MARTIN WALDE Der Duft der verblühenden Alpenrose 2002 2010
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MARTIN WALDE Der Duft der verblühenden Alpenrose 2002 – 2010 Weiße Styroporplatten sind in der Mitte des Raumes ausgelegt. Rund um ist noch Platz zur Wand um diese Fläche zu umgehen. Auf der Styroporfläche sind Glasobjekte verteilt. Sie sind mit ein wenig rötlicher Flüssigkeit gefüllt. Betrachtet man die Glasobjekte genauer sieht man Firmenlabels wie Duran, Schott und Skalierungen, die in die Länge gezogen, gestaucht und verzerrt sind. Die rötliche Flüssigkeit ist innerhalb der verzerrten Skalierungen sichtbar. Es wird jedoch deutlich, dass die ursprüngliche Funktion der Glasgefäße verändert wurde. Das präzises „Messen und Ablesen“ ist nicht mehr möglich. Um diese Skalenverzerrungen zu erreichen mussten diese Normgefäße aus Borosilikatglas nach präzisen Vorstellungen, durch Einwirkung von Hitze deformiert werden. Dann wurden sie befüllt und verschlossen (verschmolzen). Die Glasgefäße sind/waren Industrie- bzw. Chemiegläser (Scheidetrichter nach Squibb, Erlenmeyerkolben, Kjedahl-Kolben, Enghalskolben ect.), wie sie weltweit als Standards von den Firmen Schott und Duran erzeugt und vertrieben werden und zum Industriellen Gebrauch individuell je nach Funktion miteinander kombiniert werden. Die rötliche Flüssigkeit ist reines ätherisches Öl, das dem Duft der verblühenden Alpenrose mittels Spektralanalyse „nachgebaut“ wurde. Die Entstehung dieser Essenz wurde durch eine Erinnerung in Gang gesetzt…
Die Beziehung meines Großvaters zu Düften wurde von mir als obsessiv erlebt, die mit verschiedensten Anekdoten belegt ist. Er bewahrte in Holzboxen verschiedene Düfte in Form von getrockneten Blumen, Blütenblätter oder Rinden. Diese Attitüde war auch beruflich bedingt. Bestimmte Essenzen ließ er in Zusammenarbeit mit professionellen Parfumeuren herstellen. Der Duft von verblühten Alpenrosen war seine favorisierte Note. Tatsächlich wurde diese entweder nie in Auftrag gegeben oder konnte nie zu seiner Zufriedenheit hergestellt werden. Mir ist keine vorhergehende Realisierung bekannt. Im Jahr 2000 begann ich in Zusammenarbeit mit einem Parfumeur das ätherische Öl der „ Duft der verblühenden Alpenrose“ zu verwirklichen.
Die Installation in der Villa Arson 2002, Städtische Galerie Nordhorn 2003 In beiden Ausstellungshäuser waren verschiedene „Versuchsinstallationen“ zu sehen. Die Installation in der Villa Arson hat Ähnlichkeit mit der Präsentation in der Galerie Krinzinger: Anstatt der deformierten und versiegelten Chemiegefäße wird der Duft aber in eine einfache 1l Petflasche gefüllt und kann geöffnet und damit als Geruch wahrgenommen werden. Die Flasche liegt auf einer Styroporfläche, die in dieser Installation die gesamte Bodenfläche bedeckt. In der Städtischen Galerie Nordhorn 2003 wurden über hundert verschiedene transparente Flaschen aus Glas oder Kunststoff mit einer rötlichen Flüssigkeit befüllt. Sie stehen ohne sichtbare Ordnung innerhalb einer kreisförmig ausgeleucheten Fläche im ansonsten dunklen Raum. Nur in einer einzigen Flasche befindet sich der Duft. Das Auge kann nicht feststellen in welcher Flasche sich der Duft befindet.
Ein grün rotes Ampelsignal verweist am Eingang ob der Raum frei oder besetzt ist. Betritt man den Raum, beginnt eine weibliche Stimme aus dem Off (Tonbandaufnahme) zu sprechen. Sie erzählt vom Duft der verblühenden Alpenrose, der im Raum in einer der Flaschen zu finden ist. Sie verweist den Besucher auf die Einzigartigkeit dieses Augenblicks, eine der Flaschen auszuwählen und daran zu riechen. Diese „Geschichte“, die ja kein striktes Regelment bedeutet, wird vom Publikum verschieden interpretiert. Manche Besucher versuchen über Stunden die richtige Flasche zu finden. Andere halten sich an den Vorschlag der Stimme und belassen es beim einmaligen Versuch. Die Flaschen werden zumeist nicht dorthin zurückgestellt von wo sie aufgenommen werden. Dadurch kommt es zu einer ständigen Vermischung, in der eine systematische Suche unmöglich gemacht wird. Während der Ausstellungsdauer in der Städtischen Galerie Nordhorn kursierten verschiedenste Gerüchte. Zum einen wurde ich mehrmals gefragt, ob denn der Duft überhaupt unter den Flaschen sei. Zum anderen wurde behauptet die Flasche sei gestohlen worden. Tatsächlich war die Flasche mit dem Duft während der ganzen Ausstellungsdauer Teil der Installation. Details dieser Installation können und müssen jeweils an die Bedingungen vor Ort angepasst werden. Der „Duft der verblühenden Alpenrose“ war zwischen 2002 und 2010 in verschiedener Form von mir vorgeschlagen worden. Diese Vorgangsweise, die Art der Kommunikation zu verändern, die Grundstruktur aber beizubehalten spielt in einigen meiner Arbeiten eine zentrale Rolle (siehe z.B.: The Key 1997 – 2010, The Teaset 1996 – 2010). Die verschiedenen Installationszustände, die zwischen 2001 und 2010 verwirklicht wurden, folgen einer Art Storyboard, in dem die wesentlichen Elemente vordefiniert sind. So sieht das Storyboard vor den „Duft der verblühenden Alpenrose“ in Glas zu verschließen. Nur das Wann/ Wie und Wo bleibt offen – genauso unklar ist ob all die Vorstellungen eingelöst werden wollen und können. Die Anordnung in der Städtischen Galerie Nordhorn ist eine performative Plattform, die die Besucher in direkter Weise einbindet.
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