Barrierefreie Sprache in der digitalen Kommunikation für Öffentlichkeit, Institutionen und Unternehmen Gerhard Edelmann Gebrauchsanleitung für ...

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Barrierefreie Sprache in der digitalen Kommunikation für Öffentlichkeit, Institutionen und Unternehmen Gerhard Edelmann Gebrauchsanleitung für ...
11. Barrierefreie Sprache in der digitalen
     Kommunikation für Öffentlichkeit,
      Institutionen und Unternehmen
             Gerhard Edelmann
Gebrauchsanleitung für den Zugang zum Recht
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1. EINLEITUNG

• Staatsbürger: Adressat der vom Staat erlassenen Normen
  und somit Träger von Rechten und Pflichten
• Es ist wichtig, dass er ihm zustehende Rechte auch
  durchsetzen kann.
• Zivilverfahren: Dispositionsgrundsatz
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2. ZIVILRECHTLICHES VERFAHREN
• Zuständigkeit
    Amtsgericht/Bezirksgericht
    Wertzuständigkeit
    Eigenzuständigkeit
• Anwaltszwang
    vor Amtsgericht/Bezirksgericht
    Grenze 5.000 €
• Inhalt und Struktur der Klage
    In ZPO geregelt: Deutschland § 253 dZPO in Verbindung
     mit § 130 dZPO; Österreich in § 75 öZPO
2. ZIVILRECHTLICHES VERFAHREN
• Mahnverfahren
    in vielen europäischen Staaten, auch Deutschland und
     Österreich
• Zusammenfassung
    Sowohl in Österreich als auch in Deutschland ist die
     Grenze für das selbständige Auftreten des Bürgers vor
     Gericht sehr niedrig.
    Der Zugang zum Recht wird also vor allem wegen des
     Kostenrisikos erheblich erschwert.
3. VERSTEHEN UND VERSTÄNDLICHKEIT

• Verständlichkeit durch kontrollierte Sprache
    Kontrolle von Wortgebrauch und Grammatik durch Regeln
    keine langen Sätze
    einfache Zeitformen
    kein oder kaum Passiv
    Absätze umfassen maximal 6–7 Sätze.
• Verstehen
    Wissen und Wissensrahmen
3. VERSTEHEN UND VERSTÄNDLICHKEIT
• Wissen und Verstehen im Recht
   Untersuchungen zur Rechtssprache:
      o Die bessere Gestaltung des Textes allein genügt nicht.
      o Eine Reihe anderer Maßnahmen ist erforderlich. Nur dann werden die
        besseren Texte auch von mehr Menschen verstanden werden.
      o Der Bürger kann ein Rechtsproblem, das ihn betrifft, an Hand der
        Rechtsordnung ohne juristische Vorkenntnisse nicht lösen.
• Unterscheidung von Verstehen und Verständlichkeit
  (Christmann)
    Die syntaktischen-stilistischen Oberflächenmerkmale von
     Texten erlauben keine Vorhersagen darüber, ob ein Text
     verstanden wird oder nicht.
    Einbeziehung des Rezipienten
    Verstehensprozess: Wechselwirkung zwischen
     vorgegebenem Text und der Kognitionsstruktur des Lesers
3. VERSTEHEN UND VERSTÄNDLICHKEIT

• Schlussfolgerungen
    Der juristische Laie ist in aller Regel nicht in der Lage, die
     Klageschrift selbständig korrekt zu formulieren.
    Problem kann also durch kontrollierte Sprache nicht
     befriedigend gelöst werden.
    Es muss ein anderer Ansatz gesucht werden.
4. TÄTIGKEITSLEITENDE TEXTE

• Merkmale der Tätigkeitsleitenden Texte (TLT)
    Instruktionstexte: auf einzelne Arbeitsaufgaben bzw. auf
     ein spezielles Gerät bezogen
    Nicht auf das Aneignen komplexer Wissensgebiete
     bezogen
    Keine vollständige analytische Tätigkeitsbeschreibung
• Bedienungsanleitung für eine singuläre Aufgabe
    Explizite Handlungsschrittanleitungen
    Gebrauchsorientierte Darstellung
4. TÄTIGKEITSLEITENDE TEXTE

• Logik in der sprachlichen Darstellung
    Unterstützende graphische Gliederung
    Sequenzierung anhand des Handlungsablaufs
• Didaktische Visualisierung
    Erhöhung der Informativität durch die Verwendung
     nonverbaler Informationsträger
5. DAS EUROPÄISCHE MAHNVERFAHREN
• Allgemein
    Das Europäische Mahnverfahren zeigt, dass sich TLT in
     hervorragender Weise eignen, in einem eingeschränkten
     Bereich Bürgern den Zugang zum Recht zu erleichtern.
• Europäische Kommission: Zugang zum Recht für alle
    Im heutigen Europa mit offenen Grenzen ist es keineswegs
     selten, dass sich Bürger mit Verfahren vor dem Gericht
     eines anderen Mitgliedstaates konfrontieren müssen.
    Kosten: Anwälte, Übersetzungen, Reisen
    Eines der Mittel, den europäischen Bürgern den Zugang
     zum Recht zu verschaffen, ist der europäische Zahlungs-
     befehl.
5. DAS EUROPÄISCHE MAHNVERFAHREN
• Europäischer Zahlungsbefehl
    Ergeht im Falle grenzüberschreitender Geldforderungen,
     die der Antragsgegner nicht bestreitet, in einem
     vereinfachten Verfahren.
    Für den Antrag werden Formblätter verwendet.
    Für die Durchführung des Europäischen Mahnverfahrens
     ist ein Gericht im Wohnsitzstaat des Klägers zuständig.
    Formblätter: Europäisches Justizportal, Link im Internet.
5. DAS EUROPÄISCHE MAHNVERFAHREN
• Anleitung zum Ausfüllen des Antrags auf Erlass eines
  Europäischen Zahlungsbefehls
    Tätigkeitsleitender Text
    Mit Hilfe spezifischer Codes, die in die entsprechenden
     Felder einzutragen sind, wird der Kläger in die Lage ver-
     setzt, den Antrag auszufüllen, ohne juristische Kenntnisse
     zu haben.
    Im Gegensatz zu den Gesetzes- oder Lehrbuchtexten
     enthält das Formular auch bildhaft gestaltete Elemente,
     die das Verständnis erleichtern.
• Fiktiver Fall
    Deutscher/österreichischer Kläger, der in Spanien klagen
     will, und vice versa.
6. HINWEISE ZUM AUSFÜLLEN

• Allgemeine Hinweise
    Sprache
     o Formblatt ist in allen Amtssprachen der Europäischen Union
       erhältlich
    Einspruch
     o Legt der Antragsgegner Einspruch gegen die Forderung ein, so wird
       das Verfahren vor den zuständigen Gerichten gemäß den Regeln
       eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt. Wird dies nicht
       gewünscht, ist Anlage 2 zum Formblatt zu unterschreiben.
6. HINWEISE ZUM AUSFÜLLEN
• Leitlinien
  Bei jedem Abschnitt sind spezifische Codes aufgeführt, die
  gegebenenfalls in die entsprechenden Felder einzutragen
  sind.
    1. Gericht.
    2. Parteien und ihre Vertreter
    3. Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit
    4. Grenzüberschreitende Bezüge der Rechtssache
    5. Bankverbindung (fakultativ)
    6. Hauptforderung
    7. Zinsen
    8. Vertragsstrafe (falls zutreffend)
    9. Kosten (gegebenenfalls)
6. HINWEISE ZUM AUSFÜLLEN

• Leitlinien
    10. Vorhandene Beweismittel, auf die sich die Forderung
     stützt
    11. Zusätzliche Erklärungen und weitere Angaben (falls
     erforderlich)

    Anlage 1: Kreditkarten- oder Bankkontoverbindung zur
     Bezahlung der Gerichtsgebühren

    Anlage 2: Erklärung für den Fall eines Einspruchs
7. FALLBEISPIEL

• Parteien
    Juan López Fernández, E-37710 Candelario, Plaza de Béjar 5
    Josef Maier, D-35037 Marburg, Pilgrimstein 2
    Johann Müller, A-3841 Windigsteig, Landstraße 24
• Beginn
    https://e-
     justice.europa.eu/content_european_payment_order_for
     ms-156-de.do
    Dynamische Formulare/ Formulare „Europäischer
     Zahlungsbefehl“
    Formular online ausfüllen/Cumplimentar formulario online
    Sprachwahl: Deutsch/Spanisch
7. FALLBEISPIEL

• Wahl des Mitgliedsstaates
7. FALLBEISPIEL
7. FALLBEISPIEL
• Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit
   z. B. Wohnsitz des Beklagten, Erfüllungsort.
• Hauptforderung; z.B.
   Kaufvertrag
   ausgebliebene Zahlung
• Gericht
   Link Eingabe der Adresse des Beklagten; System nennt
    Gericht mit Adresse:
     o Juzgado de Primera Instancia/Instrucción, C/ Cordel de Merinas,
       4; 37700 Béjar
     o Amtsgericht Berlin-Wedding, Brunnenplatz 1, D-13357 Berlin
     o Bezirksgericht für Handelssachen Wien, Justizzentrum Wien Mitte
       Marxergasse 1a, A-1030 Wien
7. FALLBEISPIEL

• Senden
   in Sprache des Gerichtes
• Ausdruck
   Bitte wählen Sie die Sprache, in der Sie das PDF-Formular
    erstellen möchten.
8. VORTEILE UND GRENZEN

• Vorteile
   Durch den TLT kann auch der Nichtjurist ohne Beratungs-
    aufwand und kostensparend sein Recht geltend machen.
   Voraussetzung sind natürlich organisatorische Maßnahmen
    der Behörden, z.B. Schaffung eines eigenen Gerichts in
    Österreich und Deutschland.
8. VORTEILE UND GRENZEN

• Grenzen
  Das System funktioniert natürlich nur für einfache
  Rechtsfälle. Beispiele:
   Es wurde eine Ware einwandfrei geliefert oder eine
    Dienstleistung einwandfrei erbracht. Es gibt keine
    Mängel, die gegebenenfalls durch Sachverständige zu
    ermitteln wären. Ebenso wenig gibt es Gegen-
    forderungen etc.
   Es ist zu beachten, dass ein großer Teil der Rechts-
    streitigkeiten in diese Kategorie fällt. Neben der
    Erleichterung des Zugangs zum Recht führt dieses
    System auch zur Entlastung der Gerichte.
9. SCHLUSSFOLGERUNGEN

• Zugang zum Recht: Bürger muss seine Rechte durch-
  setzen können.
• Betragliche Grenze für das selbständige Auftreten des
  Bürgers vor Gericht ist sehr niedrig. Der Zugang zum
  Recht vor allem wegen des Kostenrisikos erheblich
  erschwert.
• Das Problem kann durch kontrollierte Sprache nicht
  befriedigend gelöst werden.
• Erfolgversprechender erscheint der Ansatz unter Ver-
  wendung Tätigkeitsleitender Texte, die an und für sich
  nicht für die Verwendung im Rechtssystem entwickelt
  wurden.
9. SCHLUSSFOLGERUNGEN

• Am Beispiel des Europäischen Mahnverfahrens kann gezeigt
  werden, dass Tätigkeitsleitende Texte sich in hervorragender
  Weise eignen, in einem eingeschränkten Bereich Bürgern
  den Zugang zum Recht zu erleichtern.
• Freilich sind der Anwendung Grenzen gesetzt, weil das
  System nur für einfache Rechtsfälle funktioniert. Jedoch fällt
  ein großer Teil der Rechtsstreitigkeiten in diese Kategorie.
10. LITERATUR
Busse, Dietrich (2004): “Verstehen und Auslegung von Rechtstexten –
institutionelle Bedingungen”. In: Lerch, Kent D. (2004): Die Sprache des
Rechts, Band I, Recht verstehen – Verständlichkeit, Missverständlichkeit und
Unverständlichkeit von Recht. Berlin: Walter de Gruyter. 7–20.
Christmann, Ursula (2004): “Verstehens- und Verständlichkeitsmessung;
Methodische Ansätze in der Anwendungsforschung.” In: Lerch, Kent D. (2004):
Die Sprache des Rechts, Band I, Recht verstehen – Verständlichkeit,
Missverständlichkeit und Unverständlichkeit von Recht. Berlin: Walter de
Gruyter. 33–62.
Deixler-Hübner, Astrid / Klicka, Thomas (2011) . Zivilverfahren. 7., neu
bearbeitete Auflage. Wien: LexisNexis.
Liehr, Willibald (1986): “Verständliche Gesetzestexte – Ein Beitrag zur
Bürgernähe der Verwaltung.“. In: Öhlinger, Theo (1986): Recht und Sprache,
Fritz Schönherr – Gedächtnissymposium 1985. Wien: Manzsche Verlags- und
Universitätsbuchhandlung Wien. 155–176.
10. LITERATUR
Roth, Marianne / Holzhammer, Richard (2012), Zivilprozessrecht. 1. Auflage.
Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung.
Stolze, Radegundis (2013): Fachübersetzen – Ein Lehrbuch für Theorie und
Praxis. 3. Auflage. Berlin: Frank & Timme.
Wodak, Ruth (1986): “Bürgernahe Gesetzestexte. Soziolinguistische Bemer-
kungen zur Verständlichkeit von Gesetzestexten.“ In: Öhlinger, Theo (1986):
Recht und Sprache, Fritz Schönherr – Gedächtnissymposium 1985. Wien:
Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung Wien. 115–128.
Ziem, Alexander (2008): Frames und sprachliches Wissen. Berlin: Walter de
Gruyter.
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