Dokumentation Christoph Eisenring
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Christoph Eisenring * 22.10.1983, Frauenfeld Lebt in Winterthur, arbeitet in Winterthur und Flurlingen Ausbildung Gruppenausstellungen · Master of Fine Arts, HGK FHNW Basel, 2011 – 2013 2018: · „alle*“, Galerie Wenger, Zürich · Bachelor of Fine Arts, HKB BFH, 2005 – 2008 2017: · „Auf Papier“, Kunstmuseum Winterthur · Gestalterischer Vorkurs, HGKZ (ZHdK), 2004 – 2005 2016: · „prière de toucher“, Museum Tinguely, Basel · „Werkschau 2016“, kantonale Werkbeiträge, Haus Konstruktiv, Zürich · Jubiläumsausstellung Künstlergruppe Winterthur, Sulzerareal Winterthur · „Catch of the Year 16“, Dienstgebäude, Zürich 2015: · „alle*“, Galerie Wenger, Zürich · „Dezemberausstellung Überblick“, Kunstmuseum Winterthur · „the Given and the Maid“, Regionale 16, Kunstverein Freiburg · „Kosmodrom“, Regionale 16, CEAAC Strasbourg · „Catch of the Year 15“, Dienstgebäude, Zürich 2014: · „Void. Retreat. Here“, Regionale 15, Kunsthaus L6, Freiburg i.B. · „Dezemberausstellung Focus“, Kunstmuseum Winterthur · „minimale 2“, alpineum Produzentengalerie, Luzern · „Werkschau 2014“, kantonale Werkbeiträge, Kunstschule F+F, Zürich Einzelausstellungen · 30 Jahre Galerie Gisèle Linder, Basel 2018: · „Konkretes Feld“, o.T. Raum für aktuelle Kunst, Luzern · „Here and Now“, Friction; Perla-Mode, Zürich 2018: · „Gleichzeitiger Raum“, Galerie Gisèle Linder, Basel 2013: · „Catch of the Year 13“, Dienstgebäude, Zürich 2018: · „Vereinzelte Ähnlichkeiten“, Galerie Wenger, Zürich · Regionale 14, Kunstraum Riehen 2017: · „Skeptischer Raum“, Manor Kunstpreis 2017, Kunstmuseum Winterthur · Dezemberausstellung, Kunsthalle Winterthur 2016: · „ÜBER GEGENÜBER“, Galerie Gisèle Linder, Basel · Masterdiplomausstellung Kunsthalle Basel 2015: · „Flankierende Massnahmen“, Galerie Wenger, Zürich 2011: · Dezemberausstellung, Oxyd Kunsträume, Winterthur 2014: · Galerie Gisèle Linder mit Luo Mingjun, Basel 2010: · „Olten“, Gruppenausstellung, Bern 2013: · Lokal-int. mit Martin Volmer, Biel 2008: · „Faire et defaire“, Bachelorausstellung, Galerie Krethlow, Bern 2012: · „Podium 7“, mit Simone Monstein, Oxyd Kunsträume, Winterthur 2007: · „Clins d‘oeil“, Neue Galerie, Bern
Messen 2019: · Art Genève mit Galerie Gisèle Linder 2018: · Art Basel mit Galerie Gisèle Linder 2018: · Art Paris mit Galerie Wenger 2018: · Art Genève mit Galerie Gisèle Linder 2017: · Art Basel mit Galerie Gisèle Linder 2017: · Art Genève mit Galerie Gisèle Linder 2016: · Art Basel mit Galerie Gisèle Linder 2016: · Drawing Now Paris mit Galerie Wenger 2016: · Art Genève mit Galerie Gisèle Linder 2015: · Kunst Zürich mit Galerie Wenger 2015: · Art Basel mit Galerie Gisèle Linder 2015: · Art Genève mit Galerie Gisèle Linder Auszeichnungen und Ankäufe · Förderbeitrag UBS Kulturstiftung 2018 · Manor Kunstpreis Kanton Zürich 2017 · Förderpreis 2015 der Stadt Winterthur · Reisestipendium 2014 des Kunstvereins Winterthur · Projektbeitrag der Stiftung Erna und Curt Burgauer · Projektbeitrag der Stadt Winterthur · Ankauf Sammlung Zürcher Kantonalbank · Ankauf Sammlung Toni Gerber, Sammlung Kunstmuseums Luzern · Ankauf kantonale Kulturförderungskommission Zürich · Ankauf Kunstkomission Stadt Winterthur · Ankauf Sammlung Kunstmuseum Winterthur Publikationen · „Skeptischer Raum“, Künstlerbuch, 160 Seiten, every edition, 2017 · „Prière de toucher“, Katalog, Museum Tinguely, 2017 · „Wir wollen dich kennenlernen“, Interviews, Friction, 2016 · „Flankierende Massnahmen“, Katalog, Galerie Wenger, 2015 · „Dezemberausstellung Focus“, Katalog, Kunstmuseum Winterthur, 2014 · „Here and Now“, Katalog, Friction; Perla-Mode, 2014
Die lackierten Scheibchen und Kugeln sind in einem exakten Raster mit einem Abstand von je 40cm zu- einander platziert. Sie bedecken die gesamte Bodenfläche.
Die Begehung des „konkreten Felds“ und die damit verbundene Bewegung des eigenen Körpers sind zentraler Bestandteil für seine Erschliessung.
Detail Ohne Titel, 2018 Lambda C-Print, gerahmt 56cm x 39cm
Stirn, 2017 Gipsabguss 9.5cm x 9cm
Two Tubes, 2017 Gipsabguss 2.5cm x 10cm x 7cm
Der Tonabdruck (Silikon-Negativ) wird in feuchtem Zustand an die Wand genagelt. Thumbnail, 2017 Modellierton, Stahlstift 4cm x 1.5cm
Knäuel, 2017 Gipsabguss (Verlorenen Form) 10cm x 10cm x 10cm
Detail Spur, 2017 Lambda C-Print, gerahmt 200cm x 86cm
„Gleichzeitiger Raum“ Galerie Gisèle Linder, Basel, 2018
Gleichzeitiger Raum, 2018 Sanduhren, Sand auf Schaufensterscheiben Grösse variabel
Die auf dem Boden stehenden Sand- uhren sind allesamt zerschlagen. Ihr Inhalt, welcher einst da war Zeit visuell sichtbar zu machen, ist vollständig entleert.
Der Inhalt der Sanduhren ist auf die Innenseite der Galerie-Schaufenster appliziert. Er macht das Ursprungsma- terial von Glas sichtbar und nimmt ihm gleichzeitig seine Funktion.
„Skeptischer Raum“ Manor Kunstpreis 2017 Kunstmuseum Winterthur
Die Ausstellung „Skeptischer Raum“ im Kunstmuseum Winterthur besteht aus einer installativen Arbeit. Das Hauptelement der Arbeit befindet sich im zentral gelegenen Saal, in welchem normaler- weise die Bilder der Impressionisten gezeigt werden. Dieser Raum ist während der Ausstellung erst nach den üblichen Öffnungszeiten mit Abschluss der Dämmerung zugänglich – das restliche Muse- um bleibt dann geschlossen. Der sogenannte Nacht-Raum liegt in fast vollständiger Dunkelheit und wird nur durch Restlicht, welches durch sein Oberlicht eindringt, schwach erhellt. 2 Es ist nicht möglich das Innere des Nacht-Raums abzubilden, da es an der äussersten Grenze des Sichtbaren liegt. So müssen sich auch die Augen seiner Besucher als erstes an die Dunkelheit gewöhnen, bevor sie eine visuelle Wahrnehmung machen können. Nach dieser Anpassungszeit ist zu erkennen, dass die ebenen Wände des Raums aus einer schwarz-weissen Musterung bestehen. 3 * Dabei bilden die gegensätzlichen Elemente der Musterung die Eckpfeiler des noch Sichtbaren. In 1 der prekären Lichtsituation der Nacht drohen diese Elemente aber mit jeder Bewegung des eigenen Körpers ständig ineinander zu fallen. Im schmalen sichtbaren Bereich kommt es unerwartet zu einer Überfülle an Eindrücken. Ein Gefühl der Unüberblickbarkeit stellt sich ein, welches sich in 4 einem einnehmenden Rauschen zeigt. Der Raum verliert seine klaren Konturen und wirkt komplett durchlässig. Die Ausstellung am Tag Während den normalen Öffnungszeiten des Museums ist der Nacht-Raum geschlossen. Die Be- sucher werden an ihm vorbeigeleitet. Somit öffnen sich Räume, die normalerweise den Museums- besuchern nicht zugänglich sind. Um den Nacht-Raum liegen ein privates Sitzungszimmer (1), das Büro des Technikers (ein ehemaliges Graphikkabinett) (2), ein Saal der Sammlung (3), sowie der vorgelagerte Parkplatz mit der Aussenfassade des Museums. In diesen Räumen, an den Aussen- wänden des Impressionisten-Saals, gibt es perspektivische Markierungen. Es sind eigentliche visuelle Klammern, die von den Besuchern als Hinweise auf den tagsüber unzugänglichen Nacht- Raum wahrgenommen werden können. Auch die Publikation, die zur Ausstellung erscheint gehört zu deren Rahmenerzählung. 1) Sitzungszimmer 2) Büro des Technikers / ehemaliges Graphikkabinett 3) Sammlungssaal 4) Aussenfassade mit Parkplatz *) Impressionisten-Saal / Nacht-Raum
Skeptischer Raum, 2017 Markierung im Sitzungszimmer Filzband auf Wand 450cm x 500cm x 350cm
Skeptischer Raum, 2017 Markierung im Graphikkabinett Linoldruck je 54.5cm x 42cm
Skeptischer Raum, 2017 Markierung im Sammlungssaal Faden auf Wand 450cm x 1500cm
Skeptischer Raum, 2017 Markierung an der Aussenfassade Klebefolie auf Fassade 550cm x 2000cm
Publikation zur Ausstellung mit Texten von Roman Kurz- meyer, Dieter Schwarz, Simona Ciuccio, Christoph Eisenring, 160 Seiten, Auflage: 300 Exemplare, everyedition Zürich. Jedes Buch ist mit 70 handgebohrten Löchern versehen.
„ÜBER GEGENÜBER“ Galerie Gisèle Linder, Basel, 2016
Semperit, 2016 Gipsabguss 57cm x 59cm x 21cm
O‘Eye, 2016 Lambda C-Print, gerahmt 46cm x 61cm
Einteiler, 2016 Scherenschnitt, gerahmt 118cm x 335cm
Halter, 2016 Gipsabguss 5,5cm x 5,5cm x 4,5cm
Seite A Seite B Stille Post, 2016 Offsetdruck 22.5cm x 15.8cm
Lot Tor, 2016 Senklote 1000cm x 12cm x 12cm Sulzer Industriehalle, Winterthur
Detail (mitte) Detail (unten) Kreuz und Plus, 2015 Bleistift auf Wand 350cm x 350cm Kunstmuseum Winterthur
frontal seitlich Stift, 2015 Stahlstift, Bleistift auf Wand 4cm x 4cm Kunstmuseum Winterthur
„Flankierende Massnahmen“ Galerie Wenger, Zürich, 2015
Schnee, 2015 Metallglieder, Lackfarbe 20cm x 20cm x 8cm
Detail Ohne Titel, 2015 Lambda C-Print, gerahmt 56cm x 41cm
Band, 2015 Spiegelglas 120cm x 90cm; Stärke 1,5cm
Ein Gruss, 2015 Gips, Spiegelglas 22cm x 14cm
Detail Kammer, 2015 Lambda C-Print, gerahmt 34cm x 46,5cm
Detail (unten) Detail (oben) Einer, 2015 Bleistift auf Wand, Carbonstab 190cm x 84cm
Ohne Titel, 2015 Bleistift auf Papier, (gerahmt) 63,5 x 46,5 cm
Ohne Titel, 2014 Bleistift auf Papier, gerahmt 47,5cm x 38cm
„Here and Now“ Perla-Mode, Langstrasse, Zürich, 2014
Die Arbeit „in and out“ befindet sich während der Dauer der Ausstellung am Kunstraum Perla-Mode an der Zürcher Langstrasse. Die Arbeit ist auch ausserhalb der Öffnungszeiten frei zugänglich. in and out, 2014 Schaufensterglas 216cm x 204cm x 0,6cm; 2 Bohrungen Ø je 2,5cm
Teller, 2014 Lambda C-Print, gerahmt 66cm x 46cm
Detail Horizont, 2014 Lambda C-Print, gerahmt 131cm x 71cm
Spieglein, 2014 Lambda C-Print, gerahmt 41,5cm x 27cm
Voilà, 2014 Bleistift auf Papier, gerahmt 94cm x 67,5cm
„Dezemberausstellung Überblick“ Kunstmuseum Winterthur, 2014
Detail (unten) Detail (Verzweigung) Riss, 2014 schematische Darstellung Schnitt in Museumswand 550cm x 1cm Kunstmuseum Winterthur
Detail Beim Objekt, das in der Mitte des Passe- partout platziert ist, handel es sich um einen Gipsabguss der Brennweite einer Einweg- kamera. Ein Grab für Ra, 2014 Gipsabguss, Passepartout, Kartonschachtel 21cm x 27cm x 2,5cm
Ohne Titel, 2014 Scherenschnitt, gerahmt 85,5cm x 62,5cm
Seite 2,3 Seite 4,5 Seite 6,7 Seite 8,9 Seite 10,11 Seite 12,13 Seite 1,28 Seite 16,17 Seite 18,19 Seite 20,21 Seite 22,23 Seite 24,25 Seite 26,27 Seite 14,15 Staple, 2014 7 Blatt DIN A4, bedruckt, geheftet 21cm x 14,85cm
„Flankierende Massnahmen“ Galerie Wenger, Zürich, 2015
Detail (Wand) Detail (Scheibe) Detail (Kugel) ... 2013 Schwarzes Pigment, Aluminiumscheibe, Holzkugel, Nylonfaden Ø je 6cm
Detail (unten) Detail (oben) Ohne Titel, 2013 Gipsabguss, geöltes MDF 166cm x 40cm x 30cm
Detail Ohne Titel, 2013 Sand, Karton, gerahmt 80cm x 56,5cm
Ohne Titel, 2013 Lackiertes Aluminium 7.6cm x 7.6cm x 0.8cm
„prière de toucher“ Museum Tinguely, Basel, 2016 (Aufbau)
Detail Der Lippenstiftabdruck wird im Handstand auf Kopfhöhe durch den Künstler angebracht. Ohne Titel, 2014 Lippenstift 3cm x 5cm
Texte:
Ausstellung „Konkretes Feld“, o.T. Raum für aktuelle Kunst, Luzern Julia Schallberger, November 2018 Im Türrahmen lehnend, schaue ich in den hellen Raum mit seinen kahlen Wänden: Mein Blick zwischen der Klarheit, der Konkretion der Dinge und der Offenheit, den Möglichkeiten, die ein sogenann- fällt zu Boden, vor meine Füsse und hin zu den Ecken. Dazwischen übersäen weisse Kügel- tes „Feld“ zulassen. Was geschähe, wenn ich ein Kügelchen anstiesse? Würde die künstlerische Ordnung chen und weisse Scheibchen den gesamten graumelierten Boden. Im Spiel mit den weissen gestört? Mein Nachdenken über das Wesen von Kunst wurde ins Rollen gebracht, mein Schauen aktiviert. Akzenten fällt ihm ein ungewöhnlicher Hauch von Schönheit zu. Die fingernagelgrossen Sinnierend verlasse ich das Spielfeld, blicke vom Boden auf und wünsche mir ein paar tanzende Schnee- Tupfen erinnern an eine ausgekippte Ladung provenzalischer Minzbonbons. Oder handelte flocken am Fenster. es sich um einen von Hagelkörnern übersäten Parkplatz? Im nächsten Moment erkenne ich die Ordnung, die dem Ganzen innewohnt: Die weissen Kreise sind keinesfalls willkürlich platziert, sie bezeichnen die Eckpunkte linienloser, aneinander gereihter Quadrate, die sich zu einem regelmässigen Raster fügen. Die zuckrig matt-weissen Kugeln wechseln sich mit flächigen Scheibchen ab. Das beidseitig in den Saal einfallende Tageslicht lässt die Kugeln kleine Schatten werfen. Dadurch werden sie in ihrer Plastizität geschärft und von den flachen Kreisen abgesetzt. Minutiös hat der Künstler jeden einzelnen Punkt gesetzt und befestigt, die Abstände millimetergenau austariert und den Raum damit subtil, doch exakt ausgelotet und vermessen. Die Grössenwahl der weisslackierten Stahlkugeln ist wohl überlegt: die Perlen sollten nicht „schmürzelig“ aber auch nicht zu gross und zu objekthaft wirken. So seien auch die lackierten Stahlscheibchen in demselben Durchmesser ausgestanzt worden, so der Künstler. Ungeachtet der Fragilität der Arbeit werde ich dazu animiert, das Feld zu betreten: vorsichtig setze ich einen Fuss vor den anderen, in die Lücken, zwischen die Tupfen. Nur im Stillstand wage ich den Kopf zu heben. Mit meiner Bewegung ändert sich denn auch meine Perspek- tive: Einmal springen mir die Diagonalen ins Auge, die sich wie Perlenketten in der Ferne verflüchtigen, dann wieder die Quadrate oder das stringente Wechselspiel zwischen den Objekten und den flachen Punkten, die sich in der Ferne zu Ovalen verzerren. Die Idee zu dieser Arbeit sei ihm vor Ort gekommen, erzählt mir Christoph Eisenring. Die Arbeit sei eigens für diesen Raum entstanden. Doch was genau breitet sich da eigentlich vor unseren Augen aus? Ist es eine Installation, ein Bodenbild, ein Relief? Oder ist es eine Art Spielfeld, in dem wir als Figuren unsere eigene Performance vollziehen? Durch unseren Sichtwechsel bringen wir jedenfalls Bewegung in das vermeintlich feste Gefüge. Ich frage mich, ob das Werk auch im Aussenraum funktionieren würde – auf einem Schulhausplatz oder einer Wiese. Sicherlich würde die Arbeit mein Blickfeld durchkreuzen und meine Aufmerksamkeit gewinnen. Doch welche Rolle spielt dabei meine Vorstellung von Kunst, mein Bewusstsein darüber, dass ich mir gerade Kunst anschaue? Prägt meine Wahrnehmung das Sein eines Kunstwerks, gibt sie ihm gar seine Daseinsberechtigung? Was macht ein Kunstwerk zu einem Kunstwerk? Diese vom Künstler mit einem Lächeln als etwas „altmodisch“, von mir als „immerwährend aktuell“ bezeichnete Frage liegt der künstlerischen Praxis von Christoph Eisenring wesentlich zu Grunde. Gestellt werden hiermit Fragen nach der Beschaffenheit und Präsenz, der Definition und der Beziehung von einem Werk und seinem Umraum. Der Titel der gezeigten Arbeit lautet Konkretes Feld. Schnell wische ich den Gedanken an die Zürcher Konkreten beiseite – denn damit hätte die Arbeit nur am Rande zu tun, versichert mir Christoph Eisenring. Viel mehr gehe es ihm um das passgenaue, schnörkellose Wort „konkret“. In der Tat: Das Werk affiziert unsere Sinne und lässt uns ganz elementar über die Physis und Dimension seiner Einzelteile nachdenken; über Bewegung und Starre. Die gewähl- te Nichtfarbe oder besser gesagt das Weiss als Summe aller Farben sorgt dafür, dass wir die Formen nicht mit farblich konnotierter Stimmung aufladen. Vielmehr entsteht eine Spannung
Ausstellung „Gleichzeitiger Raum“, Galerie Gisèle Linder, Basel Simona Ciucco, November 2018 Christoph Eisenring geht in seiner künstlerischen Arbeit stets vom Faktischen aus. Der Künst- ler interessiert sich für die spezifischen Grundbedingungen eines Kunstwerks und untersucht diese auf präzise und vielschichtige Weise. Sein Interesse gilt gleichsam den formalen Elementen eines Bildes wie auch dessen zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Aspekten. Form und Inhalt werden ineinander verschränkt und durch seine Art der Befragung eines Werkes legt er häufig sein Augenmerk auf die Aussenränder, auf die Grenze des Sichtbaren. Eisenring zwingt den Betrachter seinen Blick zu schärfen und schliesst gleichzeitig diesen selbst in seine künstlerische Befragung mit ein. In seiner dritten Ausstellung in der Galerie Gisèle Linder zeigt Eisenring eine Installation mit dem Titel Gleichzeitiger Raum. In Schaufensternähe sind rund 200 zerschlagene Sanduhren rasterförmig positioniert. Den Stundengläsern wurde der Inhalt entfernt. Der fehlende Sand, der einst dafür da war Zeit visuell sichtbar zu machen und diese zu messen – ist stattdessen an die Innenseite des Schaufensters der Galerie appliziert. Diese materielle Verschiebung nimmt beidem ihre natürliche Funktion. Die Uhr ist quasi zum Stehen gekommen und ist nunmehr ein dünnwandiges – rein ästhetisches – Glasobjekt geworden. Die heftige Destruk- tion ist den einzelnen scharfkantigen Elementen zwar unmittelbar anzusehen, dennoch oder vielleicht gerade deshalb wirken die Objekte äusserst fragil. Nähert man sich der Galerie von der Strasse herkommend, so hemmen die beschichteten Schaufenster den Weitblick ins Innere der Galerie. Man bleibt stattdessen mit dem Blick an der Oberfläche haften. Die Glasscheiben wirken als Grenzlinie zwischen Aussen und Innen. Der Raum und seine Grenzen werden akzentuiert, der Grundriss der Ausstellungsfläche wird im Rauminnern „gezeichnet“. Zudem verweist das mit Quarzsand beschichtete Glas auf seine eigene Materialität – das Ausgangsmaterial der Fensterscheiben wird enthüllt. Die Aufdop- pelung des Rohstoffes bewirkt zudem, dass das Licht an der rauen Oberfläche bricht und den Raum in ein samtig weiches Licht tauchen lässt. Dies vermag die Betrachterin in einen schwerelosen und diffusen Zustand zu versetzen, der manche als zeitlos formulieren würden. Auf der Terrasse der Galerie ist ferner eine Fotografie einer Sanduhr zu sehen, wobei das Motiv auf den Kopf gestellt ist. Es scheint just der Moment eingefroren, in dem die Sanduhr umgedreht wurde, und die Zeit zu messen beginnt. Der Betrachter ist versucht, gedanklich den dynamischen Prozess, der von der Gravitation in Gang gesetzt wird weiterzudenken oder aber er begreift das gezeigte Bild als ein Objekt mit den ihm eigenen Gesetzmässigkeiten. Gleichzeitiger Raum ist eine vielschichtige visuelle Befragung von Form, Funktion, Zeit und Raum. Die Arbeit ist wie oft in Eisenrings künstlerischer Praxis radikal angelegt. Scheinbare Gegensätze werden miteinander verschränkt und treten als gleichzeitige Phänomene auf. Eisenring lässt im Werk immer das „sowohl als auch“ gelten. Diese paradoxen Eigenschaften lassen visuell und intellektuell einen anspruchsvollen und reizvollen Diskurs entstehen, der über den Raum hinausgetragen werden kann.
Ausstellung „Skeptischer Raum“, Kunstmuseum Winterthur (Auszug aus der Publikation) Dieter Schwarz, September 2017 Was ist ein Werk, ein Kunstwerk, und wie lässt sich dieses überhaupt definieren? Dieser Eisenring verbleibt im Reich des Sichtbaren und geht darin an den Punkt, wo die Unterschiede flüchtig fundamentalen Frage geht Christoph Eisenring auf seine Weise nach. Eisenring erhebt weder werden, an den Ort des beinahe Unterscheidbaren, an das noch nicht oder nicht mehr Unterschiedene. den Anspruch, die Frage wörtlich zu formulieren, noch eine Antwort darauf zu geben, er Dafür benötigt er nicht das weite Spektrum all dessen, was unterscheidbar ist, es genügt ihm die einfachst definiert Punkte, um die Frage einzukreisen. Diese Punkte sind keine diskursiven Einheiten, es mögliche Differenz, der Anfangspunkt, an dem etwas geteilt wird, der Ausgangspunkt, wo sich die Wege sind Punkte in der Realität, die er hervorbringt, zu identifizieren sucht und sie dabei notwendi- teilen. Und erneut ist es nicht der Ursprung, den Eisenring anpeilt und an dem er das Werk vermuten würde. gerweise auflöst. Er bewegt sich innerhalb eines Paradoxon, und dies ist ihm bewusst. Seine Vielleicht liegt dieses auf einer feinen Linie, von der man stets wieder abkommt. Deshalb das Beinahe, das Arbeit könnte eine reine Denkübung sein, ein abstraktes Exerzitium, doch Eisenring ist ein fast Da und das fast Dort, ohne dass man am einen oder anderen Ort ankommen würde. Er zeigt auf etwas Künstler, er sucht sich also einen Gegenstand, an dem er das Paradox auszuhalten hat. Es ist und zeigt zugleich auf seine Bedenken, ob er denn zeigen sollte und ob es etwas zu zeigen gibt. Doch das ihm bewusst, dass er sich damit in eine unmögliche Situation bringt, dass er sein Unterneh- Zeigen lässt vermuten, dass es etwas gibt, dem sich mit gespannten Sinnen nachzuspüren lohnt, etwas men an die Wand fahren wird. Die Fragestellung ist die allgemeinste, die sich denken lässt, ohne Lehre und ohne Preis, eben das Werk. und sie muss konkret, also an einem besonderen Ort, mit Materialien, sinnlich erfahrbar wer- den. Oder umgekehrt, das Verschwinden des Konkreten, der Verlust des Ortes, das Fehlen der Materialien muss ebenfalls und mit demselben Impetus dargestellt werden. Was heisst das im einzelnen für die Arbeit, die Eisenring entwickelt? Wie man an der Ausstel- lung sehen oder gesehen haben wird – denn noch gibt es sie nicht und bald wird sie wie eine vorbeiziehende Wolke wieder vorüber sein –, wie man also zu einem bestimmten Zeitpunkt möglicherweise erfahren oder erfahren haben wird, konstruiert er sich zur Anschauung einen Raum. Dieser ist in diesem Fall in einem Museum zu sehen, aber der Raum ist nicht an dieses gebunden, er stellt keine Arbeit in situ dar, welche die institutionellen und materiellen Gege- benheiten des Museums thematisiert. Eisenrings Raum ist abstrakt und zugleich unmittelbar gewöhnlich, er hat alle Eigenschaften eines Raums – die äusseren Begrenzungen –, er ist durch einen Eingang begehbar, durch den man ihn wieder verlässt, und die Beleuchtung oder das Fehlen einer solchen ist geregelt. In diesem Sinn ist sein Raum wie eine Skulptur, andererseits fehlt ihm alles, was eine Skulptur definiert. Er besitzt keine spezifischen Eigen- schaften, es gibt keine äusserliche Gliederung, keine interne Unterteilung; allein die Tatsache, dass der Raum existiert, macht ihn zum bedenkenswerten Phänomen. Was darin sichtbar ist, was darin geschieht, kann hier nicht beschrieben und noch nicht einmal angedeutet werden; dies ist eine Erfahrung, die jeder für sich allein zu einem bestimmten Zeitpunkt macht, und daran hängt all das Spezifische, das zum Kunstwerk gehört. Vielleicht lässt es sich negativ umschreiben, um wegzuwischen, was man sich etwa vorstellen könnte. In Eisenrings Raum gibt es etwas und zugleich nichts zu sehen, abhängig vom spärlich eindringenden Licht und der Sehfähigkeit desjenigen, der ihn betritt. Es stellen sich keine Lichtwunder ein, es gibt keine Überhöhung, indem sich das Dunkel in Farbe verwandeln würde. Keine mystische Er- fahrung wird inszeniert, weder ein Auslöschen des Subjekts im Hellen oder im Dunkeln noch das Gegenteil, das Erzeugen von Phantasmagorien. Keine Handlungen sind zu erwarten, kein Agieren von anderen oder mit anderen, keine Rollen, die zu spielen man annehmen oder verwerfen kann. Weder Spektakuläres noch Unterhaltendes, das vom Phänomen ablenkt. Es gibt kein Versprechen, einem Absoluten näher zu kommen. Das Kunstwerk wird ausdrücklich nicht dem Absoluten gleichgesetzt. Eisenring weiss, Licht ist Licht, Dunkel ist Dunkel, und im Zwischenbereich gibt es ein Spektrum von Möglichkeiten, etwas zu sehen. Sehen heisst, Unterschiede wahrzunehmen und aus immer feineren Unterschieden die Realität zu konstru- ieren. Zeigt sich daran, schon etwas vom Werk? Nein, das wäre viel zu allgemein, denn alles, was unterscheidbar ist, würde dann schon dazu gezählt. Es braucht eine weitere Stufe. Nicht die Unendlichkeit des Unterscheidbaren, das sich in keinem Werk unterbringen lässt, inte- ressiert, noch dessen Negation durch die Fiktion von etwas Unzugänglichem, Unsichtbaren.
Ausstellung „ÜBER GEGENÜBER“, Galerie Gisèle Linder, Basel, Maria Becker, März 2016. Man sieht ein Objekt, das an einen Autoreifen denken lässt. Doch etwas ist anders an der Gipsgestalt. Es ist eine Empfindung, wie man sie hat, wenn man das Innere einer Maske betrachtet: Man sieht den Abdruck einer plastischen Form. Christoph Eisenring hat für seine Arbeit Semperit einen Abguss vom Inneren eines Autoreifens gemacht. Der Titel weist unmissverständlich darauf hin. Doch das Objekt changiert, es ist plastisch und teilt sich dem Auge dennoch als Hohlraum mit. So entsteht ein optisches Wechselspiel, das den Betrachter nicht ganz gewiss werden lässt. Ein Hin und Her der Wahrnehmung, das ebenso subtil wie nachdrücklich ist. Das Spiel zwischen Innen und Aussen und das Kippmoment des Sehens sind kennzeichnend für die Arbeiten von Christoph Eisenring. Sie involvieren den Betrachter fast ohne dass es ihm bewusst wird. ÜBER GEGENÜBER ist der Titel seiner Ausstellung in der Galerie Gisèle Linder. Das Gegenüber ist der Betrachter, aber ebenso das Objekt, dem er gegenüber steht. So ist auch hier ein Wechselspiel erkennbar. Das Bild oder Objekt offenbart aus der Nähe, dass es anders konstituiert ist. Ein Band wird zum Spiegel, ein greifbar scheinendes Relief entpuppt sich als Fotografie. Die Erscheinung der Dinge ist trügerisch, und die Kunst von Christoph Eisenring lotet diese Ambivalenz aus. Meist zeigt sie sich gerade an den Dingen des Alltags, deren Gestalt uns so selbstverständlich ist wie die eigene Hand. Doch genau im Selbstverständlichen liegt das Unbekannte. „Um etwas interessant zu finden, muss man es nur lange genug betrachten“, sagte Gustave Flaubert. Die Form eines Tellers schwebt zart auf weissem Grund. Die Schatten der Ränder und die nuancierte Grautönung zeigen an, dass es die Unterseite ist, auf die man blickt. Im ersten Moment ertastet das Auge ein feines Relief, so plastisch erscheint die Fotografie. Es ist eine Ästhetik des Fast-nicht-Sichtbaren, die Christoph Eisenrings Fotoarbeiten auszeichnet. Das Objekt steht im leeren Umraum, der genauso wesentlich für das Werk ist wie das Motiv. Die Leerflächen sind grundsätzlich Teil seiner Arbeiten und bilden zusammen mit dem Rahmen eine unverrückbare Einheit, sagt Christoph Eisenring. Die Einheit von Motiv und Grund ist konstitutiv für das Werk und bildet erst das Ganze. Dies gilt auch für die Wandarbeiten von Christoph Eisenring, wie zumBeispiel der grosse Scherenschnitt Einteiler. Das tiefschwarze Papier hat er in der Form einer Spirale mit dem Skalpell ausgeschnitten. Diese gewinnt ihre Präsenz ebenso durch den Grund, auf dem sie steht, wie durch ihre Form. Auch hier gibt es eine Ambivalenz der Erscheinung: Was auf den ersten Blick wie ein Grenzzaun wirkt, ist hauchdünn und fragil. Plastizität entsteht bei dieser Arbeit allein aus dem Zusammenspiel von Form und Grund. Der leere Umraum ist auch hier wesentlich. Fotografien, Wandarbeiten und Objekte sind bei Christoph Eisenring nicht grundsätzlich einem Medium zuzuordnen. Sie spielen mit den spezifischen Eigenschaften des Mediums, travestieren es sogar. Die Irritation des Betrachters ist ebenso Teil der Arbeiten wie die subtile Setzung. Der visuelle Witz, der ihnen eigen ist, zeigt uns, dass im Gegenüber stets auch etwas anderes sichtbar wird.
Ausstellung „Flankierende Massnahmen“, Galerie Wenger, Zürich, Simona Ciuccio, Mai 2015. Christoph Eisenring (*1983 in Winterthur) hat in den letzten Jahren ein Werk entwickelt, das durch subtile Setzungen in Zeichnung, Fotografie und Installation besticht. Dabei steht die scharfsinnige Befragung oft alltäglicher, auf den ersten Blick unspektakulärer, nahezu banal erscheinender Dinge im Vordergrund, die der Künstler mit Bedacht auswählt und zum Motiv erhebt. Unabhängig vom verwendeten Medium zeichnet sich Eisenrings Werk durch eine zarte For- mästhetik aus. Sein Vokabular besteht dabei aus einfachen und klaren Formen und Materi- alien, aus fast unsichtbaren Eingriffen in bestehende architektonische Situationen und aus einer stark reduzierten Farbpallette. Durch diese Konzentration der Mittel werden Entschei- dungen, Interventionen und Relationen zu Momenten von zentraler Bedeutung. Sei dies die Auswahl einer spezifischen Form und Gestaltung eines Gegenstandes, dessen präzise Positi- onierung innerhalb der Bildfläche oder des Ausstellungsraumes oder sei dies das spannungs- volle Ins-Verhältnis-Setzen von Figur und Grund sowie von Werk und Betrachter. Ebenso be- stimmend für Eisenrings Arbeiten werden Eigenschaften und Bedingungen unterschiedlicher Präsentationsformen wie beispielsweise die Farbnuancen des Blattweiss, die Beschaffenheit des Passepartouts oder die Art und Weise der Rahmung. Auch das Verhältnis zwischen der Grösse des Werkes und dem des Betrachters, sowie die Positionierung des Werkes auf der Wand werden Bestandteil des Ganzen. Dabei scheinen diese unterschiedlichen Ebenen seiner Kunstwerke stets aufeinander zu ver- weisen. Und die aus dem Alltag bekannten abgebildeten Gegenstände lassen sich inhaltlich nicht unabhängig von den formalen Elementen fassen, denn Wesen, Material und Darstellung werden hierarchisch gleichgestellt. Dadurch ergeben sich Momente potenzierter Bedeutung, aber auch Widersprüche sowie Brüche und es entstehen Momente der Verdoppelung, Um- kehrung, Reflektion und Verschiebung. Was auf den ersten Blick wie eine in sich schlüssige, von Harmonie durchdrungene ruhende Einheit erscheint, gibt sich auf den zweiten Blick als Kippfigur zu erkennen. Mit unerwarteten Wendungen und einem feinen visuellen Witz werden Sehgewohnheiten spielerisch aufgebrochen. Solche scharfsinnigen Irritationsmomente unter- streicht der Künstler mit seinen oft pointierten Werktiteln. Christoph Eisenring hat seine erste Einzelausstellung „Flankierende Massnahmen“ genannt. Der aus der Politik stammende Begriff beschreibt einen Eingriff in einen Handlungsablauf. Der Künstler versteht seine Werke denn auch als Stücke, die an der Peripherie verortet, durch das Massnehmen, das Begrenzen, das Eingrenzen und Unterteilen, den Blick auf das Zentrale erst möglich machen. So wird dem Beiläufigen, den Randerscheinungen oder eben den flankie- renden Massnahmen Wichtigkeit und Schönheit beigemessen.
Ausstellung „Here and Now“, Perla-Mode und Winterhalderareal, Zürich, Interview mit Natalie Keppler, Publikation, Mai 2014. NK: Unabhängig davon in welchem Medium du arbeitest, ob Fotografie, Zeichnung oder lassen und dieses mit der bestehenden Scheibe austauschen. Installation, wirken deine Arbeiten fragil. Nur durch subtile Eingriffe beeinflusst du die Wahr- Weiter interessiert mich die Tatsache, dass für die Erstellung dieser Arbeit kein Material an nehmung des Betrachters stark. Deine auch als „memento mori“ beschriebenen Fotografien einem Ort verdichtet wird. Mit den Bohrungen trägt man Material ab, die das Glas an zwei wirken auf mich hingegen wie ein humorvolles Spiel mit der Wahrnehmung. Ist „Irritation“ ein Stellen noch ein bisschen transparenter scheinen lassen als es schon ist. Trotzdem verliert wichtiges Element in deinen Arbeiten? die Scheibe als Ganzes an Durchsichtigkeit. Ich meine, dass man nicht mehr direkt durch die Scheibe hindurch sieht sondern mit dem Blick an den zwei Löchern auf der Glasoberfläche CE: Oft interessieren mich Bilder, die auf den ersten Blick etwas scheinbar Alltägliches, Bana- hängen bleibt. So kann man plötzlich das gesamte Schaufenster als Bildfläche wahrnehmen, les zeigen. Solche bei denen man schnell zu wissen glaubt, was man sieht. Deren Wesen sich in der man selber und die Umgebung als Spiegelung erscheint. aber bei genauerem Hinschauen plötzlich auf den Kopf stellt und sich umkrempelt. Bilder, die zunehmend abstrakter und eigenartiger werden je länger man sie anschaut und die so in gewisser Weise ihre eigene Existenz selber zu hinterfragen beginnen. Oftmals ist bei dieser Verschiebung, bei dieser Irritation, ein Schuss Humor mit dabei, der aber – wie ich meine – auch schnell in eine Art Melancholie kippen kann. NK: Durch Rahmungen gibst du (scheinbar) schwebenden Objekten eine begrenzte Fläche, einen Hintergrund und einen Zeitpunkt. Was interessiert dich an den so entstehenden Zwi- schenräumen oder Leerstellen? CE: Die „Leerflächen“ um meine Bilder sind stets ganz bewusst und sorgfältig gewählt, sie sind Teil der Arbeit und bilden zusammen mit der Rahmung eine unverrückbare Einheit. Daher würde ich auch nie ein Bild aus einem Rahmen lösen. Oftmals nimmt die sogenannte Arbeit, das was man in den Rahmen steckt auch direkt Bezug auf seine Ränder und die Flächen dazwischen. NK: Sprichwörtliche Einblicke und eine bestimmte Blickführung rufst du in deiner Arbeit für die Ausstellung hervor, indem du zwei kleine Löcher aus der Schaufensterscheibe des Per- la-Mode herausschneidest. Welche Sichtweisen und Anspielungen auf diesen Ort und seine Umgebung möchtest du damit rahmen? CE: Bei der Arbeit in and out (2014) verfolge ich vielleicht einen Ansatz, der ortsspezifischer ist als bei anderen Werken. An einer anderen Stelle aufgebaut, würde das Stück wohl nicht auf die selbe Weise gelesen werden wie an der Langstrasse. Hier ist ein zerschlissenes Schaufenster nicht selten anzutreffen. Die zwei Bohrungen im Glas und vorallem deren Posi- tionierung lassen vage an Einschusslöcher erinnern, an abstrakte sozusagen. Sie verbinden ganz physisch den Aussenraum mit dem Innern des Ausstellungsraumes. Der vorbeigehende Betrachter des Werks kann beispielsweise einen Finger durch die Scheibe ins Innere stre- cken. Die zwei Öffnungen im Glas stellen grundsätzliche Fragen an das Innere eines (Kunst) Raums und an sein Äusseres. Das Werk lässt sich dabei genau auf dieser Grenze nieder. NK: Es ergibt sich also auch ein Wechsel aus Sichtbarkeit und Undurchsichtigkeit, und eine Spannung zwischen einer Feinheit der Arbeit und physischer aggressiveren Assoziation? CE: Ja und auch der Aufwand, um die Arbeit zu erstellen, ist im Gegensatz zur letztlichen Erscheinung absurd hoch. Während es genügt mit einer Pistole zweimal abzudrücken um ein Glas in einen ähnlichen Zustand zu versetzen (die Scheibe würde natürlich Risse schlagen), gehe ich bei der Erstellung dieses Kunstwerks quasi den umgekehrten Weg. Weil man nicht vor Ort in das Schaufensterglas bohren kann, musste ich ein Glas mit den Löchern anfertigen
Ausstellung, Galerie Gisèle Linder, Basel, Françoise Theis, März 2014. Der junge Winterthurer Künstler Christoph Eisenring zeigt im Sous-Sol der Galerie Gisèle Linder eine Auswahl von Fotografien und einen Scherenschnitt. Die analoge Farbfotografie Ohne Titel, 2012, zeigt eine weisse, brennende Kerze, über die eine Flasche gestülpt ist. Hier handelt es sich in mehrfacher Hinsicht um ein fragiles Gleich- gewicht, denn der Sauerstoff wird in wenigen Sekunden verbraucht sein und die Flamme erloschen. Das Motiv lässt Referenzen an Stillleben und Memento Mori aufscheinen. Mit Ohne Titel, 2012, schafft Christoph Eisenring ein poetisches Werk, welches den Moment der (analogen) Aufnahme selbst thematisiert. Mit dem französischen Philosoph Roland Barthes gesprochen, der in seinem Buch Die helle Kammer die Fotografie als das Bild bezeichnet, „das den Tod hervorbringt, indem es das Leben aufbewahren will“, bezieht sich diese Fotografie von Chris- toph Eisenring auf das Medium der Fotografie selbst. Auch Negativ, 2013, welches aus zwei fast identischen farbigen Fotografien besteht, themati- siert Zeitlichkeit und Vergänglichkeit, welche grundlegend für jedes Leben sind. Bei genauem Betrachten unterscheiden sich die beiden gezeigten Hautausschnitte in Struktur und Schat- tierung und sie tun dies buchstäblich „einen Herzschlag auseinander“. Die grossformatige Fotografie Horizont, 2014, ist ein Bild der Leere, welches durch das winzige Abbild einer Spitze am unteren Bildrand strukturiert wird. Durch diese Setzung eines Objektes – es handelt sich um die Spitze eines Dolches – mutiert die abstrakt anmutende Fotografie zu einem Blick in eine undefinierte, weite Landschaft. Da die Fotografie auf einen hellen Karton geklebt ist, entsteht der Eindruck, als würde sie sich mit der Klinge selbst aus dem Hintergrund heraus schneiden. So wird dieses Werk auch zu einer selbstreflexiven Ges- te, die das Entstehen und die Verortung des fotografischen Bildes befragt. Wichtig ist Christoph Eisenring in allen seinen Werken die klare und sorgfältige Rahmung, die besonders das vorderhand nicht-physische fotografische Werk zu einem Kunst-Objekt macht. Zudem lotet er in allen seinen Werken – zusätzlich zur Fotografie sind dies Zeichnung, Skulp- tur, Collage, Scherenschnitt und Installation – auf immer wieder neue Weise den schmalen Grad zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit aus. Christoph Eisenring schafft „Bilder“, die sich selbst hinterfragen und auf ihre Entstehungsbedingungen verweisen. Als eindrückli- ches Beispiel dafür gilt auch der in der Ausstellung gezeigte Scherenschnitt Ohne Titel, 2014. Zur Ausstellung erscheint die Edition Ein Grab für Ra in einer Auflage von 15 Exemplaren. Mit dem altägyptischen Sonnengott Ra (auch Re genannt) ist die Sonne selbst gemeint und nicht ein göttliches Wesen. Seine Wirkkraft ist Ursprung jedes Lebens. Das an eine Pyramide erinnernde Werk von Christoph Eisenring ist ein Gipsabguss des Hohl- raums zwischen Linse und Bildsensor einer Wegwerfkamera. Diese dunkle Leere, welche Voraussetzung für jede Fotografie ist, wird in dem weissen Ab- druck materialisiert und zur Sichtbarkeit gebracht. Die kleine Plastik stellt gleichsam eine Po- sitivform dieses Unsichtbaren dar und eine Zerstörung desselben. Als Abguss ist dieses Werk ebenfalls ein Abdruck und verweist auf die indexikalische Beziehung zwischen der Fotografie und ihrem Referenten.
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