Klimatologische Einordnung des Aprils 2020
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Abteilungen für Klimaüberwachung, Agrarmeteorologie und Hydrometeorologie Klimatologische Einordnung des Aprils 2020 Autoren: Florian Imbery, Karsten Friedrich, Frank Kaspar, Johannes Kaiser, Uwe Pfeifroth Bianca Plückhahn, Christina Koppe, Wolfgang Janssen, Torben Meinert Stand: 05.05.2020 Zusammenfassung Der April 2020 war in Deutschland sehr mild, extrem trocken und der sonnenscheinreichste April seit 1951. Die Aprilmonate weisen in den letzten Jahrzehnten eine stärkere Erwärmung als die Jahresdurchschnittstemperaturen auf und tendieren zu Niederschlagsdefiziten. Dies kann unter anderem mit einer Zunahme antizyklonaler Wetterlagen in diesem Monat erklärt werden. Ebenso wie in Deutschland, trat auch europa- und weltweit im ersten Jahresdrittel eine starke positiven Temperaturabweichung auf. Daraus resultierte 2020 in Deutschland ein deutlich früherer Vegetationsbeginn. Aufgrund des deutlichen Niederschlagsdefizits von Mitte März bis Ende April trockneten insbesondere die obersten Bodenschichten aus, dies hatte vor allem für Jungpflanzen und frisch gekeimtes Saatgut negative Auswirkungen. Abstract April 2020 in Germany was very mild, extremely dry and the sunniest April since 1951. In recent decades, the April months showed stronger warming than the annual average temperatures and tend to show precipitation deficits. This can be explained by an increase in anticyclonic weather patterns. As in Germany, a strong positive temperature deviation also occurred in Europe and worldwide in the first third of the year. In Germany, this resulted in a much earlier start of vegetation. Due to the significant rainfall deficit from mid-March to the end of April, the uppermost soil layers in particular dried out, resulting in delayed growth of many crops, especially on young plants and freshly germinated seed. 1
Klimatologische Einordnung des Aprils 2020 Unter vorwiegendem Hochdruckeinfluss war der April 2020 in Deutschland ein ausgesprochen sonnenscheinreicher, viel zu trockener und bedeutend zu warmer April. Mit 292 Sonnenstunden war der diesjährige April der sonnenscheinreichste April seit 1951, dem Beginn der systematischen bodengestützten Messungen der Sonnenscheindauer des DWD (Abb.1). Damit blieb der April nur knapp unter 300 Sonnenscheinstunden, 300 und mehr Sonnenstunden wurden bisher deutschlandweit erst fünfmal erreicht und dies in Monaten, die eine bedeutend längere Tageslänge aufweisen (Juli 2006 und 2018, Juni 2019, Mai 1989, Juli 1994). Mit diesem sehr sonnenscheinreichen Witterungsverlauf ging ein ausgeprägtes Niederschlagsdefizit in ganz Deutschland einher. In großen Teilen Deutschlands hat es in den ersten drei Aprilwochen nicht geregnet. Damit setzte sich eine seit März andauernde sehr trockene Witterungsphase fort. Erst ab dem 28.4. schwächte sich diese Situation durch flächendeckend intensive Niederschläge ab. Mit einem Gebietsmittel von 16,3 mm war der April 2020 der dritttrockenste April seit 1881 und wies nur 28 % der vieljährigen Aprilniederschläge auf. Bisher waren nur die Monatssummen für den April in den Jahren 1893 (3,7 mm) und 2007 geringer (4,0 mm). Seit 2009 wies jeder April unterdurchschnittlichen Niederschlag im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961-1990 auf (Abb. 3). Abbildung 1: Abweichung der mittleren Sonnenscheinstunden im April vom vieljährigen Mittel (1961-1990) für Deutschland für den Zeitraum 1951 bis 2020. 2
Abbildung 2: Abweichung der mittleren Niederschlagssummen im April vom vieljährigen Mittel (1961-1990) für Deutschland für den Zeitraum 1881 bis 2020. Zu den Auswirkungen der trockenen Bedingungen hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde am 29.4.2020 einen Bericht veröffentlicht: https://www.bafg.de/DE/07_Nachrichten/20200429_nw.html Der April 2020 war mit 10,4 °C seit 1881 der siebtwärmste April und 3,0 Kelvin (K) wärmer als das vieljährige Aprilmittel für den Zeitraum 1961-1990 und entspricht eher den mittleren Temperaturen im Mai (Monatsmittel 1961-1990: 11 °C). Dabei gab es auch immer wieder sehr sommerliche Phasen, insbesondere in der Mitte des Monats wurden an den Stationen des DWD häufig Sommertage registriert, das heißt Tage, an denen eine Tagesmaximumtemperatur von 25 °C oder mehr gemessen wurde. Am 17.4. war dies z. B. an 33 Stationen der Fall. Die ersten Sommertage im Jahr 2020 wurden am 7.4. an 3 Stationen in Baden beobachtet. Wie in Abb. 3 zu erkennen ist, gab es seit 1990 nur drei Jahre, in denen das Monatsmittel der Temperatur unter dem vieljährigen Temperaturmonatsmittel 1961-1990 lag. Auch weist der April mit einem linearen Trend von 1,9 K seit 1881 eine überdurchschnittlich starke Erwärmung auf: Im Jahresmittel der Temperatur ist es von 1881 bis 2019 1,6 K wärmer geworden. Damit setzt der April 2020 eine Folge überdurchschnittlich warmer Monate fort. Im Zeitraum Mai 2018 bis April 2020 lag nur der Mai 2019 unter den vieljährigen Monatsmitteln 1961-1990 (Abb. 4), alle anderen Monate waren wärmer, zudem handelte es sich bei 2018 um das bisher wärmste Jahr und bei 2019 (gemeinsam mit 2014) um den Platz 2. 3
Abbildung 3: Abweichung des Gebietsmittels der Temperatur im April vom vieljährigen Mittel (1961-1990) für Deutschland für den Zeitraum 1881 bis 2020. Abbildung 4: Deutschlandweite Temperaturabweichung im langjährigen statistischen Vergleich. Gezeigt werden die Abweichungen für den Zeitraum Mai 2018 bis April 2020 (rot/blau) im Vergleich zu den früheren Jahren ab 1881 (grau). 4
In dem Thermopluviogramm in Abb. 5 sind die Abweichungen der Monatssummen des Niederschlags und die Monatsmittel der Temperatur für den April von 1881 bis 2020 gemeinsam dargestellt und helfen, den April 2020 klimatologisch einzuordnen. Hier ist gut zu erkennen, dass der diesjährige April einer der wärmsten und trockensten Aprilmonate seit 1881 war. Lediglich der April 2007 war sowohl trockener als auch wärmer. Der April 1893 war zwar trockener als der diesjährige April, weist aber keine so starke positive Temperaturanomalie auf. Außer 1893 sind es mit den Jahren 2007, 2009, 2011, 2018 und 2020 insbesondere Aprilmonate des 21 Jh., die sehr trocken und sehr warm waren. Abbildung 5: Abweichung des Gebietsmittels der Temperatur und der Niederschlagssummen im April vom vieljährigen Mittel (1961-1990) für Deutschland für den Zeitraum 1881 bis 2020. 5
Klimatologische Einordnung des bisherigen Jahresverlaufs der Temperatur in Deutschland, Europa und global Der Zeitraum Januar bis April 2020 war mit einer Durchschnittstemperatur von 6,1 °C das zweitwärmste erste Jahresdrittel seit 1881, nur im Jahr 2007 war der Zeitraum Januar bis April mit 6,6 °C wärmer. Vergleichbar mit dem sehr warmen ersten Jahresdrittel in Deutschland, war auch die globale Temperatur von einer sehr warmen Episode am Jahresanfang geprägt. Laut Auswertungen der US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA (Link) war global das erste Quartal 2020 nach 2016 die bisher zweitwärmste Januar-März Periode seit 1880 und 1,15 K wärmer als das Januar-März-Mittel des 20. Jh. In Europa war dieser Zeitraum die bisher wärmste Januar- März Periode und 3,2 K wärmer als das Januar-März-Mittel des Zeitraums 1910-2000. Der April 2020 war global laut dem europäischen Klimadienst C3S genau so warm wie der bisher wärmste April 2016 (Link). Besonders hohe positive Abweichungen fanden sich in diesem Monat in Nord- und Mitteleurasien, Teilen Grönlands und der Antarktis, deutlich unter dem Durchschnitt liegende Temperaturen wurden in weiten Teilen Nordamerikas registriert. In Europa lagen die Temperaturen in einer Reihe von westlichen Ländern weit über dem Durchschnitt, im Nordosten jedoch unter dem Durchschnitt. Auch europaweit war der April 2020 sehr sonnenscheinreich. Auswertungen von Satellitendaten, basierend auf Datensätzen der EUMETSAT Satellite Application Facility on Climate Monitoring (Datensatz SARAH-2.1 mit aktuellen Erweiterungen) (Link), haben für diesen Monat mit 230 Stunden den viertsonnigsten April seit 1983 ergeben. Sonniger waren seit 1983 bisher nur 2007 (233 Stunden), 2018 (233 Stunden) und 2015 (232 Stunden). Bei den Auswertungen der Sonnenscheindauer aus Satellitendaten ergibt sich für Deutschland mit 289 Stunden eine geringfügig niedrigere Summe als aus den bodengestützten Messungen. Nach dieser Auswertung ist der April 2020 in Deutschland nach 2007 (298 Stunden) der zweitsonnenscheinreichste April seit 1983. Abbildung 6: Kumulative Sonnenscheindauer und regionale Abweichung der Sonnenscheindauer im April 2020 von dem vieljährigen Monatsmittel 1983-2017 für Europa. Quelle: CM-SAF. 6
Änderung des Verhältnis zyklonaler und antizyklonaler Wetterlagen im April. Zyklonale Wetterlagen sind allgemein durch einen unbeständigen Witterungsverlauf geprägt, d.h. Mitteleuropa und Deutschland sind bei solchen Wetterlagen im Einfluss von durchziehenden atlantischen Tiefdruckgebieten und erleben somit einen häufigen Wechsel von trüben und niederschlagsreichen bzw. trockenen und sonnigen Perioden. Bei antizyklonalen Wetterlagen überwiegt hingegen Hochdruckeinfluss mit geringer Wolkenbildung und wenig Niederschlägen. Auswertungen der Wetterlagen über Deutschland seit 1980 zeigen eine Abnahme der zyklonalen Wetterlagen zugunsten antizyklonaler Wetterlagen in den Aprilmonaten (Abbildung 7) seit dem Beginn des 21. Jh. Die Folge sind länger anhaltende stabile Wetterlagen mit mehr Sonnenstunden, weniger Niederschlägen, und höheren Temperaturen, die dem allgemeinen Erwärmungstrend überlagert sind. Diese Änderung des Verhältnisses zyklonaler/antizyklonaler Wetterlagen ist in keinem anderem Monat so stark ausgeprägt wie im April. Im Auswertungszeitraum seit 1980 wies nur der April 2007 mehr Tage mit antizyklonalen Wetterlagen auf als der April 2020. Galt der April bisher als ein relativ unbeständiger Monat, so zeigt sich hier die Tendenz zu eher stabilen und frühsommerlichen Witterungsverläufen. Abbildung 7: Auswertung des Verhältnis Zyklonalität/Antizyklonalität im 500 hPa-Niveau für den Monat April 1980- 2020. 7
Einordnung der bisherigen phänologischen Entwicklung 2020 Durch die milde Witterung im Winter 2019/2020 startete die Pflanzenwelt 2020 deutlich früher als im vieljährigen Mittel 1992-2019. Die Blüte der Hasel setze im Deutschlandmittel bereits am 22.01.2020 ein und somit rund 3 Wochen früher als im Vergleichszeitraum. Der Erstfrühling, welcher durch den Blühbeginn der Forsythie angezeigt und mit dem Vegetationsbeginn gleichgesetzt wird, begann etwa 17 Tage früher. Auch der Blühbeginn des Apfels war 10 Tage früher als im Mittel der Jahre 1992-2019. Der milde April führte mancherorts auch dazu, dass bereits der Schwarze Holunder anfing zu blühen, diese phänologische Phase läutet den Frühsommer ein (Abb. 8). Bodentrockenheit: in einigen Regionen neue Minima der Bodenfeuchte erreicht. Aufgrund der feuchten Witterung im Februar und der ersten Märzhälfte waren die Böden bis März im Deutschlandmittel gut mit Wasser gefüllt und die Bodenfeuchteverhältnisse waren in den oberen 60cm im Normalbereich (Abb. 9). Der frühe Beginn der Vegetationsperiode hatte zur Folge, dass der Wasserbedarf der Pflanzen im März und April 2020 im Vergleich zu den Vorjahren erhöht war. Fast zeitgleich mit dem Beginn der Vegetationsperiode setzte eine trockene Witterungsphase ein, die von Mitte März bis Ende April andauerte. Die sonnenscheinreiche Witterung, sehr trockene Luft und zeitweise auch frischer bis starker Wind führten zu relativ hohe Verdunstungsraten. Der Wasserbedarf der Pflanzen war in diesem Zeitraum also deutlich höher als die Niederschlagsmenge und musste aus dem im Boden gespeicherten Wasser gedeckt werden. Eine Folge: Vielerorts war der potentielle Wasserbedarf der Vegetation im genannten Zeitraum deutlich größer als die Wassermenge, die durch den Bodenwasserspeicher in der durchwurzelten Bodenzone zur Verfügung gestellt werden konnte. In Abbildung 10 wird dies am Beispiel von Gras dargestellt. Ein hohes Verdunstungsdefizit (Unterschied zwischen der potentiellen (= unter den gegebenen Witterungsbedingungen maximal möglichen) und der tatsächlichen Verdunstung) zeigt an, dass die Wasserversorgung der Pflanzen nicht optimal ist. Dies ist gleichbedeutend mit einem Stressfaktor für die Vegetation. 8
Abbildung 8: Phänologische Doppeluhr für Deutschland. Im äußeren Kreis sind die mittleren phänologischen Jahreszeiten für den Zeitraum 1992 bis 2019 dargestellt. Der innere Kreis zeigt das Jahr 2020. Die Phänologische Uhr beschreibt den zeitlichen Vegetationsablauf. Vor allem die obersten Bodenschichten (0-30 cm Tiefe) trockneten im April zunehmend aus, während tiefere Schichten nach den intensiven Winterniederschlägen noch gut durchfeuchtet waren. Für Pflanzen mit tiefreichenden Wurzeln, die dieses Wasserreservoir auch nutzen konnten, wie zum Beispiel optimal entwickeltes Wintergetreide, war die Trockenheit im Großen und Ganzen daher zunächst unproblematisch. Demgegenüber litten weniger gut entwickelte Bestände zunehmend unter Trockenheit. Bei den im Frühjahr gesäten Kulturpflanzen hingegen wurden Auflaufen und Jugendentwicklung deutschlandweit durch die zunehmende Trockenheit beeinträchtigt. Verbreitet liefen die Bestände verzögert oder ungleichmäßig auf. Zum Teil lag das Saatgut zum Monatsende noch ungekeimt im Boden. Ein positiver Effekt der Trockenheit war, dass auch das Unkraut kaum gekeimt ist. 9
Abbildung 9: Klimatologische Einordnung der Monatsmittelwerte der Bodenfeuchte unter Gras auf sandigem Lehm für Deutschland im Vergleich zu 1991-2019. Dunkle etwas schmalere Balken: aktuelle Monatsmittelwerte. Neben den direkten Auswirkungen der Trockenheit kam es auch zu indirekten Auswirkungen: Aufgrund der zunehmenden Austrocknung der obersten Bodenschichten kam die zweite Düngegabe nicht bis zu den Wurzeln und verblieb stattdessen ungenutzt im trockenen Oberboden. Die Folge waren gebietsweise Mangelerscheinungen – selbst in vergleichsweise üppig entwickelten Beständen. Der zeitweise kräftige Ostwind wurde für auflaufende Rübenbestände auf erosionsanfälligen Standorten regional zum Problem. In den Wäldern machen sich nach wie vor die Auswirkungen der trockenen Jahre 2018 und 2019 deutlich bemerkbar. Zum einen wird nach den Trockenjahren ein erhöhter Krankheits- und Schädlingsbefall beobachtet, zum anderen hat sich die Trockenheit auf die Vitalität der Bäume ausgewirkt. Längere Trockenphasen, wie in den vergangenen Wochen treffen also ohnehin schon geschwächte Bäume. Hinzu kommt, dass im vergangenen Winter nicht überall genügend Niederschlag gefallen ist, um die tiefer liegenden Bodenschichten aufzufüllen. Aufgrund der trockenen Witterung kam es vor allem in der zweiten Monatshälfte zu mehreren, teils großflächigen Waldbränden. 10
Abbildung 10: Differenz zwischen potentieller Verdunstung und realer Verdunstung von Gras auf sandigem Lehm. Hohe Werte zeigen an, dass der Verdunstungsbedarf von Gras höher ist, als die im Boden verfügbare Wassermenge. Quellen Viele der verwendeten Daten und Abbildungen sowie ergänzende Informationen sind in folgenden Informationsangeboten des DWD zu finden: • https://www.dwd.de/zeitreihen • https://www.dwd.de/cdc • https://www.deutscher-klimaatlas.de • https://www.dwd.de/DE/leistungen/wetterlagenklassifikation/ • https://www.dwd.de/phaenologie 11
Weiterführende Materialien zur globalen und europaweiten klimatologischen Einordnung finden sich unter: • https://climate.copernicus.eu/surface-air-temperature-april-2020 • https://www.ncdc.noaa.gov/cag/global/time-series • https://dx.doi.org/10.5676/EUM_SAF_CM/SARAH/V002_01 Hinweise: Die im Bericht aufgeführten Daten geben den Stand der Niederschrift wieder. 12
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