LOHNGLEICHHEIT Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit? - Unterrichtseinheit Sek l - Hans-Böckler-Stiftung

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LOHNGLEICHHEIT Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit? - Unterrichtseinheit Sek l - Hans-Böckler-Stiftung
LOHNGLEICHHEIT
Unterrichtseinheit · Sek l

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige
Arbeit?
 M1 	Der kleine Unterschied

Kai Kühne

                                     A1   Beschreibe die Karikatur
                                     M1 und erkläre ihre Aussage.

                                                                     Seite 1
LOHNGLEICHHEIT Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit? - Unterrichtseinheit Sek l - Hans-Böckler-Stiftung
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

 M2 	Der Gender Pay Gap
                                                                                                                                                                      Grafik A

Durchschnittliche Bruttostundenverdienste von Frauen und Männern
Deutschland, in Euro
25
                                                                                                                                         22,78
                                                                                                                         21,70
                                                                                         19,87           20,71
20                               18,46           18,81               19,63
                17,90                                                                                                            18,62
                                                                                                                 17,33
                                                                                 15,44           16,26
                                         14,62               15,18
 15     13,91            14,25

 10
                                                                                                                                                             Frauen
  5
                                                                                                                                                             Männer
  0
           2006             2008            2010                   2012                2014         2016            2018              2020

Statistisches Bundesamt, WSI-GenderDatenPortal 2020

                                                                                                                                                  Grafik B

Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen 2018

Bruttostundenverdienst                                   Gründe für den Verdienstunterschied
in Euro                                                  in Prozent *

                                                                                 2,7                              Bildung und Berufserfahrung
                           Verdienst-
                 4,37
                           unterschied                                                    9,8
                                                                                                                  Beschäftigungsumfang
                                                            29,3                                                  Beruf und Branche

                                                                                                                  Führungs- und Qualifikationsanspruch
  21,70
                                                                                                                  Sonstige Faktoren
                 17,33                                                                           30,7
                                                                                                                  unerklärter Rest
                                                            6,2

                                                                          21,1
Männer          Frauen
                                                         * R undungsbedingt weicht die Summe der Prozentzahlen von 100 ab.

Statistisches Bundesamt 2020

      Der Gender Pay Gap (geschlechtsbezogene Einkommenslücke) beschreibt
      den Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen
      von Frauen und Männern. Er wird in Prozent angegeben. Er ist ein kom-
      plexer Maßstab für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Ge-
      sellschaft. Für den Gender Pay Gap sind zahlreiche Faktoren verantwort-                                      A2     a] Werte die Grafik M2a aus und beschreibe,
      lich, zum Beispiel, dass Frauen häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten,                                    wie sich der Verdienstunterschied zwischen ­Frauen
      oft in Berufen arbeiten, die geringer entlohnt werden, öfter und länger                                      und Männern von 2006 bis 2020 entwickelt hat.
      in Elternzeit gehen und seltener Vorgesetzte sind. Allerdings bleibt auch                                    Setze die Aussage der Grafik in Beziehung zur
      beim Vergleich der Löhne von Frauen und Männern mit gleichen Merkma-                                         Karikatur M1.
      len (z. B. gleiche Ausbildung, gleiche Berufserfahrung, gleiche Arbeits-                                     b] Werte die Grafik M2b aus. Erkläre in deinen
      zeit usw.) ein Unterschied in der durchschnittlichen Bezahlung bestehen                                      eigenen Worten, was mit dem Begriff „Gender Pay
      („unerklärter Rest“).                                                                                        Gap“ gemeint ist.

Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                                                                            Seite 2
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 M3

                                                                                                                  A3 a] Interpretiere die
                                                                                                                 ­K arikatur M3.
                                                                                                                  b] Überlege, was die Frau
                                                                                                                  in der Karikatur antworten
                                                                                                                  könnte. Male eine Sprech-
                                                                                                                  blase in die Karikatur und
                                                                                                                  schreibe die Antwort hinein.

Thomas Plaßmann

 M4

Geschlechterbilder prägen Berufswahl                       Weiblich waren 2019 von den Azubis bei den …

                           Kraftfahrzeug-                                                medizinischen      zahnmedizinischen
     Elektronikern                           Industriemechanikern    Bürokaufleuten
                           mechatronikern                                               Fachangestellten     Fachangestellten

        2,3%                   4,0%                 6,3%                72,4%               97,3%                97,7%

Statistisches Bundesamt, Februar 2021

                                                                       A4    a] Beschreibe die Grafik M4. Erläutere
                                                                       den Titel der Grafik „Geschlechterbilder prägen
                                                                       Berufswahl“.
                                                                       b] Führt eine Umfrage innerhalb eurer Klasse durch:
                                                                       Welche Berufswünsche habt ihr und eure Mit-
                                                                       schüler und Mitschülerinnen? Gibt es Vorlieben der
                                                                       Mädchen und der Jungen?

Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                                                  Seite 3
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      M5       In Frauenberufen wird weniger bezahlt                      M6 	Wer leistet unbezahlte Arbeit?

1  Die Schere in der Bezahlung von „typischen Frau­                    1  […] Eine neue Studie […] zeigt, dass an den Werk­
   enberufen“ im Vergleich mit „typischen Männer­                         tagen Männer und Frauen, die in Paarbeziehungen
   berufen“ geht weiter auseinander. Das ergab eine                       sind, mit um die 11 Stunden pro Tag ungefähr gleich
   Studie der Universität Duisburg-Essen und der ge­                      viel Zeit für Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und
 5 werkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.                              5 Hausarbeit aufbringen. Dabei verbringen Männer
      Während Technik- und IT-Beschäftigte pro Stun­                      und Frauen statistisch gesehen diese Zeit sehr unter­
   de knapp zwischen 26 und 28 Euro verdienen, erhiel­                    schiedlich: Männer verbringen mehr als 8 Stunden
   ten Altenpflegerinnen im Schnitt 14,42 Euro. Laut                      mit Erwerbstätigkeit, Frauen dagegen wenig mehr als
   Studie sind aber die Anforderungen und Belastungen                     5 Stunden. Frauen dagegen verbringen knapp 6 Stun­
10 zwischen diesen Berufen gleich.* In der Studie wer­                 10 den mit Kinderbetreuung, Waschen, Kochen, Put­
   den bei dem Vergleich der Berufsgruppen nicht nur                      zen und Besorgungen, wogegen Männer nur knapp
   fachliche Kompetenzen berücksichtigt, sondern auch                     3 Stunden dafür aufbringen. Dies klingt erst einmal
   die persönliche und soziale Verantwortung für andere                   fair, denn beide Partner scheinen sich bezahlte und
   Menschen. „Auch psychisch-soziale Arbeitsanforde­                      unbezahlte Arbeit zu ungefähr gleicher Zeit an Werk­
15 rungen sind in die Bewertung mit eingeflossen“, er­                 15 tagen zu teilen.
   klärte Sarah Lillemeier vom Institut der Arbeit und                        Ganz anders sieht das Bild dafür an Sonntagen
   Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen.                    aus: Frauen verbringen fast 6 Stunden für all diese be­
      „Wir können […] erstmals statistisch nachweisen,                    zahlten und unbezahlten Tätigkeiten, Männer dage­
   dass weibliche Erwerbsarbeit von systematischer Ab­                    gen nur wenig mehr als 4 Stunden. In anderen Wor­
20 wertung betroffen ist.“ Auch bei Grundschullehre­                   20 ten: Während Männer sich an arbeitsfreien Tagen
   rinnen und Erzieherinnen sei die Anforderung und                       mehr Freizeit gönnen, sind noch immer ihre Partne­
   Belastung genauso hoch wie zum Beispiel bei den In­                    rinnen für den größten Teil der Kindererziehung und
   genieuren, die aber deutlich höhere Gehälter bezie­                    vor allem der Hausarbeit verantwortlich. (Aber im­
   hen. Die einzigen männlich dominierten Berufe, die                     merhin verbringen Männer mehr Zeit mit Reparatu­
25 verglichen mit gleichwertigen Frauenberufen gerin­                  25 ren und Gartenarbeit, also meist Tätigkeiten, die zeit­
   ger entlohnt würden, sind laut Studie Kraftfahrzeug­                   lich flexibler sind.)
   führer sowie Lkw- und Busfahrer.                                           Dies sind alles statistische Durchschnitte über Paa­
                                                                          re hinweg, also auch solche ohne Kinder oder mit äl­
    Frank Polke, In Frauenberufen wird weniger bezahlt, Westfälische      teren Kindern, die weniger Betreuung benötigen. Be­
    Nachrichten, 13.3.2018                                             30 sonders groß werden die Unterschiede in der Zeit, die
                                                                          Mütter und Väter für Kinderbetreuung und Hausar­
                                                                          beit aufbringen, wenn sie Kinder zwischen null und
                                                                          sechs Jahren haben. Denn diese Mütter verbringen
        A5    a] Lest den Text M5 und findet weitere                      knapp 12 Stunden ihrer Zeit an einem Sonntag mit
        Beispiele zu technischen bzw. sozialen Berufen.                35 Kindererziehung und Hausarbeit, die Väter dagegen
        Recherchiert unter www.lohnspiegel.de/html/ge                     lediglich 8 Stunden. Kurzum, Väter kompensieren
        haltscheck.php, wie viel man in diesen Berufen                    an den Wochenenden nur wenig der Zeit, die sie an
        durchschnittlich verdient.                                        den Werktagen weniger für Kinder und Haushalt auf­
        b] Häufig hört man, dass die Lohnlücke vor allem                  bringen. Die typische Arbeitsteilung der Wochentage
        daher kommt, dass Frauen die falschen Berufe                   40 setzt sich auch am Wochenende fort.
        wählen. Diskutiere die Frage, ob Frauen selbst                        Ein weiteres ernüchterndes Resultat ist, dass Män­
        schuld sind, wenn sie durchschnittlich weniger                    ner heute im Vergleich zu 1992 nur unwesentlich
        verdienen als Männer. Beziehe dabei auch die                      mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit an
        Grafik M2b mit ein.                                               Werktagen aufbringen. Sie haben also ihre bis dahin
                                                                       45 übliche Zeitaufteilung zwischen Beruf und Familie
                                                                          beibehalten. Dagegen sind es die Frauen, vor allem
                                                                          Mütter, für die sich dramatische Veränderungen erge­
                                                                          ben haben. Denn die Beschäftigungsquote von Frau­
                                                                          en hat sich über diesen Zeitraum von 60 Prozent auf
                                                                       50 80 Prozent erhöht. Somit verbringen Frauen heute
                                                                          deutlich mehr Zeit mit bezahlter Arbeit und weniger
                                                                          Zeit mit Kinderbetreuung und Hausarbeit als noch
                                                                          1992.
    *	Anmerkung der Böckler-Schule-Redaktion:
       Beispielsweise haben das Berufsbild einer                           Fortsetzung S. 5
       Altenpflegerin und das eines Computer-
       technikers ein gleiches Anforderungsni-
       veau in Bezug auf Stress, Arbeitsbelas-
       tung und Verantwortung.

    Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                                       Seite 4
LOHNGLEICHHEIT Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit? - Unterrichtseinheit Sek l - Hans-Böckler-Stiftung
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

   Aber auch wenn deutlich mehr Frauen heute berufs­                      von Zeit und Einkommen zwischen Männern und
55 tätig sind, so arbeiten sie häufig in Teilzeit, um Fami­            80 Frauen hat in den vergangenen drei Jahrzehnten ab­
   lie und Beruf vereinbaren zu können. Und auch wenn                     genommen. Aber dieser Prozess geht sehr langsam
   sich die Ungleichheit in der Zeitaufteilung zwischen                   vonstatten, die Unterschiede bleiben groß und vor al­
   Männern und Frauen in Paarbeziehungen etwas an­                        lem sind es die Frauen, von denen erwartet wird, dass
   geglichen hat, so bleiben die Unterschiede massiv, mit                 sie sich anpassen. Was sie auch tun.
60 vielen Nachteilen für Frauen.                                       85     Sicherlich sind soziale Normen und Werte ein
       Mit einem viel höheren Anteil von unbezahlter                      wichtiger Grund für diese Unterschiede zwischen
   Arbeit und einem geringeren Anteil bezahlter Ar­                       Männern und Frauen. Und diese lassen sich nun ein­
   beit bedeutet dieses Ungleichgewicht, dass Frauen                      mal nur langsam verändern. Aber auch die Politik
   eine schlechtere Altersabsicherung haben und we­                       ist nicht unschuldig, denn sie legt vor allem Frauen
65 niger Vorsorge betreiben können. Die Unterschiede                   90 weiterhin hohe Hürden in den Weg, vom Ehegatten­
   in der Zeitaufteilung zwischen bezahlter und unbe­                     splitting, über ein noch immer nicht ausreichendes
   zahlter Arbeit ist nicht irrelevant, wie manche Kriti­                 Angebot an guter Kinderbetreuung und Familienin­
   ker behaupten, da viele Ehen geschieden werden und                     frastruktur, bis hin zu fehlenden Anreizen für Män­
   es dann vor allem Frauen sind, die eine geringe Absi­                  ner sich stärker in der Kinderbetreuung einzubringen
70 cherung haben, schlechtere Berufschancen und meist                  95 (beispielsweise über mehrere Partnermonate beim El­
   weiterhin den größten Teil der Verantwortung für die                   terngeld für Väter). […]
   Kinder übernehmen. Da ist es nicht überraschend,
   dass Frauen und vor allem Alleinerziehende beson­                        Marcel Fratzscher, Der Internationale Frauentag ist ein Männertag,
   ders stark von Armut betroffen sind und schlechter                       ZEIT Online, 8.3.2019, www.zeit.de/wirtschaft/2019-03/gender-ca-
                                                                            re-gap-frauen-hausarbeit-sonntage-feiertage-studie
75 gegen Risiken im privaten und beruflichen Leben ab­
   gesichert sind.
       Man kann diesen Entwicklungen etwas Positives
   abringen, denn die Ungleichheit in der Verteilung

      M7

     Frauen übernehmen mehr Sorgearbeit
     Auf die Frage, wer in der Coronakrise den größeren Teil der anfallenden Kinderbertreuung übernimmt, sagen…

                       Frauen                                                                              Männer

                                                               ich selbst
                                                            mein/e Partner/in
                                                              beide gleich                                      7%
              27%
                                                                                                 34%

            7%                  66%                                                                                59%

     Quelle: Kohlrausch, Hövermann 2020, in: Böckler Impuls 1/2021

                                                                                A6    Beschreibe anhand von M6 und M7 das Pro-
                                                                                blem der unbezahlten Arbeit. Erkläre, inwieweit
                                                                                Frauen dadurch Nachteile erfahren.

     Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                                                  Seite 5
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

      M8       Girls‘ Day und Boys‘ Day

                                                            IL
                                                    22. APR
                                                       2021

       Das Projekt „Girls‘ Day – Mädchen-Zukunfts­            Das Projekt „Boys’ Day – Jungen-Zukunftstag“
       tag“ soll dazu beitragen, die Berufschancen von        gibt Jungen die Möglichkeit, Berufe kennen­
       Mädchen in zukunftsträchtigen Berufsfeldern,           zulernen, in denen Männer immer noch un­
       in denen sie bisher unterrepräsentiert sind,           terrepräsentiert sind, vor allem Berufe aus dem
       d. h. insbesondere in (informations-)techno­           sozialen, erzieherischen und pflegerischen Be­
       logischen und naturwissenschaftlichen Berei­           reich. Durch jungenspezifische Schnupper­
       chen sowie in handwerklichen Berufen auszu­            praktika, aber auch Workshops, werden neue
       bauen, um ihre Arbeitsmarkt-, Karriere- sowie          Zukunftsoptionen in der Berufs- und Lebens­
       Verdienstchancen zu verbessern. Der Girls‘ Day         planung eröffnet sowie Sozialkompetenzen ge-
       findet einmal jährlich, zumeist im April, als          stärkt. Das Teilprojekt „Neue Wege für Jungs“
       eintägiges Schnupperpraktikum oder Work­               thematisiert auf einer praxisorientierten und
       shop statt.                                            wissenschaftlichen Ebene die Überwindung
                                                              der Barrieren im Berufswahlverhalten von Jun­
                                                              gen, die eng verknüpft sind mit der Reflexion
                                                              der zugrunde liegenden männlichen Rollenvor­
                                                              stellungen. Der Boys‘ Day findet ebenfalls ein­
    Bundesamt für Familie und zivilgesellschaft-              mal jährlich, zumeist im April, als eintägiges
    liche Aufgaben, Girls‘ Day und Boys‘ Day,                 Schnupperpraktikum oder Workshop statt.
    www.bafza.de/aufgaben/girlsday-und-boys-
    day.html (abgerufen am 15.3.2018)

      M9 	Soziale Anerkennung durch Berufs-
               wahl?

1  Selbst wenn ein Beruf ihren Tätigkeitsinteressen ent­
   spricht, neigen viele Jugendliche dazu, ihn bei ihrer
   Berufswahl fallenzulassen, wenn er ihnen nicht ge­
   nügend soziale Anerkennung zu vermitteln scheint.
 5 Darüber hinaus können ungünstige Rahmenbedin­
   gungen während der Ausbildung oder ungünstige
   Arbeitsbedingungen weitere Gründe dafür sein, ei­
   nen als interessant wahrgenommenen Beruf gleich­
   wohl auszuschließen. Das ist das zentrale Ergebnis
10 einer Studie, die im Forschungsprojekt „Bildungso­
   rientierungen“ des Bundesinstituts für Berufsbildung    ehrenberg-bilder / fotolia
   (BIBB) entstand. Die Ergebnisse beruhen auf einer
   schriftlichen Befragung von Schülerinnen und Schü­
   lern neunter und zehnter Klassen allgemeinbildender
15 Schulen in Nordrhein-Westfalen.
       Anlass für die Studie war das Problem vieler jun­
   ger Menschen, am Ende des Jahres ohne Ausbildungs­
   platz dazustehen, obwohl die Zahl der unbesetzt blei­
   benden Ausbildungsplätze von Jahr zu Jahr steigt.
20 Angebote der Berufsorientierung, die auf eine Aus­
   weitung des Berufswahlspektrums zielen, waren bis­
   her nur bedingt erfolgreich. Viele Jugendliche klam­
   mern Berufe mit Besetzungsproblemen einfach aus,
25 zum Beispiel in der Gastronomie und in Teilen des
   Handwerks oder in der Pflege.                           Kzenon / fotolia

    Fortsetzung S. 7

    Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                  Seite 6
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

   Daher fragt die BIBB-Studie weniger danach, was Ju­                    M10 	Was tun?
   gendliche motiviert, einen bestimmten Beruf zu er­
   greifen (sogenannte „Attraktionsfaktoren“). Vielmehr                  Elke Hannack ist stellvertretende
30 interessiert, warum Berufe nicht gewählt werden. Da­                  Bundesvorsitzende des Deutschen
   bei deutet sich an, dass die Nichtwahl von Berufen                    Gewerkschaftsbundes (DGB) und
   offenbar anderen Logiken als die Wahl eines Berufes                   u. a. zuständig für Frauen und
   folgt. Als besonders relevanter Faktor, der den Aus­                  Gleichstellungspolitik – Böckler
   schluss eines Berufs aus dem Feld möglicher Berufs­                   Schule hat mit ihr über den Gen­
35 optionen bewirkt („Aversionsfaktor“), erweist sich                    der Pay Gap gesprochen:
   die Erwartung einer mangelnden sozialen Passung:
   Wenn Jugendliche meinen, in ihrem sozialen Um­                           Böckler Schule: Der Gender
   feld, insbesondere bei ihren Eltern und im Freundes­                     Pay Gap liegt in Deutschland
   kreis, mit einem bestimmten Beruf nicht gut anzu­                        bei 18 Prozent. Das ist im euro-
40 kommen, beziehen sie diesen Beruf nicht mehr in                          päischen Vergleich sehr hoher
   ihre Berufswahl ein – und zwar auch dann, wenn die                       Wert. Was macht Deutschland
                                                                            falsch?                                 Elke Hannack
   Tätigkeiten des Berufes mit ihren eigenen beruflichen
   Interessen übereinstimmen.
       Neben fehlender sozialer Passung und als ungünstig                   Elke Hannack: Es wird immer noch zu wenig getan,
45 wahrgenommenen Rahmenbedingungen während der                             um die Lohnlücke zu schließen. Im Jahr 2017 wurde
   Ausbildung und Arbeit – darunter Verdienst- und Auf­                     beispielsweise das Entgelttransparenzgesetz vom
   stiegsmöglichkeiten – gibt es noch weitere Gründe da­                    Bundestag verabschiedet – doch schon der Name des
   für, dass Jugendliche Berufe links liegen lassen: wenn                   Gesetzes verrät das Problem: Es geht vorrangig um
                                                                            Transparenz. Ziel einer gesetzlichen Regelung muss
   etwa mit Schwierigkeiten gerechnet wird, einen Aus­
                                                                            aber sein, die Entgeltdiskriminierung in Betrieben
50 bildungsplatz zu finden; oder wenn es an der Sicherheit
                                                                            und Dienststellen sicher zu erkennen und konsequent
   fehlt, wirklich gut einschätzen zu können, was einen in                  zu beseitigen. Wir brauchen also den nächsten
   einem Beruf erwartet. (…)                                                Schritt. Der Gesetzgeber sollte nachbessern und die
                                                                            Unternehmen verpflichten, ihre Entgeltssysteme
  Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB), Warum Berufe nicht ge-      zu überprüfen und wo nötig Abhilfe zu leisten. Nur
  wählt werden, Pressemitteilung vom 26.03.2021, www.bibb.de                so schaffen wir es, die Lohnlücke auf betrieblicher
                                                                            Ebene tatsächlich zu verringern.

                                                                            Welche Maßnahmen sind aktuell am wichtigsten, um
                                                                            die Lohnlücke zu beseitigen?

                                                                            Frauendominierte Berufe gehören einfach besser
                                                                            bezahlt. Diese Tätigkeiten werden immer noch nicht
                                                                            genauso geschätzt, wie die von Männern. Kranken-
                                                                            und Altenpflegerinnen, aber auch Erzieherinnen
                                                                            verdienen einen höheren Lohn, als sie derzeit bekom-
                                                                            men. Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt,
                                                                            wie wichtig die Arbeit der vielen Frauen in diesen Be-
                                                                            reichen für eine funktionierende Gesellschaft ist. Es
                                                                            ist höchste Zeit, die „Systemrelevanz“ dieser Berufe
                                                                            endlich anzuerkennen – auch durch Tarifabschlüsse,
                                                                            mit denen die Gewerkschaften und Arbeitgeber gute
                                                                            Löhne für die Beschäftigten aushandeln. Auch hier
                                                                            ist der Gesetzgeber gefordert, indem er es ermög-
                                                                            licht, dass Tarifverträge für alle Beschäftigten einer
                                                                            Branche gelten können. Tarifverträge regeln weit
                                                                            mehr als die Bezahlung. Damit können auch die Ar-
                                                                            beitsbedingungen dieser Berufe verbessert werden.
                                                                            Mehr Personal und eine bessere Bezahlung – dann
      A7 a] Beschreibe die Projekte Girls‘ und Boys‘                        wären wir auch in puncto Lohnlücke einen Schritt
      Day und nenne Gründe, warum die Projekte durch-                       weiter.
      geführt werden. Welche Erfahrungen hast du da-
      mit selbst vielleicht schon einmal gemacht?
      b] Erkläre, was laut des Textes M9 die Gründe                      Fortsetzung S. 8
      sind, warum Jugendliche bestimmte Berufe nicht
      wählen. Greife dazu auch auf eure Ergebnisse aus
      M4 und A4b zurück. Diskutiert gemeinsam, was
      dazu beitragen könnte, diesen Zustand zu ändern.

  Hans-Böckler-Stiftung · boeckler-schule.de                                                                                         Seite 7
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

   Bisher hat es mit der besseren Aufteilung der unbe-
   zahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern kaum                                    A8 a] Erläutert (arbeitsteilig) die in M10 genann-
   funktioniert. Die Erfahrungen in der Corona-Krise                                  ten Maßnahmen und Forderungen, die ergriffen
   zeigen, dass sich Ungleichheiten sogar verfestigt                                  werden können, um die Lohnlücke zu schließen.
   haben. Was muss passieren?                                                         Wählt zwei Forderungen bzw. Maßnahmen aus,
                                                                                      die ihr als besonders dringlich erachtet. Begründet
                                                                                      eure Auswahl.
   Wir können den Familien natürlich nicht vorschrei-                                 b] Stellt euch vor, ihr seid 10 bis 20 Jahre älter als
   ben, wie sie ihren Alltag organisieren sollen. Aber die
                                                                                      jetzt und habt Kinder. Wie sollte eurer Meinung
   Politik kann Anreize setzen, damit Männer zu Hause
   mehr mit anpacken. Die sogenannte Sorgearbeit, also                                nach die Arbeitsteilung innerhalb der Familie
   Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen und die                                (bezahlte und unbezahlte Arbeit) aussehen?
   Arbeit im Haushalt müssen besser zwischen Müttern
   und Vätern aufgeteilt werden. Deshalb brauchen wir
   auch bessere Möglichkeiten für Beschäftigte, ihre
   Arbeitszeiten mitzubestimmen. Auch ein Recht auf
   Homeoffice kann dazu beitragen, Beruf und familiäre
   Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen. Richti-
   gerweise wird viel über die Folgen der Pandemie für
   Kinder und Jugendliche diskutiert. Genauso im Blick
   müssen wir aber die Situation der Mütter haben:
   Wie stemmen sie die plötzliche Mehrbelastung durch
   Homeschooling, Kinderbetreuung und zusätzliche
   Hausarbeit, die mit der Schließung von Kitas und
   Schulen einhergeht? Denn meist sind es die Mütter,
   die diese Aufgaben erledigen. Wir müssen ganz deut-
   lich machen: Die Pandemie ist Ausnahmezustand.
   Das Ziel einer eigenständigen Existenzsicherung für
   Frauen und Männer und einer gleichberechtigten
   Verteilung der Sorgearbeit auf beide Geschlechter
   wird konsequent weiter verfolgt! Passiert dies nicht,
   droht ein gleichstellungspolitischer Rollback. Frauen
   gehen dann wieder weniger einer Erwerbsarbeit
   nach – mit langfristigen Folgen für ihren Verdienst,
   ihre Aufstiegschancen und für ihre Rente.

Stand: 15.03.2021

                     ERKLÄRUNGEN

                     Lohn oder Gehalt ist das durch einen     Arbeitgebervereinigungen ausgehan-        zwischen der Entlohnung der Frauen
                     Arbeitsvertrag festgelegte Geld, das     delt wird, die Höhe des Entgelts.         und der Entlohnung der Männer. Der
                     Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-         Vom Bruttolohn werden die Steuern         Begriff kommt aus dem Englischen:
                     mer regelmäßig für die Ausübung ih-      (Lohnsteuer und Kirchensteuer) und        Gender = Geschlecht; Pay = Bezah-
                     rer Tätigkeiten vom Arbeitgeber oder     die Beiträge für die Sozialversiche-      lung; Gap = Lücke. Der englische Be-
                     der Arbeitgeberin bekommen. Man          rung (Kranken-, Renten-, Pflege- und      griff „gender“ bezeichnet anders als
                     spricht auch von Entgelt. In sehr vie-   Arbeitslosenversicherung) abgezo-         das Wort „sex“ das soziale oder kul-
                     len Branchen regelt ein Tarifvertrag,    gen. Übrig bleibt der Nettolohn.          turelle, also das von der Gesellschaft
                     der von den Gewerkschaften und den       Der Gender Pay Gap ist der Abstand        geformte Geschlecht.
Unterrichtseinheit · LOHNGLEICHHEIT

Didaktisch-methodischer Kommentar
Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit?

Mädchen und junge Frauen sind heute in der Regel erfolgreicher in der Schule als Jungen und junge
Männer. Auch ist ihnen Erwerbstätigkeit in der Lebensplanung mittlerweile genauso wichtig wie jungen
Männern. Dass Frauen in der Arbeitswelt benachteiligt sind und im Schnitt 19 Prozent weniger Lohn
als Männer bekommen, ist für Schülerinnen und Schüler daher nur schwer verständlich. Nicht zuletzt
zieht ein geringerer Verdienst auch weitere Konsequenzen nach sich, z.B. für die Entscheidung, wer in
der Familie Arbeitszeit reduziert, wenn Kinder da sind, oder für die spätere Rentenhöhe. Wie kommt
es zu einer Lohnlücke von aktuell 19 Prozent? Sind Frauen möglicherweise selbst daran schuld, weil
sie die falschen Berufe ergreifen oder sich häufig zu einer Teilzeitbeschäftigung entschließen? Was
kann man unternehmen, damit sich die Lohnlücke schließt? Diese Fragen sollen im Laufe der Unter-
richtseinheit beantwortet werden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern – auch in der Arbeits-
welt – ist darüber hinaus ein Standardthema der politischen Bildung und wird in nahezu allen Lehr-
plänen der Sekundarstufe I gefordert.

• Die Karikatur „Der kleine Unterschied“ M1 dient als Einstieg in die Thematik.

• D
   ie Materialien M2 bzw. auf S. 2 erklären den Begriff „Gender Pay Gap“ und veranschaulichen auf
  Basis aktueller Studien, was mit ihm gemeint ist.

• Die Karikatur M3 problematisiert die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Bezahlung.

• In M4 bis M6 werden ausgewählte Gründe der Lohnlücke näher erläutert: M4 thematisiert die
   unterschiedliche Berufswahl von jungen Frauen und Männern, M5 die unterschiedliche Bezahlung
   in „typischen Frauen- bzw. typischen Männerberufen“.

• M
   6 gehen dem Phänomen nach, dass Frauen mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer und
  welche Konsequenzen dies für die Situation von Frauen hat. Inwiefern die aktuelle Coronakrise zu
  einer Verfestigung dieser Rollen beiträgt wird anhand von M7 thematisiert.

• D
   ie in M8 dargestellte Girls‘ bzw. Boys‘ Days dienen als Beispiele für Aktionen gegen die Lohnlücke
  (vgl. dazu M4 und M5). Sofern die Lernenden bereits an einem dieser Aktionstage teilgenommen
  haben, kann damit an ihre unmittelbare Erfahrungswelt angeknüpft werden. Ihre eigenen Berufs­
  präferenzen und deren Hintergründe können die Lernenden anhand von M9 und A7b reflektieren.

• D
   as Interview mit Elke Hannack in M10 zeigt einige Maßnahmen auf, wie der Lohnlücke entgegen-
  gewirkt werden kann. Anhand von A8b können die Lernenden darüber diskutieren, wie sie sich ihre
  eigene Lebensplanung in Bezug auf ihre Berufswahl und deren Auswirkungen auf Verdienst und
  evtl. Familienzeit vorstellen.

www.boeckler-schule.de
Herausgeberin: Hans-Böckler-Stiftung, Georg-Glock-Str. 18, 40474 Düsseldorf
Kontakt: Anke Thiel, Tel. 0211-7778-151, Anke-Thiel@boeckler.de
Autorin: Anke Thiel; Stand 3/2021
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