Realität und Fiktion in Fernando del Pasos neuem historischen Roman

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513.332 Span. LW SE (Der neuere historische Roman in Lateinamerika)
                                                Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Erna Pfeiffer
                                                                             SS 2011

 Realität und Fiktion in Fernando del Pasos
             neuem historischen Roman
                    Noticias del Imperio

                                verfasst von:
                               Füreder Anita
                                  0611259
                      anita.fuereder@edu.uni-graz.at

Datum der Abgabe: 30.09.2011
Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung                                                              1
2 Historischer und neuer historischer Roman in Lateinamerika              1
    2.1 Historischer Roman in Lateinamerika                               1
    2.2 Neuer historischer Roman in Lateinamerika                         2
        Noticias del Imperio als neuer historischer Roman                 4
3 Inhaltsangabe                                                           5
4 Historische Hintergründe                                                6
5 Interpretation von Noticias del Imperio                                 8
    5.1 Der postmoderne Charakter von Noticias del Imperio                9
    5.2 Noticias del Imperio – ein totaler Roman                          10
    5.3 Realität vs. Fiktion in Noticias del Imperio                      10
        5.3.1 Der Titel                                                   11
        5.3.2 Der Prolog                                                  11
        5.3.3 Die Kapitel                                                 11
        5.3.4 Beispiele für fiktionale Elemente in Noticias del Imperio   13
6 Literarische und stilistische Merkmale                                  14
    6.1 Erzählinstanzen und Erzählformen                                  14
    6.2 Textsorten                                                        16
        6.2.1 Der Monolog                                                 17
        6.2.2 Der Dialog                                                  18
    6.3 Stil                                                              18
    6.4 Intertextualität                                                  19
7 Zusammenfassung und Ausblick                                            19
8 Literaturverzeichnis                                                    21
    8.1 Primärliteratur                                                   21
    8.2 Sekundärliteratur                                                 21
    8.3 Internetquellen                                                   21
1 Einleitung
In dieser Seminararbeit soll analysiert werden, warum Fernando del Pasos 1987 erschienener
Roman Noticias del Imperio nicht nur ein historischer Roman ist, sondern sogar dem
Subgenre „neuer historischer Roman“ zugeordnet werden kann. Dafür werden die wichtigsten
Kennzeichen und Charakteristika des neuen historischen Romans, in Abgrenzung und
Vergleich zum historischen, erarbeitet und auf Noticias del Imperio umgelegt und mit ihm in
Verbindung gebracht.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, welche Daten, Ereignisse und Personen
in Fernando del Pasos Werk historisch belegt, also wahr, und welche fiktiv, also erfunden,
sind. In einem nächsten Schritt sollen, wenn möglich, die Grenzen zwischen Realität und
Fiktion aufgezeigt und Beispiele für erfundene Elemente angeführt werden.
Außerdem sollen in einer allgemeinen Werkinterpretation literarische und stilistische
Merkmale des Romans untersucht werden.

2 Historischer und neuer historischer Roman in Lateinamerika

2.1 Historischer Roman in Lateinamerika
Der historische Roman - im Spanischen novela histórica genannt – ist ein fiktionales
Prosawerk, das eine Handlung aus einer historischen Zeit erzählt. (Vgl. MENTON 1993:33)
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Subgattung des Romans in
Lateinamerika bekannt, nicht zuletzt wegen der regen schriftstellerischen Tätigkeit
europäischer Autoren wie Alexandre Dumas der Ältere, E. Sue und der Vater des historischen
Romans Walter Scott und der steigenden Anzahl an Übersetzungen.

Zu den ersten lateinamerikanischen Autoren, die historische Romane schrieben, gehören der
Kolumbianer Juan José Nieto mit Ingermina (1844), der Peruaner Vicente López mit La novia
del hereje (1846-1854) und der Uruguayer Eduardo Acevedo mit Grito de gloria (1894).
Dabei orientierten sie sich an ihren europäischen Vorbildern, deren primäres Ziel es war, die
Aufmerksamkeit auf eine Vergangenheit zu lenken, die die Gesellschaft zu vergessen drohte.

Sie hätten kein Interesse daran, „controvertir la versión oficial de la historia“ (MALAVER
2010). (Vgl. MALAVER 2010)

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In den Anfangszeiten des historischen Romans unterschieden die Autoren – sowohl die
europäischen als auch die lateinamerikanischen – noch sehr genau zwischen Realität und
Fiktion:
    De alguna manera, la ficción que ellos creaban no tenía derecho alguno a invadir -vale decir, a
    contaminar- el terreno de la historia propiamente dicho. Ésta, por su parte, era algo inmodificable,
    cuya función era solamente servir de ambientación [...] para los hechos ficticios [...] de sus
    novelas. (MALAVER 2010)

Bei Walter Scott war jedoch schon ansatzweise der Hauch einer Spannung zwischen Realität
und Fiktion zu finden. (Vgl. MALAVER 2010)
    Recurrió, por ejemplo, a narrar hechos ficticios empleando textos similares a los que maneja el
    historiador -cartas, memorias, confesiones, diarios de viaje-, e incorporando en ellos figuras y
    eventos de la historia real. (MALAVER 2010)

Der Aufbau dieses Spannungsverhältnisses bzw. das ständige Switchen zwischen Realität und
Fiktion, das im neuen historischen Roman ad extremum geführt wird, ist für den Autor so, als
ob er „tuviera que adoptar alternadamente dos personalidades que pretendieran, sin lograrlo
del todo, mantenerse alejadas la una de la otra: la del historiador objetivo [...] y la del creador
de ficción” (MALAVER 2010).

2.2 Neuer historischer Roman in Lateinamerika
In der Mitte des 20. Jahrhunderts kommt eine Art des historischen Romans auf, bei der die
Grenzen zwischen Realität und Fiktion beinahe bis zur Unkenntlichkeit verschwommen sind:
„[… ] ha llegado al máximo la tensión entre los elementos ficticios y los elementos ‚histórico-
objetivos„“ (MALAVER 2010). Dieser Romantyp wird im Deutschen als neuer historischer
Roman, im Spanischen als nueva novela histórica oder novela de historia-ficción bezeichnet.
(Vgl. MALAVER 2010 und MALAVER CRUZ 2004: 109)

Zu den ersten lateinamerikanischen Schriftstellern, die sich mit dem neuen historischen
Roman beschäftigten, zählen unter anderem Jorge Luis Borges, Alejo Carpentier, Carlos
Fuentes und Augusto Roa Bastos. Obwohl Jorge Luis Borges keinen einzigen historischen
Roman schrieb, ist er dennoch als Wegbereiter dieses Romantyps nicht wegzudenken, da er
mit seinen philosophischen Reflexionen einen wesentlichen Beitrag zur Theorie über den
neuen historischen Roman leistete. (Vgl. MALAVER 2010)

Eine seiner Überlegungen war beispielsweise, dass es unmöglich sei, die historische Wahrheit
vollends herauszufinden: „Cualquier relato de los hechos trascendentales de la humanidad no
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es más que una versión de ellos, y el número de versiones es virtualmente infinito.”
(MALAVER CRUZ 2004: 114)

Die oben erwähnte, scheinbar ausradierte Grenze zwischen Realität und Fiktion führt bei der
Rezipientin bzw. beim Rezipienten zu einer besonderen Spannung: „por una parte espera
cierto grado de fidelidad a los hechos, y por otra parte espera cierto grado de invención, pero
no está seguro de cuál es cuál“ (MALAVER CRUZ 2004: 116).
Der Autor erwartet sich von diesem Spannungsverhältnis, dass die Leserin bzw. der Leser eine
besonders kritische und aufmerksame Lesehaltung einnimmt. Zudem erwartet er von ihr bzw.
ihm ein bestimmtes historisches Wissen und ein gewisses Misstrauen, um herauszufinden,
was wahr und was falsch ist. (Vgl. MALAVER CRUZ 2004: 116)

Dass Realität und Fiktion oft nicht zu trennen sind, zeigt sich auch darin, dass sich beide
gegenseitig als Inspiration dienen können. (Vgl. MALAVER 2010)

Ein weiteres wesentliches Charakteristikum des neuen historischen Romans – neben
verschwommenen Grenzen zwischen Realität und Fiktion –, das auch gleichzeitig als Grund
seines Auftretens angesehen werden kann, ist seine kritische Haltung gegenüber der
historischen Vergangenheit, basierend auf Fiktion:
    [La nueva novela histórica] surge como resultado de una preocupación por fundar una estética
    basada en la ficción como fundamento para tomar una posición crítica ante el pasado histórico.
    Tal actitud crítica hace que [la nueva novela histórica] sea proclive a distorsionar de manera
    consciente la “versión oficial” de los hechos históricos, llegando incluso a carnavalizarlos.
    (MALAVER CRUZ 2004: 113)

Der Autor des historischen Romans ist also nicht davon abgeneigt, die offizielle Version der
Geschichtsschreibung zu verzerren. Ganz im Gegenteil, er fühlt sich dazu sogar berechtigt:
    [...] el novelista de la [nueva novela histórica] considera que la “versión oficial” de la historia es
    ya en sí una primera ficción -elaborada en virtud de la particular percepción de un determinado
    historiador-, y por eso se siente autorizado para deformar tal versión mediante omisiones,
    exageraciones y anacronismos. (MALAVER CRUZ 2004: 114)

Mit anderen Worten bedeutet dies, dass der Historiker wie der Romanautor ein “escritor de
ficción“ (MALAVER CRUZ 2004: 116) ist. Beide wählen bestimmte Tatsachen und Ereignisse
aus, interpretieren sie und drücken sie in einem narrativen Text aus, mit dem Unterschied,
dass der Historiker nicht absichtlich etwas erfindet. (Vgl. MALAVER CRUZ 2004: 116)
    Esto es así, no en el sentido de que el historiador se proponga conscientemente inventar una
    historia, pero sí en cuanto que construye su discurso siguiendo un proceso cognoscitivo similar al

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del escritor de ficción, es decir, escoge ciertos hechos, los interpreta, y elabora con ellos una
    intriga que plasma en un texto narrativo. (MALAVER CRUZ 2004: 116)

Ein weiteres wichtiges Merkmal des neuen historischen Romans ist, dass große historische
Persönlichkeiten entmythifiziert werden.
    Es importante resaltar que el novelista de [la nueva novela histórica] no acepta que la historia
    "oficial" se tome la atribución de absolver o condenar a los grandes personajes de la historia. [En
    la nueva novela histórica] éstos son desmitificados: son hombres del común en los que se pueden
    hallar simultáneamente tanto las virtudes como los defectos humanos [...]. (MALAVER 2010)

Diese Entmythifizierung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der neue historische
Roman versucht, die Realität aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven
darzustellen und auch Sichtweisen von Personen einzubringen, die in der offiziellen
Geschichtsschreibung in Vergessenheit gerieten. (Vgl. MALAVER 2010)
    [...] [la nueva novela histórica] suele interesarse en contar la historia desde el punto de vista de
    aquellos a los que la versión “oficial” ha querido voluntaria o involuntariamente olvidar -por
    ejemplo, los pueblos derrotados, esclavizados o exterminados-. Tal es el concepto de lo
    polifónico, es decir, la pluralidad de voces autónomas y conciencias independientes e
    inconfundibles [...]. (MALAVER CRUZ 2004: 115)

Diese polyfone Sichtweise dient dazu, die Komplexität der historischen Realität und die
Unmöglichkeit, sie nur aus einer Perspektive zu betrachten, aufzuzeigen.
    [Se trata] de mostrar la complejidad de esos hechos históricos y cómo se producen. La visión de
    los acontecimientos no puede ser única; ninguna historia puede dar veredictos ya que no es tan
    sencillo como aplicar un código penal. Las realidades históricas son mucho más complejas [...].
    (TORRES PERDIGÓN o.J.: 8)

Während die Protagonistinnen und Protagonisten des traditionellen historischen Romans
weitgehend noch fiktive Personen sind, die von den historischen berichten, werden die
historischen   im    neuen     historischen    Roman      selbst   zu    Hauptdarstellerinnen      und
Hauptdarstellern. Anders ausgedrückt, im neuen historischen Roman werden die Ereignisse
aus der Sicht historischer Personen erzählt. (Vgl. TORRES PERDIGÓN o.J.: 3)

Noticias del Imperio als neuer historischer Roman
Fernando del Pasos Noticias del Imperio wird in allen oben genannten Belangen (unklare
Grenzen zwischen Realität und Fiktion, historische Personen als Protagonistinnen und
Protagonisten, kritische Haltung gegenüber der Geschichtsschreibung, Erzählung aus
verschiedenen Perspektiven, etc.) den Anforderungen des neuen historischen Romans gerecht.
Der Autor selbst bekräftigt das Vorkommen des wohl wesentlichsten Merkmals des neuen
historischen Romans in seinem Werk, die unscheinbare Grenze zwischen Realität und Fiktion:
                                                                                                      4
Noticias del Imperio es una novela en la cual evidentemente no se puede trazar una línea entre la
    ficción y la historia, no se puede decir aquí termina la ficción y aquí comienza la historia.
    (PASTOR 2007)

Er vermischt also Realität und Fiktion ganz nach den Regeln des neuen historischen Romans,
was auch in der Bezeichnung novela con historia, wie er selbst Noticias del Imperio
bezeichnet, deutlich wird. Wichtig dabei ist klarzustellen, dass das Hauptaugenmerk auf
novela und nicht auf historia liegt. (Vgl. PASTOR 2007 und CORRAL PEÑA 2001: 298)

3 Inhaltsangabe
Fernando del Pasos historischer Roman Noticias del Imperio handelt von der Intervention
Frankreichs in die politischen Angelegenheiten Mexikos in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts und dem daraus resultierenden zweiten mexikanischen Kaiserreich mit Kaiser
Maximilian von Mexiko und seiner Frau Charlotte.
In zwei Handlungssträngen, einem vorwärts- und einem rückwärtsgerichteten, werden die
Ereignisse zwischen 1861 und 1867 erzählt, einmal in chronologischer Form durch Beiträge
am Geschehen beteiligter Personen und einmal in Form eines Rückblicks der dem Wahnsinn
verfallenen Kaiserin Charlotte im Jahr 1927.
Die Folgen und Auswirkungen des mexikanischen Bürgerkriegs (1857-1861), die Spannungen
innerhalb Mexikos zwischen dem konservativen und dem liberalen politischen Lager, die
militärische Einmischung der europäischen Großmächte Frankreich, Großbritannien und
Spanien, die Installation einer Monarchie nach französischem Vorbild, der Weg von
Erzherzog Maximilian von Österreich und seiner Frau Charlotte von Belgien zur Kaiserkrone,
die Ankunft des Kaiserpaars in ihrer neuen mexikanischen Heimat, der Alltag des
Herrscherpaars und die Probleme und Schwierigkeiten, mit denen sie sich konfrontieren
müssen, der langsame Zerfall des Kaiserreichs, der Tod Maximilians, die Rückkehr Charlottes
nach Europa und ihr mentaler und körperlicher Verfall im Schloss Bouchout (Belgien) werden
durch die Verwendung unterschiedlichster Textsorten (Briefe, Zeitungsartikel, Lieder, etc.),
durch das Einbringen der Perspektiven verschiedenster historischer sowie fiktiver Figuren und
durch das Spiel mit der Grenze zwischen Realität und Fiktion abwechslungsreich dargestellt.

                                                                                                   5
4 Historische Hintergründe
Um den Inhalt von Noticias del Imperio besser und leichter verstehen zu können, werden im
Folgenden die wichtigsten historischen Ereignisse zusammengefasst, die im Roman behandelt
werden.

Mexiko    erlebte   zwischen   dem    Ende    des   Unabhängigkeitskriegs      1821    und   der
Wiederherstellung der Republik 1867 wohl eine der turbulentesten Zeiten seiner Geschichte.
Ständige Regierungswechsel zwischen dem liberalen und dem konservativen politischen
Lager mit einer Flut an neu eingeführten und plötzlich abgeschafften Erlässen und Gesetzen
standen an der Tagesordnung.
Dieser Teil der Geschichte Mexikos, also die Zeitspanne von 1821 bis 1867, in der das Land
nie zur Ruhe kam, wird zur Orientierung in drei Abschnitte eingeteilt.
1. Die Ära des Generals Santa Ana, der 30 Jahre lang wesentlich zur Entwicklung Mexikos
    beitrug. In diese Zeit fällt auch das erste Kaiserreich unter Augustin I., das allerdings nur
    zehn Monate Bestand hatte. Danach wurde in Mexiko eine Republik ausgerufen.
2. Die Phase der Liberalen, die 1854 unter Benito Juárez an die Macht kamen. In dieser Zeit
    ist auch die Intervention Frankreichs in die politischen Belange Mexikos sowie das
    zweite Kaiserreich unter Maximilian I und seiner Frau Charlotte anzusiedeln. Benito
    Juárez schaffte es nach langen Kämpfen, sich 1867 gegen die französischen Truppen und
    die von ihnen gestützte und nach ihrem Vorbild installierte Monarchie durchzusetzen.
3. Die Zeit unter Diktator Portfirio Diáz.
(Vgl. NASERADSKY 2007: 8)

Für Fernando del Pasos historischen Roman ist aber nur die Phase der Liberalen von
Bedeutung, in die auch die Intervention Frankreichs und das zweite mexikanische Kaiserreich
fällt, da der Roman genau die historische Zeit zwischen 1861 und 1867 behandelt. Folglich
sollen die Ereignisse dieser Jahre nun genauer betrachtet werden.

In Mexiko herrschte von 1857 bis 1861 Bürgerkrieg. Auslöser dafür war die 1857 neu
erarbeitete Verfassung der Liberalen, in der die Rechte der röm.-kath. Kirche (Aufhebung des
Religionsmonopols) eingeschränkt       wurden. Die Konservativen versuchten dagegen
anzukämpfen, aber ohne Erfolg. Die Liberalen gingen als Sieger aus diesem Krieg hervor.
Nach dieser kriegerischen Auseinandersetzung war das Land wirtschaftlich völlig ruiniert.
Juárez beschloss daher die Rückzahlung der Auslandsschulden an die europäischen
                                                                                               6
Großmächte Frankreich, Großbritannien und Spanien einzustellen. Die drei Kreditgeber
reagierten erbost und legten 1861 im Londoner Vertrag fest, die ausstehenden Schulden mit
allen Mitteln einzutreiben.
Gesagt, getan. Ein paar Monate später trafen die ersten spanischen, französischen und
britischen Flotten in Mexiko ein und begannen mit Waffengewalt das zurückzufordern, was
ihnen gehörte. Großbritannien und Spanien waren nur auf die Rückzahlung der Schulden aus,
doch Frankreich unter Napoleon III wollte mehr, nämlich den Sturz Juárez, die „Eroberung“
Mexikos und die Errichtung einer Monarchie nach französischem Vorbild.
Die französischen Truppen verfolgten dieses Vorhaben zielstrebig und drangen immer weiter
ins Landesinnere vor. Am 5. Mai 1862 wurde ihr Eroberungsfeldzug aber fürs Erste gestoppt:
4.000 Mexikaner fügten 6.000 Franzosen eine vernichtende Niederlage zu. Doch lange
konnten die Mexikaner die Franzosen nicht am Vordringen in Ciudad de México hindern.
Schon ein Jahr später fiel Puebla und die französischen Truppen marschierten in Ciudad de
México ein, womit die erfolgreiche Eroberung Mexikos besiegelt war.
Nun brauchte man jemanden, der dieses riesige, neu eingenommene Reich regierte. Erzherzog
Ferdinand Maximilian von Österreich, der jüngere Bruder von Kaiser Franz Joseph, und seine
Frau Charlotte von Belgien wurden mit dieser Aufgabe betraut. Maximilian stellte aber eine
Bedingung für die Annahme der Kaiserkrone: Er verlangte eine Volksabstimmung in Mexiko,
um sicherzugehen, in diesem fernen Land als Kaiser wirklich gewollt und akzeptiert zu sein.
Die Franzosen fälschten aber unter Mithilfe der Konservativen, die mit ihnen unter einer
Decke steckten, die Wahl, wodurch Maximilian im Glauben gelassen wurde, er sei an seiner
künftigen neuen Wirkungsstätte willkommen.
Am 29. Mai 1864 kam das Kaiserpaar schließlich in Mexiko, einem Land, das von
Bürgerkriegen und Staatsbankrotten erschüttert war, an. Neben den diffizilen politischen und
wirtschaftlichen Verhältnissen fand er aber auch noch große soziale Probleme vor.
Eine der ersten Amtshandlungen Maximilians war es, ein Gesetz gegen Kinderarbeit zu
erlassen, Höchstgrenzen für Arbeitszeiten anzusetzen und eine Landreform anzukündigen.
Dieses Vorgehen war den anfangs von Maximilian noch begeisterten Konservativen aber zu
liberal, weshalb sie ihm zusehends die (militärische) Unterstützung verweigerten. Der Kaiser
musste also zusehen, wie die Kämpfe zwischen französischen und mexikanischen Truppen in
seinem Land weitergingen, ihm das französische Militär unter Einfluss der Konservativen
aber immer mehr die Unterstützung verweigerte und das mexikanische Militär ohnehin an
seiner Abdankung interessiert war.

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Als 1865 der Bürgerkrieg in Amerika endete, erhielten die mexikanischen Truppen
Unterstützung von ihren nördlichen Nachbarn. Ein Jahr später begann Frankreich wegen der
immer aussichtsloseren Situation des Fortbestandes des Kaiserreichs seine Truppen aus
Mexiko abzuziehen. Maximilian konnte folglich die „Rückeroberung“ Mexikos durch die
Mexikaner nicht mehr aufhalten. Charlotte startete 1867 einen letzten Rettungsversuch und
reiste nach Europa, um Napoleon III und Papst Pius IX persönlich um Hilfe zu bitten, aber
vergebens.
Maximilian zog sich Anfang 1867 nach Querétaro zurück, das wenig später von Juárez„
Truppen eingenommen wurde. Der Kaiser wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, das
veranlasste, ihn am 19. Juni 1867 zu erschießen.
Charlotte, die sich, als Maximilian starb, in Europa befand, kehrte nie mehr nach Mexiko
zurück. Sie zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und führte ein unscheinbares und einsames
Leben, bis sie schließlich 1927, dem Wahnsinn verfallen, im Schloss Bouchout in Belgien
starb.
(Vgl. RUHL/GARCIA IBARRA 2000: 139-154 und RATZ/GÓMEZ TEPEXICUAPAN 2007: 17-27)

5 Interpretation von Noticias del Imperio
Fernando del Paso rekonstruiert in seinem historischen Roman Noticias del Imperio die Zeit
des zweiten mexikanischen Kaiserreichs und der vorausgegangenen Intervention Frankreichs
in Mexiko, indem er sie basierend auf historischen Daten, Fakten, Ereignissen und Personen
mit fiktiven Elementen ausschmückt, also fiktionalisiert.
    „A priori”, en el prefacio, el autor expone sus propósitos como novelista e historiador, puesto que
    indica que la novela está basada en un hecho histórico. A través de una documentación precisa y
    directa, Del Paso se esmera primero en cumplir todos los requisitos que exige el relato histórico,
    colocando la novela indudablemente dentro de la tradición decimonónica de filtrar el pasado por
    la “ficcionalización” y la “novelización”. (CLARK/GONZÁLEZ 1994)

In Noticias del Imperio entspringt vieles der Fantasie del Pasos bzw. überwiegt der fiktionale
Charakter, was der Autor auch, wie folgt, begründet: „[…] yo quise hacer de ese libro una
novela, no un libro de historia [...]“ (PASTOR 2007). (Vgl. TÉLLEZ o.J.)

Fernando del Pasos Roman besteht aus 23 Kapiteln, die sich in zwei Typen gliedern lassen:
auf der einen Seite stehen die zwölf ungeraden Kapitel „Castillo de Bouchout“, in denen die
dem Wahnsinn verfallene Charlotte im Jahr 1927, dem Jahr ihres Todes, in Monologen von
ihrem früheren Leben und ihren Erlebnissen in Mexiko erzählt; auf der anderen Seite stehen
                                                                                                     8
die elf geraden Kapitel mit unterschiedlichen Titeln und Jahreszahlen, in denen die Ereignisse
zwischen 1861 und 1867 aus den unterschiedlichsten Perspektiven mit den verschiedensten
literarischen und stilistischen Mitteln berichtet werden. Die ungeraden Kapitel stellen also
einen rückwärtsgerichteten Handlungsstrang dar, die geraden einen vorwärtsgerichteten. (Vgl.
SANMIGUEL 2005)
    Noticias del Imperio es una vasta obra construida en torno a la alternancia regular de dos tipos de
    capítulos; los impares, que se titulan todos “Castillo de Bouchout” y tienen por fecha de
    referencia 1927, y los capitulos pares, que llevan títulos variados y fechas diversas. Los doce
    capítulos denominados “Castillo de Bouchout” son una serie de monólogos pronunciados por
    Carlota de Sajonia en el año de su muerte. En contrapunto tenemos once capítulos (los pares)
    donde se manejan los datos históricos desde diferentes perspectivas por medio de variados
    matices narrativos. En suma, tenemos por un lado doce monólogos de Carlota, y por el otro un
    discurso histórico que narra la intervención francesa y los avatares del archiduque Maximiliano
    de Habsburgo y Carlota de Bélgica. La novela lleva a cabo una revisión de los eventos históricos
    en sentido estrícto, pues el narrador continuamente cita sus fuentes documentales, las confronta,
    las pone en tela de juicio, duda de su veracidad o la confirma. (SANMIGUEL 2005)

Ein besonderes Augenmerk ist auch auf die einzelnen Titel und Subtitel der 23 Kapitel zu
legen. Während die ungeraden Kapitel alle gleich tituliert sind, nämlich mit „Castillo de
Bouchout, 1927“, sind in den geraden 45 unterschiedliche Titel und Subtitel auszumachen.
    Los capítulos nones [...] llevan todos el mismo título: “Castillo de Bouchout, 1927”. En los
    capítulos pares, por el contrario, encontramos cuarenta y cuatro títulos diferentes.
    Cada capítulo par tiene un título global que incluye el año o los años considerados en sus páginas,
    siguiendo de cerca una cronología lineal de los acontecimientos. En seguida encontramos un
    título para cada una de las tres secciones que componen cada capítulo. (CORRAL PEÑA 2001:
    313f)

5.1 Der postmoderne Charakter von Noticias del Imperio
Wissenschaftler schreiben Noticias del Imperio wegen seiner „original aproximación al hecho
histórico como referente textual y el uso heterodoxo de las fuentes documentales que le sirven
de intertextos” (ESPINO BARAHONA 2000) einen postmodernen Charakter zu.
Im Gegensatz zur Moderne, in der die Geschichtsschreibung als „discurso global y
jerarquizado por los diversos metarrelatos teleológicos“ (ESPINO BARAHONA 2000) oder
anders gesagt als macrohistoria mit offiziellem und eurozentrischem Charakter mit hohem
Maß an Wahrheitsgehalt angesehen wird, lehnt die Postmoderne diese „visiones totalizadoras“
(ESPINO BARAHONA 2000) ab und unterteilt sie in viele microhistorias.
    [...] en Noticias del Imperio se textualiza una operación desconstructora cuyo objetivo es
    “descomponer una historia lineal previa, destrozando su armazón discursiva aparente, (...)
    componer mediante la lectura una historia que existe, discursivamente, en fragmentos, en una
    discontinuidad para los historiadores quizás irritante e ininteligible". (ESPINO BARAHONA 2000)

                                                                                                     9
Auch der eurozentrische Gedanke wird in Noticias del Imperio verworfen und der Präsenz des
„„otro„ cultural o político“ (ESPINO BARAHONA 2000) Platz gemacht.
    Uno lo puede ver no sólo en la revisión crítica que se hace de la Historia oficial en todo el texto,
    sino también en la mención de esos oscuros protagonistas olvidados como por ejemplo, aquellos
    "pobres soldaditos zacapoaxtlas que murieron con los cráneos destrozados por los obuses de
    Forey junto a los muros del Fuerte de la Misericordia de Puebla". (ESPINO BARAHONA 2000)

Mit anderen Worten ist es unmöglich, „organizar discursivamente la experiencia histórica con
modelos lógicos, trascendentes, con narraciones ejemplares” (ESPINO BARAHONA 2000). Es
geht vielmehr darum, “traer al público narraciones privadas, testimonios personales" (ESPINO
BARAHONA 2000).

Ein weiteres Merkmal für die Postmoderne in Noticias del Imperio ist “la doble codificación
del la ficción posmoderna” (ESPINO BARAHONA 2000). Diese definiert sich dadurch, dass die
unterschiedlichsten Themen behandelt werden und mehrere Erzählverhalten Verwendung
finden, um „„tratar de conciliar todo lo verdadero que pueda tener la historia con lo exacto que
pueda tener la invención‟” (ESPINO BARAHONA 2000).

5.2 Noticias del Imperio – ein totaler Roman
Fernando del Paso versucht in seinem historischen Roman Noticias del Imperio die Realität
vollständig abzubilden. Zeuge ist nicht zuletzt die Darstellung ein und desselben historischen
Ereignisses aus den unterschiedlichsten Perspektiven und unter Einbezug der diversesten
Themen. Erfüllt ein Roman diese Eigenschaft, wird er gemäß der Literaturtheorie von Mario
Vargas Llosa als total bezeichnet.
    [Fernando del Paso] escribió una novela total, a partir del encuentro entre la historia y la ficción,
    la realidad y la fantasía, la filosofía y el mito, el amor y el erotismo, la política y la religión, la
    experiencia colectiva y la aventura personal. (HERRERA GUIDO 2009)

    En Noticias del Imperio se trata una misma información histórica más de una vez [...]. [...]
    El tomar varias veces un mismo acontecimiento histórico responde, entre otras cosas, al deseo de
    evitar una visión unilateral de la historia. (CORRAL PEÑA 2001: 300)

5.3 Realität vs. Fiktion in Noticias del Imperio
Wie oben schon erwähnt, ist die Grenze zwischen Realität und Fiktion im neuen historischen
Roman äußerst schwer auszumachen. Laut del Paso sei es in Noticias del Imperio auch nicht
wichtig, zwischen Fakt und Fiktion unterschieden zu können, sondern das Erzählte für
wahrscheinlich zu halten.

                                                                                                        10
Fernando del Paso afirma [...] que interesa “más que lo históricamente exacto, lo simbólicamente
    verdadero”, y que su propósito consiste en “tratar de conciliar todo lo verdadero que pueda tener
    la historia con lo exacto que puede tener la invención”. (BRADU 1988: 48)

5.3.1 Der Titel
Die Polemik zwischen Realität und Fiktion wird schon im Titel erkennbar. Das Wort noticias,
ein Begriff aus dem Journalismus, bezeichnet normalerweise eine Textsorte, deren
Wesensmerkmale Unmittelbarkeit, Richtigkeit und Aktualität sind, und wird nur selten mit
etwas Vergangenem und Erfundenem in Verbindung gebracht. Daher ist die Frage “¿cómo
puede, entonces, haber noticias sobre algo que ocurrió hace más de cien años, y además
encontrarse éstas en una novela, texto que por definición da cabida prioritariamente a lo
ficticio?” (MALAVER 2010) nicht unangemessen.

Die Rezipientin bzw. der Rezipient wird also vom frühesten Beginn des Romans an, nämlich
vom Titel weg, mit dem Wechselspiel zwischen Realität und Fiktion konfrontiert. Fernando
del Paso gibt der Leserin bzw. dem Leser noch vor dem ersten Kapitel eine Denkaufgabe für
die restliche Lektüre: sie bzw. er soll zum kritischen, hinterfragenden Mit- und Nachdenken
angeregt werden, ob die noticias, die Charlotte aus Mexiko bekommt, nun wahr oder falsch
sind.

5.3.2 Der Prolog
Im Prolog informiert del Paso kurz über die historischen Rahmenbedingungen, auf denen
Noticias del Imperio basiert, welche er auch klar als hecho histórico, also als historische
Tatsache deklariert. Impliziert bedeutet dies, dass nicht alles auf historischen Fakten gründet,
sondern vieles auch fiktiv ist und nur als real dargestellt wird.
    En 1861, el Presidente Benito Juárez suspendió los pagos de la deuda externa mexicana.
    Esta suspensión sirvió de pretexto al entonces emperador de los franceses, Napoleón III, para
    enviar a México un ejército de ocupación, con el fin de crear en ese país una monarquía al frente
    de la cual estaría un príncipe cátolico europeo. El elegido fue el Archiduque austríaco Fernando
    Maximiliano de Habsburgo, quien a mediados de 1864 llegó a México en compañía de su mujer,
    la Princesa Carlota de Bélgica. Este libro se basa en este hecho histórico y en el destino trágico de
    los efímeros Emperadores de México. (PASO 2008: 9)

5.3.3 Die Kapitel
Trotz des schier unmöglichen Unterfangens, exakt zwischen Realität und Fiktion zu
unterscheiden, versuchten Wissenschaftler dennoch die einzelnen Kapitel den beiden Polen
zuzuordnen. Sie schrieben die ungeraden Kapitel, in denen Charlotte in ihrer Wahnsinnigkeit

                                                                                                      11
spricht, der Fiktion zu und die geraden Kapitel, die der Feder eines Historikers zu entstammen
scheinen, der Realität.
Die alternierende Erzählweise der geraden, realitätsnahen und der ungeraden, eher fiktionalen
Kapitel habe laut Nancy Malaver eine besondere Funktion:
       [...] tal entreveramiento de los capítulos es el rasgo fundamental de la estructura de trama
       de la novela, y obedece a la intención del autor de hacer ver al lector que en lo esencial
       no hay diferencia entre el texto de ficción y el texto del historiador "objetivo", o, en otras
       palabras, que en el primero la ficción conduce sutilmente a la verdad histórica, y en el
       segundo el relato "objetivo" conduce sutilmente a la ficcionalización de la historia.
       (MALAVER 2010)

Vereinfacht ausgedrückt, soll durch das abwechselnde Erzählen eines realitätsnahen und eines
eher fiktionalen Kapitels gezeigt werden, dass zwischen beiden Texten – den Texten des
vermeintlichen Historikers und denen des Schriftstellers – keine Unterschiede sind. Im einen
führt die Fiktion zur historischen Realität, im anderen die historische Realität zur Fiktion. Mit
anderen Worten sind die Grenzen nicht klar auszumachen und ein Versuch, dies zu ändern,
scheint sinnlos.

1. Kapitel „Castillo de Bouchout, 1927“ – ein veranschaulichendes Beispiel
Als Beispiel für den nahtlosen Übergang von fiktionalen zu faktualen Elementen soll das erste
Kapitel „Castillo de Bouchout, 1927“ dienen.
An seinem Anfang steht das vom französischen Philosophen Nicolas Malebranche (1638-
1715) stammende Zitat „La imaginación, la loca de la casa“ (PASO 2008: 11), mit dem zwei
Funktionen erfüllt werden: einerseits wird ein historischer Fakt, nämlich der Wahnsinn der
mexikanischen Kaiserin Charlotte, dargelegt, andererseits wird auf den hohen Anteil
fiktionaler Elemente dieses Kapitels, oder besser gesagt, aller ungerader Kapitel, in denen die
Ereignisse aus der Sicht der wahnsinnigen Charlotte präsentiert werden, hingewiesen.
Charlottes Wahnsinn gibt dem Roman Raum, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion
beliebig und ohne Bedenken zu überschreiten
       [...] contar otra(s) historia(s) con una retórica libre de condicionamientos sociales o ideológicos.
       Si la imaginación -la loca de la casa- impera, todo se puede decir, y todo se dirá por medio de
       Carlota: „es mi privilegio, el privilegio de los sueños y el de los locos, inventar si quiero un
       inmenso castillo de palabras, palabras tan ligeras como el aire en el que flotan‟ (117).
       (ESPINO BARAHONA 2000)

Dass Charlotte in ihrer Wahnsinnigkeit immer wieder fantasiert und Dinge erfindet, bedeutet
aber      nicht,    dass    dabei    die    Geschichte      verfälscht     wird.    Der     argentinische
Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Noé Jitrik meint, dass eher das Gegenteil der Fall

                                                                                                        12
sei:
       “[...] la verdad puede ser más plena por la intervención de la mentira, o más densa; en cambio, la
       verdad que no pasa por esa prueba puede aparecer como más superficial, o fragmentaria, o sin
       fundamento”. (ESPINO BARAHONA 2000)

Im folgenden Textbeispiel nützt Fernando del Paso Charlottes Wahnsinn und lässt sie in ihrem
fiktionalen monologischen Delirium negativ über die französische Politik sprechen.
       “...Maximiliano, diles que no es verdad, que tú siempre fuiste y serás el amor de mi vida, y que si
       estoy loca es de hambre y de sed, y que siempre lo he estado desde ese día en el palacio de Saint
       Cloud en que el mismísimo diablo Napoleón Tercero y su mujer Eugenia de Montijo me
       ofrecieron un vaso de naranjada fría y yo supe y lo sabía todo el mundo que estaba envenenada
       porque no les bastaba habernos traicionado, querían borrarnos de la faz de la Tierra, envenarnos.”
       (ESPINO BARAHONA 2000)

5.3.4 Beispiele für fiktionale Elemente in Noticias del Imperio
Auch wenn es, wie oben bereits mehrmals erwähnt, sehr schwer ist, im neuen historischen
Roman zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, lassen sich in Noticias del Imperio
dennoch eine Reihe von eindeutig erfundenen Elementen, seien es Ereignisse oder Personen
ausmachen. Diese sollen im Folgenden beispielhaft angeführt werden.

Im Unterkapitel “Seducciones: (II) „Espérate, Esperanza...‟” des 18. Kapitels “Queretaro,
1866-67” legt einer von Maximilians vermeintlichen Richtern seine Sicht der Dinge dar und
bereitet seine Argumente für den Mordprozess gegen den Kaiser vor. Die Figur des Richters
ist allerdings der Imagination del Pasos entsprungen und in der Geschichtsschreibung so nicht
zu finden. (Vgl. ORTEGA 2010)
       [...] “Espérate, Esperanza”, que es el que narra la visión de unos de los supuestos, ficticios, jueces
       del Consejo de Guerra contra Maximiliano, quien prepara sus argumentos en Querétaro.
       (ORTEGA 2010)

Weitere Beispiele für nicht-historische Personen sind die beiden französischen Brüder, die die
Verfasser der Briefe im Unterkapitel „De la correspondencia – incompleta – entre dos
hermanos“ des vierten Kapitels „Una cuestión de faldas, 1862-63“ sind. (Vgl. CORRAL PEÑA
2001: 302)
Folglich ist ihr Briefwechsel ebenfalls kein geschichtliches Faktum, auch wenn er auf der
Basis historischer Daten beruht, wie Fernando del Paso klarstellt:
       “[Yo inventé la correspondencia] pero por supuesto en base a datos históricos; es decir, lo que yo
       me propuse hacer en esa correspondencia incompleta es exponer de una manera literaria, el punto
       de vista de aquellos pocos pero distinguidos franceses que siempre estuvieron en contra de la
       invasión francesa.” (BARRÓN 2002: 15)

                                                                                                          13
Auch der Privatsekretär Juárez‟, der beispielsweise im Unterkapitel „„Es como la gelatina…„“
des zwölften Kapitels „„Lo llamaremos el austriaco„, 1865“ vorkommt, ist eine Erfindung del
Pasos, und nicht als historische Persönlichkeit auszumachen. (Vgl. CORRAL PEÑA 2001: 301)

Die Fiktion spielt auch eine große Rolle, wenn von der Geliebten Maximilians, Concepción
Sedano, die Rede ist. Ihre Existenz sowie auch ihre Beziehung zu Maximilian sind zwar
historisch belegt, aber die Wissenschaftler sind sich nicht einig, ob es sich bei ihr um die
Ehefrau oder die Tochter von Maximilians Gärtner handelt. (Vgl. PASTOR 2007)
Fernando del Paso entschied aus Gründen der Dramatik, dass sie die Ehefrau war:
    Yo como novelista, escogí que fuera la esposa, porque si hubiera sido la hija el jardinero más bien
    se hubiera visto a aprovechar la situación y la hubiera aprovechado muy bien y yo lo que quería
    era hacer un ejercicio poético sobre el abuso del poder, entonces tenía que ser la esposa amada del
    jardinero, un buen hombre, un hombre de Dios, que estaba enamorado de su esposa con toda su
    alma, pero que al mismo tiempo el emperador Maximiliano era una especie de ser divino [...].
    (PASTOR 2007)

Als Beispiel für ein fiktionales Ereignis kann die Schlacht von Puebla genannt werden, die
zwar historisch belegt ist, aber nicht am 5. Mai 1863, wo sie del Paso stattfinden ließ, sondern
ein Jahr früher, am 5. Mai 1862. (Vgl. PASTOR 2007)
    El caso de la batalla de Puebla, que nosotros festejamos aquí el 5 de mayo como un gran triunfo
    sobre los franceses [...] le hago un homenaje en mi novela al sitio de Puebla un año después.
    (PASTOR 2007)

6 Literarische und stilistische Merkmale
Noticias del Imperio als totaler Roman, wo die Grenzen zwischen Realität und Fiktion
verschwimmen, bedient sich verschiedener literarischer und stilistischer Merkmale, um die
historische Zeit der französischen Intervention in Mexiko und des zweiten mexikanischen
Kaiserreichs möglichst vollständig, glaubwürdig und divers darzustellen.

6.1 Erzählinstanzen und Erzählformen
Wie oben schon erwähnt, ist es ein Charakteristikum des neuen historischen Romans, die
historische Realität aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven darzustellen: „crear […]
un número potencialmente infinito de interpretaciones de la historia“ (MALAVER CRUZ 2004:
119)
    Fernando del Paso trata de darle voz a cada personaje que tuvo un papel que jugar durante ese
    período de la historia, a través de los veintitrés capítulos de su novela. (TÉLLEZ o.J.)
                                                                                                    14
Es wird also nicht nur aus der Sicht historischer Persönlichkeiten wie Benito Juárez,
Napoleon III und seiner Frau Eugénie, Kaiser Maximilian von Mexiko und Kaiserin Charlotte
von Mexiko berichtet, sondern es kommen auch Personen zu Wort, die in der offiziellen
Geschichtsschreibung in Vergessenheit gerieten. Manchmal wird sogar aus der Sicht
erfundener Personen erzählt, die von Bettlern und Gärtnern über Spione bis hin zu Priestern
und Soldaten alles sein könnten. (Vgl. TÉLLEZ o.J.)
    [...] la novela presenta unas voces anónimas de personajes ficticios que narran
    determinados episodios de las batallas entre juaristas y el ejército francés en México [...].
    (TORRES PERDIGÓN o.J.: 4)

So ist die Erzählinstanz in allen ungeraden Kapiteln Charlotte, die in Ich-Form die
historischen Ereignisse der Jahre 1861 bis 1867 monologisch erzählt.
In den geraden Kapiteln kommen die verschiedensten Erzählinstanzen – historische sowie
erfundene – vor. Auch die vorkommenden Erzählformen und Textsorten sind sehr
vielschichtig und abwechslungsreich. Einmal wird in Ich-Form, ein anderes Mal in Er-Form
berichtet, einmal hat man es mit Zeitungsartikeln, Briefen, Dokumenten oder Liedern, ein
anderes Mal mit Mono- und Dialogen zu tun. (Vgl. TORRES PERDIGÓN o.J.: 3f)
    Si los capítulos nones de la novela mantienen siempre la forma de un soliloquio, los capítulos
    pares, por el contrario, son muestra de la diversidad de estrategias narrativas que Del Paso echó a
    andar para la representación de la realidad histórica. (CORRAL PEÑA 2001: 299f)

Abgesehen von diesen “voces de la representación y el diálogo” (CLARK/GONZÁLEZ 1994)
gibt es aber auch noch eine Reihe anderer Erzähler, auf die im Folgenden genauer
eingegangen werden soll.

Zum einen gibt es den supernarrador, einen Erzähler, der sehr große Glaubwürdigkeit
genießt, da er die offizielle Version der historischen Vergangenheit darlegt. Die meiste Zeit ist
er nicht spürbar, manchmal manipuliert er aber die Leserin bzw. den Leser oder unterbricht
die Erzählung mit seiner Allwissenheit. (Vgl. CLARK/GONZÁLEZ 1994)
    [...] aparece [...] un “supernarrador” que escoge, encuadra e intercala la documentación histórica,
    y que al seleccionar transmite con eficacia la «historia oficial». Su versión de los hechos
    contribuye al proceso de crear una vista «fiel» del México del siglo XIX, desde los elementos más
    mundanos hacia los movimientos políticos más importantes. De una manera casi imperceptible
    esta voz está siempre en el trasfondo mirando, manipulando y, a veces, irrumpiendo como
    narrador omnisciente. El supernarrador es importante porque su papel no es tan distinto al del
    historiador prototípico, el que rastrea el pasado y selecciona lo que le parece verosímil para
    presentar su versión de los hechos. (CLARK/GONZÁLEZ 1994)

                                                                                                    15
Zum anderen gibt es den impliziten Autor, der die historische Vergangenheit bewertet. Seine
Präsenz ist beispielsweise im Prolog oder in Textstellen erkennbar, die Zweifel ausdrücken.
Weiters ist er dort spürbar, wo er Gesagtes anderer Personen verurteilt oder bestätigt oder
seine Missbilligung gegenüber historischen Quellen ausdrückt. (Vgl. CLARK/GONZÁLEZ 1994)
    [...] se revela un “autor implícito” que sobrepesa y evalúa la documentación. [...] Su voz aparece
    en el prólogo y dentro del texto, expresándose con frases que siembran la duda: “[Al] parecer,
    casi todos los biógrafos e historiadores posteriores a Corti leyeron una u otra versión, pero no las
    dos” (469). En varias ocasiones confirma, expande, contradice o condena lo dicho por otros:
    “Cuenta Hidalgo y Esnaurrízar en sus memorias que se permitió preguntarle a Luis Napoleón...”
    (84). Condena a veces también a las fuentes históricas: “algunos autores, como Adrien Marx..., no
    saben de lo que hablan” (461). En otros casos se imagina “datos” históricos no consignados por
    los historiadores: “esto no lo dice Corti ni ningún otro historiador, pero es de suponerse que el
    Pontífice no descuidaría un detalle semejante -dos bacinillas o tazas de noche: una para Carlota y
    otra para la señora del Barrio.” (469). (CLARK/GONZÁLEZ 1994)

Ein weiterer Erzähler ist der autor dramatizado, der in Ich-Form spricht, ohne am Geschehen
teilzuhaben. Durch seine Einwürfe reißt er die Leserin bzw. den Leser immer wieder aus ihrer
bzw. seiner Illusion. (Vgl. CLARK/GONZÁLEZ 1994)
    [Noticias del Imperio] incluye un «autor dramatizado» que habla en primera persona sin actuar en
    la obra. Este narrador se hace evidente en el capítulo que funciona de epílogo: “En mi opinión,
    Rodolfo Usigli no pudo eludir la historia” (642). O más adelante, “Como le advertimos al lector -
    le advierto yo- el problema no es que en México hayamos matado a Maximiliano... [y] hayamos
    vuelto loca a Carlota: el problema es que a ninguno de los dos los enterramos en México” (643).
    Involucrado emocionalmente en su narración, y viéndose obligado a comentar y especular, rompe
    con sus palabras la ilusión de realidad creada por la novela [...]. (CLARK/GONZÁLEZ 1994)

Diese Vielzahl an Erzählern, Perspektiven und Erzählinstanzen macht aus Noticias del
Imperio einen Roman, der aus unzähligen Fragmenten zu bestehen scheint. Viele
microhistorias verhindern eine einseitige Sichtweise der historischen Realität. (Vgl.
SANMIGUEL 2005)
    La elección de una diversidad de perspectivas lleva a la existencia de diversos núcleos o centros
    en la novela, con el subsecuente enriquecimiento y la complejización de la trama. Los relatos
    provenientes de diferentes personas ofrecen versiones distintas e incluso contradictorias de los
    hechos, lo que conduce a la imposibilidad de hacerles converger por completo. (CORRAL PEÑA
    2001: 314f)

6.2 Textsorten
Fernando del Paso verwendet, um die historische Realität möglichst vollständig und aus
verschiedenen    Blickwinkeln      darzustellen,    nicht   nur    mehrere     Erzählinstanzen     und
Erzählformen, sondern auch eine Vielzahl unterschiedlicher Textsorten. Diese sollen im
Folgenden aufgezählt und, so sie häufig verwendet werden, auch analysiert und kommentiert
werden.
                                                                                                     16
Neben literarischen Textsorten wie Mono- und Dialogen kommen auch solche vor, die
eigentlich zum Alltag eines Historikers gehören, wie Zeitungsartikel, Briefe, Dokumente oder
Lieder. Letztere werden als historische Quellen in den Roman eingeflochten, um ein höheres
Maß an Realität und Glaubwürdigkeit zu schaffen. Die Mono- und Dialoge – im Übrigen die
vorherrschenden Textsorten – kommen vor allem dort zu tragen, wo die historische Realität
fiktionalisiert wird. (Vgl. CORRAL PEÑA 2001: 300)

Im Folgenden sollen die Mono- und Dialoge genauer betrachtet werden.

6.2.1 Der Monolog
Der Monolog als Mittel, Fiktion zu erzeugen, ist in allen ungeraden Kapiteln, also allen
Kapiteln, in denen aus der Sicht Charlottes erzählt wird, die dominierende, ja sogar die einzig
vorkommende Textsorte. In Noticias del Imperio hat er allerdings dialogischen Charakter, da
sich Charlotte, die schon seit Jahren dem Wahnsinn verfiel, an ihren Gatten Maximilian
richtet, der aber schon gut 60 Jahre tot ist.

Wie im gesamten Roman ist auch in Charlottes Monologen schwierig herauszufinden, wo die
Grenze zwischen Realität und Fiktion liegt.
    En principio el discurso de Carlota es poco creíble. Esto es así por dos razones. En primer lugar,
    su discurso suele ser efectivamente el de una loca. [...] En segundo lugar, Carlota dice recibir en
    1927 noticias de un imperio que murió con Maximiliano sesenta años atrás. El lector no puede
    menos que desconfiar de un discurso que llama la atención sobre sí mismo, pues dice inspirarse
    en noticias que llegan con sesenta años de atraso. (MALAVER CRUZ 2004: 117)

Teilweise ist sich Charlotte selbst nicht sicher, was sie glauben soll und was nicht:
    „porque estoy tan confundida que a veces no sé si fui de verdad María Carlota de Bélgica, si soy
    aún Emperatriz de México, si seré algún día Emperatriz de América. Y porque estoy tan
    confundida que a veces no sé dónde termina la verdad de mis sueños y comienzan las mentiras de
    mi vida” (23). (CLARK/GONZÁLEZ 1994)

Abgesehen von den Monologen in den ungeraden Kapiteln kommt diese Textsorte auch noch
an anderen Stellen des Romans vor. Beispiele dafür sind die Unterkapitel “Camarón,
camarón...”, “Yo soy un hombre de letras” und “Camino del paraíso y del olvido”. (Vgl.
CORRAL PEÑA 2001: 307)

                                                                                                    17
6.2.2 Der Dialog
Der Dialog, in welcher Erscheinungsform er auch auftritt, sei es als Gespräch zwischen zwei
Personen oder sei es als Briefkorrespondenz, soll, wie oben schon erwähnt, dazu beitragen,
die historischen Daten zu fiktionalisieren.

Beispiele für das Auftreten des Dialogs als Gespräch zwischen zwei Personen finden sich im
Unterkapitel „Del baile de anoche, en las Tullerías“ des zweiten Kapitels „Entre Napoleón te
veas, 1861-1862“, wo sich Napoleón III und Fürst Richard Metternich auf einem Maskenball
unterhalten und im Unterkapitel ‚“Es como gelatina…„“ des zwölften Kapitels „„Lo
llamaremos el austríaco„, 1865“, wo Benito Juárez mit seinem Privatsekretär spricht. (Vgl.
CORRAL PEÑA 2001: 300)

Briefe als schriftlicher Ausdruck von Dialogen kommen in drei Unterkapiteln des Romans
vor. Sie alle tragen den Titel „De la correspondencia – incompleta – entre dos hermanos” und
sind im vierten, siebten und vierzehnten Kapitel situiert. Die Autoren dieser Briefe sind
Alphonse und Jean-Pierre, ein französisches Brüderpaar, von denen der eine als Mitglied des
französischen Heeres nach Mexiko reiste und der andere in Paris blieb. In den drei
Korrespondenzen erzählen sie von ihren Erlebnissen und diskutieren über die politische Lage
und die aktuellen Geschehnisse in Mexiko und Frankreich. (Vgl. CORRAL PEÑA 2001: 301)

Ein wichtiger Grund, weshalb Fernando del Paso so häufig die dialogische Struktur
verwendet, ist, dass er so seine Figuren nicht extra vorstellen muss, da sie dies, dadurch wie
sie denken, selbst tun.
    Otra razón del uso de la estructura dialógica se relaciona con la ventaja de enfrentar al lector
    directamente con los personajes, es decir, el lector conoce a los personajes sin mediación ni
    interposición, a través de lo que piensan [...]. (CORRAL PEÑA 2001: 301)

6.3 Stil
Um die verschiedenen Sichtweisen ein und desselben historischen Ereignisses möglichst
anschaulich und umfassend darzustellen, ist es unabdingbar, dass die Figuren, aus deren
Perspektive erzählt wird, unterschiedliche Sprachebenen und Stile aufweisen.
“Cada una de [los personajes] posee un registro lingüístico particular” (TORRES PERDIGÓN
o.J.: 3), was als Heteroglossie bezeichnet wird.

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In den Subkapiteln “La ciudad de los pregones” und “Corrido del tiro de gracia” wird aus der
Perspektive von Leuten aus dem Dorf berichtet. Ihr Bildungs- und Sprachniveau scheint nicht
sehr hoch zu sein, was aus ihren syntaktischen und grammatischen Fehlern beim Sprechen
hervorgeht. So ist die Figur in „Corrido del tiro de gracia“ beim Gebrauch der Pronomen sehr
unsicher und verwendet ständig „les“ anstatt von „le“ und „lo“ anstatt von „los“. In „La
ciudad de los pregones“ ist sich die Figur nicht sicher, ob es „escrúpulos“ oder „crepúsculos“
heißt und welches von beiden sie nun meint. (Vgl. CORRAL PEÑA 2001: 311)

Analog dazu wird den europäischen und mexikanischen Herrschern - seien es Kaiser
Maximilian und Kaiserin Charlotte von Mexiko oder Napoleon III und seine Frau Eugénie
oder sei es Benito Juárez - ein höheres Bildungs- bzw. Sprachniveau zugeschrieben.
Maximilian und Charlotte werden sogar durch ihre Muttersprachen, Französisch und Deutsch,
charakterisiert. (Vgl. TORRES PERDIGÓN o.J.: 3)

6.4 Intertextualität
Fernando del Paso macht im Laufe seines umfangreichen historischen Romans immer wieder
intertextuelle Verweise. So verwendet er, wie oben schon mehrmals erwähnt, historische
Quellen wie Briefe, Zeitungsartikel, Dokumente, Lieder, etc. ein. Außerdem erwähnt er
Historiker und ihre Sicht und Interpretation der historischen Daten und Ereignisse, die er dann
kommentierend, bewertend, deutend oder erklärend in den Text integriert.

7 Zusammenfassung und Ausblick
Resümierend kann gesagt werden, dass Fernando del Pasos Noticias del Imperio ein
Paradebeispiel für den neuen historischen Roman ist, da das Werk alle typischen
Charakteristika und Prämissen erfüllt: Es sind keine klaren Grenzen zwischen Realität und
Fiktion auszumachen, die Protagonistinnen und Protagonisten sind historische Personen, es
wird eine kritische und hinterfragende Haltung gegenüber der Geschichtsschreibung
eingenommen und die historische Realität wird aus verschiedenen Perspektiven dargestellt.

Für eine Fortsetzung und Vertiefung der Seminararbeit könnte noch genauer auf die
intertextuellen Beziehungen zwischen Noticias del Imperio und anderen fiktionalen und nicht-
fiktionalen Werken eingegangen werden. Weiters könnte der Roman auf die Darstellung
Europas hin untersucht werden -immerhin wurde Noticias del Imperio von einem Mexikaner
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verfasst-, die Michael Rössner in „Fernando del Paso: Realismo loco ο lo real maravilloso
europeo. Algunas observaciones a propósito de „Noticias del Imperio‟” als märchenhaft
beschreibt. Noch eine Möglichkeit wäre, die wichtigsten Haupt- und Nebenfiguren unter die
Lupe zu nehmen und sie auf Realitäts- bzw. Fiktionsgehalt hin zu analysieren.
Selbstverständlich könnten auch noch mehr Beispiele für fiktive Ereignisse und Personen
gesucht werden – eine Suche, die wahrscheinlich, ob der diffusen Grenzen zwischen Realität
und Fiktion, nie enden würde.

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