Neue Haltungen - Wie man Familien begegnen kann

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Neue Haltungen –
Wie man Familien begegnen kann

Vortrag auf der Fachtagung „Zertifziert – und dann??? –
Anregungen zur Weiterentwicklung für Familienzentren
und ihre Kooperationspartner“. 24.3.2009,
Gelsenkirchen, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

      Elisabeth Helming, Dipl. Soziologin     Nockherstraße 2
                                              81541 München
                                              www.dji.de
Gliederung

1. Soziale Situation von Familien in prekären Lebenslagen

2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung
   und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/Elternaktivierung

3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

4. Aspekte „guten“ Lebens

  Elisabeth Helming, DJI   Seite 2            Zurück zur ersten Seite
1. Soziale Situation von Familien in prekären Lebenslagen

Bewältigungsformen prekärer Lebenslagen
(nach Chassé et al. 2003)

  ●      Konstruktiver Umgang: Mobilisierung von leistungsfähigen
         Ressourcen, die eine bessere Bedürfnisbefriedigung von Kindern
         und Eltern ermöglichen: die Eltern nahmen z.B. Gelegenheitsjobs
         an, erschlossen sich Netzwerke, waren in der Lage Hilfeansprüche
         durchzusetzen, verhielten sich insgesamt aktiv.
  ●      Adaptiver Umgang: Eltern versuchen Ressourcen zu mobilisieren,
         um Bedürfnisse erfüllen zu können; hautpsächlich werden familiale
         Netzwerke aktiviert.
  ●      Reduktiver Umgang: Bedürfnisse und Bedürfniserfüllung werden
         quantitativ und qualitativ reduziert, z.B. in Bezug auf Ernährung,
         Bekleidung, kinderkulturelle Aktivitäten; Familienrituale werden
         abgebaut bzw. schlafen ein, die Alltagsorganisation ist von der
         Mangellage hart betroffen; die Eltern verhalten sich eher passiv.

      Elisabeth Helming, DJI       Seite 3                       Zurück zur ersten Seite
1. Soziale Situation von Familien in prekären Lebenslagen

Leben in gravierenden Unterversorgungslagen

  ●      Niedrige Bildungsabschlüsse
  ●      Niedriges Einkommen
  ●      Soziale Isolation
  ●      Verschuldung
  ●      Problematische Wohnsituation
  ●      Beeinträchtigte Gesundheit von Eltern und Kindern
  ●      Unterversorgung in Bezug auf Soziale Dienstleistungen
  ●      Mangelnde gesellschaftliche Teilhabe

      Elisabeth Helming, DJI       Seite 4                       Zurück zur ersten Seite
1. Soziale Situation von Familien in prekären Lebenslagen

 Sozialpolitik, Finanzpolitik, Steuerpolitik, Bildungspolitik Familienpolitik,
 usw.

 Global
                                               Soziales Kapital,
                                                                                                        Verhalten und Handeln, das
                Nation                         Umgebung,
                                               Diskriminierung,
                                                                                      Individuelle      man wählt
                                                                                      Fähigkeiten
                                               Wohnen im sozialen
                   Sozialökologische           Brennpunkt
                   Aspekte, regionale
                   Ökonomie
                                                                                                     Aktuelles Wohlbefinden:
                                                                                                     Gesundheit, Sicherheit, Freude
                                                                                                     am Leben, Erfolg, ökonomische

                 Region                 Kommune                Familie
                                                                                                     Absicherung , Teilhabe an der
                                                                                                     Gesellschaft

                                                               Erziehungsfähigkeiten
                                                               der Eltern, deren
                                                               biographische                            Zukünftiges
                                                               Vorerfahrungen (Bildung,
                                                                                                        Wohlbefinden:
                                                               kulturelles Kapital)
                                                                                                        Perspektiven, soziale Mobilität
                                                               Schicht, Einkommen,
Kreisläufe der sozialen Vererbung                              Wohnung, usw.
                                                                                                        (inter- und intragenerational)

von Lebenssituationen
    Helming/X           16.2.2005          Seite 5                                                            Zurück zur ersten Seite
1. Soziale Situation von Familien in prekären Lebenslagen

      Gefühlslagen in Familien in schwierigen
      Problemlagen
  ● Gefühle der Nutzlosigkeit und Überflüssigkeit
  ● „Emotionale Taubheit“
  ● Häufig starkes Anklammern in Beziehungen
  ● Fehlen lebenspraktischer Kompetenz und Abwehr, sie zu
    erwerben, aus Angst zu scheitern
  ● Hartnäckiger Negativismus als letzte Bestätigungsbastion
  ● Verarmter/rigider innerer Dialog
  ● Große Fähigkeit, ähnliche Gefühle auch bei anderen
    auszulösen (Abwehr von Veränderung)
  (Nitsch 2006)

    Helming/DJI                    Seite 6                  Zurück zur ersten Seite
2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/der Elternaktivierung

Das Präventionsdilemma

                                                                               Motivationsarbeit
                                                                               der HelferInnen
                                   Ps
                                      ych
                               Re          os
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                                              Pro      ela
                                                          stu
                                                  ble         ng
                                                      mb         sg
                                                        ew          rad
                                                           uss
                                                               tse
    Eigeninitiative                                                in
    der Familien

     Elisabeth Helming, DJI             Seite 7                                         Zurück zur ersten Seite
2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/der Elternaktivierung

       Soziale Dienstleistungen zwischen
        den Polen:

       fürsorgliche Belagerung

       wohlwollende Vernachlässigung
                                                     (Julian Rappaport)

     Elisabeth Helming, DJI             Seite 8                                Zurück zur ersten Seite
2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/der Elternaktivierung

  Hilfe als Suchprozess

                      „Vielleicht müssen wir als
                              Professionelle eher lernen, weit mehr
                              Augenmerk auf das Anfangen als auf
                              das Ziel zu richten“.

                                                                           (Stark 1996: 55)

     Elisabeth Helming, DJI             Seite 9                                     Zurück zur ersten Seite
2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/der Elternaktivierung

 „Agency“: Handlungsfähigkeit
 Fähigkeiten (capabilities), sein eigenes Leben
 selber zu gestalten und das Recht darauf,
 befähigt zu werden. (Amartya Sen)
Schlüsselvariablen im Capabilities-Ansatz
        ●       Selbstwissen und Selbstwahrnehmung der eigenen
                persönlichen Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten.

        ●       Selbstmanagement-Fähigkeit ist die nächste Variable:
                die eigenen Ressourcen effektiv und effizient zu
                managen (Problemlösefähigkeit)

        ●       Zugang zu Ressourcen: persönliche, soziale,
                ökonomische, technische
                                                          (nach Dennis Mithaug 1996)
     Elisabeth Helming, DJI             Seite 10                                 Zurück zur ersten Seite
2. Jenseits von wohlwollender Vernachlässigung und fürsorglicher Belagerung:
   Der Ansatz des Empowerment/Elternaktivierung

  Ziele einer Unterstützung

    ●    ein aktives und positives Gefühl des ´In der Welt- Seins´
         leben
    ●    Fähigkeiten und Strategien ausbauen, um Ziele erreichen
         zu können
    ●    Netzwerk entwickeln
    ●    kritisch um die eigene Situation wissen
    ●    sich in sozialen Austauschprozessen bewegen
    ●    die Demoralisierung überwinden
                                                                               (nach Stark 1996: 119)

                                              Elisabeth Helming/DJI                                     11
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

                                           Was ist Respekt?

                      Der Konflikt der Andersheit des
                                                     Anderen.

                                            (Paul Ricoeur)

                                                Elisabeth Helming/DJI   12
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

 Elemente einer respektvollen Haltung
       ●      Emotionale Unterstützung: Ausdruck von Engagement,
              Wertschätzung und Respekt
       ●      Unterstützung bei der Sammlung von Informationen und
              dem Austarieren, Herausfinden von Möglichkeiten, damit
              man sich besser organisieren kann oder wichtige
              Information hat für die jeweilige Situation, in der man sich
              befindet
       ●      Unterstützung in Bezug auf ihre Beziehungen
       ●      Instrumentelle Unterstützung: praktische Hilfe und
              Entlastung

                                                                             13
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

 Methodisches Profil

 Zusammenarbeit mit der Familie

     ●         Balance aus freundlicher Anbindung und
               professioneller Distanz, Arbeitsbündnis
               herstellen

     ●         selbstreflexiver Umgang mit den eigenen
               Gefühlen, Werten, Deutungsmustern,
               Strategien; Arbeit mit Hypothesenbildung: d.h.
               Fähigkeit zur Selbstevaluation

     Elisabeth Helming, DJI              Seite 14    Zurück zur ersten Seite
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

 Methodisches Profil

 Grundlagen

                              ●   Lösungsorientiertes,
                                  ressourcenorientiertes Denken

                              ●   Systemisches Wissen und Denken

                              ●   Kooperationsfähigkeit und
                                  Aushandlungskompetenzen

     Elisabeth Helming, DJI              Seite 15                 Zurück zur ersten Seite
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

 Grundannahmen der Unterstützung
    von Müttern, Vätern und Kindern (nach Kinney et al. 1991: 55 ff)

  1.     Es gibt mehr Ähnlichkeiten zwischen KlientInnen und
         BeraterInnen als Unterschiede

  2.     (Fast) jeder tut das Beste, was er/sie kann innerhalb der
         Grenzen seiner/ihrer Fähigkeiten, Intelligenz Geschichte,
         Umgebung, Einkommen, Energie-Niveau, Gesundheit,
         Wissen, sozialem Netz …

  3.     Die meisten Familienmitglieder mögen einander, es braucht
         Achtsamkeit, um die Sehnsucht nach Nähe und Anerkennung
         wahrnehmen zu können
                                                Elisabeth Helming/DJI   16
3. Respekt als Konflikt der Andersheit der Anderen

 Grundannahmen der Unterstützung
    von Müttern, Vätern und Kindern (nach Kinney et al. 1991: 55 ff)
 4.      Aufgabe sozialer Arbeit ist es, Hoffnung zu installieren

 5.      Man kann nicht im Voraus wissen, ob eine Situation hoffnungslos ist

 6.      Es ist hilfreich zuzugeben, nicht alles zu wissen

 7.      BeraterInnen müssen wissen, dass sie Schaden anrichten können

 8.      KlientInnen müssen so viel wie möglich Bestimmungsmacht über den
         Prozess der Intervention haben

 9.      KlientInnen sind ExpertInnen über sich selbst
                                                Elisabeth Helming/DJI          17
4. Aspekte guten Lebens

Aspekte „guten“ Lebens - menschliche Grundbedürfnisse
●      Sein menschliches Leben normaler Länge zu leben
●      Sich guter Gesundheit zu erfreuen, sich angemessen zu ernähren, zu wohnen,
       sich von einem Ort zum anderen bewegen können, sich in Fragen der
       Reproduktion frei entscheiden zu können, Möglichkeiten zu sexueller
       Befriedigung
●      Unnötigen Schmerz vermeiden, freudvolle Erlebnisse haben
●      Sinne und Phantasie gebrauchen, denken und urteilen; Grundkenntnisse
       durch angemessene Erziehung vermittelt bekommen
●      Beziehungen zu Dingen und Menschen eingehen; Fähigkeit, andere zu
       unterstützen
●      Vorstellung des Guten entwickeln, eigene Lebensplanung, berufliche Tätigkeit,
       Teilnahme am politischen Leben
●      Mit anderen und für andere leben, verstehen, Kontakte pflegen, Empathie;
       Gerechtigkeit, Mitleid, Freundschaft, Institutionen schützen
●      Verbundenheit mit Pflanzen und Tieren leben
●      Lachen, spielen, sich erholen
●      Sein eigenes Leben leben, Garantien haben: keine Eingriffe in besonders
       persönlichkeitsbestimmende Entscheidungen wie Heiraten, Gebären, sexuelle
       Präferenzen, Sprache und Arbeit
●      Leben in seiner eigenen Umgebung und in eigenem Kontext leben
       (Versammlungsfreiheit, Unantastbarkeit persönlichen Eigentums –
       eingeschränkt durch soziale Gerechtigkeit)
                                   Elisabeth Helming/DJI                                     18
                                                               (nach Martha Nussbaum1999, 2002)
„Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst“
                     Heinz von Foerster
 Elisabeth Helming, DJI   Seite 19              Zurück zur ersten Seite
Welche Kompetenzen erwartet man von Eltern?
(Wissenschaftlicher Beirat des BMFSFJ)

        Kindbezogene Kompetenzen: Eltern sollen fähig sein, sensibel
         und auf das Kind seinem Entwicklungsstand entsprechend
         einzugehen
        Selbstbezogene Kompetenzen: Eltern sollen in der Lage sein,
         über Erziehung nachzudenken, sich Wissen über die kindliche
         Entwicklung aneignen, eigene negative Emotionen kontrollieren,
         und nicht impulsiv handeln
        Handlungsbezogene Kompetenzen: Eltern sollen Vertrauen in
         die eigene Wirksamkeit entwickeln, Versprechen einhalten, beim
         Umgang mit dem Kind nicht widersprüchlich sein und sich an
         neue Gegebenheiten anpassen.
        Kontextbezogene Kompetenzen: Eltern sollen fähig sein, auch
         außerhalb der Familie für das Kind positive
         Entwicklungsarrangements zu treffen

 Helming/X      16.2.2005   Seite 20                          Zurück zur ersten Seite
4. Aspekte guten Lebens

Drei Dimensionen der Bewertung „Guten Lebens“

                     ●       Die Dimension der Selbstschätzung:
                             Sinngebung, Selbstwirksamkeit

                     ●       Die Dimension des Lebens mit anderen und für
                             sie: die dialogische Struktur des Lebens,
                             unmittelbare Interaktion

                     ●       Die Dimension des Lebens in Institutionen:
                             Gerechtigkeit der Verteilung der
                             gesellschaftlichen Güter

                                                              (Nach Paul Ricoeur 1996)

    Elisabeth Helming, DJI             Seite 21                          Zurück zur ersten Seite
Grawe/Grawe-Gerber (1999) beschreiben in ihrem Aufsatz:
 „Ressourcenaktivierung.
 Ein primäres Wirkprinzip der Psychotherapie“ ein (vereinfachtes) Schema folgender
 Rückkoppelungsschleifen:

 Ressourcenaktivierende Interaktion

 Bereitschaft, sich einzulassen                             Positivere Selbstwahrnehmungen
 auf Therapie und neue Erfahrungen

 Glaubwürdigkeit der Therapie                             Positive Gefühle, besseres Selbstwertgefühl
 Gute Therapiebeziehung                                   erhöhtes Wohlbefinden
 Symptomverbesserung

                                                          Mehr Mut und Schwung

                                                          Erfolgserlebnisse

                                                          Erhöhtes Selbstvertrauen
                         Positivere Zukunftserwartungen

Elisabeth Helming, DJI                Seite 22                                       Zurück zur ersten Seite
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