Lernen wir aus der Contergan-Tragödie etwas über Alkohol? - Generationen in Abhängigkeit 23. November 2017
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Lernen wir aus der Contergan-Tragödie etwas über Alkohol? Generationen in Abhängigkeit 23. November 2017 23.11.2017 Referent: Höld Seite 1
Eine kurze Zusammenfassung der Contergan-Affäre 1954: Entwicklung des Wirkstoffs Thalidomid 1956/57: Markteinführung eines Medikaments mit dem Wirkstoff Thalidomid, welches als Schlaf- und Beruhigungsmittel zugelassen wird, das zudem auch als Mittel gegen Schwangerschaftserbrechen eingesetzt werden kann. 1957 – 1961: Auftreten von Missbildungen, u.a. Robbengliedrigkeit bei Neugeborenen 1961: Ein Hamburger Arzt wies bei einem Kongress auf den Zusammenhang zwischen Thalidomid und Missbildungen hin. Das Mittel wird vom Markt genommen. 23.11.2017 Referent: Höld Seite 3
Fortsetzung 1968: Ein Gerichtsverfahren gegen den Hersteller wird in der Folge eingestellt. 1970: Einigung auf einen Vergleich mit den Opfern 1964: Die entzündungshemmende Eigenschaft wird in der Leprabehandlung eingesetzt, dann wieder ausgesetzt. 1998: Zulassung als Lepra-Medikament – allerdings unter strengem Reglement 2003: Zulassung zur Behandlung des multiplen Myeloms in Australien und Neuseeland 2006: FDA Zulassung für onkologische Erkrankungen (Unterbrechung des Blutkreislaufs für Tumore) wegen seiner antiangiogenen Wirkung 2017: 60. Jahrestag der Markteinführung 23.11.2017 Referent: Höld Seite 4
Und in Österreich? • Die Zahlen der Betroffenen werden zwischen 12, die eine Rente von der Contergan-Stiftung erhalten, und 60 Betroffenen, die von den Selbsthilfegruppen genannt werden, angegeben. • Der Name in Österreich war Softenon®, es wurde 1962 vom Markt genommen. • Der Grund für die vergleichsweise niedrigere Zahl in Österreich? Striktere Verschreibungsvorschriften! 23.11.2017 Referent: Höld Seite 5
Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird (Conterganhilfeleistungsgesetz – CHlG) StF: BGBl. I Nr. 57/2015 (NR: GP XXV RV 527 AB 564 S. 70. BR: AB 9364 S. 841.) 23.11.2017 Referent: Höld Seite 6
Anspruchsberechtigung § 1. Personen, die durch das österreichische Bundesministerium für Gesundheit aufgrund einer Contergan-Schädigung eine einmalige finanzielle Zuwendung erhalten haben und die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem deutschen Contergan- Stiftungsgesetz haben, haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. 23.11.2017 Referent: Höld Seite 7
Bilanz Viel Betroffenheit; zur Zeit betrifft es 2.800 Menschen in Deutschland und ca. 60 in Österreich, die eine lebenslange Behinderung haben und jetzt an Spätfolgen wie Schmerzen, Lebensproblemen und Folgekrankheiten leiden. Viele Embryos und Neugeborene sind schon während der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt gestorben. Schwangerschaft wurde als besonders heikle Lebensphase erkannt, in welcher durch die verschiedensten Einflüsse Schäden resultieren können. Deswegen werden jetzt viele Medikamente von vorneherein als kontraindiziert in der Schwangerschaft betrachtet – vor allem in den ersten 3 Monaten. Zulassungs- und Anwendungskontrollen wurden massiv aufgewertet und Sicherheitsberichte werden eingefordert. Thalidomid wurde in anderen Bereichen als hilfreiches Mittel eingesetzt, die Schwangerschaft ist nun explizit ausgenommen. Eine solche Tragödie wird nicht mehr so vorkommen. …und wie ist es mit Alkohol? 23.11.2017 Referent: Höld Seite 8
Zitat …was Contergan bei seiner Einführung an Schäden verursachte, macht die Alkoholeinnahme während der Schwangerschaft jedes Jahr… 23.11.2017 Referent: Höld Seite 9
Häufigkeit • In Deutschland werden jedes Jahr etwa 10.000 Neugeborene mit Alkoholschäden zur Welt gebracht. Etwa 4000 von ihnen haben das Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms und sind lebenslang körperlich und geistig schwerbehindert. • In einer Studie der Charité gaben 58% der befragten Schwangeren an, gelegentlich Alkohol zu trinken. Ca. 1% der Geburten (19.260) = bedeutet 192 Kinder in Wien pro Jahr 23.11.2017 Referent: Höld Seite 10
Was ist FASD? Alle Formen der vorgeburtlichen Schädigungen durch den Alkoholkonsum während der Schwangerschaft werden unter dem Begriff FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder) (Fetale Alkohol Spektrumstörung) zusammengefasst. 23.11.2017 Referent: Höld Seite 12
Eine neue Krankheit? • Die Ankündigung der Geburt Simsons, Buch der Richter, Kap 13 Der Engel des Herrn erschien der Frau und sagte zu ihr: Gewiss, du bist unfruchtbar und hast keine Kinder; aber du sollst schwanger werden und einen Sohn gebären. Nimm dich jedoch in Acht und trink weder Wein noch Bier und iss nichts Unreines! 23.11.2017 Referent: Höld Seite 13
Ist FAS/FASD neu? Geschichte 1967 haben Lemoine (Frankreich) und seine Kollegen über Alkoholikerinnen geschrieben, die geschädigte Kinder auf die Welt brachten. 1973 haben David Smith und Ken Jones FAS (Fetales Alkohol Syndrom) einen Namen gegeben. (Lancet) Seit über 40 Jahren haben wir also einen Namen dafür, aber die wenigsten Betroffenen haben eine Diagnose! 23.11.2017 Referent: Höld Seite 14
Wichtigste Kennzeichen von FASD • Gedeihstörungen während der Schwangerschaft, als Säugling oder Kind • Kleinwüchsigkeit, Kleinköpfigkeit • Störungen des zentralen Nervensystems (Neurologie, Intelligenz, Verhalten) • Epilepsie • Verhaltensstörungen • typische Gesichtsveränderungen • andere körperliche, kleinere und größere Fehlbildungen, z.B. Herz, Gehirn, Nieren 23.11.2017 Referent: Höld Seite 15
FASD Wachstum- Faziale ZNS- Pränataler störungen Dysmorphie Schädigung Alkohol- konsum FAS 23.11.2017 Referent: Höld 16
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FASD FAS Fetales Alkoholsyndrom (Diagnosestellung S 3) = ICD 10 Q 86.0 Alkoholembryopathie Vollbild der Störung: vor und nach der Geburt zu klein Wachstumsstörungen, Minderwuchs ZNS-Dysfunktionen: z.B. neurologische Auffälligkeiten, Entwicklungsverzögerung, Intelligenzmangel charakteristische Veränderungen an Kopf bzw. Gesicht Kleinköpfigkeit, schmale Augenlider schmales Lippenrot/flache Oberkieferregion /wenig modulierte/flache/fehlende Mittelrinne zwischen Nase und Oberlippe Kann ohne Information über Alkoholkonsum in der SS gestellt werden 23.11.2017 Referent: Höld 18
FASD FAE (Fet. Alk. Effekte) Als Symptom müssen nur zwei der bei FAS aufgeführten Hauptpunkte vorhanden sein. Oft ist der IQ-Wert beim Patienten durchschnittlich, es bestehen in der Regel keine körperlichen Defekte. soziale Auffälligkeiten pFAS partielles Fetales Alkoholsyndrom (Auffälligkeiten in 2 von 3 der oben genannten Bereiche) + Alkoholkonsum in SS bekannt ARBD Alkoholbedingte Geburtsschäden/-defekte (Dysmorphiezeichen, ev. Missbildungen im Skelett- und Organsystem z.B. Herzfehler) + Info Alkoholkonsum wd. SS ARND Alkoholbedingte neurologische Entwicklungsstörungen Hauptsächliches Merkmal: Dysfunktion des ZNS + Info Alkoholkonsum wd. SS 23.11.2017 Referent: Höld 19
Bildquelle: Löser Alkoholembryopathie und Alkoholeffekte, Reinhardt 23.11.2017 Referent: Höld Seite 20
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Faciale Merkmale beim Vollbild des FAS (adaptiert nach Confugium eV - Netzwerk für Kinder und Jugendliche) 23.11.2017 Referent: Höld Seite 22
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Leitlinien FAS S3-Leitlinie Diagnostik des Fetalen Alkoholsyndroms 23.11.2017 Referent: Höld Seite 24
FASD – kognitiv • Intelligenzminderung • Erheblich unterschiedliche Fähigkeiten • Schlechtes Gedächtnis • Schwankende Tagesform • Schlechte Selbstreflexion • Unflexibles Denken • Fehlende Kausalzusammenhänge • Fehlende Differenzierung • Geringes Verständnis für Abstraktionen (Zeit, Geld) 23.11.2017 Referent: Höld Seite 25
FASD – exekutiv • Schlechte Planung • Vermindertes Urteilsvermögen • Geringe Impulskontrolle • Desorganisation • Schlechte Konzentration • Unfähigkeit zum Belohnungsaufschub • Fehlende Zukunftsorientierung • Abrufbarkeit von gespeichertem Wissen • Zeitmanagement und Priorisierung • Räumlich-visuelle Wahrnehmung oder räumlich- konstruktive Fähigkeiten 23.11.2017 Referent: Höld Seite 26
FASD – emotional • Gefühle werden nicht erkannt. • Gefühle werden nicht adäquat geäußert. • Aggressionen • Versteht nicht, warum andere böse sind. 23.11.2017 Referent: Höld Seite 27
FASD – sozial • Versteht soziale Signale nicht. • eingeschränktes Nachvollziehen von sozialen Zusammenhängen • Distanzlosigkeit • Wenig Empathie • Schlechte Bindungsfähigkeit • Externalisieren von Schuld • Übermäßiges Einfordern von Aufmerksamkeit • Anfälligkeit für: Missbrauch Suchtmittelmissbrauch Delinquenz 23.11.2017 Referent: Höld Seite 28
FASD – medizinisch / neurologisch • Schlechtes Gleichgewicht • Schlechte Koordination • Ess- und Schlafstörungen • Epilepsie • Allergien 23.11.2017 Referent: Höld Seite 29
FASD – sprachlich • Extrem redselig • Ahmt das Redemuster anderer nach. • Gering ausgeprägtes Sprachverständnis • Lügt schlecht. 23.11.2017 Referent: Höld Seite 30
Verhalten das zu erwarten ist Adaptiert von: Forschung Ergebnisse von :- Streissguth, Clarren et al. Diane Malbin 1994 Sprache Tatsächliches Alter =18 Lesen Fähigkeiten für tägliches Leben Zeit/Geld/ Mathe Sozial- Fähigkeiten Verständnis/ seelische Reife Wie ein Wie ein Wie ein 16 20 Wie ein 11 Wie ein 8 Wie ein 6 7 -jähriger -jähriger -jähriger -jähriger -jähriger -jähriger Ändern Sie Ihre Erwartung entsprechend! 23.11.2017 Referent: Höld Seite 31
Folgen und Fazit • 94% leiden an psychischen Krankheiten. • 43% sind Schulabbrecher. • 42% aller bzw. 60% (über 12a) sind polizeibekannt, 60% (über 12a) sind in Anstalten (Gefängnis, Erziehung, Pflege,…). • 45% unangemessenes sexuelles Verhalten • 30% Suchtprobleme • 80% können nicht selbständig leben. • 72% sind Opfer von Misshandlungen. • Schwangerschaften, Kindesabnahmen,… 23.11.2017 Referent: Höld Seite 32
Risiko und Schutzfaktoren • Risiko: späte Diagnose (nach dem 6. LJ) Gewalterfahrung instabile Verhältnisse • Schutzfaktoren: Erstdiagnose vor dem 6. LJ stabile Lebensumstände konstanter Aufenthaltsort (> 3 Jahre) keine Gewalt 23.11.2017 Referent: Höld Seite 33
WORAN DENKEN SIE JETZT? Meinen Teil habe ich nun beendet, reden wir noch darüber? 23.11.2017 Referent: Höld Seite 34
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