Life After Corona Eine Umfrage von Greenpeace Schweiz - Synthese
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Hintergrund der Umfrage D ie Corona-Pandemie hat uns in vielerlei Hinsicht überrumpelt. Die Massnahmen zur Verlang samung der Ausbreitung bedeuteten eine völlig neue Wir haben in der Online-Umfrage drei Fragen zu den Erfahrungen während des Lockdown gestellt: Situation und zweifelsohne eine grosse Herausforde- ➤ Was hast du am meisten vermisst? rung, sowohl auf individueller wie auf kollektiver Ebene. Wie immer in schwierigen Situationen gibt es ➤ Was hast du häufiger gemacht? aber auch Erfahrungen und Erkenntnisse, die uns als Individuen und als Gesellschaft weiterbringen. ➤ Nach dem Lockdown: Was wirst du Greenpeace interessiert sich dafür, welche Lehren wahrscheinlich nicht mehr machen? aus der Corona-Pandemie gezogen werden können, denn die Krise hat uns gezeigt, wie verletzlich wir alle Die drei Fragen wurden offen gestellt. Die Teilneh- sind, wie verletzlich unserer Gesellschaft ist und wie menden hatten also keine Antworten zur Auswahl, verletzlich die Welt insgesamt. Es stellt sich die Frage, sondern waren frei, Themen einzubringen. Die Befra- ob wir einfach so weitermachen können wie vor der gung wurde auf der Website von Greenpeace Schweiz Pandemie. Die Corona-Pandemie hat gewisse Ähn- (D/F) durchgeführt und auf Social Media und via lichkeiten mit anderen Krisen, die allerdings als nicht Newsletter beworben. so akut wahrgenommen werden. Auch Klima- und Bio- Zu unserer eigenen Überraschung haben über diversitätskrisen müssen bewältigt werden, verlangen 6 000 Personen teilgenommen, rund zwei Drittel da- Massnahmen und Antworten: Kooperation und gesell- von in der Deutschschweiz, der Rest in der Romandie. schaftlicher Zusammenhalt, freiwillige oder verordnete Die Ergebnisse haben keinen Anspruch auf Verhaltensänderungen, Interessensabwägungen zwi- Repräsentativität. Die Umfrage wurde anonym durch- schen privaten bzw. persönlichen und kollektiven Inte- geführt, und es wurden keine demografischen oder ressen sind nur einige Beispiele. sozioökonomischen Merkmale über die Teilnehmen- Die Umfrage «Life After Corona» stellt ein Puzzle- den erhoben. Die Ergebnisse müssen als Stimmungs- stück dieser Arbeit dar. Wir wollten den Menschen ei- bild einer Teilöffentlichkeit verstanden werden. nen Raum zur Selbstreflexion über die eigenen Erfah- Eine detaillierte softwaregestützte Auswertung der rungen in diesen speziellen Zeiten bieten. Darüber 6 000 Antworten wird Zeit in Anspruch nehmen. Hier hinaus interessierte uns, ob sich aus den persönli- werden die ersten Erkenntnisse in aller Kürze zusam- chen Erlebnissen während des Lockdown Erkennt- mengefasst und bewertet. nisse abzeichnen, die zur Bewältigung von anderen Krisen lehrreich sind. Aspekte, die Potenzial aufwei- sen und woran Greenpeace Schweiz in Zukunft ver- stärkt arbeiten könnte. Titelseite: Ente im Blütenstaub während des Lockdown in Zürich. © Greenpeace / Joël Hunn 2
Ausser an Umarmungen hat es uns an nichts gefehlt … N icht überraschend aber doch auffallend deutlich ist, dass soziale Kontakte mit Familien und Freun- den den Menschen am meisten fehlten. Damit ver- bunden wurden soziale Beschäftigungen wie Café- oder Restaurantbesuche häufig vermisst. Die fehlenden kulturellen Veranstaltungen wurden eben- falls relativ oft genannt. Vergleichsweise wenig Leute haben angegeben, Konsum- und Reisetätigkeiten entbehrt zu haben, obwohl es grad da viele Ein- schränkungen gab. Viele Menschen haben gar nichts vermisst. Aus ihren Antworten geht hervor, dass etliche Teilneh- mende der Situation bisweilen sogar Gutes abgewin- nen konnten: Zeit, Freude, Ruhe und Genuss. besuche einkaufen kollegen freund umarmen freiheit konnte noch vermisst anderen restaurants treffen kontakte natur sich besuch gehen haben kinder nicht habe näheeltern uns man vor können dem frei sonst nichts meinen zeit konzerte sozialen freunden besuchen soziale meiner kino freunde nur sehr menschen umarmungen des eigentlich gar etwas bin sehen hat mehr familie meine den kontakt ins freundinnen essen leben zur aber bei ein auch reisen wieder ruhe nach arbeit sind zum theater trinken viel tanzen keine immer restaurant kaffee mal zusammensein «Was hast du am meisten vermisst?» 3
… oder doch an allem? I m Vergleich zu den Themen, die in den letzten Monaten in Medien und Öffentlichkeit präsent waren, wurden schwierige persönliche Situationen (familiär, finanziell, sozial usw.) in der Umfrage vergleichsweise selten genannt. Nur wenige Teilnehmende berichte- ten von Stresssituationen oder Ängsten. Das will nicht heissen, dass sie selten existierten, sondern dass die Umfrage Betroffene kaum erreicht hat oder andere Eindrücke überwogen haben. Arbeitsbezogene Themen kommen in den Antwor- ten häufig vor. Das Home Office wurde oft positiv dar- gestellt, obwohl ein Überdruss an digitalen Bespre- chungen (Videokonferenzen) und eine Vorfreude auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz erkennbar waren. Obwohl die Schliessung der Schulen eine der zentra- len Massnahmen zur Bremsung der Ansteckungsrate darstellte, kam das Thema Homeschooling bzw. Fernunterricht verhältnismässig wenig vor in den Ant- worten. Die Rückkehr zu einem physischen Unterricht in der Schule wurdeeher mit Erleichterung bewertet. Gleichzeitig wird aber auch immer wieder die Freude erwähnt, mehr Zeit zu Hause mit den Kindern ver- bracht zu haben. Während des Lockdown in Luzern. Ältere Menschen gelten als besonders gefährdet. © Greenpeace / Joël Hunn 4
Der Lockdown als ein Moment der Besinnung A us den Antworten der Teilnehmenden geht hervor, dass viele Menschen ihren Lebensrhythmus während des Lockdown deutlich entschleunigt haben. jenigen Mitmenschen, die die Situation partout nicht verstehen wollen. Die Teilnehmenden widmeten sich vermehrt sinn- Es wurde vermehrt (aus)geschlafen und ausgeruht, lichen Tätigkeiten: Spaziergänge, Kochen und Ba- die Agenden waren ausgelichteter als sonst, der All- cken, Lesen und Musik hören wurden sehr häufig tag viel weniger durchgetaktet. Verschiedentlich erwähnt. Ebenfalls genannt wurde der vermehrte wurde die verstärkte Reflexion über das Leben all Medienkonsum aller Art (TV, Streaming etc.). Und gemein oder die eigene Situation erwähnt. Auch wird natürlich Sport und Bewegung, die häufiger prakti- von einem bewussteren Leben berichtet. Häufig ziert wurden. Auffällig ist, wie oft die Worte Putzen, wurde die Freude am fehlenden Verkehr und der da- Aufräumen, Sortieren und Entrümpeln fielen; offenbar mit verbundenen Stille ausgedrückt. Verärgert waren hat eine Art «Entschlackung» stattgefunden. einige Teilnehmenden dennoch: vor allem über die Wortwolke «Was hast du häufiger gemacht?» 5
Das Online-Leben hat Grenzen A rbeitsbezogene Themen kommen in den Antwor- ten häufig vor. Das Home-Office wurde oft posi- tiv dargestellt, obwohl ein Überdruss an digitalen Be- sprechungen (Videokonferenzen) und eine Vorfreude auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz erkennbar wa- ren. Obwohl die Schliessung der Schulen eine der zentralen Massnahmen zur Bremsung der Anste- ckungsrate darstellte, kam das Thema Home-Schoo- ling bzw. Fernunterricht verhältnismässig wenig vor in den Antworten. Die Rückkehr zu einem physischen Unterricht in der Schule wurde eher mit Erleichterung bewertet. Gleichzeitig wurde aber auch immer wieder die Freude darüber erwähnt, mehr Zeit zu Hause mit den Kindern verbracht zu haben. Wortwolke «Was willst du nicht mehr machen?» 6
Natur als wichtige Ressource Der Sihlwald in Zürich. © Greenpeace / Anne Gabriel-Jürgens A us den Umfrageergebnissen wird deutlich, dass die Natur in dieser besonderen Zeit eine wichtige Ressource darstellte. Viele Teilnehmende gaben an, In der Umfrage kommt die verbreitete Sorge um die Umwelt und das Klima klar zum Ausdruck. Die Verbindung zwischen Pandemie und anderen Um- vermehrt im Freien, im Wald, unterwegs gewesen zu weltkrisen wird häufig gemacht. Viele reflektieren in sein. Verschiedentlich wurden Veränderungen in der ihren Antworten ihren schädlichen Lebensstil (bzw. Natur wahrgenommen und geschätzt (zum Beispiel den der anderen!) und die willkommene Atempause Luftqualität, Stille, Vogelgesang). Der Zugang zur für die Natur während des Lockdown. Es herrscht Natur bzw. die Tatsache, dass die Bewegungsfreiheit aber Skepsis darüber, ob diese Krise ein Umdenken hier im Vergleich zu vielen anderen Ländern relativ und langfristige Veränderungen auslösen wird. Ver- gross war, half sicherlich, den Lockdown gut zu über- mutet wurde meistens, dass es stattdessen wohl «so stehen. Auf der anderen Seite vermissten einige Teil- weiter geht wie bisher». nehmende ihre vertrauten und persönlichen Erho- lungsgebiete, weil diese plötzlich überlaufen waren. 7
Was bleibt nach dem Lockdown? Während des Lockdown in Luzern. © Greenpeace / Joël Hunn A us den Antworten auf die Frage «Nach dem Lock- down: was wirst du wahrscheinlich nicht mehr machen?» geht klar hervor, dass viele Teilnehmende Allerdings kann legitim davon ausgegangen wer- den, dass Erfahrungen von plötzlichen Veränderun- gen und Einschränkungen das Bewusstsein in der schon vor dem Lockdown auf ihr ökologisches Ver- Bevölkerung mittel- und langfristig prägen werden. halten geachtet haben. Dennoch haben viele Vor- Erlebte Einschränkungen und positive Erlebnisse in sätze geäussert, die den Schutz der Umwelt direkt dieser Zeit dürften helfen, andere nötige Veränderun- betreffen: Am häufigsten ist dies die Absicht, weniger gen mit Zuversicht angehen zu können. oder gar nicht mehr fliegen zu wollen. Die seltenere Nutzung des Autos wird auch von vielen thematisiert. Häufig kommen auch Überlegungen zum Konsum vor, sowohl was die Menge betrifft («weniger Sachen Impressum kaufen») als auch die Qualität («weniger Supermarkt, «Life After Corona», Juli 2020 mehr lokal»). Vielsagend sind etliche Antworten, die Eine Umfrage von Greenpeace Schweiz – Synthese sich auf den Lebensrhythmus vor dem Lockdown be- Redaktion: Florian Kasser, Yves Zenger ziehen. Häufig kommt der Wunsch vor, in Zukunft ein- Grafik: Manù Hophan weniger gestresstes Leben zu führen, was anknüpft an der bereits erwähnten Freude an der Entschleuni- gung, die stattfand. Greenpeace Schweiz Ein paar Wochen nach der Aufhebung des Lock- Badenerstrasse 171 down ist klar, dass in Bezug auf das ökologische Ver- Postfach, 8036 Zürich halten keine radikalen Veränderungen stattgefunden schweiz@greenpeace.org haben, zumindest nicht auf kollektiver Ebene. www.greenpeace.ch 8
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