Die Historische Gesellschaft Bremen - Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
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Konrad Elmshäuser Thomas Elsmann Die Historische Gesellschaft Bremen Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen
Konrad Elmshäuser Thomas Elsmann Die Historische Gesellschaft Bremen Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 2014 – 2017: Hans Kloft (Hrsg.) Bürgersinn und Vereinskultur –Vereine im Stadtstaat Bremen Mit 124 Abbildungen ISBN 978-3-95494-149-0 ISSN 0447-2624 www.edition-falkenberg.de 1. Auflage 2018 Herausgeber der Reihe: Wittheit zu Bremen Redaktion: Hans Kloft / Lars U. Scholl Das Copyright © liegt bei den Autoren und der Edition Falkenberg, Bremen Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder irgendein anderes Verfahren) ohne schriftliche Erlaubnis des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder Edition Falkenberg verbreitet werden.
5 Vorwort Als die Wittheit zu Bremen ihr Jahrbuch 2014-17 die bremische Geschichte am Herzen. Sie will deren unter dem Titel »Bürgersinn und Vereinskultur« der Erforschung befördern und zur Befassung mit der- Geschichte der Vereine und der Vereinskultur in der selben in Vorträgen, Publikationen und Exkursionen Freien Hansestadt Bremen widmete, hat selbstver- ermuntern, sie regt hierzu wissenschaftliche Pro- ständlich auch die Historische Gesellschaft Bremen jekte, aber auch Laienarbeit an, fördert Publikation zu dem Band einen Beitrag beigesteuert. – namentlich über die Stiftung Landesgeschichte Um diesen Beitrag zur Geschichte des bremi- der Historischen Gesellschaft Bremen – und ist mitt- schen Geschichts- und Altertumsvereins einem wei- lerweile im Alter von mehr als 150 Jahren durchaus teren Kreis von Interessierten zukommen lassen zu selbst zum lohnenden Gegenstand der historischen können und auch, um Mitgliedern – zumal neu beige- Forschung geworden. In ihrer Geschichte spiegelt tretenen – einen kurzen Einblick in die über 150jäh- sich die in der Freien Hansestadt Bremen durch Bür- rige Geschichte ihres Vereins zu geben, hat die His- gersinn und Bürgerengagement getragene Kultur des torische Gesellschaft einen Sonderdruck anfertigen wissenschaftlichen Vereinswesens. lassen, für dessen Fertigung sie der Edition Falken- Hierzu will sie auch in Zukunft gerne beitragen berg dankt. und ist dafür darauf angewiesen, dass sie von enga- Die Historischen Gesellschaft Bremen zählt gierten Mitgliedern getragen wird, denen der Sinn für zu den Gründervereinen der Wittheit und auch zu Bremens Geschichte Anliegen und Herzensangele- den ältesten in Bremen noch aktiven Vereinen aus genheit zugleich ist. den Bereichen Kultur und Wissenschaft. Der 1862 Der vorliegende Text soll hierzu als Anregung die- gegründeten Historischen Gesellschaft Bremen liegt nen. Bremen, im März 2019 Prof. Dr. Konrad Elmnshäuser Vorsitzer Historische Gesellschaft Bremen e.V. Der Bremer Roland steht seit 1404 für die Freiheitsrechte der Hansestadt Bremen
7 Die Historische Gesellschaft Bremen – Der Geschichts- und Altertumsverein der Freien Hansestadt Bremen Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Prolog rischen Gesellschaft betrachtet worden, auf das alle späteren Jubiläen Bezug genommen haben.2 Am 13. Juli 1861 fanden sich in Bremen 16 Herren Es wäre ein Leichtes diesen Gründungsvorgang »theils durch naturwissenschaftliches, theils durch als erfreuliche und vorausschauende Erfolgsge- historisches Interesse« zusammen, um eine »Sec- schichte des bremischen Vereinswesens zu schil- tion des Künstlervereins zur Erhaltung Bremischer dern, trat doch damit ein noch heute bestehender Alterthümer« zu gründen.1 Die schon bald unter Verein ins Leben, der in den kommenden Jahrzehnten dem Namen »Verein für Bremische Geschichte und Wichtiges für die Freie Hansestadt leisten sollte und Alterthümer« geführte Sektion fand im Folgejahr am bis heute – im 156. Jahr seines Bestehens – ein stets 19. März 1862 die Genehmigung und formale Aner- aktiver Teil des wissenschaftlichen Vereinswesen in kennung durch die Generalversammlung des Künst- Bremen gewesen ist. lervereins und konnte damit als Unterabteilung Doch weist schon im Jahr darauf (1863) der (Abtheilung für Bremische Geschichte und Alterthü- erste Jahresbericht des Geschäftsausschusses mer) desselben ihre Arbeit aufnehmen. Dieses Datum der Abtheilung des Künstlervereins für Bremische ist stets als eigentliches Gründungsdatum der Histo- Geschichte und Alterthümer, der dem ersten Band Diedrich Rudolf Ehmck (1836-1908), Historiker, Senator, Mitbegründer und 1862 – 1875 erster Vorsitzer der Historischen Gesellschaft Bremen Annahme der Statuten der »Abtheilung des Künstlerver- eins für Bremische Geschichte und Alterthümer«, zugleich Gründungsdokument der His- torischen Gesellschaft Bremen vom 19. März 1862
8 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 9 des Bremischen Jahrbuchs vorangestellt wurde, Gesellschaft von 1765 von Hamburger Bürgern ins darauf hin, dass mit Gründung dieser Sektion endlich Leben gerufen worden war.3 In Ermangelung eines ein in Bremen schon lange als Mangel bedauerter Vereins wie »der sogenannten patriotischen Gesell- Zustand behoben wurde – und selbst dies nicht gänz- schaft Hamburg´s« in Bremen hatte Focke den Advo- lich befriedigend. Dort heißt es: katenverein als Gründungsgesellschaft auserse- »Inzwischen (d.i. lange vor 1860) aber mehrte sich hen.4 Dieser sollte »aus seiner Mitte einen Ausschuß die Zahl der Vereine im ganzen übrigen Deutschland erwählen […] zur Errichtung eines Vereins für bre- in einer Weise, die es auffallend erscheinen lassen mische Geschichte«.5 Focke hatte die Strukturen mußte, daß eine seiner ältesten Städte, die sich bis des Vereins mit »Grundgesetzen«, Statuten und acht heute als selbstständiges Gemeinwesen behaup- Sektionen schon beschlussreif vorbereitet und sein tet hat, nicht bei diesen gleichartigen und zum Theil Aufruf fiel zunächst in Bremen auch auf fruchtba- gemeinsamen Bestrebungen vertreten sei. Denn ren Boden. Immerhin rund 40 einflussreiche Perso- die meisten dieser Vereine verfolgen nicht blos eine nen des öffentlichen Lebens, darunter Johann Smidt, locale Tendenz, nicht blos das Ziel, die geschichtliche Otto Gildemeister, Heineken, Thulesius, Karl Th. Oel- Kunde ihrer engeren Heimath zu verbreiten, sondern richs, D. Wätjen und u.a. die Pastoren Treviranus, sie thaten dies theils mit dem jene Thätigkeit bele- Kohlmann und Duntze unterstützten das Vorhaben.6 benden und ihr höhere Gesichtspunkte zuführenden Doch nachdem Focke noch zu einer Versammlung Bewußtsein, damit Bausteine zur Geschichte des am 7. April 1847 eingeladen hatte, um den Histori- gemeinsamen Vaterlandes beizutragen […].« schen Verein nun ins Leben zu rufen, blieb letztlich Mit anderen Worten: Der Gesellschaft hafteten alles ergebnislos und die Bemühungen wurden noch schon bei ihrer (Vor-) Gründungssitzung am 13. Juli im Jahr 1847 eingestellt.7 Noch 1854 forderte Bürger- 1861 und auch nach der am 19. März 1862 erfolgten meister Johann Smidt, dass für die »vaterstädtische Genehmigung ein gewisser Makel an. Sie war, nach Geschichtsschreibung« mehr Sorge getragen wer- Die Glocke und das Gartenlokal des Künstlervereins Bremen, Postkarte um 1900 eigener Einsicht der Berichterstatter, eine »späte den müsse, ohne dass dies zu Schritten wie einer Ver- Geburt«, und sie war nur eine unter den Abteilungen einsgründung geführt hätte. Wie auch immer die Hin- des 1856 gegründeten Künstlervereins, dessen Vor- tergründe der gescheiterten Ausgründung aus dem nannte und erstmals 1874 im Bremisches Jahrbuch Die Anbindung an den Künstlerverein war stand die Gründung am 9. März 1862 als Abteilung Advokatenverein zu beurteilen sind,8 der Vorgang bezeichnete), die ab sofort einen eigenen Vorstand bereits bei der Gründung der Historischen Gesell- anerkannt hatte, freilich ohne nennenswerte Selbst- macht deutlich, dass in Bremen noch in den 1840er stellte. Der Künstlerverein hatte seit seiner Gründung schaft nicht unumstritten.11 Man sah aber zunächst bestimmung (wie die Statuten belegen). Jahren eine gänzlich eigenständige Gründung eines neben die Pflege von Kunst, Literatur und Musik, Bil- die Vorteile des Künstlervereins, seinen Einfluss und Zudem hatte die Gründung von 1861/62 einen Geschichtsvereins auch von angesehenen namentli- dung durch Vorträge und freien Gedankenaustausch seine (zumindest zeitweilig) gute finanzielle Ausstat- erfolglosen Vorlauf, denn erste Versuche zur Grün- chen Unterstützern einer solchen Unternehmung als stets ein gesellschaftliches Moment gestellt: in Form tung, zudem waren viele der Gründungsmitglieder dung eines historischen Vereins für Bremen sind nicht tragfähig erachtet wurde. Es verwundert daher von Unterhaltung und bevorzugt Festivitäten. Hier in beiden Vereinen vertreten. Noch nach 50 Jahren bereits in den Jahrzehnten zuvor nachzuweisen. nicht, dass der zweite Anlauf in dieser Angelegenheit deutet sich bereits in nuce das Schicksal an, was bestand die Verbindung fort, auch wenn sie schon im Der Jurist Wilhelm Focke (1805 – 1865) hatte in Bre- sich wieder eines »Muttervereins« versicherte, dies- in vergleichbarer Art die im Sinne der Aufklärung Jahr 1912 von Wilhelm von Bippen als »ungünstig« men Pläne zur Gründung eines historischen Vereins mal im Jahr 1861 des Künstlervereins. gegründete Gesellschaft Museum zum Beginn des empfunden wurde,12 blieb sie dennoch zumindest for- verfolgt und im Jahr 1846 mit einem Vortrag vor dem Der Künstlerverein, dessen Geschichte seit sei- 19. Jahrhunderts ereilt hatte: der gesellschaftlich- mell bis 1936 bestehen. Advokatenverein den Anstoß zur Gründung eines ner Gründung bis zu seiner Auflösung im Jahre unterhaltende Aspekt verdrängte zusehends den Zunächst hatten die Nähe und die personelle »Vereins für Bremische Geschichte« geben wollen. 1936 bis heute nicht befriedigend erforscht ist, wissenschaftlich-bildenden. Die Feste des Künst- Verflechtung mit dem Feste und Feiern liebenden Focke sah sich angeregt und ermutigt durch das Vor- bestimmte insbesondere bis zur Jahrhundertwende lervereins nahmen überbordende Formate an, das Künstlerverein auch in der Historischen Gesell- bild der Gründung eines historischen Vereins in der die Geschichte der Historischen Gesellschaft9 und Repräsentieren und Amüsement – so schien es schaft schon früh Elemente typischer bürgerlicher hanseatischen Schwesterstadt Hamburg im Jahr auch das Kulturleben des bremischen Bürgertums.10 – standen im Vordergrund. Zugleich wurde er zum Vereinskultur ausgeprägt. Hiervon zeugen noch 1839. Focke wollte sich daher in Bremen »so viel wie Ursprünglich in fünf Sektionen unterteilt, konnten Forum zweier ›Selbstdarsteller‹, die auf ihre eigene heute prunkvolle »Urkunden«, zu deren Gestal- möglich nach dem Muster des Hamburgischen […] ab 1871 die Abteilungen des Künstlervereins ein Weise in Konkurrenz die bremische Kultur der Zeit tung sich zahlreiche Entwürfe im Archiv des Ver- Vereins« richten, wo der Verein für Hamburgische Stück Selbstständigkeit erreichen. Darunter die heu- prägten: Heinrich Bulthaupt (1849 – 1905) und Arthur eins erhalten haben.13 Sie bildeten für die Ernen- Geschichte 1839 gefördert durch die Patriotische tige Historische Gesellschaft (wie sie sich seit 1871 Fitger (1840 – 1909). nung von Ehrenmitgliedern und von auswärtigen
10 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 11 liotheca Bremensis, die Bibliothek des Gymnasium Illustre, mit allerlei ›Merkwürdigkeiten‹ ausgestat- tet, darunter Urnen, die aus dem bremischen Gebiet stammten.18 Nun ist das Sammeln und die Erwerbung von bremischen Altertümern das eine; das andere ist ihre adäquate Unterbringung. Alle gefundenen »Lösun- gen« (Dom, Glocke) waren unzureichend, so dass im Sommer 1878 unter Zustimmung des Künstlerver- eins die bisherigen Sammlungsgegenstände an den bremischen Staat abgetreten wurden. Erst als sich Johann Focke (1848 – 1922) systematisch der Sache annahm, gelang im Juni 1900 die Eröffnung des His- torischen Museums in Teilen des ehemaligen Katha- rinenklosters. Die Historische Gesellschaft hat hier aber die vorbereitende Kärrnerarbeit geleistet. »Sei- nem Doppeltitel ›Geschichte und Altertumskunde‹ entsprechend hatte der Verein«, wie es Wilhelm von Bippen formulierte, neben der historischen For- schung auch der Gründung des Museums »seine Kräfte geliehen«.19 Doch waren diese Kräfte vielleicht überschätzt worden. Rückblickend war das selbst gesetzte inhalt- liche Konzept der jungen Gesellschaft zu ambitioniert, Blankourkunde für die Ernennung korrespondierender Ernennungsurkunde für J.W. Lappenberg (Hamburg) zum Einblattdruck eines Liedtextes von Alfred Kühtmann auf wenigen Schultern ruhte (zu) Vieles. So musste Mitglieder der Historischen Gesellschaft Bremen, um 1900 Ehrenmitglied der »Abtheilung des Künstlervereins für Bre- (1847 – 1931) für die 25-jährige Stiftungsfeier der Histori- die Verwaltung der sog. »Dombibliothek« nach weni- mische Geschichte und Alterthümer« vom 27. Oktober 1864 schen Gesellschaft am 19. März 1887 gen Jahren aufgegeben werden. Es handelte sich dabei wesentlich um das Legat von Gerhard Meyer (1774 – 1855), der nach seinem Tode seine gesamte korrespondierenden Mitgliedern öffentlich wirk- 1. Ziele und Aktivitäten: Die erste Generation mischer ›Antiquitäten und Kunstdenkmäler‹ in den Sammlung an Bremensien (Bücher, Buchhandschrif- same Vorlagen, die auch nach außen hin das bür- Räumen des Künstlervereins stattgefunden hatte.14 ten, Bildnisse, Stiche etc.) dem Dom vermachte, in gerlich-kunstsinnige Anspruchsniveau des Vereins Doch noch einmal zurück zu den Anfängen: Zur Das Interesse des neuen Vereins richtete sich, fest- der Hoffnung, hier eine neue Bibliothek zu begrün- dokumentierten. Dies wohl auch nicht zuletzt, weil Gründung der Historischen Gesellschaft hatte es gelegt in den ersten Statuten, zuvörderst auf sog. den.20 Dies scheiterte, da weder adäquate Räum- man als späte Gründung zumindest gegenüber den nach den gescheiterten Versuchen von 1846/47 ›Realien‹,15 die zu sammeln oder zumindest zu ver- lichkeiten noch Mittel vorhanden waren. 1868 wurde Schwestervereinen in Hamburg und Lübeck in die- auch im Jahr 1861/62 eines unmittelbaren Anlasses zeichnen waren. Damit war der Verein mehr in einer der Gesamtbestand nach maßgeblichem Einsatz des ser Hinsicht noch Boden gutzumachen hatte. All bedurft: Durch den Bau der ›Neuen Börse‹ änderte lokalen institutionellen Vorreiterrolle, nicht aber seit 1863 amtierenden ersten hauptamtlichen Stadt- dies endete weitgehend mit dem Kaiserreich und sich das Bild in Bremens Mitte grundlegend. An in einer intellektuellen. Spätestens seit dem Ende bibliothekars Johann Georg Kohl (1808 – 1878) für die sollte nach dem Ersten und besonders nach dem der Ostseite des Markts mussten zahlreiche Häu- des 17. Jahrhunderts entwickelte sich – parallel zu städtische Bibliothek erworben.21 1874 übernahm Zweiten Weltkrieg einer sehr viel nüchterneren ser und die Grundmauern der alten Willhadika- den auf Repräsentation ausgerichteten adeligen die Stadtbibliothek zusätzlich den inzwischen ange- Vereinskultur Platz machen. Jedenfalls hat die ver- pelle niedergerissen werden. Die dabei gemach- Raritätenkabinetten – im Privaten eine Sammellei- wachsenen Bücherbestand der Historischen Gesell- einsinterne Kultur der Selbst- und Außendarstellung ten Funde schienen spektakulärer Art und waren denschaft, die neben die obligatorischen Bücher, schaft.22 später nicht wieder ein solch selbstbewusst sinnen- zu konservieren – aber wie? Und von wem? Nun Manuskripte, Münzen und Medaillen auch sog. Zwei Formate bildeten sich allerdings bereits in freudiges Niveau erreicht, das sich im späten 19. fügten sich die aktuellen Funde offenbar in ein all- ›Kuriosa‹ stellte.16 In Bremen sind dafür z. B. Johann den frühen Jahren heraus, die bis heute die Histori- Jahrhundert natürlich auch auf Formen der bürgerli- gemein empfundenes Bedürfnis, zumal bereits im Heinrich Eggeling (1639 – 1713)17 und Johann Philipp sche Gesellschaft bestimmen: Das Vortragswesen chen Geselligkeit bezog. Frühjahr 1861 eine viel besuchte Ausstellung bre- Cassel (1707 – 1783) Belege. Zugleich war die Bib- und mit dem Bremischen Jahrbuch das identitätsstif-
12 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 13 Urkundenbuches berufen wurde und seit 1875 ers- Reformationsgeschichte (1885), Bremische Werk- ter wissenschaftlicher Staatsarchivar war.23 Er sollte meister (1890), Wilhelm von Bippens dreibän- der Historischen Gesellschaft von 1875 – 1881 und dige Geschichte der Stadt Bremen (1892 – 1904), 1893 – 1912 vorstehen. Nachdem Ballast (Bibliothek, die Bremischen Biographien (1912 und 1962) und Realien) abgeworfen war, konzentrierte sich die die Bremische Weihnachtsblätter (1928 – 1958) – Gesellschaft fortan auf die qualitative Verbesserung dies sind nur die wichtigsten Stichworte neben ihrer Publikationen. Neue Namen traten in den Vor- wissenschaftlichen Flaggschiffen wie dem bis dergrund: Neben von Bippen selbst, Franz Buchenau heute siebenbändigen Urkundenbuch (bis 1447).27 (1831 – 1906, Lehrer, Landeskundler), Ernst Dünzel- Letzteres ist bis heute von unersetzlichem Wert, so mann (1846 – 1907, Lehrer, Historiker), Johann Fried- aber auch z.B. die 1912, somit an der Grenze der Über- rich Iken (1837 – 1902, Pastor und Kirchenhistoriker) gabe des Vorsitzes der Historischen Gesellschaft an und Alfred Kühtmann (1847 – 1931, Jurist). Zugleich Hermann Entholt (1870 – 1957, Vorsitzer 1912 – 1950), Bremisches Jahr- hatte man 1885 mit den Quellen zur Bremischen publizierte Bremische Biographie des neunzehnten buch. Außeneinband Reformationsgeschichte eine zweite Serie zum Bre- Jahrhunderts, deren erste Skizzierung bereits in den von Band 96, 2017 mischen Jahrbuch eröffnet, die wesentlich Quel- 1870er Jahren nachzuweisen ist. len und Materialien präsentieren sollte; 1891 folgte tende Publikationsorgan, das bis heute wesentlich eine – allerdings unzulängliche – Ausgabe der Kir- die wissenschaftliche Außenwirkung des Vereins chenordnung von 1534 durch Johann Friedrich Iken. 2. Kontinuitäten, Brüche, Wandlungen prägt. Folgt man den dem Jahrbuch zunächst voran- Tatsächlich wurde die Reihe dann erst wieder 1968 »Denkmale der Geschichte und Kunst der Freien Hansestadt gestellten und heute am Schluss publizierten Jah- (!) mit den Matrikeln des Gymnasium Illustre zu Bre- Bremen«, Prunkkassette in rotem Leder und Gold für die Die Historische Gesellschaft war von ihrer poli- resberichten des Vereins, so fanden pro Session im men fortgeführt, an die sich rezent 2015 – als Beitrag Widmungsexemplare des Bremer Senats tisch-gesellschaftlichen Ausrichtung her ein bür- Schnitt sieben bis zehn Vorträge statt, die z.T. als Bei- zum 150-jährigen Jubiläum – die Edition des Bremer gerlich-konservativer Verein mit einer eher »hierar- träge gedruckt wurden. Der Kreis der Vortragenden chischen« Führungsstruktur, in diesem Sinne wurde war – im Übrigen ebenso wie die Anzahl der Besu- Bürgerbuchs anschloss.24 Als besondere Leistung sie geführt von Wilhelm von Bippen, über Hermann cher – überschaubar, er rekrutierte sich zunächst des 19. Jahrhunderts bleibt allerdings die bereits Entholt bis zu Friedrich Prüser (1892 – 1974, Vorsitzer fast durchweg aus Bremern, die wesentlich bremi- spätestens 1862 auf Initiative des Künstlervereins 1950 – 1973). Ihre Vortragstätigkeit war an ein wei- sche Themen vortrugen. Dabei kristallisierte sich in beschlossene Reihe Denkmale der Geschichte und tes Publikum gerichtet, sie erreichte aber z.B. nicht den frühen Jahren ein Kern an Personen heraus, die Kunst der Freien Hansestadt Bremen hervorzuhe- die Kreise, die der Verein Vorwärts ansprach, der auch die Beiträge für das Bremische Jahrbuch bei- ben, ein in weiten Strecken unkritisches, aber bis durchaus auch bremische Themen popularisierte. steuerten: Diedrich Ehmck (1836 – 1908), der erste heute besonders durch die von Georg Justus Hun- Die im Bremischen Jahrbuch regelmäßig publizier- Herausgeber des Bremischen Urkundenbuches und ckel (1808 – 1871) erstellten Lithografien beeindru- ten Berichte des Vorstandes können wie politische erste Vorsitzer 1862 bis 1875, Johann Georg Kohl, der ckendes Werk. Es kam nur zögerlich in Gang und Seismografen gelesen werden. War im ersten Jahr- heute vergessene Sprachforscher Elard Hugo Meyer sollte letztlich bis 1876 in drei Bänden resultieren. Im buch »Vaterland« noch eine mehr oder minder unbe- (1837 – 1908), Hermann Alexander Müller (1814 – 1894, ersten Band (1864) wurden wesentlich das Rathaus, stimmte, romantisierende »Leerformel«, so wurde in Lehrer am Gymnasium der Hauptschule) und der der Roland und das Vasmerkreuz thematisiert.25 Der den Berichten der Jahrbücher 1872 und 1874 sowohl Jurist Hermann Albert Schumacher (1839 – 1890). ursprünglich als Folgeband vorgesehene Teil über von einem aufgezwungenen Krieg als auch von »poli- Ein hohes Maß an Professionalisierung erhielt die bremischen Kirchen erschien erst 1876, daher tischer Wiedergeburt« gesprochen. die Gesellschaft durch den im Sinne des Historismus wurde 1870 von Johann Georg Kohl ein Band unter Im Berichtszeitraum vom Oktober 1914 bis Okto- ausgebildeten Wilhelm von Bippen (1844 – 1923), 1870 dem Titel Episoden aus der Cultur- und Kunstge- ber 1915 (veröffentlicht 1916) heißt es noch ganz nach Bremen zur Weiterführung des Bremischen schichte Bremens in den Druck gebracht.26 patriotisch-optimistisch:28 »Der gewaltige Krieg, der Durchaus beeindruckend waren somit in den trotz der ungeheuren und siegreichen Anstrengun- Anfängen der Historischen Gesellschaft ihre Publi- gen unserer Heere nach fünfzehn Monaten noch kationsimpulse: Bremische Denkmäler (1862), Bre- nicht beendet ist […].« Der Ton blieb, der Geist misches Jahrbuch (seit 1863), Bremisches Urkun- ebenso – wie in einem Spiegel sichtbar im 28. Jahr- Wilhelm von Bippen (1844 – 1923) denbuch (1873 – 1993), Quellen zur bremischen gang des Bremischen Jahrbuchs, das erst 1922 ver-
14 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 15 öffentlicht wurde und vier Jahresberichte bis Herbst dungssenator Richard von Hoff (1880 – 1945), einen men, zusammenfasste. Von ihr, die in glücklicher Bis zu einer ausführlichen Untersuchung über 1922 beinhaltete: »Auf das abgelaufene Vereinsjahr fanatischen Rassekundler,32 in den Vorstand der Weise Bindung und freie Betätigung vereinigt, dür- »Die Historische Gesellschaft Bremen und ihr Umfeld warf das traurige, unerwartete Ende des vierjähri- Gesellschaft zu berufen. Von Hoff fabulierte in der fen wir zuversichtlich einen weiteren Aufschwung in der NS-Zeit« sollten noch einige Jahrzehnte ver- gen ungeheuren Völkerringens mit aller äußeren erstmals 1940 vom Direktor der Staatsbibliothek Bre- erwarten. Er wird sich umso mehr bemerklich gehen. Im Jahr 2007 wurde eine solche Arbeit jedoch und inneren Bitternis, die ihm folgte, seine tiefen men Hinrich Knittermeyer (1891 – 1958) und dem völ- machen, wenn erst der siegreiche Frieden errungen durch den Hamburger Historiker Helmut Stubbe Schatten. Aber wir haben uns bemüht, durch Kum- kisch-nationalistischen Lehrer und Heimatkundler ist, den uns die weise Staatsführung des Deutschen da Luz im Bremischen Jahrbuch veröffentlicht. Auf mer und Not hindurchschreitend, an unserem Teile Diedrich Steilen (1880 – 1961) herausgegeben, nati- Reiches und die des höchsten Ruhmes werten Waf- seine Analysen von Vorstand, Mitgliedern, Forschun- unsere Aufgabe zu erfüllen und die heilige Flamme onalsozialistisch geprägten Landeskunde »Bremen. fentaten unseres siegreichen Heeres in nicht zu fer- gen und Publikationen zwischen 1933 und 1945 sei deutscher Wissenschaft pflegend, auf dem uns Lebenskreis einer Hansestadt« dann auch über: ner Zukunft bescheren mögen.« – Zur Nagelprobe daher hier im Einzelnen verwiesen. Insgesamt lässt zugewiesenen Felde der historischen Heimatfor- Die rassische Eigenart des Bremers.33 In von Hoffs eines politisch gesteuerten Verhältnisses zwischen sich ihnen entnehmen, dass das Bremische Jahr- schung nach der Wahrheit zu suchen.« Was blieb Person lag zudem eine äußere Quelle zur ›Neuaus- Wittheit und den Vereinen kam es indes nicht mehr, buch jener Jahre »weitgehend politisch unauffäl- waren »Not« und »Bedrückung«; selbst 1924 fin- richtung‹ der Historischen Gesellschaft. Ausgangs- ebensowenig zu einer Auseinandersetzung mit der lig ausgefallen« sei und es dem Verein z.B. gelang, det sich noch die pessimistische Behauptung: »So punkt war die im Oktober 1924 gegründete Bremer Vereinspolitik in der NS-Zeit. trotz der erwähnten NS-Einflussnahmen einen Arier- schwer auch die Zeit auf jedem guten Deutschen Wissenschaftliche Gesellschaft, die spätere Witt- Wer Friedrich Prüsers Beitrag unter dem Titel paragraphen nur für den Vorstand in die Satzung lastet, so tief sie auch jede geistige und wissen- heit zu Bremen, die u.a. die Publikationen der wich- »Vierzig Jahre Historische Gesellschaft. 1922 – 1962« aufzunehmen.37a Vielleicht hat damals gerade die schaftliche Betätigung mit ihren dunklen Wolken tigsten Vereine führte.34 Immerhin war die Histori- im Bremischen Jahrbuch 1962 kritisch liest, wird fest- konservative Grundhaltung der Vereinsführung und beschatten mag […].«29 Die unverhohlene Skepsis sche Gesellschaft mit zwei anderen Vereinigungen stellen müssen, dass Prüser abwiegelt, ja das eigent- v.a. ihr Verzicht auf Popularisierungen der bremi- gegenüber der Weimarer Republik ließ die Anpas- Gründungsmitglied der Bremer Wissenschaftlichen liche Problem für den Verein in der unmittelbaren schen Geschichtswissenschaft dazu geführt, dass sung an den Nationalsozialismus leicht fallen.30 1934 Gesellschaft. Entholt war längere Zeit gleichzeitig Nachkriegszeit verortet: »Unter diesen Umständen »die NS-Politisierung der Historischen Gesellschaft wurde die Gesellschaft nach dem »Führerprinzip« Präsident der Wittheit und der Historischen Gesell- hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis man wieder zu sich in Grenzen gehalten hat«.37b Für deutlich NS- umgestaltet und Hermann Entholt in diesem Sinne schaft. So wurde das Bremische Jahrbuch zur Reihe Vorträgen und Vorbereitungen für einen neuen Band affine historische Themen und Betrachtungen stand ernannt. Die ›Neuausrichtung‹ der Historischen A, die von Entholt 1928 begründeten Weihnachts- des Jahrbuches kommen konnte. Es kam hinzu, daß zudem mit der offiziösen Bremer Stadtzeitschrift »Der Gesellschaft hatte innere und äußere Quellen: Im blätter zur Reihe H. Nach der Machtübernahme ›politische Gründe‹, die bekannte Entnazifizierungs- Schlüssel« seit 1936 ein populäres Organ zur Ver- Inneren verhielten sich Entholt und sein Nachfol- der NSDAP in Bremen wurden die Präsidenten der gesetzgebung samt ihren Vorstufen, den Bestand des fügung, in dem Wissenschaftler der Historischen ger in der Leitung des Staatsarchivs Friedrich Prü- Gesellschaft vom Senat ernannt: zunächst Her- Vorstandes erschütterten. Es hat Jahre gedauert, bis Gesellschaft wiederum vielfach publizierten.37c ser in ihren vor-demokratischen Grundhaltungen mann Entholt, dann ab 1936 Hinrich Knittermeyer. hier wieder alles so beieinander war, daß eine gedeih- rasch systemkonform, wer jedoch einen Blick in Um den Einfluss des Staates auf die angeschlos- liche Weiterentwicklung gewährleistet erschien.«36 das Bremische Jahrbuch mit seinen Beiträgen bis senen Vereine zu sichern, wurde die Bremer Wis- Auf Prüsers Ausscheiden folgte eine Zeit des 3. Veränderte Ziele und Aktivitäten: zum Jahre 1944 und den in den Jahren gehaltenen senschaftliche Gesellschaft in ein staatliches Amt Interregnums (in der auch 1975 das Bremische Die zweite und dritte Generation Vorträgen wirft, wird weniges vordergründig inhalt- überführt, seit Juni 1941 unter dem Namen Wittheit Jahrbuch dem Staatsarchiv als genuine Aufgabe lich dem Zeitgeist Verhaftetes finden. Ost-, Kolonial- zu Bremen. Die Wittheit bzw. ihre Vorläuferorgani- zuwuchs), ehe 1977 (bis 1993) Eugen de Porre – Als ein Kern der Gesellschaft hatte sich – wie und Rasseforschung wurden in jenen Jahren zwar sation hatten sich seit 1933 verstärkt rassekundli- zugleich Mitarbeiter des Staatsarchivs – das Amt bereits gezeigt – schnell das Vortragswesen her- allseitig propagiert, fanden hier aber nach außen chen Fragen sowie der Ost- und Kolonialforschung des Vorsitzers übernahm. Seinen, wenn auch weni- ausgeschält. Es verlor in den Jahrzehnten zuse- hin wenig Widerhall. Dennoch ist die Referenz an zugewandt, getrieben von dem in der Universitäts- gen Bemerkungen zur Rolle der Historischen Gesell- hends die reine Fokussierung auf Bremen, sowohl die Machthabenden deutlich. So begann Hermann laufbahn gescheiterten Knittermeyer. Offensichtlich schaft in der NS-Zeit anlässlich des 125.ten Jubiläums was die Referenten als auch die Themen anbetraf. Entholt seine Ausführungen anlässlich des 75. Stif- war man sich seitens der Historischen Gesellschaft 1987 fehlt – bei aller Anerkenntnis besonders für Her- Kreisten sie zunächst noch stark um den weiteren tungsfestes der Historischen Gesellschaft mit einer über die zukünftige Einflussnahme der Wittheit nicht mann Entholt – der bloße Versuch der Rechtfertigung hansischen Raum, so fiel auch diese Begrenzung. Eloge auf den Führer:31 »Wenn deutsche Männer klar, ja offiziell begrüßte man die Gründung im Jah- wie bei Prüser.37 Die zeitliche Differenz tat ein Übri- Begünstigt wurde diese Entwicklung nicht zuletzt und Frauen in festlicher Stunde sich versammeln, resbericht 1940/41 noch mit patriotischem Über- ges, zumal viele der jetzt Handelnden nur noch peri- durch engere Kooperationen mit anderen wissen- ziemt es sich, zuerst des Führers zu gedenken. Unser schwang:35 »Die wichtigste Änderung der beste- pher oder gar nicht mehr von der NS-Zeit betroffen schaftlichen Vereinen in Bremen, besonders unter Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, der das Vater- henden Verhältnisse hat sich aber im Herbst dieses waren. Dennoch blieb der Historischen Gesellschaft dem Dach der Wittheit. War dies wesentlich auf land mit starker Hand regiert, dessen unablässiges Jahres vollzogen, indem der Herr Regierende Bür- etwas Konservatives verhaftet, sichtbar in der lange Vereinsmitglieder beschränkt, wurde das Bremi- Bestreben es ist, ihm Frieden und Glück zu sichern: germeister die Historische Gesellschaft gleich den Zeit vorherrschenden Skepsis gegenüber der neu sche Jahrbuch zum ›Aushängeschild‹ nach außen. Sieg-Heil.« Ebenso hatte Entholt entscheidenden anderen wissenschaftlichen Vereinen unserer Stadt gegründeten Universität Bremen, wobei diese Skep- Neben Hermann Entholt und Friedrich Prüser haben Einfluss darauf, den nationalsozialistischen Bil- zu einer neuen Organisation, der Wittheit zu Bre- sis sicherlich beiderseits vorhanden war (s.u.). andere Autoren bis heute wichtige Beiträge zur
16 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 17 den Titel »1000 Jahre Bremer Kaufmann« gestellt. Immer noch unverzichtbar und brauchbar ist bis heute die unter der Redaktion von Wilhelm Lührs erschienene Bremische Biographie 1912 – 1962, pub- liziert 1969 (anlässlich der 100. Jubiläums 1962). Ein- zelne Artikel sind allerdings recht kritisch zu sehen, da in ihnen die NS-Zeit als randständig behandelt und das Handeln einzelner Personen in jenen Jahren bagatellisiert wird. Ein für die Binnenwirkung, die Bindung der Mit- glieder und die Werbung neuer Interessierter nicht Besichtigung des Focke- hoch genug zu bewertender Faktor waren die ange- Museums an der Großenstraße Sommerliche Exkursion mit Archivleiter Dr. Friedrich Prüser botenen Exkursionen und Studienfahrten – für nicht mit Damen in der Zwischen- (2. v. links, 1950 – 1973 Vorsitzer) an der Mahndorfer wenige das ›Salz in der Suppe‹ mit einer Melange kriegszeit Landstraße, 1942 aus Unterhaltung und Belehrung. Folgt man den Angaben im Bremischen Jahrbuch, so begannen dass die Bedeutung der Gesellschaft für den inner- Ansgarii hatte sich u.a. Gerhard Müller-Menckens Ausflüge und Wanderungen im unmittelbaren Vor- städtischen Diskurs abgenommen hatte bzw. ihre (1917 – 2007) für die Vereinigung für Städtebau einge- bremischen Geschichte im weitesten Sinne gelie- feld des Ersten Weltkrieges (auch wenn sie ›offiziell‹ Argumente unter gänzlich veränderten politischen reiht, ebenso die sog. Bremische Gesellschaft Lüder fert. Beispielhaft genannt seien: Ludwig Beutin erstmals für das Jahr 1923 angesetzt werden), dazu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weitge- von Bentheim. Hier ergaben sich nun – um es zurück- (1903 – 1958, Wirtschaftshistoriker), Rolf Engelsing kamen bald Führungen und Besuche in Museen hend ignoriert wurden. In der ursprünglichen Sat- haltend auszudrücken – bedenkliche Nahtstellen zur (1930 – 1986, Bibliothekar, Sozialhistoriker), Ernst – allesamt bezogen auf Bremen und das unmittel- zung der Gesellschaft hatte sich unter § 2 die For- zweiten Eingabe. Die Bremische Gesellschaft Lüder Grohne (1888 – 1957, Direktor des Focke-Museums), bare geografische Umfeld, z.T. in Begleitung von derung befunden:39 »[…] insbesondere auch für den von Bentheim war im Grunde nur zu dem Zwecke Alwin Lonke (1865 – 1947, Lehrer, Frühgeschichtler), Damen. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges Schutz und Fortbestand interessanter Bauwerke gegründet worden, den Luckardt-Bau zu verhindern. Heinrich Schecker (1891 – 1944, Lehrer, Kulturwis- und der unmittelbaren Nachkriegszeit fanden kaum und sonstiger Kunstdenkmäler Sorge zu tragen, Im Zusammenhang mit der Historischen Gesellschaft senschaftler), Ilse Schunke (1892 – 1979, Bibliothe- Unternehmungen statt – sie wurden erst 1951 wie- […].« Das klang gut, war aber kaum zu realisieren, u.a. hielt sie nun ein Plädoyer für den Entwurf von karin), Herbert Schwarzwälder, Karl Heinz Schwe- der aufgenommen, dann aber auf die Dauer und als wie bereits 1874 eingeräumt werden musste, da die Müller-Menckens. Man mag auch noch heute kri- bel (1911 – 1992, Archivdirektor seit 1957), Hermann Studienfahrten intensiviert. Friedrich Prüser selbst, Gesellschaft über keine direkten Einflussmöglichkei- tisch zur gefundenen Lösung stehen – aber der Ent- Tardel (1869 – 1951, Lehrer, Theaterforscher) und der Nordbremer Curt Allmers (1902 – 1972) und dann ten verfügte.40 Alwin Lonke konnte 1937 immerhin von wurf von Müller-Menckens war wenig überzeugend. Heinrich Tidemann (1878 – 1952, Lehrer, Literatur- ganz besonders Eugen de Porre standen bis in die einem geglückten Einspruch seitens des Vorstan- Was nun die Bremische Gesellschaft Lüder von Ben- wissenschaftler) und natürlich auch immer wieder 90er Jahre für diese Entwicklung. Die Fahrten wur- des der Historischen Gesellschaft berichten.41 Zur theim anbetraf, so hatte sie selbst einen Vorschlag renommierte auswärtige Autorinnen und Autoren, den nun sogar mehrtägig, führten gelegentlich pro- Nagelprobe sollte es indes nach den Zerstörungen zur Bebauung der Ostseite des Marktplatzes einge- die bremische Themen bearbeitet oder in Bremen fessionalisiert ins benachbarte Ausland, blieben des Zweiten Weltkrieges und den für die historische bracht, freilich ohne an eine parlamentarische Nut- vorgetragen haben. Spätestens seit den 1950er inhaltlich aber meist noch der hansischen Tradi- Bausubstanz ähnlich zerstörerischen Wiederaufbau- zung zu denken. Sie schlug die Bebauung mit histo- Jahren wird im Jahrbuch eine zweite Ebene der tion im nordwestdeutschen Raum und bremischen plänen für Bremen in den 1950er und 1960er Jahren rischen Giebelhäusern vor. So blieben die Ansinnen ›Professionalisierung‹ greifbar: der wissenschaft- Handelswegen verhaftet. Was in den 1960er Jah- kommen. Im Juli 1958 erhob die Historische Gesell- ergebnislos. Die Einmischung in die Politik wurde lich tätige Gymnasiallehrer, der in vielen Heimat- ren neu hinzukam, waren die sog. ›Grenzlandfahr- schaft z. T. im Verbund mit anderen Vereinen oder nicht wahrgenommen, sie hatte den Charakter der und Regionalvereinen die Publikationen prägte, ten‹ entlang der innerdeutschen Grenze, zumal sie Einzelpersonen Widerspruch gegen drei Bremen auf Stellungnahme einer akademischen Minderheit, die wurde allmählich zur Ausnahmenerscheinung in (wie Exkursionen nach Berlin) bezuschusst wurden. lange Sicht verändernde städtebauliche Maßnah- der Fortschrittseuphorie im Wege zu stehen schien einer Nebenrolle. Eugen de Porre hatte zum 125-jährigen Jubiläum men:42 1. Den Abriss der Ruine von St. Ansgarii (wo und kaum noch Einfluss auf die Politik hatte. Dass Darüber hinaus sind neben den schon erwähnten 1987 den schönen Satz geprägt:38 »Vielleicht würden der Denkmalschutz aufgehoben worden war). 2. Den bald politische Akteure aus anderen akademischen Matrikeln des Gymnasium Illustre zwei weitere Pub- die Gründerväter die Hände über dem Kopf zusam- Bau der Bremischen Bürgerschaft nach dem Ent- Milieus in der Lage sein sollten, größere Bauprojekte likationen hervorzuheben: 1965 wurde das für Bre- menschlagen ob der Unkultur und verbogenen Wis- wurf von Wassili Luckardt (1889 – 1972). 3. Die Bebau- in Bremen zu verhindern, weil sie tatsächlich Men- men so bedeutende Marktprivileg Ottos I. aus dem senschaft.« ung des ehemaligen Hillmann-Grundstückes. Dabei schen mobilisieren konnten, sollte sich wenig spä- Jahre 965 in großem Stil gefeiert und Band Fünfzig In einem Punkt musste das Führungspersonal zeichneten sich merkwürdige, z. T. widersprüchliche ter in der Auseinandersetzung um die sog. ›Mozart- des Bremischen Jahrbuchs als Sonderband unter der Historischen Gesellschaft allerdings erkennen, Allianzen ab. In die Allianz gegen den Abriss von St. trasse‹ zeigen.
18 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 19 4. Die Mitglieder in Bezug auf die Zusammensetzung des Vereins Vietor (1860 – 1929) und Käthe Stricker (1878 – 1979). erst die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit den Letztere – »Fräulein Stricker« – nahm bis ins hohe Wer waren aber abgesehen von den in den Jahres- 60er Jahren finden sich auch vermehrt nicht-aka- Alter regen Anteil am Vereinsleben und hinterließ berichten gut dokumentierten Herren des Vorstands demische Berufsbezeichnungen und Namen von ein interessantes Selbstzeugnis zu ihrer Erinne- die Mitglieder der Historischen Gesellschaft? Der bremischen Firmen oder Körperschaften – die nun rung an den Verein: »Dann kam die Begegnung mit Verein war bereits in jungen Jahren mit beacht- auch gezielt als Mitglieder geworben wurden – in der Historischen Gesellschaft im Herbst 1912. Ich lichen Zahlen gestartet und hatte schon im ersten den Mitgliederlisten, in denen die Zahl der Mitglie- betrat etwas schüchtern das damalige Sitzungszim- Jahr seines Bestehens über 400 Mitglieder! Diese der zwischenzeitlich auf über 800 anstieg. 1962 – im mer in der heutigen Glocke nach seiner Form »Okto- kamen zunächst aus dem Künstlerverein und ent- Jahr des 100jährigen Bestehens – waren unter den gon« benannt, mit feierlicher Ausstattung von alten sprachen seiner sozialen Zusammensetzung, womit persönlichen Mitgliedern neben 479 Männern 174 Ledertapeten und anderem mehr. War ich doch das zunächst ein Schwergewicht auf der Gruppe der Frauen verzeichnet. Dies war immerhin ein Fort- einzige weibliche Wesen unter würdigen, meis- Kaufleute lag. Im Vorstand fand man zwar Fachhis- schritt, denn die Historische Gesellschaft war als tens schon älteren Herren. Ich ahnte nicht, wie viel toriker, doch waren klassisch bürgerliche Berufs- ein reiner Herrenklub gegründet worden und blieb Freude und Anregung zum Schaffen neben biswei- gruppen wie vor allem Juristen und Ärzte stark ver- dies auch lange. Frauen nahmen zunächst eher als len freundschaftlich werdenden Beziehungen mir treten, zu denen weitere Akademiker kamen. Auch Damen in Begleitung – bei geselligen Anlässen – an das Archiv und die Historische Gesellschaft bringen Mitglieder außerhalb Bremens, selbst im Ausland, den Aktivitäten teil. In einer Vereinskartei aus dem würden. Ich hielt dieses Referat am 15. April 1916 als sind zu verzeichnen, als Ausdruck einer heimatli- Jahr 1918 finden sich erste weibliche Mitglieder: die »Novum« in der Geschichte unserer Gesellschaft chen Verbundenheit von Buten-Bremern, die über Oberlehrerinnen Mathilde Plate (1878 – 1963), Anna (und) freute mich über das ›Bravo‹, das der stellver- den Verein und seine Publikationen Bremen ver- bunden bleiben wollten. Als besondere Ehrung kam es zur Ernennung von korrespondierenden Mitglie- dern und auch Ehrenmitgliedern, jedoch konnte der Möbel (Schreibtisch und Stuhl) aus der alten Geschäftsstelle der Historischen Gesellschaft in der Ausstellung Glückwunsch des Vereins für Hamburgische Geschichte zum »Der Sinn für Bremens Geschichte« im Staatsarchiv im Jahr 2012 Verein den Schwung der Gründerjahre nicht auf 50jährigen Bestehen der Historischen Gesellschaft Bremen Dauer halten, denn Mitglied konnte man nur über vom 13. April 1912. Jugendstil-Urkunde in Leder gebunden, angefertigt von der Hamburger Künstlerin Ilse Koch-Amberg den Zutritt zum Künstlerverein werden. Daher san- (1869 – 1934) ken zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Mitglieder- zahlen des Vereins stark und im Jahr 1904 war mit nur noch 46 Mitgliedern der Tiefpunkt erreicht. Nun erst löste man die Mitglie- derbindung an den Künst- Maß sich um diese Zeit die Historische Gesellschaft lerverein und schaffte die im Bewusstsein ihrer Mitglieder als eigenständig Trendwende: Rund zehn profilierter Verein unter eigenständiger Leitung ver- Jahre später waren wie- stand, belegen zwei von den Mitgliedern anlässlich der ca. 130 Mitglieder zu des 50-jährigen Jubiläums 1912 den beiden Vor- verzeichnen. In welchem sitzern Wilhelm von Bippen und Johann Focke in Dankbarkeit gestiftete silberne Münzpokale.43 Auch in seiner nun doch sehr stark wissenschaftlichen Außenwirkung hatte sich der Verein bis dahin ein eigenständiges Profil erarbeitet – dies nicht zuletzt im Verhältnis zu und durch Anerkennung von ver- wandten Vereinen in Norddeutschland. Bremischer Münzpokal. 1912 So näherte sich im Laufe der 1920er Jahre die gestiftet von den Mitgliedern Mitgliederzahl wieder derjenigen der Anfangsjahre der Historischen Gesellschaft für Johann Focke. Silber mit an. Die 30er Jahre und die NS-Zeit waren in Bezug Gravur und Widmung im Fuß auf die Mitgliederzahlen keine Zäsur. Dies war auch
20 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 21 Dobben, die Historische Gesellschaft fand ein Ausweichs- Veranstaltungen wie die traditionellen »Dreiertreffen« tandort im Landherrnamt an der Dechanatstraße. Die Ver- der Geschichtsvereine von Bremen, Stade und Bremer- bindung von Geschichtsverein und Archiv ist ein in vielen haven-Cuxhaven stets erneuert wurde. Städten übliches und geschätztes Modell, das sich in Bre- Überhaupt verdeutlicht ein Blick in die Berichte der men auch in der Zusammensetzung von Vorstand und Vor- 60er bis 80er Jahre, dass auch Geselligkeit und (nicht sitz ausdrückte.45 In die Mitte der 60er Jahre und um das nur wissenschaftlicher) Meinungsaustauch ein wesent- Umfeld der Jahrtausendfeier des bremischen Kaufmanns licher Faktor im Vereinsleben waren. Adventliche Ver- fällt dennoch ein gewisser personeller Bruch im Vorstand, anstaltungen und kommunikative Formate (sog. Klön- da sich die dort bisher stets führenden Archivare (damals schnackabende) durchaus auch in gastronomischer Dr. Karl Heinz Schwebel, Dr. Wilhelm Lührs und Fritz Peters) Umgebung kamen einem offenbar verbreiteten Bedürf- 1964 aus dem Vorstand zurückzogen.46 Erst 1974 wurde mit nis entgegen und brachten es auf erhebliche Besucher- Eugen de Porre (1977 – 1993 als Vorsitzer, danach Ehrenvor- zahlen. sitzender) an diese Kontinuität wieder angeknüpft, die sich Zugleich stand das Vortragswesen in einer echten dann auch auf die Leiter und Wissenschaftler im Staatsar- Blüte. Auch die Vorträge fanden an wechselnden Stand- chiv bezog und auch heute noch so gegeben ist.47 Heute orten statt. In der Nähe des alten Standorts an der Glo- befindet sich die Geschäftsstelle in dem 1967 am Präsident- cke war zunächst der Domkapitelsaal lange Jahre das Kennedy-Platz bezogenen Neubau des Staatsarchivs. Standarddomizil, ebenso der Saal im Haus Schütting. Bis in die 80er Jahre spielte auch die Vernetzung mit Seit Eröffnung des Hauses der Wissenschaft finden hiesigen und auswärtigen historischen und heimatge- die Vorträge zumeist dort (ehem. Haus Vorwärts Sand- schichtlichen Vereinen und Verbänden eine wichtige Rolle. straße) statt, was nicht zuletzt die Kooperation mit ande- In den Jahresberichten wurde den »Beziehungen zu ande- ren Vereinen unter dem Dach der Wittheit vereinfacht. ren Vereinen«, also Besuchen andernorts, aber auch Emp- Kleine Vorträge oder interne Veranstaltungen finden Das Staatsarchiv Bremen An der Tiefer um 1930 fängen und Führungen für besuchende Vereine in Bremen meist im Staatsarchiv statt.49 regelmäßig eigens Raum gewidmet.48 Hieraus ergab sich Für das institutionelle Umfeld der Historischen ein enges Netz gegenseitiger Verbindungen, das durch Gesellschaft als wissenschaftlicher Geschichtsverein tretende Vorsitzer, Dr. von Bippen, mir zubilligte, und 5. Die Historische Gesellschaft im späten Exkursionen und Vortragseinladungen sowie traditionelle einer traditionsreichen Großstadt war die Gründung dass ich als Frau diese geistige Forschungsarbeit 20. und im 21. Jahrhundert leisten durfte.« 44 Die Nachkriegsjahrzehnte haben zumindest in Auch wenn seit den Nachkriegsjahren keine wesentli- Das Staatsarchiv Bremen, heute Sitz der Geschäftsstelle der Historischen Gesellschaft dieser Hinsicht nicht nur unter den Mitgliedern, son- chen Erweiterungen zu den Tätigkeitsfeldern – Vorträge, dern auch im Vorstand Besserung gebracht: Frauen Publikationen, Exkursionen – hinzukamen, vollzogen sich gehören seit Jahrzehnten selbstverständlich auch nun doch im Umfeld des Vereins maßgebliche Ände- dem Vorstand an, mit Dr. Gabriele Hoffmann hat die rungen. Diese betrafen zunächst die Frage der Räum- Historische Gesellschaft seit zehn Jahren (2007) eine lichkeiten, in denen er ansiedelt war, und die Lokale, in weibliche Stellvertretende Vorsitzerin. denen man mit den Vorträgen an die Öffentlichkeit trat. Dass dem Verein noch heute ca. 600 persönli- Bis 1915 war das Haus des Künstlerverein auch Sitz der che und institutionelle Mitglieder angehören, ist ein Geschäftsstelle. Aus der Geschäftsstelleneinrichtung erfreuliches Zeichen der Stabilität, zu dem man aller- jener Jahre erhaltene schwere Gründerzeitmöbel im Stil dings zugestehen muss, dass sich zwar alljährlich der Neorenaissance künden noch heute im Staatsarchiv die aktiven Zutritte und Austritte zur Gesellschaft die von diesem bürgerlich gediegenen Ambiente. Bald dar- Waage halten, aber durch die demografische Struk- auf trat die Historische Gesellschaft zunächst in räumli- tur die nicht wenigen Todesfälle hinzukommen. Dass che Verbindung zum Staatsarchiv: Seit 1915 in dem 1909 dies in Deutschland auch andere Geschichtsvereine vom Staatsarchiv bezogenen Neubau An der Tiefer. ähnlich trifft, ist dabei kein wirklicher Trost. Nach dessen Verlust im Bombenkrieg nutzte das Staats- archiv die Rutenberg-Villa und den Luftschutzbunker Am
22 Thomas Elsmann und Konrad Elmshäuser Die Historische Gesellschaft Bremen 23 Jubiläumsfeier zum 150-jährigen Jubiläum der Historischen Gesellschaft Bremen mit Festakt in der Oberen Halle des Bremer Rathauses am 19. März 2012. Festredner Sven Felix Kellerhoff, Berlin mittlerweile 97 Bänden aus über 150 Jahren macht es frühere und aktuelle Geschichtsforschung in Bremen verfügbar – dies seit 2011 auch vollständig digital und online. Die älteste noch erscheinende Zeitschrift der Freien Hansestadt Bremen verbindet somit die Anfänge des wissenschaftlichen Publikationswesens in Bremen einer Universität in Bremen im Jahr 1971 die wichtigste mit den neuesten Entwicklungen im digitalen Zugriff auf institutionelle Neuerung. Obwohl bei dieser Universi- Wissen und Geschichte.53 tätsgründung mit dem Schwerpunkt Lehrerausbildung Im Jahr 2012 gelang es anlässlich des 150-jährigen von Anfang an der Fachbereich Geschichte eine wich- Bestehens des Vereins, den Publikationen neben den tige Rolle spielte, kamen Universität und Geschichtsver- Beiträgen und Spenden als bewährtes Finanzfundament ein aber nur zögerlich zusammen. Zu unterschiedlich ein weiteres tragendes Element in Gestalt einer Stiftung waren offenbar zunächst die Interessen des hanse- zugunsten von Forschungen zur bremischen Landesge- städtischen Traditionsvereins und die Ausrichtung schichte hinzuzufügen. Durch die großzügige Spende und Einbindung der Geschichtswissenschaft in der eines Mitgliedes konnte unter dem Namen »Stiftung Reformuniversität. Es dauerte auch, bis Wissenschaft- Landesgeschichte der Historischen Gesellschaft Bre- Dänemark-Exkursion 2013: Mit dem Nachbau eines Wikingerschiffes auf dem Roskilde-Fjord ler aus der Universität im Bremischen Jahrbuch publi- men e.V.« eine Stiftung gegründet werden. Die Stiftung zierten. Zunächst war dies nur Herbert Schwarzwäl- Landesgeschichte ist als zustiftungsfähige Einrichtung der (1919 – 2011), der allerdings bereits seit seiner Zeit darauf angelegt, weiter zu wachsen. Stiftungszweck bus auch veritable Studienfahrten mit Bus- und Flugrei- begriffen, die nothwendige Richtung seiner Bestrebun- als Lehrer in Bremen bzw. als Professor an der Päda- ist lt. § 2 ihrer Satzung »die Förderung von Veröffentli- sen von Skandinavien bis nach Italien im Programm des gen kann nur dann […] erkannt werden, wenn zu der gogischen Hochschule regelmäßiger Autor und zudem chungen und Forschungen zur bremischen Geschichte, Vereins zu finden. Vertrautheit mit der gegenwärtigen Lage desselben der kommende Historiker für die Stadt- und Landes- namentlich des Bremischen Jahrbuchs als landeshis- auch die mit seiner Vergangenheit kommt. Es ist unsere geschichte Bremens war.50 Auch im Vorstand näherte torische Zeitschrift für alle Sparten der bremischen lohnende Aufgabe, diese Vertrautheit zu fördern, hoffen man sich vorsichtig der Universität an: Vom 1979 – 1983 Geschichtsforschung.«54 6. Aus- und Rückblick wir, dass uns nie die Mittel, nie die Kräfte fehlen, ihr zu gehörte ihm als Beisitzer der Technikhistoriker Prof. Dr. Die seit 1968 nicht mehr fortgeführte Zweite Reihe genügen.«57 Karl Heinz Ludwig an, für ihn trat 1983 der Lehrstuhlin- des Bremischen Jahrbuchs konnte durch die Stif- Was bleibt aus mehr als 150 Jahren Vereinsgeschichte haber für mittelalterliche Geschichte, Prof. Dr. Dieter tungsgründung im Jubiläumsjahr 2012 zu neuem Leben im Sinne einer lebendigen Traditionspflege als Auftrag Hägermann, als Beisitzer in den Vorstand.51 Hägermann, erweckt worden: Die Stiftung Landesgeschichte ermög- und Verpflichtung für die kommenden Jahre bestehen? Anmerkungen der sich dann auch Themen der bremischen Stadt- und lichte dort mit anderen Bremer Stiftungen und dem Gerade in einem stadtstaatlichen und hansestädtischen 1 Bremisches Jahrbuch 1, 1863, S. 3 ff. Vgl. auch StAB Landesgeschichte zuwandte, leitete von 1994 bis 2004 Staatsarchiv die Erstedition des ältesten Bremer Bür- Umfeld könnte dies die Verbindung von individuellem 7,1006 – 1 Historische Gesellschaft, Statuten und Regula- tive, dort auch die Gründungsprotokolle. als Vorsitzer und von 1990 – 1994 sowie von 2004 bis zu gerbuchs, die 2015 erschien.55 In dieser Tradition soll Interesse und Gemeinsinn im Sinne einer Teilhabe am 2 Vgl. Statuten und Protokoll vom 19. März 1862 ebd. seinem Tod im Jahr 2006 als Stellvertreter die Geschicke die Zweite Reihe als Ort für Quelleneditionen fortgesetzt Gemeinwesen sein. Ganz so, wie dies schon Wilhelm 3 Vgl. zu Hamburg: Sebastian Husen, Vaterstädtische des Vereins. Er lenkte in dieser Zeit v.a. das Vortrags- werden. von Bippen als Vorsitzer in seinem Bericht zum 10-jähi- Geschichte im republikanischen Stadtstaat, Studien zur Entwicklung des Vereins für Hamburgische Geschichte wesen (wieder) in stärker wissenschaftliche und auch Es bleibt aus der Trias der Tätigkeiten noch auf die gen Bestehen der Historischen Gesellschaft Bremen im (1839 – 1914), Hamburg 1999 (Veröffentlichungen des außerbremische Bahnen.52 Exkursionen hinzuweisen, die ebenso eine Professiona- März 1872 skizziert hatte: Vereins für Hamburgische Geschichte. 45) und Renate Einen weiteren roten Faden der wissenschaftlichen lisierung als Studienfahrten erfahren haben.56 Waren die »Es ist gewiss, dass ein thatkräftiger Patriotismus Hauschild-Thiessen, 150 Jahre Verein für Hamburgische Geschichte, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Kontinuität bildet im Bereich der Publikationen bis heute ersten diesbezüglichen Aktivitäten anfangs noch einfa- nicht bestehen kann, ohne lebhafte Theilnahme an den Geschichte 76, 1990, S. 1 – 11. das Bremische Jahrbuch, seit Band 53 (1975) verant- che Wanderungen in die städtische Umgebung, die mit Angelegenheiten der Gemeinde, der wir zunächst die 4 StAB 7,1006 – 1 Bestand Historische Gesellschaft Bremen, wortet von einem Redaktionsausschuss und herausge- Stock und Schirm in Angriff genommen wurden, so sind Sicherheit unserer Existenz verdanken; und wiederum Vortrag Focke 1846, S. 15. geben vom Staatsarchiv. Mit Hunderten Beiträgen in heute neben den geführten Tagesfahrten mit dem Reise- der echte Werth dieses Gemeinwesens kann nur dann 5 Ebd., S. 21.
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