Konzeption und Erstellung eines Musikspiels mit einer E-Gitarre als Controller
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Fachbereich 4: Informatik Konzeption und Erstellung eines Musikspiels mit einer E-Gitarre als Controller Diplomarbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Informatikers im Studiengang Computervisualistik vorgelegt von Matthias Merz Erstgutachter: Prof. Dr.-Ing. Stefan Müller (Institut für Computervisualistik, AG Computergraphik) Zweitgutachter: Ulrich Wechselberger (Institut für Computervisualistik, AG Computergraphik) Koblenz, im März 2011
Erklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine an- deren als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Ja Nein Mit der Einstellung der Arbeit in die Bibliothek bin ich einverstanden. Der Veröffentlichung dieser Arbeit im Internet stimme ich zu. ................................................................................. (Ort, Datum) (Unterschrift) 1
Institut für Computervisualistik AG Computergraphik Prof. Dr. Stefan Müller Postfach 20 16 02 56 016 Koblenz Fachbereich 4: Informatik Tel.: 0261-287-2727 Fax: 0261-287-2735 E-Mail: stefanm@uni-koblenz.de Aufgabenstellung für die Diplomarbeit Matthias Merz (Matr.-Nr. 205210144) Thema: Konzeption und Erstellung eines Musikspiels mit einer E-Gitarre als Controller Musikspiele haben sich in den letzten Jahren zu einer der erfolgreichsten Videospielformen entwickelt. In Spielen wie Guitar Hero oder Rock Band können bekannte Musikstücke mit Controllern in Instrumentenform nachgespielt werden. Dazu drückt der Spieler zum richtigen Zeitpunkt die passenden Knöpfe auf dem Gitarren-Controller und lässt damit die Musik erklingen. Die Handhabung dieser Geräte ist dabei, im Vergleich zu den echten Instrumenten, stark vereinfacht. Die neueste Generation dieser Musikspiele geht einen Schritt weiter und bietet die Möglichkeit weitaus realistischere Instrumente zu benutzen und in Zukunft sollen die Spiele auch auf eine echte E-Gitarre als Controller zurückgreifen können. Damit könnte die Grenze zwischen einem Videospiel und dem Spielen eines Instruments zunehmend verwischt werden. Welche Auswirkungen die erhöhte Authentizität auf das Spielerlebnis hat und ob es eventuell möglich ist durch das Spielen eines Videospiels ein Instrument zu erlernen, ist noch unklar. Im ersten Teil dieser Arbeit soll das Spielkonzept solcher Musikspiele am Beispiel von Rock Band 3 analysiert werden, um herauszufinden wie die Spieler dazu motiviert werden viele Stunden mit dem Bedienen einer Plastikgitarre zu verbringen. Für diese Analyse werden Methoden des Game Design und Erkenntnisse der Unterhaltungsforschung vorgestellt und gezeigt, wie sie in den Musikspielen verwendet wurden. Außerdem sollen Hypothesen darüber aufgestellt werden wie sich die erhöhte Authentizität der Instrumente auf das Spielerlebnis und insbesondere Unterhaltung auswirkt. Der zweite Teil der Arbeit besteht aus der praktischen Umsetzung der Erkenntnisse der Analyse. Ein ähnliches Spielkonzept soll dabei mit der Bedienung durch eine echte E-Gitarre kombiniert und umgesetzt werden. Hierfür wird zunächst eine Schnittstelle zur Benutzung der E-Gitarre als Controller benötigt. Außerdem wird ein Spielkonzept ausgearbeitet, das auf die Bedienung durch eine E-Gitarre ausgelegt wird. Es wird zusätzlich ein zweites, leicht verändertes Konzept erarbeitet, um die Konzepte gegenüberstellen und anhand der Gegenüberstellung die Hypothesen prüfen zu können. Schließlich soll ein Prototyp dieses Spiels erstellt werden, bei dem es möglich ist ein Musikstück mit einer echten E-Gitarre zu spielen. Im dritten Teil der Arbeit sollen die erstellten Spielkonzepte untersucht und verglichen werden. Dabei können aus der formalen Analyse abgeleitete Hypothesen überprüft werden. Schwerpunkte dieser Arbeit sind: 1. Literatursuche und Einarbeitung in die Methoden des Game Design, der Unterhaltungsforschung und Game Studies 2. Analyse von Rock Band 3 auf Basis der Literatur, insbesondere die Verwendung der realistischeren Instrumente 3. Erstellung einer Schnittstelle zur Benutzung der E-Gitarre als Controller 4. Ausarbeiten eines Musikspiel-Konzepts mit E-Gitarre als Controller 5. Umsetzung des Spiels 6. Vergleich der Konzepte Koblenz, 10.11.2010 - Prof. Dr. Stefan Müller-
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Related Work 3 2.1 Musikvideospiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.2 Musiklernsoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.3 Wissenschaftliche Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Theoretische Grundlagen zur Analyse von Computerspielen 13 3.1 Zusammenfassung der Forschung zur Unterhaltsamkeit von Com- puterspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.2 Unterhaltungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.3 Unterhaltung durch Computerspiele nach Klimmt . . . . . . . . . 15 3.3.1 Computerspielen als Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.3.2 Mechanismen des Unterhaltungserlebens beim Computer- spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.3.3 Selbstwirksamkeitserleben . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.3.4 Spannung und Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3.5 Simulierte Lebenserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.3.6 Kombiniertes Unterhaltungserleben . . . . . . . . . . . . 29 3.3.7 Zusammenfassung des Modells . . . . . . . . . . . . . . 31 4 Formale Analyse von Rock Band 3 33 4.1 Rock Band 3-spielen als Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.2 Mechanismen des Unterhaltungserlebens beim Rock Band 3 spielen 38 4.2.1 Selbstwirksamkeitserleben . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.2.2 Spannung und Lösung bei Rock Band 3 . . . . . . . . . . 41 4.2.3 Simulierte Lebenserfahrung in Rock Band 3 . . . . . . . . 45 4.3 Kombiniertes Unterhaltungserleben in Rock Band 3 . . . . . . . . 47 4.4 Mögliche Effekte durch die Verwendung einer E-Gitarre als Con- troller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5 Konzeption und Umsetzung des Spiels 50 5.1 Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.2 Technische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.3 MIDI-Schnittstelle und Erweiterung des Spiels . . . . . . . . . . 55 5.4 Erstellung von Liedern für das Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6 Vergleich der Konzepte 61 6.1 Problemstellung und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6.2 Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6.2.1 Unabhängige Variable und Schwierigkeitsgrad . . . . . . 63 6.2.2 Abhängige Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 6.2.3 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 i
6.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.3.1 Dimensionierung der abhängigen Variablen . . . . . . . . 66 6.3.2 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 6.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.4.1 Bewertung der Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.4.2 Diskussion der Gesamtergebnisse . . . . . . . . . . . . . 74 7 Zusammenfassung und Fazit 77 ii
1 Einleitung Computerspiele sind eine sehr beliebte Unterhaltungsform, die mittlerweile für viele Menschen zur alltäglichen Freizeitgestaltung gehört. In den letzten Jahren hat sich die Zielgruppe von Computerspielen zudem vergrößert. Waren die Spiele zu Beginn der Computerspielentwicklung eher auf junge, männliche Spieler zuge- schnitten, so sprechen sie heute eine breite Masse quer durch alle Altersschichten an. Unteranderem durch neue Spiel- und Bedienungskonzepte wurde der Zugang zu Computerspielen einem größeren Publikum ermöglicht. Ein Beispiel dafür sind Musikspiele wie Guitar Hero oder Rock Band. Bei diesen Titeln übernehmen die Spieler die Rolle eines Rockstars oder wenn mehrere Perso- nen zusammen spielen, die einer ganzen Rockband. Um diese Illusion glaubhaft zu machen, werden statt den üblichen Gamecontrollern Eingabegeräte in Instrumen- tenform benutzt. Mit diesen Kunststoffnachbildungen lässt der Spieler bekannte Musikstücke erklingen, indem er zum Rhythmus passende Tastenfolgen, die auf dem Bildschirm angezeigt werden, eingibt. Dieses einfache Spielkonzept ist die Grundlage einer der erfolgreichsten Compu- terspielserien. Allein die Guitar Hero Serie hat sich weltweit von 2005 bis 2010 mehr als 25 Millionen Mal verkauft. Wie ist dieser Erfolg zu erklären? Die Antwort ist naheliegend: Das Spiel macht sehr viel Spaß. Auch andere Fakto- ren tragen mit Sicherheit dazu bei, wie die Popularität der Musik, die nachgespielt werden kann, jedoch trägt das letztlich auch zur Erhöhung des Spaßfaktors bei. Warum macht dieses Spiel so viel Spaß? Diese Frage wird im späteren Verlauf dieser Arbeit genauer betrachtet, denn sie lässt sich ohne genauere Untersuchun- gen lediglich subjektiv beantworten. Die Vermutung, dass es vielen Spielern Spaß bereitet in die Rolle eines Rockstars zu schlüpfen und mit einem gitarrenähnlichen Controller bekannte Lieder nachzuspielen, ist allerdings nachvollziehbar. Bei vielen anderen bekannten Computerspielen geht es auch um die Simulati- on von Erfahrungen, die in der realen Welt nur schwer oder teilweise auch gar nicht möglich wären. Bei einer Rennsimulation nimmt der Spieler die Rolle eines Formel-1-Fahrers ein, bei einer Fußballsimulation die eines Fußballstars, bei un- zähligen Action-Spielen die des Helden, der die Welt retten soll und bei dieser Art von Musikvideospiel übernimmt der Spieler die Rolle des gefeierten Rockstars. Möglich wird diese Illusion durch die vereinfachte Bedienung des Gitarrencontrol- lers im Vergleich zu einer echten E-Gitarre. Auch Nutzer, die keinerlei Kenntnisse über Musik oder das Spielen einer Gitarre haben, können in der Spielwelt inner- halb kurzer Zeit zum bejubelten, wenn auch virtuellen, Rockstar avancieren. Der Schwierigkeitsgrad des Spiels kann auf verschiedene Stufen eingestellt wer- den, so dass auch Einsteiger schnell mit der Bedienung zurechtkommen können. Mit dem Schwierigkeitsgrad variieren die Komplexität und die Anzahl der Tasten, die vom Benutzer gedrückt werden müssen. Auf der niedrigsten Schwierigkeitsstu- fe werden teilweise komplexe Lied-Kompositionen auf einen einzigen Tastendruck reduziert, so muss der Spieler nur eine Taste betätigen, um eine kleine Melodie 1
oder ein kurzes Stück eines Liedes erklingen zu lassen. Mit steigender Schwierig- keitsstufe kommen mehr Tasten hinzu und die Komplexität wird erhöht, es müssen beispielsweise zwei bestimmte Tasten gleichzeitig betätigt werden. Auch die einzelnen Lieder unterscheiden sich in ihrer Schwierigkeit deutlich. Das Tempo und die Komplexität der Komposition sind dabei die wichtigsten Faktoren. Das Nachspielen der Lieder kann schnell zu einer Herausforderung an die Ge- schicklichkeit, Schnelligkeit und Hand-Auge-Koordination des Spielers werden. Ohne Übung lassen sich viele der Musikstücke nicht meistern. Es kann in einem Übungsmodus gespielt werden in dem einzelne Teile der Lieder separat gespielt werden können oder der Schwierigkeitsgrad wird stufenweise erhöht. Selbst das Üben wird innerhalb des Spiels offenbar als unterhaltsam angesehen. Inwiefern wird das Spiel durch die Gitarrencontroller vereinfacht und warum wird nicht eine echte E-Gitarre als Eingabegerät benutzt? Hier stellt sich die Frage ob dieses Spielkonzept erweitert und auch auf die Verwendung echter Instrumente übertragen werden kann. Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll daher ein Musik- spiel mit einer echten E-Gitarre als Controller konzipiert und erstellt werden. Dabei soll gezeigt werden, ob ein solches Musikspiel auch mit diesem neuen Ein- gabegerät als unterhaltsam erlebt werden. Dieses Kriterium ist für ein Spiel am wichtigsten. Zunächst soll gezeigt werden inwiefern bereits ähnliche Ansätze be- stehen, welche relevanten Informationen diese liefern und wie diese Arbeit mit den vorgestellten Ansätzen zusammenhängt und wodurch sie sich von ihnen abgrenzt. Um die zentrale Frage, ob ein Musikspiel auch mit einer E-Gitarre als Control- ler unterhaltsam sein kann, beantworten zu können, wird eine Theorie für die Unterhaltung durch Computerspiele benötigt. Nachdem dafür die theoretischen Grundlagen vorgestellt wurden, sollen diese dazu dienen, das Unterhaltungserle- ben beim Spielen von Rock Band 3 zu analysieren. Dadurch sollen die Aspekte und Komponenten identifiziert werden, welche das Unterhaltungserleben bei ei- nem Musikspiel am stärksten beeinflussen. Anschließend können Hypothesen über die Auswirkungen auf das Unterhaltungs- erleben durch die Verwendung der E-Gitarre formuliert werden. Die Erkenntnisse der Analyse von Rock Band 3 sollen dazu benutzt werden ein ähnliches Spielkon- zept mit einer E-Gitarre als Controller zu erstellen. Dazu muss eine Möglichkeit gefunden werden, das analoge Signal einer E-Gitarre in Eingabebefehle für das Spiel umzuwandeln. Abschließend soll eine empirische Untersuchung Aufschluss darüber geben, ob das erstellte Spielkonzept als unterhaltsam bewertet wird. 2
2 Related Work In diesem Kapitel werden existierende Musikspiele, Musiklernprogramme und wissenschaftliche Arbeiten vorgestellt, um den Rahmen dieser Arbeit und den the- matischen Forschungsbedarf aufzuzeigen. Die bisherigen Entwicklungen werden präsentiert, so dass der Stand der Forschung bzw. der Spiele- und Softwareent- wicklung aufgegriffen und mit neuen Ideen erweitert werden kann. Zunächst werden dazu einige Musikvideospiele vorgestellt, um einen Überblick über das Genre zu geben. Rund um das Thema Musik existiert eine Fülle von Spielen, daher werden exemplarisch einige ausgewählte Titel vorgestellt, die hilf- reiche Informationen für diese Arbeit liefern. Neben Computerspielen wird auch Musiklernsoftware für Computer betrachtet. Diese Programme zeigen verschie- dene Modelle zur interaktiven Lernunterstützung für Musikinstrumente und geben damit einen Einblick in die Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch und Com- puter durch ein Instrument. Schließlich werden wissenschaftliche Arbeiten aus diesem Bereich präsentiert. Da- bei werden sowohl Arbeiten über Musikvideospiele als auch über Musiklernsoft- ware betrachtet. Im letzten Teil dieses Kapitels wird eine Arbeit vorgestellt, die zeigt inwiefern das Spiel Guitar Hero das Gitarrespielen simuliert. Durch diese Betrachtung können die Möglichkeiten, welche durch eine E-Gitarre als Control- ler entstehen könnten, aufgedeckt werden. Zusätzlich wird ersichtlich, ob diese Erweiterung sinnvoll ist oder ob das Spiel Guitar Hero und der dazugehörige Gi- tarrencontroller das Gitarrespielen bereits so realitätsnah simulieren, dass die vor- geschlagene Veränderung keinen Mehrwert ermöglichen würde. 2.1 Musikvideospiele Als Musikvideospiele können alle Spiele bezeichnet werden, deren Gameplay sich hauptsächlich oder ausschließlich aus der Interaktion des Spielers mit Musik ergibt. Dabei werden Musikvideospiele als eine, vergleichsweise neue, Unterkategorie der Action- oder Puzzlespiele angesehen ([1] S.399). Besonders interessant sind im Kontext dieser Arbeit die sogenannten Rhythmuss- piele. Diese Spiele konzentrieren sich meistens darauf das Spielen eines Instru- ments zu simulieren oder auf das Tanzen. Die Spieler bekommen dabei eine Vorgabe welche Aktion sie zu welchem Zeitpunkt ausführen sollen. Ob eine Ak- tion korrekt ausgeführt wurde, ist durch eine entsprechende Rückmeldung des Spielsystems zu erkennen. Beispielsweise führt die Spielfigur die eben eingegebe- ne Aktion aus, zeigt also den Tanzschritt, oder ein Musikstück erklingt. 3
Guitar Hero Eines der erfolgreichsten Musikvideospiele ist das im Jahr 2005 erschienene Guitar Hero. Bei diesem Spiel soll der Nutzer ein Musikstück mit einem Gitarrencontrol- ler möglichst genau nachspielen. Dazu werden die jeweiligen Knöpfe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt betätigt werden sollen, auf dem Bildschirm angezeigt. Wäh- renddessen läuft im Hintergrund ein Original-Musikstück eines Künstlers oder ei- ner Band. Verpasst der Spieler, der in die Rolle des Gitarristen schlüpft, nun einen angezeigten Knopfdruck, so ertönt statt dem Klang der Gitarre ein Klangeffekt, der signalisiert dass eine falsche Taste gedrückt wurde oder der richtige Zeitpunkt verpasst wurde. Wenn die geforderten Eingaben zeitgenau vom Spieler ausgeführt werden, erklingt das Lied in seiner bekannten Form. Ziel des Spiels ist es nicht nur Musikstücke möglichst fehlerfrei nachzuspielen, sondern dabei auch noch so viele Punkte wie möglich zu erzielen und das Publikum zu begeistern. Punkte werden dabei durch getroffene Noten, also durch richtige Tastendrücke zum passenden Zeitpunkt, und besonders durch viele ohne Unterbrechung getroffene Noten, erzielt. Zusätzlich kann das Spiel auch von zwei Nutzern gleichzeitig gespielt werden. Dabei können entweder gemeinsam Musikstücke mit Gitarre und Bass oder Rhythmus-Gitarre gespielt werden, oder die beiden Spieler treten gegeneinander an und versuchen mehr Punkte als ihr Gegenüber zu erreichen. In vielen weiteren Teilen der Guitar Hero Serie wurde diese Spielprinzip leicht verändert und weiterentwickelt. Unter anderem wurden weitere Instrumente hin- zugefügt, wie bei dem im nächsten Abschnitt beschriebenen Spiel Rock Band. Da am Gesamtkonzept des Spiels keine Veränderungen vorgenommen wurden, werden die weiteren Teile nicht genauer beschrieben. Abbildung 1: Interface von Guitar Hero, Bild aus [2] 4
Rock Band Ebenfalls sehr erfolgreich ist das Spiel Rock Band, das auf das gleiche Spielprinzip wie Guitar Hero zurückgreift, bei dem aber weitere Instrumente hinzugefügt wur- den. Zusätzlich zu den Gitarrencontrollern wurden noch ein Schlagzeugcontroller und ein Mikrofon in das Spiel integriert. Dadurch können bei Rock Band bis zu vier Personen gleichzeitig als Band zusammenspielen. Dabei sind die Nachbildungen, je nach Instrument, mehr oder weniger realistisch gestaltet. Der Gitarrencontroller ist kleiner und leichter als eine übliche E-Gitarre, aus Kunststoff statt aus Holz gefertigt und besitzt statt Saiten fünf Tasten und um den Anschlag einer Gitarre zu simulieren eine Art Kippschalter. Die Bedienung wird somit einfacher und ist für Einsteiger schneller zu erlernen. Der Schlagzeug- controller ist im wesentlich einem einfachen E-Schlagzeug nachempfunden. An- statt aus großen Trommeln welche mit Fellen bespannt sind, besteht dieses Set aus Kunststofftellern. Die Becken bestehen ebenfalls aus Kunststoff und auch ein Fußpedal zum Bedienen der Kickdrum (auch Bassdrum oder große Trommel) ist vorhanden. Im dritten Teil der Rock Band Serie wurde das Keyboard als weiteres Instrument integriert und der sogenannte Pro Modus wurde eingeführt. In diesem Modus wer- den die Lieder mit realistischeren Controllern nachgespielt. Das Schlagzeug wurde um Becken erweitert und Keyboard und Gitarre können in diesem Modus nur mit neuen Controllern gespielt werden. In Kapitel vier wird dieses Spiel genauer vor- gestellt und anschließend analysiert. Abbildung 2: Interface von Rock Band im Mehrspielermodus, Bild aus [3] 2.2 Musiklernsoftware In diesem Abschnitt werden exemplarisch einige Programme vorgestellt, die das Erlernen oder das Üben eines Instruments unterstützen sollen. Für diese Arbeit sind insbesondere Programme interessant, welche sich mit der Interaktion zwi- schen Mensch und Computer mit Hilfe eines Instruments befassen. 5
Synthesia Ein Beispiel für diese Interaktion liefert die Software Synthesia. Dabei handelt es sich um ein Programm, welches dem Nutzer das Piano-Spielen beibringen soll. Für dieses Spiel, wie es von den Entwicklern bezeichnet wird, muss ein MIDI- Keyboard an einen Computer angeschlossen werden. Zur Vereinfachung bietet das Spiel neben der normalen Notenschrift eine weitere Methode der Notennotation an. Die Noten werden durch herunterfallende Balken (siehe Abbildung 3), die auf ei- ne bestimmte Taste einer angezeigten Klaviatur zusteuern, symbolisiert. Durch die Länge dieser Balken wird die Tonlänge repräsentiert und genau wenn ein Balken die angezeigt Klaviatur berührt, muss der Spieler die entsprechende Taste betäti- gen. Als Spiel wird diese Software vermutlich deshalb bezeichnet, weil am Ende eine Punktzahl angezeigt wird, die sich durch richtig gespielte Noten ergibt. Im Ver- gleich zu Spielen wie Guitar Hero oder Rock Band wird der Klang des Pianos bei Synthesia erzeugt und kein zuvor aufgenommener Klang abgespielt. Dadurch bedingt werden auch falsche oder zeitlich versetzte Töne wiedergegeben und er- möglichen es dem Spieler Fehler genau zu erkennen. Abbildung 3: Diagramm zu Synthesia, Bild aus [4] Guitar Pro Das Programm Guitar Pro der Firma Arobas Music ist ein Mehrspur Notensatz- programm, das die normale Notenschrift und Gitarrentabulaturen kombiniert. Es eignet sich zum Üben oder Mitspielen sowie zum Komponieren. Gitarrentabulaturen stellen eine alternative Form der Notennotation für Gitarren dar, welche in Kapitel fünf genauer beschrieben wird. Guitar Pro bietet über die Anzeige von Noten und Tabulaturen hinaus auch die Möglichkeit die Tabulatur wiederzugeben. Es können einzelne Teile eines Liedes ausgewählt und wiederge- geben werden oder ein komplettes Lied. Die Wiedergabe ist einerseits über MIDI 6
möglich und zusätzlich über die Realistic Sound Engine, ein Gitarren-, Bass- und Schlagzeug-Synthesizer, der realistischere Klänge bietet. Dieses Programm eignet sich besonders zum Erlernen neuer Musikstücke und bietet gegenüber einer normalen Notenschrift die Vorteile, dass die Noten auch in der leicht verständlichen Gitarrentabulatur vorliegen und diese auch wiedergege- ben werden können. Eine Rückmeldung über die Leistung beim Nachspielen eines Stückes ist allerdings mit dieser Software nicht möglich. Der Nutzer kann lediglich seine eigene Leistung mit der Wiedergabe der Tabulatur vergleichen. Abbildung 4: Interface von Offbeat Guitarist (Beta 1.5), Bild aus [5] Offbeat Guitarist Die Software Offbeat Guitarist befindet sich zum Zeitpunkt dieser Arbeit noch in der Entwicklung und ist nur als Beta-Version verfügbar. Das Konzept ist vergleich- bar mit Synthesia, jedoch wird statt einem Keyboard eine E-Gitarre benutzt. Offbeat Guitarist ermöglicht es Guitar Pro Tabulaturen anzuzeigen, parallel dazu eine Audiodatei als Hintergrundbegleitung abzuspielen und das Signal einer E- Gitarre zu erkennen, um die Übereinstimmung mit der Tabulatur zu überprüfen. Zusätzlich wird der Klang der E-Gitarre über eine externe Software verstärkt und ist so ebenfalls über die Lautsprecher des Computers zu hören. Um eine E-Gitarre an einen Computer anzuschließen, wird ein sogenanntes Au- diointerface benötigt. Im Vergleich zu einer normalen Soundkarte können damit eine geringere Latenz und eine höhere Qualität des Audio-Eingangssignals erreicht werden. Durch die Erkennung des E-Gitarrensignals kann dem Nutzer eine Rück- meldung über seine Leistung beim Nachspielen eines Stückes geliefert werden. Die Bedienung und Konfiguration dieser Software ist im Vergleich zu Guitar Pro schwieriger. Dafür bietet Offbeat Guitarist durch die Rückmeldung auch einen er- heblichen Mehrwert. Zum Erlernen von Grundkenntnissen eignet sich diese Soft- ware auf Grund des hohen Schwierigkeitsgrades weniger. Das Konzept zeigt die Möglichkeiten, welche durch die Erkennung des Gitarrensignals entstehen können. 7
2.3 Wissenschaftliche Arbeiten Im folgenden Abschnitt werden zwei Arbeiten mit verwandten Themen vorgestellt. Zunächst wird eine weitere Musiklernsoftware präsentiert, die allerdings nicht wie die bisherigen Programme, aus dem kommerziellen Umfeld stammt, sondern im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit erstellt wurde. Ferner wird eine Arbeit vorgestellt, welche sich mit dem Musikspiel Guitar Hero beschäftigen. Digital Violin Tutor Dieses Programm wurde im Rahmen der Arbeit “Effective Use of Multimedia for Computer-Assisted Musical Instrument Tutoring” vorgestellt und soll in Abwe- senheit eines Musiklehrers Rückmeldung über die Leistung beim Violine-Üben liefern. Der Klang der Violine wird dazu mit einem Mikrofon aufgenommen und analy- siert. Das Signal wird in Notenschrift übertragen und mit einer bereits bestehenden Referenzdatei, welche beispielsweise von einem Musiklehrer angefertigt wurde, verglichen. Falls Fehler erkannt wurden, wird dem Nutzer die korrekte Ausführung über eine 2-D Griffbrett-Animation, ein Video oder eine 3-D Avatar-Animation ge- zeigt. Dieses Programm zeigt die vielfältigen Möglichkeiten computergestützter Mu- siklernprogramme und versucht den Benutzer in Abwesenheit eines Musiklehrers optimal zu unterstützen. Arbeit über Guitar Hero In dieser Arbeit wird das Spielprinzip von Guitar Hero um die Steuerung durch eine E-Gitarre erweitert. Es ist anzunehmen, dass dadurch die Authentizität des Spiels erhöht werden kann. Vorrausgehend ist demnach zu klären, wie realitätsnah Guitar Hero das Gitarrespie- len bereits simuliert. Die Arbeit “Guitar Hero: “Not like playing Guitar at all”?” beschreibt im Detail die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Spiel und dem Spielen einer Gitarre. Dazu werden der Gitarrencontroller und das Inter- face des Spiels betrachtet, wodurch der Autor aufzeigen möchte, dass die Unter- schiede nicht so bedeutsam sind, wie sie zunächst scheinen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in Hinsicht auf zwei Aspekt relevant. Einerseits können sie Aufschluss darüber liefern, ob es sinnvoll ist, ein Musikspiel mit einer E-Gitarre zu steuern. Falls die Gitarrencontroller das Gitarrespielen bereits perfekt simulieren würden, wäre eine Veränderung des Eingabegeräts nicht sinnvoll. Andererseits zeigt der Vergleich zwischen Guitar Hero und dem Gitarrespielen die Möglichkeiten auf, welche durch die Steuerung mit Hilfe einer E-Gitarre erschlos- sen werden könnten. Beim Aufzeigen der Limitationen des Gitarrencontrollers bei der Simulation des Gitarrespielens werden automatisch auch die Vorteile einer E- Gitarre als Controller deutlich. Über das Spielkonzept von Guitar Hero lässt sich generell sagen, dass zwar ver- sucht wird das Gitarrespielen korrekt nachzustellen, dabei wird aber mehr Wert 8
auf Spielspaß und Einsteigerfreundlichkeit als auf Realismus gelegt. Deshalb ist die Simulation des Gitarrespielens soweit vereinfacht, dass der Bezug zur echten Tätigkeit zwar erkennbar bleibt, aber auch Spieler ohne Gitarrenkenntnisse pro- blemlos in das Spiel einsteigen können. Um diesen beiden Anforderungen gerecht zu werden, ist die Simulation des Gitar- respielens bei Guitar Hero eher in der Breite abgedeckt, als dass einzelne Aspekte genau nachgestaltet werden. Die wichtigsten Komponenten der Musik sind Melodie, Harmonie und Rhythmus. Diese sollen mit Hilfe des Gitarrencontrollers simuliert werden. Melodie bezeich- net die Abfolge bestimmter Töne und kann als horizontale Achse der Notenschrift gesehen werden. Harmonie bezieht sich auf den Zusammenklang mehrerer Töne und stellt somit die vertikale Achse der Notenschrift dar. Rhythmus bezeichnet die Zeitstruktur der Musik und besteht aus einer Folge von Tönen mit einer jeweiligen Dauer und Pausen. Es gilt zu überprüfen ob diese drei wesentlichen Komponenten der Musik durch den Gitarrencontroller auf ähnliche Weise simuliert werden, wie sie durch eine echte Gitarre repräsentiert werden. Hinsichtlich der Eignung des Gitarrencontrollers zur Simulation einer Gitarre gibt es drei wesentliche Probleme beziehungsweise Einschränkungen [6](auch [7]): • Eine offensichtliche Einschränkung ist, dass der Gitarrencontroller nur fünf verschiedene Tasten hat, während eine übliche Gitarre zwischen 22 und 24 Bünde besitzt. • Jede dieser Tasten symbolisiert einen Bund der Gitarre. Bei dieser besteht ein Bund jedoch aus sechs verschiedenen Saiten, welche beim Gitarrencontroller durch nur eine Taste repräsentiert werden. • Auf Grund dieser Einschränkungen müssen alle Noten mit Hilfe dieser fünf Tasten repräsentiert werden. Da die meisten Lieder mehr als fünf verschie- dene Töne umfassen, ist die Repräsentation der Tasten während eines Liedes inkonsistent. Das Drücken einer bestimmten Taste resultiert daher, anders als das Spielen einer Saite in einem bestimmten Bund, nicht immer in demsel- ben Ton. Um zu zeigen inwiefern Guitar Hero das Gitarrespielen trotz dieser Einschränkun- gen simuliert, muss zuerst beschrieben werden, wie die drei genannten Komponen- ten der Musik durch eine Gitarre repräsentiert werden. Durch das Anschlagen der Saiten mit Hilfe eines Plektrums oder den Fingern ent- steht der Klang einer Gitarre im Rhythmus. Harmonie bezieht sich auf die sechs Saiten, die gleichzeitig erklingen und somit harmonische oder disharmonische Ak- korde bilden können. Eine Melodie wird durch das Abgreifen der einzelnen Saiten in einem der Bünde erzeugt, da somit die Tonhöhe variiert wird. 9
Der Gitarrencontroller von Guitar Hero unterscheidet sich durch die fünf Tasten im Vergleich zu den ungefähr 22 Bünden einer Gitarre zunächst stark. Bei genau- er Betrachtung der Spielweise einer Gitarre lässt sich dieser Unterschied jedoch relativieren. Das Gitarrespielen besteht, in Bezug auf die Hand, welche das Griffbrett umfasst, aus zwei grundlegenden Techniken. Die erste besteht darin die Hand entlang des Griffbretts an die gewünschte Position zu bewegen. Diese Technik wird nur benutzt wenn eine Positionsänderung der Hand notwendig ist. Ansonsten kommt die zwei- te Technik, das sogenannte Positionsspiel zum Einsatz. Dabei werden vier Bünde mit den jeweiligen Fingern abgedeckt und falls es erforderlich ist, kann mit dem kleinen Finger zusätzlich ein fünfter Bund erreicht werden. Es lässt sich erkennen, dass Guitar Hero das Positionsspiel simuliert, während das Wechseln zwischen den einzelnen Bereichen des Positionsspiels mit den vorhan- denen fünf Tasten nicht nachgestellt werden kann. Die Hand verbleibt immer auf derselben Position des Gitarrencontrollers. Ein weiterer Aspekt ist die Repräsentation der Töne durch den Gitarrencontrol- ler. Das Problem lässt sich einfach beschreiben, denn viele Melodien beinhalten mehr als fünf verschiedene Töne. Zur Repräsentation stehen aber lediglich die fünf Tasten zur Verfügung. Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen, da komplexe Melodien auf fünf Tasten abgebildet werden müssen. Erschwerend kommt die Erwartung der Spieler an die Repräsentation hinzu. Intuitiv erwarten die meisten Spieler, dass die Tasten vom tiefsten Ton bis zum höchsten Ton hin, wie bei einem Klavier, angeordnet sind. Bei Guitar Hero kommt es jedoch auch vor, dass eine aufsteigende Tonfolge (die bei einem Klavier durch aufeinanderfolgende Tasten abgebildet wäre) durch eine Hin-und-Her-Bewegung über die Tasten repräsentiert wird. In diesem Fall ist keine Verbindung zwischen der Anordnung der Tasten und der Tonhöhe zu erkennen. Tatsächlich ist dies auch bei einer Gitarre nicht der Fall, denn auf einer Saite sind die Töne zwar in aufsteigender Reihenfolge angeordnet, auf alle Saiten bezogen jedoch nicht. Daher simuliert solch eine Hin-und-Her-Bewegung, zur Repräsenta- tionen einer aufsteigenden Tonfolge, die Spielweise einer Gitarre korrekt. Auf diese Art wird das Positionsspiel der Gitarre simuliert. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die fünf Tasten des Gitarrencontrollers jeweils alle sechs Saiten einer Gitarre repräsentieren. Somit wird es auch nachvollziehbar, dass eine Taste innerhalb einer Melodie verschiedene Töne repräsentiert. Zum größten Teil werden die Melodien der Lieder allerdings relativ nach ihrer Tonhöhe auf die fünf Tasten abgebildet. Diese Abbildung wird benutzt, da sie wie bereits beschrieben intuitiv ist und den Erwartungen der Spieler entspricht. Darüber hinaus bietet sie den großen Vorteil, dass der Zusammenhang zwischen den Tönen und den zu drückenden Tasten deutlich erkennbar ist. Wenn ein Spieler die Melodie eines Liedes kennt, kann er somit bereits im Voraus erahnen ob die nächste Note auf die nächste oder die vorhergehende Taste abgebildet wird. Zur Komponente der Melodie lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Reprä- sentation der Noten in Guitar Hero inkonsistent gestaltet ist. Einerseits wird das 10
Positionsspiel der Gitarre simuliert, andererseits werden die Tasten meist nach ihrer relativen Tonhöhe zugeordnet. Dabei ist anzumerken, dass beide Repräsentationen ihre Berechtigung haben. Allerdings werden die Möglichkeiten einer Gitarre nur in Ansätze nachgestellt. Die weiteren Komponenten, Harmonie und Rhythmus, werden nicht durch den Controller sondern durch das visuelle Interface des Spiels abgebildet. Auf dem Bildschirm werden die Noten auf einem Gitarren-Griffbrett angezeigt, welches sich entlang der Z-Achse ins Unendliche erstreckt. Am unteren Rand des Bildes sind die Tasten des Controllers horizontal angeordnet. In dieser Darstellung simulieren die fünf Tasten nun nicht mehr die Bünde einer Gitarre, sondern die Saiten. Die Tasten sind in der Repräsentation nicht den Bünden einer Gitarre entsprechend entlang des Griffbretts angeordnet, sondern wie die Saiten einer Gitarre. Somit ist es möglich, Akkorde zu simulieren und dadurch auch Harmonie. Akkorde werden durch Kombinationen von Tasten, welche gleichzeitig gedrückt werden müssen, repräsentiert. Da alle Akkorde durch fünf Tasten abgebildet wer- den müssen, ermöglicht Guitar Hero auch in dieser Hinsicht nur eine grobe, inkonsistente Simulation einer Gitarre. Der Rhythmus wird durch die Noten, welche sich entlang des angezeigten Griff- bretts in Richtung des Spielers bewegen, erzeugt. Je nach Tempo des Liedes va- riiert die Geschwindigkeit mit der sich die Noten bewegen. Der Spieler muss die Noten exakt dann spielen, wenn sie die abgebildeten Tasten am unteren Bildrand erreichen. Wird eine Note nicht zum richtigen Zeitpunkt gespielt, bleibt der Klang der Gitarre bis zur nächsten Note aus. Das Spiel gibt den Rhythmus durch die angezeigten Noten sehr strikt vor und der Spieler muss sich genau an das Timing halten. Diese Methode der Rückmeldung ist für den Spieler zwar einfach zu verstehen, denn es gibt nur richtig oder falsch gespielte Noten, sie simuliert das Gitarrespie- len aber sehr ungenau. Der Autor der Arbeit kommt zu dem Schluss, dass Guitar Hero das Gitarrespielen in Bezug auf den Rhythmus am schlechtesten simuliert [6]. Diese Aussage muss jedoch genauer erläutert werden, denn das Spiel eignet sich dazu Rhythmusgefühl und perfektes Timing zu trainieren. Durch die strikte Vorgabe des Rhythmus und vor allem da nur Noten zu hören sind, welche genau zum richtigen Zeitpunkt gespielt wurden, ist diese Art der Simula- tion weit vom echten Gitarrespielen entfernt. Wird eine Note zu früh oder zu spät gespielt erklingt sie nicht zum falschen Zeitpunkt, sondern das Instrument bleibt stumm. Für den Nutzer bedeutet das zwar, dass jeder Ton perfekt im Rhythmus erklingt (da er ansonsten gar nicht zu hören wäre), die Rückmeldung ist aber ein- geschränkt. Es nicht erkennbar ob eine Note zu früh oder zu spät gespielt wurde, falls sie nicht zu hören ist. Der Vorteil dieser strikten Auslegung liegt darin, dass auch Spieler mit einem un- geübten Rhythmusgefühl feststellen, ob sie im Takt spielen oder nicht. Wären die Töne auch zu hören, wenn sie etwas zu früh oder zu spät gespielt würden, der Spie- 11
ler aber für diese Ungenauigkeit weniger Punkte bekommen würde, so wäre für den Spieler nicht ersichtlich warum die Bewertung seiner Leistung schlecht ausfällt. Guitar Hero simuliert das Gitarrespielen in Bezug auf den Rhythmus nicht sehr realitätsnah, da die Töne der Gitarre nur zu hören sind, falls sie genau zum vorge- gebenen Zeitpunkt gespielt wurden. Deshalb ist die Art der Simulation zu strikt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Hypothese aus dem Titel der Arbeit, das Spiel Guitar Hero hätte gar nichts mit dem Gitarrespielen zu tun, wiederlegt wurde. Die Arbeit liefert eine schlüssige Argumentation dafür, dass Guitar Hero als Simulation des Gitarrespielens angesehen werden kann. Die Art der Simulation deckt das Gitarrespielen aber eher in der Breite ab und bil- det nicht einzelne Aspekte absolut realistisch nach. Der Autor der Arbeit erklärt diese Überlegung damit, dass Guitar Hero zwar eine Gitarre ohne Saiten (inso- fern dass der Gitarrencontroller keine Saiten simuliert), eine Gitarre ohne Bünde (das Interface des Spiels stellt keine Bünde dar) und sogar eine Gitarre ohne Klang (wenn der Spieler nicht im richtigen Tempo spielt) bietet, als Ganzes gesehen stellt es aber dennoch eine Simulation des Gitarrespielens dar, da die Art wie eine Gitar- re Melodie, Harmonie und Rhythmus beinhaltet, zwar unvollständig aber passend wiedergespiegelt wird [6]. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Steuerung eines Musikspiels wie Guitar He- ro durch die Verwendung einer echten E-Gitarre als Controller hinsichtlich vieler Aspekte verbessert (jedenfalls in Bezug auf Authentizität) und erweitert werden kann. In Kapitel vier wird eine genaue Analyse des Unterhaltungserlebens des Spiels Rock Band 3 präsentiert, anhand welcher Hypothesen über die Auswirkun- gen der Art des Controllers auf das Unterhaltungserleben aufgestellt werden. Zuvor werden im folgenden Kapitel die theoretischen Grundlagen für diese Analyse vor- gestellt. 12
3 Theoretische Grundlagen zur Analyse von Computer- spielen In diesem Kapitel sollen die Grundlagen zur Analyse von Computerspielen vorge- stellt werden. Dazu wird eine Theorie aus der Unterhaltungsforschung betrachtet. Mit Hilfe dieser Theorie soll die Frage “Warum machen Computerspiele Spaß?” beantwortet werden. Diese Kenntnisse werden im nächsten Kapitel dazu genutzt, das Spiel Rock Band 3 formal zu analysieren, um schließlich ein ähnliches Spielkonzept zu entwickeln. Computerspiele wurden in den vergangenen Jahren von verschiedenen Forschungs- richtungen aus untersucht. Dazu zählen Medienpsychologie, Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie, Medienpädagogik, Kommunikationswissenschaften und Medien- und Kulturwissenschaften. Die Forschung ist zu einem großen Teil an Einzelaspekten orientiert. Im Zentrum dieser Untersuchungen stehen laut Klimmt die drei folgenden Forschungsschwerpunkte ([8] S.26): • Geschlechtsspezifische Unterschiede im Interesse an und Erfolg bei Compu- terspielen. • Die möglichen aggressionsfördernden Wirkungen und Nutzung gewalthalti- ger Computerspiele. • Die Möglichkeiten, Computerspiele für pädagogische Zwecke zu nutzen. Das Unterhaltungserleben bei Computerspielen gehört nicht zu den üblichen Schwerpunkten. Neben der Arbeit von Klimmt befassen sich aber auch weitere Arbeiten auf theoretischer Ebene mit dem Thema Unterhaltungserleben ([9], [10]). Die Motivation beim und zum Computerspielen ist hingegen ein gut erforschter Bereich. Aspekte der Motivation zum Mediengebrauch werden in dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt, da überprüft werden soll, ob ein Musikspiel mit E-Gitarre als Controller als unterhaltsam erlebt werden kann, falls sich ein Nutzer dazu entschließt dieses zu spielen. Von den drei genannten Forschungsschwerpunkten soll hier lediglich der letzte Punkt kurz ausgeführt werden. Das in dieser Arbeit entwickelte Spielkonzept sieht zwar nicht die explizite Nutzung für pädagogische Zwecke vor, jedoch beinhal- tet es vermutlich das beiläufige Lernen durch den Gebrauch eines Computerspiels. Auch diesem Thema widmen sich einige Forschungsarbeiten und kommen zu dem Schluss, dass beiläufige Lernprozesse bei Computerspielen grundsätzlich möglich (sogar wahrscheinlich) sind, da Spiele viele Aufgabentypen beinhalten, die auch in anderen Lebenskontexten von Bedeutung sind. Beispielsweise können Computer- spiele die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung verbessern (Greenfield, DeWin- stantley, Kilpatrick und Kaye zitiert nach [8] S.30). Allgemeine Schlussfolgerungen lassen sich über die Lernprozesse bei reinen Un- terhaltungsspielen nicht ziehen, da uneinheitliche Ergebnisse vorliegen. Die Aus- wirkungen von Lerneffekten auf das Unterhaltungserleben dürften eher gering sein. 13
Für den Spieler steht in der Regel die Unterhaltung im Mittelpunkt und daher stel- len mögliche Lerneffekte keine zusätzliche Motivation dar. Spiele können aber durch Lernangebote inhaltliche interessanter werden, wenn das Thema für den Nut- zer ansprechend ist ([8] S.31). 3.1 Zusammenfassung der Forschung zur Unterhaltsamkeit von Computerspielen Die meisten Arbeiten zum Thema Unterhaltsamkeit von Computerspielen stam- men aus den Bereichen Medienpsychologie/Kommunikationswissenschaften und Medienpädagogik. Als Grundlage dient in der Regel der Vergleich von Compu- terspielen und der Unterhaltung durch Fernsehen. Ziel ist es, das jeweilige Unter- haltungspotenzial anhand der Unterschiede zwischen Computerspielen und Fern- sehen herauszuarbeiten. Außerdem beschäftigt sich die Entwicklungspsychologie mit Computerspielen, da diese nicht nur als Medienangebot sonder auch als Spiel- form angesehen werden können. Das wichtigste Merkmal von Computerspielen im Vergleich zu anderen Medienan- geboten ist die Interaktivität ([8] S.32). Während andere Medien konsumiert wer- den und der Nutzer die Rolle des Beobachters einnimmt, greift der Spieler eines Computerspiels direkt in das Geschehen ein. Diese aktive Beteiligung des Spielers am Verlauf der Geschichte des Spiels hat maßgebliche Auswirkungen auf das Un- terhaltungserleben des Spielers. Nahezu alle Ansätze erklären das Spielvergnügen in Verbindung mit der Interaktivität von Computerspielen. Einige wichtige Faktoren der Unterhaltsamkeit von Computerspielen gehen aus der Literatur hervor. In vielen Arbeiten wird der Aspekt der Bewältigung und Be- herrschung von Situationen in Computerspielen genannt ([8] S.33/34). Spieler er- fahren demnach Vergnügen, da sie Aufgaben oder Probleme lösen können. Auch hier spielt die Interaktivität eine wichtige Rolle, denn der Nutzer trägt aktiv zu der angestrebten Lösung bei. In den meisten Fällen ist das Gelingen sogar allein von der selbst erbrachten Leistung abhängig. In anderen Medien, wie in Filmen oder Büchern, wird dagegen der Erfolg anderer Personen beobachtet und verfolgt. Hinzu kommt der Aspekt des Wettbewerbs und der Herausforderung, den Spiele, ähnlich wie Sportarten, bieten (Vgl. Hartmann zitiert nach [8] S.36). Entweder es gilt den Computer zu besiegen oder der Spieler misst sich mit anderen Spielern. Ei- nige Arbeiten nennen auch narrativ-inhaltsbezogene Aspekte und bezeichnen diese als wichtig um in der Spielwelt zu versinken. Dabei wird Bezug auf das Spannungs- konzept von Texten und Filmen genommen, allerdings scheint es schwierig zu sein narrative und interaktive Elemente von Unterhaltsamkeit zu integrieren (Knobloch, Klimmt, Fischer zitiert nach [8] S.36). Narrative Elemente spielen allerdings bei vielen Musikspielen eher eine untergeordnete Rolle, so dass dieser Aspekt weniger relevant sein sollte. Als letzter Aspekt, der vermutlich größeren Einfluss auf die Unterhaltsamkeit von Computerspielen besitzt, ist der soziale Austausch mit Freunden während und nach dem Spiel zu nennen. Besonders in Online- und Multiplayerspielen ist Kommuni- 14
kation zwischen den Spielern ein wichtiges Element. Für das Erreichen eines ge- meinsamen Ziels ist oft eine genau abgestimmte Vorgehensweise notwendig, die nur durch Absprachen erreicht werden kann. Aber auch außerhalb des Spiels lie- fern Computerspiele reichlich Gesprächsstoff. Sie haben sich zu einem prägenden Element der Jugendkultur entwickelt (Fromme/Meder/Vollmer, Yates/Littleton zi- tiert nach [8] S.36). Dieser Aspekt kann bei der Gestaltung eines Spiels allerdings nur teilweise beein- flusst werden. Nicht jedes Spielkonzept sieht eine gleichzeitige Benutzung durch mehrere Spieler vor. Deshalb wird die Kommunikation während des Spiels maß- geblich durch das zu Grunde liegende Spielkonzept bestimmt. Ob das Spiel auch außerhalb des Spielvorgangs selbst als Gesprächsstoff dient, hängt vor allem vom Interesse am und der Begeisterung für das Spiel seitens der Nutzer ab. Ein span- nendes Thema oder Szenario, sowie relevante Inhalte und ein unterhaltsames Spiel- konzept tragen vermutlich dazu bei. 3.2 Unterhaltungsbegriff Der Unterhaltungsbegriff ist im Rahmen der Nutzung von Medien wissenschaftlich nur relativ schwer zu erklären, auch wenn es in den meisten Fällen offensichtlich scheint ob sich eine Person bei der Nutzung eines Medienangebots unterhält oder nicht. Festzuhalten ist, dass Unterhaltung keine Eigenschaft von Medienangeboten ist, sondern sich als Erlebensform beim Nutzer abspielt. Unterhaltung wird deshalb als Rezeptionsmerkmal angesehen (Vorderer zitiert nach [8] S.40). Deshalb kann die Bewertung ob ein Medienangebot (sei es ein Film, ein Buch oder ein Computer- spiel) unterhaltsam ist oder nicht, nur subjektiv erfolgen. Um begründen zu können warum Spiele Spaß machen, ist es zunächst nötig eine fundierte Theorien zur Be- schreibung und Erklärung von Unterhaltungsphänomenen beim Computerspielen zu betrachten. 3.3 Unterhaltung durch Computerspiele nach Klimmt In diesem Abschnitt wird das Unterhaltungserleben bei der Computerspielnutzung analysiert und zu einem Modell zusammengefügt. Besonders wichtig bei der Be- trachtung von Unterhaltung durch Computerspiele ist die enge Verbindung zwi- schen der Motivation Computerspiele zu spielen und dem resultierenden Erleben. Der Grund für das hohe Maß an Motivation zur Nutzung eines Spiels wird, mit dem Reiz des Unterhaltungserlebens begründet, welches der Spieler erwartet. Der Spieler erwartet, dass das Spielen ihm große Freude bereiten wird, deshalb möchte er gerne dieser Tätigkeit nachgehen. Das Modell geht auch darauf ein, dass der Spieler sich teilweise über die Ent- wicklung seines Unterhaltungserlebens bewusst ist und dadurch die Möglichkeit bekommt, aktiv zum erfolgreichen Unterhaltungserleben beizutragen. Ohne das Eingreifen des Spielers geschieht bei den meisten Computerspielen schlichtweg 15
nichts. Das Handeln des Spielers ist bei Computerspielen ein zentrales Element ([8] S.69). Diese beiden Aspekte sollen das Fundament eines Modells des Unterhaltungs- erlebens beim Computerspielen bilden. Der Prozess des Computerspielens wird zunächst beschrieben und analysiert, um sogenannte Mechanismen des Unterhal- tungserlebens identifizieren zu können. Als Mechanismen werden die Verknüpfun- gen zwischen bestimmten Eigenschaften eines Spiels und spezifischen Erlebens- formen der Spieler bezeichnet. 3.3.1 Computerspielen als Prozess Die Tätigkeit des Computerspielens allgemeingültig zu beschreiben, scheint auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Spielarten schwierig. Bereits eine Katego- risierung in bestimmte Genres ist, wenn überhaupt, nur sehr grob möglich. Spiele unterscheiden sich sehr stark in Bezug auf Handlung, Szenario, Aufgaben und Rol- le des Spielers, sowie in ihrer Präsentation ([8] S.70). Für die Identifikation der Mechanismen des Unterhaltungserlebens sind diese Aspekte zwar teilweise relevant, bei der Betrachtung der Tätigkeit des Computer- spielens steht jedoch mehr der Spieler im Mittelpunkt und somit sind spielspezifi- sche Eigenschaften sekundär. Die Beschreibung des Prozess der Auseinandersetzung mit Computerspielen er- folgt daher aufgeteilt in einzelne Zeitabschnitte. Die kleinste, betrachtete Zeiteinheit beim Computerspielen ist eine einzelne In- teraktion zwischen Spieler und System. Formal besteht eine Interaktion aus einer Eingabeaktion des Spielers und einer resultierenden Reaktion des Spielsystems. Typscherweise erfolgt die Eingabe über ein Eingabegerät wie zum Beispiel eine Maus, eine Tastatur oder ein Game-Controller. Die Reaktion des Spielsystems wird dem Spieler beispielsweise über eine veränderte visuelle Darstellung oder einen Klangeffekt mitgeteilt. Dieser Vorgang besteht in einem Computerspiel aus drei Schritten. Zuerst wird der aktuelle Zustand des Computerspiels vor der Eingabe angezeigt. Dann wird im zweiten Schritt durch den Benutzer eine Eingabe ausgeführt, welche auf den Vorzustand bezogen ist. Zuletzt reagiert das Spiel auf die Eingabe und teilt dem Spieler die Veränderungen mit. Dieser Ablauf der Interaktion kann als Schleife aus Eingaben des Spielers und den jeweils dazugehörenden Ausgaben (Reaktionen) des Spielsystems dargestellt wer- den. Jedes Spiel setzt sich aus fortlaufenden Schleifen dieser Art, den sogenannten Input-/Output-Loops, (abgekürzt I-/O-Loops) zusammen. Der Spieler gibt damit ständig neue Befehle, die Auswirkungen auf das Spielgeschehen haben. Das wich- tigste Merkmal der Input-/Output-Loops ist die direkte Verbindung von Eingabe und Ausgabe. Die Reaktion des Spielsystems folgt zeitlich unmittelbar, also ohne spürbare Verzögerung, auf die Eingabe ([8] S.71). Die nächste Betrachtungsebene über den I-/O-Loops ergibt sich durch die Zusam- menfassung vieler Eingaben und ihrer resultierenden Ergebnisse. Der Spieler führt 16
seine Eingaben in der Regel nicht ohne Ziel aus. Er versucht durch seine Handlun- gen Aufgaben oder Probleme zu lösen. Eine Reihe von I-/O-Loops, die zur Bewäl- tigung einer Aufgabe getätigt werden, definieren formal eine sogenannte Episode. Diese beinhaltet eine Ausgangssituation, eine Handlung des Spielers und ein Er- gebnis. Die unterschiedlichen Dimensionen von I-/O-Loops und Episoden werden anhand des folgenden Beispiels deutlich. Ein I-/O-Loop einer Fußballsimulation besteht beispielsweise aus: (1) Dem aktuellen Zustand: der Spieler mit der Nummer zehn steht an der Mittellinie. (2) Einer Eingabe des Nutzers: er drückt die Pfeiltaste nach rechts. (3) Einer Reaktion des Spielsystems: der Spieler mit der Nummer zehn bewegt sich einen Schritt nach rechts. Im Vergleich dazu könnte eine Episode aus den folgenden Elementen bestehen: (1) Der Ausgangssituation: die Mannschaft des Nutzers hat zu Beginn der zweiten Halbzeit Anstoß und das Spiel steht unentschieden. (2) Einer Handlung: der Nutzer führt einige Pässe und schließlich einen Torschuss aus. (3) Einem Ergebnis: der Nutzer hat ein Tor erzielt und seine Mannschaft führt nun. Genauso könnte allerdings eine komplette Halbzeit als Episode definiert werden. Wichtigstes Merkmal einer Episode ist, dass dem Spieler mehrere Handlungsmög- lichkeiten zur Wahl stehen, die durch verschiedene Eingaben umgesetzt werden können. Der Spieler wählt eine der Handlungsmöglichkeiten, die ihm für die je- weilige Situation passend erscheint. Die Ausgangssituation enthält Elemente, auf die der Spieler keinen Einfluss hat, die aber Druck auf ihn ausüben. Wie zum Bei- spiel der Start einer Rennsimulation bei dem die computergesteuerten Fahrzeuge losfahren und dem Spieler zeigen, dass er auch starten muss, um das Rennen nicht zu verlieren. Oder bei einem Kampfspiel wird die Figur des Nutzers von einem computergesteuerten Feind angegriffen und muss sich zur Wehr setzen, um den Tod der Figur zu verhindern. Das Spiel erzeugt damit eine Handlungsnotwendig- keit beim Spieler, so dass dieser reagieren muss, damit das Spiel nicht endet bzw. nicht verloren geht. Daran lässt sich erkennen, dass die Spieler ständig dazu aufge- fordert werden oder sogar dazu gezwungen sind, aktiv zum Spiel und damit auch zu ihrem Unterhaltungserleben beizutragen. Um in das Spielgeschehen einzugreifen, muss der Spieler sich gezielt für eine Handlungsmöglichkeit entscheiden und diese auch möglichst genau nach seinen Vorstellungen durchführen. Die Fähigkeiten des Spielers bezüglich der Planung und Ausführung seiner Aktionen beeinflussen den Verlauf einer Episode maßgeb- lich. Während geübte Spieler Situationen schnell erfassen und passende Aktionen kennen und ausführen können, haben ungeübte Spieler vor allem bei schwieri- gen Episoden, bei denen der Spieler eventuell auch unter Zeitdruck steht, häufig Probleme. Eine Episode ist durch die Handlungsausführung des Spielers formal abgeschlossen, unabhängig vom Abschneiden des Spielers ([8] S.73). Die Episoden in Computerspielen sind oft eng miteinander verbunden, so dass die Ergebnisse vorangegangener Episoden großen Einfluss auf die folgenden ha- ben können. Episoden sind also in der Regel nicht als unabhängige Abschnitte des Spiels zu verstehen. Die Verbindungen zwischen einzelnen Episoden und die 17
übergreifenden Auswirkungen ergeben sich für den Spieler durch eine Rahmen- geschichte. Die Ausmaße der Episoden können sich von Spiel zu Spiel stark un- terscheiden. Eine zeitliche Eingrenzung die alle Spielarten abdeckt ist daher nicht möglich. Dennoch ist für jedes Spiel eine Unterteilung in Episoden möglich, da die Einheit skalierbar ist. Je nach Spielform kann eine Episode einen längeren oder einen eher kurzen Abschnitt umfassen. Die letzte zeitliche Betrachtungsebene des Computerspielens umfasst eine Sequenz vieler aufeinanderfolgender Episoden und auch alle I-/O-Loops, die zu diesen Epi- soden gehören. Damit stellt die Tätigkeit des Computerspielens selbst die oberste Ebene dar. Auf dieser Ebene spielen umfangreichere Informationen als bei einzelnen Episo- den eine Rolle. Die Geschichte des Spiels kann während einer Spielsitzung weit voranschreiten und der Nutzer erfährt viel über die Spielwelt und deren Charak- tere. Die Rolle, welche der Spieler innerhalb der Spielwelt einnimmt, wird auf dieser Ebene sehr deutlich. Viele Charaktereigenschaften verdichten das Bild der Protagonisten und tragen zur Stimmigkeit der übergeordneten Geschichte bei. Die allgemeine Tätigkeit beinhaltet viele Aspekte der vorhergehenden Ebenen und fügt diese in einem größeren Rahmen zusammen ([8] S.74). 3.3.2 Mechanismen des Unterhaltungserlebens beim Computerspielen Mit Hilfe der Beschreibung des Computerspielprozesses wird im Folgenden das Modell der Unterhaltung durch Computerspiele erstellt. Zu den drei Ebenen I-/O- Loop, Episode und allgemeine Tätigkeit, wird jeweils der zentrale Mechanismus des Unterhaltungserleben beschrieben. Dazu wurden von Klimmt handlungstheo- retische, medienpsychologische, spielpsychologische und kommunikationswissen- schaftliche Ansätze herangezogen ([8] S.75/76). 3.3.3 Selbstwirksamkeitserleben Bereits auf der Ebene der I-/O-Loops kann Unterhaltungserleben entstehen. Um diesen Mechanismus zu identifizieren, wird die Interaktivität von Computerspielen auf der kleinsten Ebene betrachtet. Die Eingabe-Ausgabe-Schleifen in Computerspielen stellen eine besondere Form der Interaktion dar, denn auf die Eingabe des Nutzers folgt ohne zeitliche Verzö- gerung eine direkte Rückmeldung des Spielsystems. Dies steht beispielsweise im Gegensatz zur sozialen Interaktion, die meist von häufigen Pausen gekennzeichnet ist, da der Gesprächspartner eine gewisse Reaktionszeit benötigt um eine Antwort zu formulieren. Computer und auch andere Maschinen (wie Autos oder auch Mu- sikinstrumente) können dauerhaft und ohne spürbare Verzögerung Reaktionen auf die Eingaben eines Nutzers zurückliefern ([8] S.76). Der Nutzer bekommt dadurch den Eindruck, dass jede seiner Handlungen direkt ein Ergebnis nach sich zieht. Für ihn wird somit die Verbindung zwischen seinem Handeln und dem Ergebnis klar erkennbar und er kann sich selbst als Ursache der Ergebnisse erkennen. 18
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