Krise & Transformation - Difu-Dialog "Ist das noch Krisenmodus oder schon Transformation? " am 15. März 2023
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Krise & Transformation Difu-Dialog „Ist das noch Krisenmodus oder schon Transformation? “ am 15. März 2023 Dr. Jens Libbe Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Berlin 1
1. Krisen können ein starker Treiber für Transformationen sein, doch nicht jede Krise bewirkt oder erfordert Transformation. • „Große Transformationen“ (i.S. von Polany 1944 oder dem WBGU 2011) als • grundlegende (radikale strukturelle und paradigmatische), nicht- lineare Veränderungen, die über die Anpassung bestehender gesellschaftlicher Systeme hinausgehen. • komplexer Zusammenhang von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. • systemischer Wandel, bei dem sich technologische, ökonomische, soziokulturelle und institutionelle Aspekte gegenseitig beeinflussen (Koevolution). 2
2. Die Charakteristika umwälzender Prozesse sind vielfach beschrieben große Herausforderungen, unsicheres Wissen, große Risiken, keine einfachen Lösungen, offene, nicht-lineare, offene, emergente etc. Entwicklungen komplexe und kontroverse Probleme, divergierende Interessen etc. Transformationen nicht einfach plan- oder steuerbar, jedoch in Richtung und Geschwindigkeit beeinflussbar Herausforderung: Multible Krisen! 3 Dr. Jens Libbe
3. Für die Beantwortung der Frage von „Krisenmodus oder Transformation?“ ist es hilfreich a) unterschiedliche Krisenphänomene in ihrer Entwicklung zu betrachten. i. Niedergang als Folge von Krise ii. Funktionsstörung befindet sich auf dem Pfad der Krisenbewältigung iii. Transformation b) die kurz, mittel- und langfristigen Linien zu unterscheiden, c) die Zusammenhänge zwischen den Krisen zu erkennen. 4
i. Beispiel Klimakrise • Klimawandel verändert globale Lebensgrundlage • Erderwärmung heute um 1,1-1,2° C gegenüber Beginn der Industrialisierung (1850-1900) • Unrealistisch, dass es gelingt, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5° C zu begrenzen (gerechnet vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100) • CO2-Emissionen müssten bis 2030 um 45% gegenüber 2010 fallen; Erwartung, dass die Emissionen um 10,6% höher liegen als 2010 (UN-Klimasekretariat) • Welt steuert auf 2,5° C bis 2100 zu (vorausgesetzt, das Staaten ihre Verpflichtungen einhalten) 5 Dr. Jens Libbe
Klimakrise • Folgen: • Extremwetter, steigende Meeresspiegel, rapides Artensterben nehmen zu • Eintrittsbereiche verschiedener Kippunkte womöglich erreicht • Anteil der lebensfeindlichen Zonen könnte sich dramatisch ausweiten (1,5-3,5 Mrd. Menschen wären betroffen) • Risiko regionaler Missernten (Trockenheit, Schädlingsbefall, Bodenveränderungen) und damit global steigender Nahrungsmittelpreise steigt Transformation dringender denn je! Quelle: nature • Forderungen nach einem reagierenden und transformativ handelnden Staat (z. B. WBGU, „Fridays for Future“, „Letzte Generation“) • Top-down-Verpflichtungen: SDG`s, Agenda 2030, Urteile des BVerfG; DNS, Klimaschutzgesetz 2021, etc. 6 Dr. Jens Libbe
ii. Energiekrise • Energiekrisen in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten • Energiekrise als a) wirtschaftliche Krise mit knapper werdenden Energieressourcen und/oder steigenden Energiepreisen b) Krise der Energie(versorgungs)sicherheit • Ursächlich zumeist einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Energieträgern und Lieferanten Foto: Jens Libbe • Aktuell: 24. Februar 2022 als energiepolitische Zäsur • 2021 lieferte Russland • rund 35 Prozent der deutschen Rohölimporte und • rund 55 Prozent der deutschen Gasimporte; • russische Steinkohle deckte rund 50 Prozent des deutschen Verbrauchs. • Energiekrisen bewirken disruptive Veränderungen • können kurzfristig gemildert werden (Preisdeckelungen, staatliche Stützungsmaßnahmen etc.), • erfordern im Kern aber mittel- und langfristige Umstellungen (in Bezug auf Energieträger, Energieverbrauch) 7 Dr. Jens Libbe
ii. Energiekrise • Folgen: • Nochmalige Beschleunigung der Energiewende (Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieeinsparung, Sektorkopplung) • Klimaneutralität plus Bezahlbarkeit von überragendem öffentlichen Interesse (EEG- Novelle) • Bis 2030 Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf mindestens 80 Prozent. • bis 2035 Stromerzeugung nahezu klimaneutral • Transformationsstrategien noch stärker von Zielen (klimapolitisch, Versorgungssicherheit) her entwickeln • Beschleunigung des Umbaus kommunaler Energieinfrastrukturen (insb. Wärmewende) Energiekrise als Transformationstreiber! 8 Dr. Jens Libbe
iii. Beispiel Covid19-Pandemie • Risiken von Pandemien rücken verstärkt ins Bewusstsein • Die vergangenen 100 Jahre hatten wir Glück (letzte große Pandemie war die „Spanische Grippe“); die Foto: Jens Libbe nächsten Dekaden sollten wir uns nicht darauf verlassen. • Zoonosen als Infektionskrankheiten nehmen zu. • Eiweiße) oder Viren. • Können wechselseitig übertragen werden zwischen Tieren und Mensch, verursacht durch Bakterien, Pilze, Prionen (krankheitserregende Proteine). • Covid19-Pandemie als „Warnschuss“ • Es stand relativ schnell Impfstoff bereit (hätte auch anders kommen können). • Ein halbwegs funktionierendes (öffentliches) Gesundheitssystem stand bereit. • Verlauf zunehmend endemisch, saisonale Schwankungen der Erkrankungen werden anhalten. 9 Dr. Jens Libbe
Covid19-Pandemie • Folgen: • Risiken mgl. Pandemien tendenziell steigend: Bevölkerungsdruck, tiefe Eingriffe in Naturräume und Ökosysteme, starker Verlust an Biodiversivität, steigende Durchschnittstemperaturen. • Pandemie hat das Nachdenken über (urbane) Resilienz verstärkt. • Pandemie als Verstärker ohnehin vorhandener Funktionsstörungen (Einzelhandel) • Vorausschauendes Risiko- und Quelle: Stadt Rotterdam 2016: 19. Krisenmanagement in Verbindung mit Kommunikationsstrategie elementar • Funktionierende öffentliche Daseinsvorsorge als zentrale Basis Funktionsstörung(en) (nur) bei vorausschauendem Handeln beherrschbar! 10 Dr. Jens Libbe
4. Theorien des Wandels und Governance-Forschung bieten vielfältige Zugänge für Nachhaltigkeitstransformationen • Soziotechnische Systeme und Nachhaltigkeitstransformationen • Mehr-Ebenen-Perspektive • Multiphasenmodell • Transition Management (TM) und Strategic Nice Management (SNM) • Koevolution • Transformationsarenen • Laborsituationen • Intervention • Sozial Innovationen • neuer soziale Praktiken • Exnovation oder Konversion • Abschaffung • Umbau/Umstieg • … 11
5. Grundlagen zur Gestaltung von Transformationen vielfältig in praktischer Umsetzung (etwa Projekte der BMBF-Leitinitiative Zukunftsstadt) Reflexive Wissensproduktion • Gesellschaftliche Wirkungen erzielen und Veränderungen bewirken • Nicht-Wissen und auch marginalisiertes Wissen thematisieren • Kritischer Umgang mit Nicht-Nachhaltigkeit, Ungleichheit oder auch ungleicher Verteilung • Sozial robustes Wissen schaffen und gesellschaftlich relevantes Wissen bereitstellen https://www.nachhaltige- System-, Ziel- und Handlungswissen für zukunftsstadt.de/downloads/Synverz_A4 _Abschlusspublikation_web.pdf Nachhaltige Stadtentwicklung 12 Dr. Jens Libbe
Kreative Methoden und Prozesse • Formen sozialen Lernens • Ko-Design, Ko-Produktion • Visionen und Narrative • Gemeinsame wissenschaftliche und gesellschaftliche Lernprozesse • Experimentelles Vorgehen • Reallabore als Orte der https://www.nachhaltige- Wissensproduktion zukunftsstadt.de/new/aktuelles/transfer-weblab-urban- design-thinking-zum-kennenlernen/ Strategische Allianzen • Akteure mit ihren Wissensbeständen zusammenführen • Akteure des Wandels vernetzen (Klimapioniere, Mobilitätspioniere etc.) • Soziale Innovationen vorantreiben https://www.klimanetze.de • Netzwerkeffekte auslösen • Transformationen (mit)gestalten 13 Dr. Jens Libbe
6. Anforderungen an Kommunen sind bekannt, jedoch unterschiedlich eingelöst Prinzipien guter Transformative Fähigkeiten (personell, manageriell und Stadtentwicklungspolitik anwenden organisational) ausbauen • Gemeinwohlorientierung • Fähigkeit, bestimmte Rollen einzunehmen und Prozesse voranzutreiben • Integrierter Ansatz • Fähigkeit, Neuerungen zu entwickeln und (dauerhaft) zu • Beteiligung und Koproduktion verankern • Mehr-Ebenen-Ansatz • Fähigkeit zur übergreifenden Koordination von Akteuren, • Ortsbezogener Ansatz zur ressortübergreifenden Interdisziplinarität und zum Agieren und Aushandeln in Netzwerken. Urbane Transformationen in Politik Verwaltung verankern • Politische Unterstützung sicherstellen Skalierung guter Lösungen vorantreiben • Nachhaltigkeitsstrategien und -prüfung als Gegenstand aller • Transfer guter Lösungen in Fachbereiche Fortbildung, Beratung und Forschungsbegleitung • Finanzielle, zeitliche und intellektuelle Ressourcen für Querschnittsaufgaben • Wissens- und Vernetzungsplattformen • Fachübergreifende und agile Arbeitsweisen • Erfahrungsaustausch und Coaching • Schnittstellen optimieren und Datenaustausch interkommunal leben • Handlungsspielräume in Allianzen erweitern und • … Experimente wagen • ... 14 Dr. Jens Libbe
Kontakt Dr. Jens Libbe Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) Leiter Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen Zimmerstrasse 13-15 10969 Berlin Tel. 030/39001-115 libbe@difu.de 15 Dr. Jens Libbe
Sie können auch lesen