Modellierung der Phänologie der Schadinsekten Asiatische Buschmücke und Kirschessigfliege in Abhängigkeit von Temperatur - Prof. Dr. Peter Braun ...
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Modellierung der Phänologie der Schadinsekten Asiatische Buschmücke und Kirschessigfliege in Abhängigkeit von Temperatur Prof. Dr. Peter Braun Markus Müller Hochschule Geisenheim University, Institut für Obstbau
Die Kirschessigfliege, ein neuer invasiver Schädling im Obstbau Die Kirschessigfliege (KEF) ist ein weltweit invasiver Schädling im Obstbau. Sie kann seit 2014 in Mitteleuropa als etabliert angesehen werden. Der Schadensdruck unterliegt starken, witterungsbedingten Schwankungen. Quelle: A. Wichura et al. (2016): Mitt. OVR 71 (ergänzt) 1
Die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus, AJAP) eine neue Stechmückenart in Deutschland Die deutsche Population der Asiatischen Buschmücke wurde auf positive Über- tragungskompetenz für Japanische Enze- phalitisviren getestet. Andere Populationen 2012 2017 2019 sind kompetent in der Übertragung von Chikungunya- und Dengueviren La-Crosse- Viren, Westnilviren und Rifttalfieberviren. Quelle: mueckenatlas.com 2
Modellüberblick Das verwendete Modell ist modular aufgebaut. Es ist im Kern ein boxcar-train-Modell. ► Einzelne Module, z.B. alternative Entwicklungsfunktionen, können ohne Neucompilierung ausgewählt oder abgeschaltet werden. ► Durch Aktivierung vorhandener Funktionen kann das Modell für unterschiedliche Insekten betrieben werden (bisher nur Funktionen für KEF und AJAP). ► Das Modell kann mit täglichen Temperaturmitteln, sowie mit stündlichen, 3, 4, 6 und 8- stündlichen Temperaturen betrieben werden. ► Es existiert ein Modul, dass aus vorgegebenen Temperaturen den Temperaturgang in Kleinstgewässern simuliert (keine Eisbildung, Verdunstungskühlung, Strahlungserwärmung). ► Die meisten Funktionsparameter können ohne Neucompilierung geändert werden. ► Das Modell berechnet immer die potentielle Population für ein Jahr. Ein Rahmenscript erlaubt die Berechnung langer Zeitreihen. 4
Modellablauf I Temperatur, N Tageslänge (Datum) Temperatur Temperatur I T Reproduktive Dormanz: Mortalität: Entwicklungsfunktionen: Übergänge aktiv/dormante Temperaturbedingte Sterb- Entwicklung der einzelnen Start- Phase berechnen lichkeit der einzelnen Stadien berechnen / popul. Stadien berechnen Stadienübergänge tag=1 nein: tag+1 Jahresende erreicht? Alterungsfunktion: Individuen um einen Eiablagefunktion: Tag altern / Alterstote Alters- und temperaturab- ja: hängige Eiablage berechnen Datenausgabe: Jahrestabellen (csv) Alter (Datum) Temperatur Restart-Daten Alter (Datum) Jahresgrafik Programmende 5
Die Modellroutinen sind fast ausschließlich Entwicklungs- und Mortalitätsfunktionen. Mortalitätsfunktionen (Kälte- und Hitzesterblichkeit) sind ebenfalls temperaturabhängig. Zusätzlich beachtet das Modell neu durch ein Einbeziehen der Andauer der potentiell tödlichen Temperaturen eine Temperatur-Wirkdauerbeziehung (TDT). Grob gesagt wirken tiefe/hohe Temperaturen umso tödlicher je länger sie einwirken. Damit soll eine verbesserte Abbildung der Wirkung von Hitzewellen erreicht werden. Quelle: Rezende 2014 6
Wichtige Einschränkungen Das Modell berücksichtigt bewusst viele Einflußfaktoren auf die Populationsgröße nicht: - Luftfeuchte u.a. meteorol. Größen - Nahrungsangebot (Menge an erreichbaren Pflanzen) - Nahrungsangebot (Phänologie) - Krankheiten - Parasitierung - Kulturmaßnahmen - Bekämpfung Das Modell stellt daher die maximale (potentielle) Populationsentwicklung unter dem Einfluss der Temperatur dar. Die meisten der Einflussfaktoren sind schon mittelfristig nicht bekannt. 7
Antriebsdaten „Beobachtungen“ EObs 23 0,1° Cosmo REA6 0,06° Stationsdaten Evaluationsdaten (1979/89-2010) ERA: CCLM4 HIRAM5 HadRem RACMO RCA4 Remo09 Remo15 Projektionsdaten (2016-2070) Σ CAN-ESM2: 1 1 2 CNRM-CM5: 1 1 1 1 1 5 EC-EARTH: 1 3 3 2 1 10 HadGEM2: 1 1 1 1 1 1 6 MIROC5: 1 1 2 MPI-ESM: 1 1 1 1 2 6 Σ 6 6 2 5 5 2 5 31 8
Validierung Ein Modell, das potientielle Entwicklungen beschreibt, kann nicht durch den direkten Vergleich mit Beobachtungsdaten validiert werden, da Potentiale nicht immer realisiert werden. Prinzipieller Ansatz: es sollte nie eine starke reale Populationsentwicklung eintreten, wenn die meteorologischen gem. Modell Voraussetzungen fehlen. weitere Probleme: - Beobachtungsdaten (Fänge) nicht a.d. Gitterpunkten/Beobachtungsstandorten - Fangzahlen meist nur alle 14 Tage - die Attraktivität der Fallen (Fänge) schwankt mit dem Nahrungsangebot weiteres Testen: - Betrieb des Modell mit synthetischen (künstlichen) Daten und auf plausible Reaktionen prüfen Es wurden an 15 Standorten Zeitreihen aus den Jahren 2017 bis 2021* untersucht und keine Verletzung der Validierungsbedingung beobachtet. * für 2021 liegen noch nicht alle Daten vor 9
Antrieb mit synthetischen Daten Auswirkung einer extremen KEF-Simulation Hitzewelle - heatwaves.ps 4 10 Puppen Larven 3 10 fem. Adulte Eier Log Anzahl 2 10 Startpopulation ab 1.4. Hitzewelle bis 40°C 1.9.-5.9 1 10 0 10 100 200 300 Tage 10
Validerung - Beispiel Nahetal 2017, Simulation und Fallenfänge Adult fem. active Puppae Larvae Eggs Quelle für Daten ‚selected trap‘: http://drosomon.julius-kuehn.de/ 11
Interpretationsmöglichkeiten Das Modell liefert eine sehr große Menge an Daten. Doch welche Daten liefern wichtige Informationen zur Beurteilung des (potentiellen) Schadens? Prinzipiell fehlt es noch an Erfahrung. Generell ist davon auszugehen, dass der (potentielle) Schaden mit der Größe der (potentiellen) Populationen und der Andauer von bestimmten Mindestpopulationen positiv korreliert. Der eigentliche Schaden geht von den Larven (Fraß in den Früchten, Folgeschäden) aus. Deshalb wird diesen Daten (bzw. die des kurzlebigen, aber besser beobachtbaren Ei-Stadiums) Bedeutung zugeordnet. 12
Simulationsergebnisse CanESM - CCLM letzter Tag mit >1000 aktiven Weibchen 400 Gitterpunkt „Frankfurt“ 350 300 Dauer der Saison: Indikator erster und letzter 250 Tag mit mehr als 1.000 200 Tag (DOY) aktiven, adulten Weibchen 150 100 50 CanESM - CCLM erster Tag mit > 1000 aktiven Weibchen 0 350 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 53 55 57 59 61 63 65 67 69 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahr 300 250 200 Tag 150 100 50 0 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahr 13
Simulationsergebnisse 1400000 CanESM - CCLM Maximale Zahl adulter Weibchen Gitterpunkt „Frankfurt“ 1200000 Befallsdruck: maximale Anzahl an adulten 1000000 aktiven Weibchen 800000 Anzahl 600000 CanESM - Maximale Anzahl an Eiern 3500000 400000 3000000 200000 0 2500000 10 012 014 016 018 020 022 024 026 028 030 032 034 036 038 040 042 044 046 048 050 052 054 056 058 060 062 064 066 068 070 20 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 Jahr 2000000 Anzahl 1500000 1000000 500000 0 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahr 14
Simulationsergebnisse Gitterpunkt „Nordschwarzwald 550m“ CanESM - erster Tag mit >1000 aktiven Weibchen 300 Dauer der Saison: erstes Datum mit > 1.000 aktiven Weibchen 250 Befallsdruck: Indikator 200 maximale Anzahl an Eiern Tag (DOY) 150 100 900000 CanESM - Maximale Anzahl an Eiern Jahre ohne Ereignis 50 800000 0 700000 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 600000 Jahr 500000 Anzahl 400000 300000 200000 100000 0 10 13 16 19 22 25 28 31 34 37 40 43 46 49 52 55 58 61 64 67 70 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Jahr 15
Jahresmaximum Anzahl Eier − Mittel 2011−2020 Jahresmaximum Anzahl Eier − Mittel 2061−2070 Anzahl der Tage mit > 1.000 Eiern/Jahr Anzahl der Tage mit > 1.000 Eiern/Jahr 7˚ 8˚ 9˚ 10˚ 7˚ 8˚ 9˚ 10˚ 52˚ 52˚ 52˚ 52˚ MIROC5/REMO2015 MIROC5/REMO2015 70 0 90 11 90 50 90 90 30 70 51˚ 90 51˚ 51˚ 51˚ 90 70 90 11 0 50 90 70 70 50 30 90 90 90 70 50˚ 50˚ 50˚ 50˚ 110 0 11 70 0 90 11 90 70 90 110 90 90 50 70 70 50 11 0 90 49˚ 49˚ 49˚ 49˚ erzeugt mit KEFSim 1.1 erzeugt mit KEFSim 1.1 90 90 © MMUGM © MMUGM 7˚ 8˚ 9˚ 10˚ 7˚ 8˚ 9˚ 10˚ 3 4 5 6 3 4 5 6 16 log10 Maximale Eianzahl/Tag log10 Maximale Eianzahl/Tag
Lebenszyklus AJAP erwachsenes Insekt Puppe Eiablage Luft- (im oder am Wasser) Temperatur Ei 4. Larvenstadium Kleinstgewässer- Temperatur 1. Larvenstadium 3. Larvenstadium 2. Larvenstadium (derzeitiges) Überwinterungsstadium Stadien im Wasser (Kleinstgewässer wie Baumhöhlen, Regentonnen, Töpfe, Pfützen) 17
AJAP-Modellfassung - Submodell zur Ableitung der Kleinstgewässertemperatur aus der Lufttemperatur (derzeit keine Eisbildung, Verdunstungskühlung, Strahlungserwärmung) - Larvenstadien 1 bis 4 zusammengefasst - eigene Parameter der Entwicklungs- und Mortalitätsfunktionen - keine Informationen zur TDT (Funktion abgeschaltet)! - keine Überwinterungs als Larve (im weiteren Verlauf des Klimawandels u.U. möglich) - Verfügbarkeit von Kleinstgewässsern wird vorausgesetzt 18
Validierung (AJAP-Modell) Auch dieses Modell beschreibt eine potentielle Entwicklung. Es gibt jedoch nur wenige längere Zeitreihen von Beobachtungsdaten (Fänge, Larvenzählungen), die auf die Populationsgöße und -entwicklung hinreichend genau rückschließen lassen. Insgesamt gibt es deutlich (> Faktor 10) weniger Daten als bei der KEF. Zudem ist die Ausbreitung der AJAP in Hessen nicht abgeschlossen. Man kann aus aus- bleibenden Fängen daher nicht auf nicht gegebene Entwicklungsmöglichkeiten schließen. Der Validierungsansatz des KEF-Modells kann deshalb nicht verwendet werden. verbleibende Validierungsmöglichkeiten: - plausibles Modellverhalten - erstes Auftreten (Adulte, u.U. Larven) im Jahr 19
Ausblick Mit dem Modell können für die KEF plausible Ergebnisse erzielt werden. Es bleibt jedoch Forschungsbedarf. ► Für die KEF müssen weitere Erfahrungen gesammelt werden, was die berechneten Werte für das Schadbild bedeuten. ► Für die AJAP sind viele Parameter, insbesondere die Reaktion auf extreme Tem- peraturen nicht genau genug bekannt. ► Das Modell für die AJAP kann mit den derzeit vorliegenden Daten nicht befriedigend validiert werden. Es braucht hier deutlich mehr Beobachtungsdaten. ► Das systematische Testen aller möglicher Einstellungen und Parameter bedarf der Entwicklung eines Tools zur Analyse großer Mengen an Populationsdaten. 20
Wir danken für die Unterstützung und für die finanzielle Förderung:
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