Staatsarchiv statt.49
                                                                                                                      regelmäßig eigens Raum gewidmet.48 Hieraus ergab sich              Für das institutionelle Umfeld der Historischen
                                                                                                                      ein enges Netz gegenseitiger Verbindungen, das durch           Gesellschaft als wissenschaftlicher Geschichtsverein
tretende Vorsitzer, Dr. von Bippen, mir zubilligte, und   5. Die Historische Gesellschaft im späten                   Exkursionen und Vortragseinladungen sowie traditionelle        einer traditionsreichen Großstadt war die Gründung
dass ich als Frau diese geistige Forschungsarbeit         20. und im 21. Jahrhundert
leisten durfte.« 44
    Die Nachkriegsjahrzehnte haben zumindest in           Auch wenn seit den Nachkriegsjahren keine wesentli-
                                                                                                                       Das Staatsarchiv Bremen, heute Sitz der Geschäftsstelle der Historischen Gesellschaft
dieser Hinsicht nicht nur unter den Mitgliedern, son-     chen Erweiterungen zu den Tätigkeitsfeldern – Vorträge,
dern auch im Vorstand Besserung gebracht: Frauen          Publikationen, Exkursionen – hinzukamen, vollzogen sich
gehören seit Jahrzehnten selbstverständlich auch          nun doch im Umfeld des Vereins maßgebliche Ände-
dem Vorstand an, mit Dr. Gabriele Hoffmann hat die        rungen. Diese betrafen zunächst die Frage der Räum-
Historische Gesellschaft seit zehn Jahren (2007) eine     lichkeiten, in denen er ansiedelt war, und die Lokale, in
weibliche Stellvertretende Vorsitzerin.                   denen man mit den Vorträgen an die Öffentlichkeit trat.
    Dass dem Verein noch heute ca. 600 persönli-          Bis 1915 war das Haus des Künstlerverein auch Sitz der
che und institutionelle Mitglieder angehören, ist ein     Geschäftsstelle. Aus der Geschäftsstelleneinrichtung
erfreuliches Zeichen der Stabilität, zu dem man aller-    jener Jahre erhaltene schwere Gründerzeitmöbel im Stil
dings zugestehen muss, dass sich zwar alljährlich         der Neorenaissance künden noch heute im Staatsarchiv
die aktiven Zutritte und Austritte zur Gesellschaft die   von diesem bürgerlich gediegenen Ambiente. Bald dar-
Waage halten, aber durch die demografische Struk-         auf trat die Historische Gesellschaft zunächst in räumli-
tur die nicht wenigen Todesfälle hinzukommen. Dass        che Verbindung zum Staatsarchiv: Seit 1915 in dem 1909
dies in Deutschland auch andere Geschichtsvereine         vom Staatsarchiv bezogenen Neubau An der Tiefer.
ähnlich trifft, ist dabei kein wirklicher Trost.          Nach dessen Verlust im Bombenkrieg nutzte das Staats-
                                                          archiv die Rutenberg-Villa und den Luftschutzbunker Am
22                                                                           Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser        Die Historische Gesellschaft Bremen                                                                                    23

                                                             Jubiläumsfeier zum 150-jährigen Jubiläum der Historischen
                                                             Gesellschaft Bremen mit Festakt in der Oberen Halle des
                                                             Bremer Rathauses am 19. März 2012. Festredner Sven Felix
                                                             Kellerhoff, Berlin

                                                             mittlerweile 97 Bänden aus über 150 Jahren macht es
                                                             frühere und aktuelle Geschichtsforschung in Bremen
                                                             verfügbar – dies seit 2011 auch vollständig digital und
                                                             online. Die älteste noch erscheinende Zeitschrift der
                                                             Freien Hansestadt Bremen verbindet somit die Anfänge
                                                             des wissenschaftlichen Publikationswesens in Bremen
einer Universität in Bremen im Jahr 1971 die wichtigste      mit den neuesten Entwicklungen im digitalen Zugriff auf
institutionelle Neuerung. Obwohl bei dieser Universi-        Wissen und Geschichte.53
tätsgründung mit dem Schwerpunkt Lehrerausbildung                 Im Jahr 2012 gelang es anlässlich des 150-jährigen
von Anfang an der Fachbereich Geschichte eine wich-          Bestehens des Vereins, den Publikationen neben den
tige Rolle spielte, kamen Universität und Geschichtsver-     Beiträgen und Spenden als bewährtes Finanzfundament
ein aber nur zögerlich zusammen. Zu unterschiedlich          ein weiteres tragendes Element in Gestalt einer Stiftung
waren offenbar zunächst die Interessen des hanse-            zugunsten von Forschungen zur bremischen Landesge-
städtischen Traditionsvereins und die Ausrichtung            schichte hinzuzufügen. Durch die großzügige Spende
und Einbindung der Geschichtswissenschaft in der             eines Mitgliedes konnte unter dem Namen »Stiftung
Reformuniversität. Es dauerte auch, bis Wissenschaft-        Landesgeschichte der Historischen Gesellschaft Bre-         Dänemark-Exkursion 2013: Mit dem Nachbau eines Wikingerschiffes auf dem Roskilde-Fjord
ler aus der Universität im Bremischen Jahrbuch publi-        men e.V.« eine Stiftung gegründet werden. Die Stiftung
zierten. Zunächst war dies nur Herbert Schwarzwäl-           Landesgeschichte ist als zustiftungsfähige Einrichtung
der (1919 – 2011), der allerdings bereits seit seiner Zeit   darauf angelegt, weiter zu wachsen. Stiftungszweck          bus auch veritable Studienfahrten mit Bus- und Flugrei-      begriffen, die nothwendige Richtung seiner Bestrebun-
als Lehrer in Bremen bzw. als Professor an der Päda-         ist lt. § 2 ihrer Satzung »die Förderung von Veröffentli-   sen von Skandinavien bis nach Italien im Programm des        gen kann nur dann […] erkannt werden, wenn zu der
gogischen Hochschule regelmäßiger Autor und zudem            chungen und Forschungen zur bremischen Geschichte,          Vereins zu finden.                                           Vertrautheit mit der gegenwärtigen Lage desselben
der kommende Historiker für die Stadt- und Landes-           namentlich des Bremischen Jahrbuchs als landeshis-                                                                       auch die mit seiner Vergangenheit kommt. Es ist unsere
geschichte Bremens war.50 Auch im Vorstand näherte           torische Zeitschrift für alle Sparten der bremischen                                                                     lohnende Aufgabe, diese Vertrautheit zu fördern, hoffen
man sich vorsichtig der Universität an: Vom 1979 – 1983      Geschichtsforschung.«54                                     6. Aus- und Rückblick                                        wir, dass uns nie die Mittel, nie die Kräfte fehlen, ihr zu
gehörte ihm als Beisitzer der Technikhistoriker Prof. Dr.         Die seit 1968 nicht mehr fortgeführte Zweite Reihe                                                                  genügen.«57
Karl Heinz Ludwig an, für ihn trat 1983 der Lehrstuhlin-     des Bremischen Jahrbuchs konnte durch die Stif-             Was bleibt aus mehr als 150 Jahren Vereinsgeschichte
haber für mittelalterliche Geschichte, Prof. Dr. Dieter      tungsgründung im Jubiläumsjahr 2012 zu neuem Leben          im Sinne einer lebendigen Traditionspflege als Auftrag
Hägermann, als Beisitzer in den Vorstand.51 Hägermann,       erweckt worden: Die Stiftung Landesgeschichte ermög-        und Verpflichtung für die kommenden Jahre bestehen?          Anmerkungen
der sich dann auch Themen der bremischen Stadt- und          lichte dort mit anderen Bremer Stiftungen und dem           Gerade in einem stadtstaatlichen und hansestädtischen        1   Bremisches Jahrbuch 1, 1863, S. 3 ff. Vgl. auch StAB
Landesgeschichte zuwandte, leitete von 1994 bis 2004         Staatsarchiv die Erstedition des ältesten Bremer Bür-       Umfeld könnte dies die Verbindung von individuellem              7,1006 – 1 Historische Gesellschaft, Statuten und Regula-
                                                                                                                                                                                          tive, dort auch die Gründungsprotokolle.
als Vorsitzer und von 1990 – 1994 sowie von 2004 bis zu      gerbuchs, die 2015 erschien.55 In dieser Tradition soll     Interesse und Gemeinsinn im Sinne einer Teilhabe am          2   Vgl. Statuten und Protokoll vom 19. März 1862 ebd.
seinem Tod im Jahr 2006 als Stellvertreter die Geschicke     die Zweite Reihe als Ort für Quelleneditionen fortgesetzt   Gemeinwesen sein. Ganz so, wie dies schon Wilhelm            3   Vgl. zu Hamburg: Sebastian Husen, Vaterstädtische
des Vereins. Er lenkte in dieser Zeit v.a. das Vortrags-     werden.                                                     von Bippen als Vorsitzer in seinem Bericht zum 10-jähi-          Geschichte im republikanischen Stadtstaat, Studien zur
                                                                                                                                                                                          Entwicklung des Vereins für Hamburgische Geschichte
wesen (wieder) in stärker wissenschaftliche und auch              Es bleibt aus der Trias der Tätigkeiten noch auf die   gen Bestehen der Historischen Gesellschaft Bremen im             (1839 – 1914), Hamburg 1999 (Veröffentlichungen des
außerbremische Bahnen.52                                     Exkursionen hinzuweisen, die ebenso eine Professiona-       März 1872 skizziert hatte:                                       Vereins für Hamburgische Geschichte. 45) und Renate
    Einen weiteren roten Faden der wissenschaftlichen        lisierung als Studienfahrten erfahren haben.56 Waren die        »Es ist gewiss, dass ein thatkräftiger Patriotismus          Hauschild-Thiessen, 150 Jahre Verein für Hamburgische
                                                                                                                                                                                          Geschichte, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische
Kontinuität bildet im Bereich der Publikationen bis heute    ersten diesbezüglichen Aktivitäten anfangs noch einfa-      nicht bestehen kann, ohne lebhafte Theilnahme an den
                                                                                                                                                                                          Geschichte 76, 1990, S. 1 – 11.
das Bremische Jahrbuch, seit Band 53 (1975) verant-          che Wanderungen in die städtische Umgebung, die mit         Angelegenheiten der Gemeinde, der wir zunächst die           4   StAB 7,1006 – 1 Bestand Historische Gesellschaft Bremen,
wortet von einem Redaktionsausschuss und herausge-           Stock und Schirm in Angriff genommen wurden, so sind        Sicherheit unserer Existenz verdanken; und wiederum              Vortrag Focke 1846, S. 15.
geben vom Staatsarchiv. Mit Hunderten Beiträgen in           heute neben den geführten Tagesfahrten mit dem Reise-       der echte Werth dieses Gemeinwesens kann nur dann            5   Ebd., S. 21.
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