Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen - ANALYSE Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen - und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz

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Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen - ANALYSE Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen - und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz
Negative Strompreise:
Ursachen und Wirkungen
Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen –
und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz

ANALYSE
Negative Strompreise
Ursachen und Wirkungen

Impressum

analyse
Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen
Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen –
und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz

Erstellt im auftrag von
Agora Energiewende
Rosenstraße 2 | 10178 Berlin

Projektleitung:
Dr. Patrick Graichen

Ansprechpartner:
Dr. Thies F. Clausen
thies.clausen@agora-energiewende.de

Autoren
Philipp Götz
Dr. Johannes Henkel
Thorsten Lenck
Dr. Konstantin Lenz
Energy Brainpool GmbH & Co. KG
Heylstraße 33 | 10825 Berlin

Satz:
Maren Rabe, www.marenrabe.com
Lydia Glienke

Korrektorat:
infotext GbR, Berlin

Titelbild:
James Thew @ Fotolia.com

035/01-A-2014/DE
Korrigierte Version
Veröffentlichung: Juni 2014
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im vergangenen Jahr ist es an der Strombörse immer wieder      Insofern stellt sich die Frage, welche anderen Faktoren
zu negativen Strompreisen gekommen. Dies bedeutet, dass        die negativen Preise erklären können. Wir haben Energy
in diesen Stunden Stromproduzenten dafür Geld bezahlt          Brainpool daher beauftragt, diese Frage genauer zu un-
haben, dass Verbraucher ihnen den Strom abgekauft haben.       tersuchen – und die Antwort halten Sie in Ihren Händen.
Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 war dies an           Hierbei sind interessante und auch überraschende Ergeb-
genau 97 Stunden der Fall, mit einem durchschnittlichen        nisse zu Tage getreten. Kurz zusammengefasst ist die Ur-
negativen Preis von minus 41 Euro je Megawattstunde.           sache in der mangelnden Flexibilität des Stromsystems zu
Auch in den ersten Monaten des Jahres 2014 ist diese Situ-     suchen. Da diese mangelnde Flexibilität die Verbraucher in
ation schon mehrfach aufgetreten, verstärkt auch tagsüber.     Form einer höheren EEG-Umlage belastet, besteht Hand-
Landläufig werden negative Strompreise auf ein Über-           lungsbedarf auch auf regulatorischer Seite, um die Flexibi-
angebot an Strom aus Erneuerbaren Energien zurückge-           lität zu befördern.
führt. Der Blick auf 2013 zeigt jedoch, dass der Erneuer-
baren-Anteil an der Stromerzeugung in keiner Stunde die        Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
65 %-Marke überschritten hat – mithin die Erneuerbaren         Ihr Patrick Graichen
Energien nie mehr Strom produziert haben als zeitgleich        Direktor Agora Energiewende
verbraucht wurde.

Die Ergebnisse auf einen Blick

          Negative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie belasten aber die EEG-Umlage erheblich. Denn auch
  1.      in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Erneuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet.
          ­Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto mit knapp 90 Mio. Euro belastet.

           Negative Strompreise haben ihre Ursache in der mangelnden Flexibilität des konventionellen ­Kraftwerksparks.
          In Zeiten hoher Wind- und Solarstromproduktion haben Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und KWK-­
  2.      Anlagen ihre Erzeugung nur teilweise reduziert, sodass es – obwohl die Erneuerbaren Energien in den
          ­Spitzenstunden nie mehr als 65 % des Stroms produziert haben – zu Stromüberschüssen kam.

          Ohne eine deutliche Flexibilisierung von Kraftwerken und Großverbrauchern werden die Stunden mit nega-
          tiven Strompreisen drastisch zunehmen. Wenn auch weiterhin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke
  3.      rund um die Uhr Strom produzieren, wird die Zahl negativer Strompreise von 64 Stunden im Jahr 2013 auf über
          1.000 Stunden bis 2022 steigen.

          Mit einem Flexibilitätsgesetz sollten zügig bestehende Flexibilitäts-Hemmnisse abgebaut werden. Derzeit
  4.      verhindern verschiedene Regeln im Bereich der Systemdienstleistungen sowie im Energierecht eine größere
          Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks und der Stromnachfrageseite.

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Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen

Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen                      Kraftwerke, den aktuellen Regelungen für die Bereitstel-
für Entscheidungsträger von Agora Energie-                    lung von Systemdienstleistungen sowie dem Gebotsdesign
wende                                                         an der EPEX.

1. N
    egative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie   Da inzwischen ein großer Teil der Windenergieanlagen
   belasten aber die EEG-Umlage erheblich.                    in der Direktvermarktung ist, werden diese bei negativen
                                                              Preisen ab etwa minus 65 Euro/MWh in ihrer Strompro-
Negative Preise am Strommarkt sind die konsequente            duktion abgeregelt. In den Zeiten negativer Preise herrscht
Weiterführung des marktwirtschaftlichen Prinzips, dass        insofern eine Stromüberschuss-Situation aufgrund der
Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Negative           20–25 GW inflexiblen konventionellen Kraftwerke – mit
Strompreise erhöhen die Anreize für Kraftwerksbetreiber       der Folge, dass erneuerbarer Strom, der zu Grenzkosten von
und Stromnachfrager, ihre Anlagen zu flexibilisieren und      Null zur Verfügung stünde, abgeregelt wird.
sind insofern grundsätzlich ein gutes Steuerungssignal.
Allerdings haben negative Preise am Spotmarkt eine erheb-     3. O
                                                                  hne eine deutliche Flexibilisierung von konventionellen
liche Belastungswirkung für die EEG-Umlage. Denn auch            Kraftwerken und der Stromnachfrage werden die Stun-
in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Er-          den mit negativen Strompreisen drastisch zunehmen.
neuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet. Zwischen
Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto        Im Jahr 2022 wird die Zahl der Stunden, in denen die Er-
mit knapp 90 Mio. Euro belastet. Bei steigenden Antei-        neuerbaren Energien 65 % und mehr der Last abdecken,
len der Erneuerbaren Energien kann diese Summe schnell        nach Berechnungen von Energy Brainpool auf etwa 1.200
deutlich größer werden.                                       steigen. Der Anteil von 65 % entspricht in etwa dem Anteil,
                                                              den die erneuerbaren Energien in den Stunden mit nega-
2. Negative Strompreise haben ihre Ursache nicht in einem    tiven Strompreisen 2013 hatten. Wenn also auch weiter-
    Überschuss an Erneuerbaren Energien, sondern in der       hin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke inflexibel
    mangelnden Flexibilität von Kernkraftwerken, Braun-       sind, d. h. rund um die Uhr Strom produzieren, und auch
    kohle-Kraftwerken und KWK-Anlagen.                        die Stromnachfrage nicht entsprechend flexibel reagiert,
                                                              wird die Zahl negativer Strompreise von etwa 65 Stunden
Die Analyse der 97 Stunden mit negativen Strompreisen         im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen. Dies
zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 zeigt, dass in       hätte zur Folge, dass zum einen hohe Mengen an Erneuer-
diesen Stunden der Erneuerbaren-Anteil selbst bei Stark-      baren Energien, die in der Direktvermarktung sind, abge-
wind bzw. hoher Solarstromproduktion zu keinem Zeit-          regelt würden. Zum anderen würde die EEG-Umlage deut-
punkt mehr als 65 % des Stromverbrauchs ausgemacht hat.       lich ansteigen, da die Übertragungsnetzbetreiber negative
In diesen Zeiten wurden, wie man es betriebswirtschaft-       Verkaufserlöse bei der Vermarktung der Erneuerbaren-
lich erwarten würde, Gas- und Steinkohlekraftwerke in         Energien-Strommengen in diesen Stunden hätten und es zu
ihrer Stromproduktion auf nahe Null gedrosselt. Die Kern-     steigenden Differenzenkosten bei den Erneuerbare–Ener-
kraftwerke haben jedoch auch in Zeiten negativer Preise       gien-Anlagen käme, die in der Direktvermarktung sind.
ihre Leistung nur um 35 % reduziert, bei den Braunkoh-        Beides ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ineffizient.
lekraftwerken lag dieser Wert bei 50–60 %. Zudem haben
wärmegeführte KWK-Anlagen weiterhin Strom produziert.
Im Ergebnis waren immer 20–25 GW konventionelle Kraft-
werke am Stromnetz. Die Ursachen hierfür liegen u. a. in
den betriebswirtschaftlichen An- und Abfahrkosten dieser

2
Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen

4. D
    ie mangelnde Flexibilität hat auch regulatorische Ur-         Diese Must-Run-Leistung kann reduziert werden, wenn
   sachen. Mit einem Flexibilitätsgesetz sollten zügig be-         eine stärkere betriebswirtschaftliche Optimierung zwi-
   stehende Flexibilitäts-Hemmnisse abgebaut werden.               schen flexiblen und inflexiblen Kraftwerken stattfindet,
                                                                   in dem die Ausschreibungs- und Bereitstellungszeit-
 Derzeit verhindern verschiedene Regeln eine größere               räume für Regelleistung so verkürzt werden, dass eine
 ­F lexibilität des konventionellen Kraftwerksparks und der        Optimierung mit den Geboten am Day-Ahead-Spotmarkt
  Stromnachfrageseite – und sind so ein Teil der Ursache           erfolgen kann.
  der negativen Strompreise. In einem kurzfristig auszuar-      →→ Erneuerbare Energien in den Markt der Regelleistung
beitenden Artikelgesetz bzw. durch eine Überarbeitung              integrieren: Die Präqualifikationsbedingungen für die
der entsprechenden Regularien für Systemdienstleis-                Teilnahme an den verschiedenen Regelleistungsmärkten
tungen sollten diese Regelungen geändert werden, damit             müssen so angepasst werden, dass Erneuerbare Ener-
die Marktakteure ihre Flexibilitätspotenziale entfalten            gien daran teilnehmen können und so in Konkurrenz zu
­können.                                                           den fossilen Kraftwerken treten können. Damit direkt
                                                                   vermarktete Wind- und PV-Anlagen an den Regelleis-
Zu einem solchen Flexibilitätsgesetz sollte u. a. gehören:         tungsmärkten teilnehmen können, ist zudem die unter ii)
                                                                   genannte Verkürzung der Ausschreibungs- und Bereit-
A. Wettbewerb um Systemdienstleistungen modernisieren              stellungszeiträume notwendig.
Der Regelleistungsmarkt führt zu einem hohen Anteil an          →→ Blindleistung must-run-frei beschaffen: Die Netzbe-
konventioneller Must-Run-Leistung, da Kraftwerke, die              treiber sollten verpflichtet werden, die für die Stabili-
zur Regelleistungsbereitstellung vertraglich verpflichtet          tät des Stromnetzes notwendige Blindleistung vorran-
wurden, rund um die Uhr laufen müssen, um im Bedarfsfall           gig must-run-frei zu beschaffen. Dazu können sie u. a.
ihre Erzeugung kurzfristig zu reduzieren (negative Regel-          Blindleistung aus Erneuerbaren Energien und aus Netz-
energie) oder zu erhöhen (positive Regelenergie). Es gilt da-      betriebsmitteln (z. B. Blindleistungskompensatoren oder
her vordringlich, diesen zu reformieren, u. a. durch               Phasenschiebergeneratoren) nutzen.
→→ Stärkung des Ausgleichsenergiepreissystems: Ein gro-
   ßer Teil der Bilanzkreisverantwortlichen optimiert           B. K WK-Anlagen flexibilisieren und Power-to-Heat
   seine Bilanzkreise noch nicht im Intraday-Handel, da            ­ermöglichen
   die Kosten für die Ausgleichsenergie bei Bilanzkreisab-      →→ Wärmespeicher fördern: Die Stromproduktion aus KWK-
   weichungen relativ gering ausfallen. Dies führt zu einem        Anlagen kann flexibilisiert werden, wenn KWK-Anlagen
   erhöhten Regelleistungsbedarf – und erhöht somit auch           mit Wärmespeichern ausgerüstet sind. So können sie den
   die Must-Run-Kapazitäten konventioneller Kraftwerke.            Wärmespeicher dann füllen, wenn die Strompreise an
   Eine Erhöhung der Kosten für benötigte Ausgleichsener-          der Börse hoch sind – und die Wärmekunden in Zeiten
   gie, beispielsweise durch Einbezug der Kosten für die           niedriger Strompreise mit Wärme aus dem Speicher ver-
   Vorhalteleistung oder durch die Einführung administra-          sorgen, ohne dann Strom produzieren zu müssen.
   tiver Pönalen würde den kurzfristigen Intraday-Handel        →→ KWK-Eigenverbrauch mit Börsenstrompreis synchro-
   stärken und den Regelleistungsbedarf senken.                    nisieren: Viele Betreiber industrieller KWK-Anlagen
→→ Ausschreibungs- und Bereitstellungszeiträume für Re-            können etwaige Vorteile aus Situationen mit negativen
   gelenergie verkürzen: Derzeit werden die Ausschreibun-          Strompreisen nicht nutzen, weil die Entgelt- und Abga-
   gen für die Regelleistungen mit einem Vorlauf von 5 bis         benbefreiungen für Eigenverbrauch dieses Signal ver-
   12 Tagen vor Leistungserbringung durchgeführt – mit-            zerren. Die Ausnahmeregeln sollten daher so angepasst
   hin viel zu früh, um mit Hilfe von Wetterprognosen die          werden, dass auch diese Anlagen ihre Produktion am
   Wind- und Solarstromproduktion (und damit die Spot-             Spotmarkt ausrichten und in Zeiten negativer Preise die
   marktpreise) zu diesem Zeitpunkt zu prognostizieren.

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Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen

   eigene Produktion stoppen und stattdessen den Über-         D. D ie Nachfrage flexibler gestalten – Lastmanagement
   schussstrom von der Börse beziehen.                            ­ermöglichen
→→ Power-to-Heat bei negativen Strompreisen ermöglichen:       →→ Selbst bei negativen Börsenpreisen gibt es aufgrund der
   In Zeiten von negativen Strompreisen ist es darüber hi-        zusätzlich zu zahlenden Abgaben, Netzentgelte, EEG-
   naus sinnvoll, wenn die KWK-Anlagen ihren Wärmebe-             Umlage und Stromsteuer nur geringe Anreize, die Nach-
   darf über Elektrodenheizkessel („Tauchsieder“) decken          frage in diese Zeiten zu verlagern (Lastverschiebung).
   und so zusätzlichen Strom verbrauchen. So wird ver-         →→ Netzentgeltstruktur für Großverbraucher reformieren:
   hindert, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen im Rah-             Die Netzentgelte sollten den Anreizen des Börsenpreis-
   men der Direktvermarktung abgeregelt werden, d. h. es          signals mindestens nicht zuwiderlaufen, ggf. diese sogar
   wird ansonsten abgeregelter erneuerbarer Strom sinnvoll        verstärken, um Lastmanagement rentabel zu machen.
   verwendet und die EEG-Umlage für alle Stromkunden              So sollten sich die Netzentgelte bei leistungsgemessenen
   reduziert. Hierfür müssten Power-to-Heat-Anlagen in            Industrie- und Gewerbekunden nicht erhöhen, wenn
   Zeiten negativer Strompreise allerdings von der Zahlung        diese ihre Nachfrage in Zeiten niedriger oder negativer
   der EEG-Umlage befreit werden, da sie sonst nicht zum          Börsenstrompreise erhöhen. Zudem sollte die Netzentgel-
   Zuge kämen.                                                    treduktion für Großverbraucher zukünftig nicht mehr an
                                                                  die Bedingung eines gleichmäßigen Netzbezugs, sondern
C. EEG-Umlage-Struktur reformieren und                           vielmehr an die Fähigkeit zur flexiblen Stromabnahme
    ­Erneuerbare-Energien-Anlagen flexibilisieren                 geknüpft werden.
→→ Dynamische EEG-Umlage: Die EEG-Umlage verzerrt das          →→ Spotmarkttarife für Endkunden ermöglichen: Bisher ist
    Börsenpreissignal, das beim Endkunden ankommt, mas-           es jenseits von Großverbrauchern für mittlere und klei-
    siv – und verhindert so eine flexibleres Verhalten von        nere Kunden nicht möglich, ihren Verbrauch anhand des
    Stromnachfragern und Eigenerzeugern. Wenn die EEG-            Spotmarktpreissignals zu optimieren. Die zunehmende
    Umlage dynamisch an den Börsenstrompreis gekoppelt            Verbreitung von Smart Metern würde es jedoch auch
    wird, ist genau das Gegenteil der Fall – und Flexibili-       mittleren und kleineren Endkunden ermöglichen, dies zu
    tät wird belohnt. Während sich für die meisten Kunden         tun. Die entsprechenden Regelungen sind so zu gestal-
    nichts ändern würde, da die durchschnittliche EEG-Um-         ten, dass das im Energiewirtschaftsgesetz festgehaltene
    lage konstant bliebe, könnten flexible Stromnachfrager        Pflichtangebot eines flexiblen Tarifs wirtschaftlich zu-
    ihre EEG-Umlagebelastung reduzieren. Zudem würden             mutbar wird, insbesondere durch Abschaffung von damit
    Eigenerzeuger in Zeiten von sehr niedrigen oder sogar         verbundenen Zusatzkosten.
    negativen Strompreisen ihre Stromproduktion reduzie-
    ren und stattdessen Strom aus dem Netz beziehen.
→→ Biomasse flexibilisieren und stromgeführt betreiben:
    Biomasseanlagen produzieren derzeit fast rund um die
    Uhr, sie haben ähnlich hohe Volllaststunden wie Braun-
    kohlekraftwerke. In Zukunft sollten Biomasseanlagen
    deutlich flexibler betrieben werden, d. h. die Volllast-
    stunden sollten reduziert werden und die Produkti-
    onszeiten an das Börsen-Strompreissignal angepasst
   ­werden.

4
5
6
Inhalt

1     Zusammenfassung	                                                         11
1.1   Erklärungsansätze für die negativen Preise 2012 und 2013	                11
1.2   Die weitere Entwicklung im Bereich negativer Preise	                     12
1.3   Handlungsempfehlungen	                                                   13

2	Einleitung und Fragestellung                                                 15
2.1 Eine kurze Historie negativer Strompreise in Deutschland	                  16
2.2 Wirkung EEG-vergüteter Strommengen auf negative Strompreise	               18

3     Ziel und Methodik                                                        21

4	Mögliche Erklärungsansätze                                23
4.1 Kurzfristige Grenzkosten                                23
4.2 Kosten für An- und Abfahrvorgänge24
4.3 Auktionierungsverfahren am Day-ahead-Markt der EPEX Spot27
4.4 Zur Systemstabilität notwendige Kapazitäten28
4.5 Erzeugung aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung30
4.6 Hemmnisse durch EE-Strom am Residualmarkt31
4.7 Operative und technische Hemmnisse32

5	Untersuchung ausgewählter Tage mit negativen Strompreisen                    43
5.1 Verwendete Datenquellen	                                                   43
5.2 Die Situation an den Weihnachtsfeiertagen 2012	                            44
5.3 Der 5. Januar 2012	                                                        50
5.4 Die Situation am 24. März 2013	                                            50
5.5 Die Situation am 16. Juni 2013	                                            55
5.6 Die Situation in der Vorweihnachtszeit 2013 (22. bis 24. Dezember 2013)	   59
5.7 Zwischenfazit	                                                             62

6	Negative Strompreise und Erneuerbare Energien                                65
6.1 Kosten für das EEG-System	                                                 65
6.2 Abregelung Erneuerbarer Energien bei negativen Strompreisen	               66

7	Schlussfolgerungen und Ausblick	                                             71

8     Quellenverzeichnis                                                       78

1

                                                                                 7
Verzeichnisse

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1: Häufigkeit von Null- oder negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion16
Abbildung 2.2: Auswertung von Stunden mit negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion17
Abbildung 2.3:	Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie Wind- und Solarstromprognose
                 in der Weihnachtszeit 2012                                                                 19
Abbildung 4.1: 	Grenzspotpreise bei Verteilung der vermiedenen Ab- und Wiederanfahrkosten auf eine
                 unterschiedliche Anzahl von Stunden unterhalb der Grenzkosten bei Reduktion auf Minimallast
                 unter Vernachlässigung technisch realisierbarer An- und Abfahrzeiten                       27
Abbildung 4.2:	Mittlere Ausgleichsenergiepreise (reBAP) für die Viertelstunden eines Tages im Zeitraum
                 1. Dezember 2012 bis 30. November 2013                                                     38
Abbildung 5.1: Windenergieerzeugung und Day-ahead-Preise am 25. und 26. Dezember 2012                       45
Abbildung 5.2:	Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 25. und 26. Dezember 2012
                 Quellen: ENTSO-E und EEX                                                                   45
Abbildung 5.3:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle
                 und Kernkraft am 25. und 26. Dezember 2012                                                 46
Abbildung 5.4:	Prognose am Vortag und Online-Hochrechnung der Übertragungsnetzbetreiber zur Einspeisung
                 von Wind- und Photovoltaikstrom am 25. Dezember 2013                                       46
Abbildung 5.5: Preisverlauf am EPEX-Intraday-Markt für ausgewählte Handelsstunden am 25. Dezember 2012      47
Abbildung 5.6:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Steinkohle und
                 Erdgas am 25. und 26. Dezember 2012                                                        47
Abbildung 5.7:	Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas
                 am 25. und 26. Dezember 2012. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen
                 wurde nicht berücksichtigt.                                                                48
Abbildung 5.8:	Auktionskurve der EPEX für den 25. Dezember 2012, Stunde drei, Market Clearing Price (MCP)
                 = -221,99 Euro/MWh, gehandeltes Volumen 29.999 MWh                                         48
Abbildung 5.9:	Vergleich der Stundenpreise im EPEX-Day-ahead-Markt und der maximalen, minimalen und
                 gewichteten Durchschnittspreise im EPEX-Spot-Intraday-Markt am 25. und 26. Dezember 2012   49
Abbildung 5.10: Erzeugung aus Windkraftanlagen und Day-ahead-Preise am 5. Januar 2012                       51
Abbildung 5.11:	Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 5. Januar 2012.
                 Quellen: ENTSO-E und EEX                                                                   51
Abbildung 5.12:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle
                 und Kernkraft am 5. Januar 2012                                                            52
Abbildung 5.13:	Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas am 5. Januar 2012.
                 Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt.                 52
Abbildung 5.14:	Erzeugung aus Windkraftanlagen und Photovoltaiksystemen
                 und Day-ahead-Preise am 24. März 2013                                                      53
Abbildung 5.15:	Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 24. März 2013,
                 Quellen: ENTSO-E und EEX                                                                   53
Abbildung 5.16:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle
                 und Kernkraft am 24. März 2013                                                             54
Abbildung 5.17:	Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas am 24. März 2013.
                 Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt.                 55

8
Verzeichnisse

Abbildung 5.18:	Erzeugung aus Windkraftanlagen und Photovoltaiksystemen
                  und Day-ahead-Preise am 16. Juni 2013                                                      56
Abbildung 5.19:	Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 16. Juni 2013,
                  Quellen: ENTSO-E und EEX                                                                   56
Abbildung 5.20:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus
                  Braunkohle und Kernkraft am 16. Juni 2013                                                  57
Abbildung 5.21: Day-ahead-Strompreise in Deutschland und ausgewählten verbundenen Staaten am 16. Juni 2013   57
Abbildung 5.22: Windenergieerzeugung und Day-ahead-Preise im Zeitraum vom 22. bis 24. Dezember 2013          60
Abbildung 5.23: 	Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern vom 22. bis 24. Dezember 2013,
                  Datenquellen: ENTSO-E, EEX                                                                 60
Abbildung 5.24:	Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle
                  und Kernkraft vom 22. bis 24. Dezember 2013                                                61
Abbildung 5.25: 	Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas
                  vom 22. bis 24. Dezember 2013. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen
                  wurde nicht berücksichtigt.                                                                61
Abbildung 6.1	Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie Wind- und
                  Solarstromprognosein der Weihnachtszeit 2013                                               67
Abbildung 6.2:	Gleitende Monatsdurchschnitte der Gebotsmengen in negativen Preisintervallen
                  der EPEX-Day-ahead-Auktion für die Jahre 2012 und 2013                                     68

Tabellenverzeichnis
Tabelle 4.1:  Dynamische Merkmale konventioneller thermischer Kraftwerke                                     23
Tabelle 4.2:	Ermittelte Grenzkosten für Kernkraftwerke und konventionelle thermische Kraftwerke
              für Nennlast und Minimallast                                                                   25
Tabelle 4.3:  Ermittelte Kosten für das An- und Abfahren verschiedener konventioneller Kraftwerke            26
Tabelle 4.4:  Kontrahierte Regelleistung der betrachteten Beispieltage                                       29
Tabelle 5.1:	Flexibilität von Stromerzeugungsanlagen nach Energieträgern sowie Export
              am 16. Juni 2013 in Frankreich                                                                 59

                                                                                                              9
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

10
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

1.      Zusammenfassung

An der Strombörse sind in den Jahren 2012 und 2013 wie-        Zu beachten ist hierbei, dass die Datenbasis teilweise
der vermehrt negative Strompreise aufgetreten. Allein          ­Lücken im Bereich mehrerer GW aufweist, welche nicht
im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 waren es            erklärt werden können.
97 Stunden mit einem Durchschnitt von minus 40,97 Euro
je Megawattstunde (MWh). Der bisherige Rekord im Be-           Die Analyseergebnisse und Schlussfolgerungen wurden im
reich der negativen Strompreise stellte sich an Heiligabend    Rahmen einer breit angelegten und anonymen Befragung
und Weihnachten 2012 ein, als über einen Zeitraum von 32       von Akteuren der Energiewirtschaft wie konventionellen
Stunden in insgesamt 18 Stunden negative Strompreise auf-      Kraftwerksbetreibern, Direktvermarktern Erneuerbarer
traten mit einem Minimum von minus 221,99 Euro/MWh.            Energien, Betreibern von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen,
                                                               Stromhändlern, Netzbetreibern und Wissenschaftlern an-
Negative Preise am Strommarkt sind per se nichts Negati-       derer Institute erörtert und abgeglichen. Die Erkenntnisse
ves, sondern die konsequente Weiterführung des markt-          daraus sind in diese Studie eingeflossen.
wirtschaftlichen Prinzips, dass Angebot und Nachfrage
den Preis bestimmen. Hierdurch werden Angebot und              1.1	Erklärungsansätze für die
Nachfrage auch in Angebotsüberschuss-Situationen zum                negativen Preise 2012 und 2013
Ausgleich gebracht, ohne in eine Prorata-Zuteilung zu ver-
fallen, die für die Marktteilnehmer in der Regel schwer kal-   Zur Beantwortung der Frage, warum die konventionellen
kulierbar und nur mit größerem Aufwand handhabbar ist.         Kraftwerke auch in Zeiten negativer Strompreise Strom
                                                               produziert haben, wurden unter anderem die folgenden
Die aktuell auftretenden negativen Preise sind jedoch nicht    möglichen Erklärungsansätze näher betrachtet: kurzfris-
Ausdruck einer Überschusssituation von Strom aus Erneu-        tige Grenzkosten der verschiedenen Kraftwerkstechnolo-
erbaren Energien (EE), sondern auf mangelnde Flexibilität      gien, Auktionierungsverfahren am Day-ahead-Markt der
des Stromsystems zurückzuführen. Denn der Erneuerba-           EPEX Spot, zur Systemstabilität notwendige Kapazitäten,
ren-Anteil selbst bei Starkwind beziehungsweise bei ho-        Stromerzeugung aus wärmegeführt betriebenen Kraft-
her Solarstromproduktion hat bisher zu keinem Zeitpunkt        Wärme-Kopplungsanlagen sowie operative, technische
mehr als 65 Prozent des Stromverbrauchs ausgemacht.            und regulatorische Hemmnisse.

Bei Betrachtung der Stunden negativer Day-ahead-Preise         Durch Heranziehen dieser Erklärungsansätze wurden
an der EEX/EPEX Spot zeigt sich, dass trotz negativer Preise   dann die Situationen an konkreten ausgewählten Tagen mit
eine signifikante Produktion aus konventionellen Kraft-        negativen Strompreisen im Detail analysiert (Kapitel 5) –
werken stattfand. Dies wird anhand ausgewählter Bei-           mit folgendem Ergebnis:
spieltage im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2013
beschrieben. Zudem traten auch viele Stunden auf, deren        →→ Negative Preise treten in Situationen auf, die durch eine
Preise zwar positiv waren, aber mit Beträgen zwischen             hohe Einspeisung Erneuerbarer Energien und gleichzei-
null Euro/MWh und zehn Euro/MWh unterhalb der kurz-               tig auftretender relativ niedriger Nachfrage geprägt sind.
fristigen Grenzkosten aller nuklearen und konventionel-           Die Zeiten niedriger Nachfrage betreffen insbesondere
len thermischen Kraftwerke lagen. Insofern stellt sich die        Sonn- und Feiertage beziehungsweise Nachtstunden.
Frage, warum diese Kraftwerke trotzdem Strom produziert        →→ Steinkohle- und Erdgaskraftwerke weisen in den be-
haben. Dies ist zugleich die zentrale Fragestellung der vor-      trachteten Marktsituationen generell ein sehr niedriges
liegenden Studie.                                                 Erzeugungsniveau auf, wie zu erwarten war. Sie h  ­ aben

                                                                                                                          11
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

   sich insofern grundsätzlich sehr flexibel verhalten. Die     →→ wärmegeführte (und somit stromseitig inflexible) Fahr-
   verbleibende Erzeugung aus diesen Technologien ist mit          weise von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.
   hoher Wahrscheinlichkeit auf Restriktionen aus der
   Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung in diesen Kraft-            1.2	Die weitere Entwicklung
   werken zu erklären.                                               im Bereich negativer Preise
→→ Die deutschen Kern- und Braunkohlekraftwerke re-
   agieren zwar in einem limitierten Bereich flexibel auf       Mit zunehmendem Anteil Erneuerbarer Energien wird ins-
   das Auftreten negativer Preise. Auch in Zeiten negativer     besondere die Stromproduktion aus Wind- und Solarener-
   Preise haben jedoch die Kernkraftwerke immer mit min-        gie stetig zunehmen – mit der Folge, dass die Fluktuationen
   destens 65 Prozent ihrer verfügbaren Kapazität Strom         und damit die Zahl der Stunden mit hohen Erneuerbaren-
   produziert, bei Braunkohlekraftwerken lag dieser Wert        Anteilen ebenfalls stark zunimmt. Gemäß einer Model-
   bei 40 bis 50 Prozent. Dieser beobachtete flexible Bereich   lierung von Energy Brainpool mit dem Fundamentalmo-
   der aggregierten Einspeisung stimmt grob mit dem er-         dell Power2Sim wird es im Jahr 2022 – einen Ausbau der
   warteten technisch flexiblen Bereich dieser Kraftwerk-       Erneuerbaren Energien gemäß derzeitigen Plänen voraus-
   stypen vor einer Komplettabschaltung überein.                gesetzt – etwa 1.200 Stunden geben, in denen der Anteil
                                                                der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch derselben
Damit lassen sich das beobachtete inflexible Verhalten des      Stunde bei 65 Prozent und mehr liegt – während es nur
konventionellen Kraftwerksparks und die deshalb entste-         etwa 150 Stunden sind, in denen die EE-Stromproduktion
henden negativen Strompreise vor allem auf folgende zent-       die gesamte Last deckt. Falls das Gesamtsystem nicht deut-
rale Faktoren zurückführen:                                     lich flexibler wird, ist zu erwarten, dass negative Preise
                                                                nicht mehr – wie bisher – die Ausnahme sind, sondern mit
→→ mangelnde technische Flexibilität sowie relativ hohe         hoher Regelmäßigkeit auftreten.
   Kosten für An- und Abfahrvorgänge konventioneller
   Kraftwerke, die einen Betrieb bei Mindesterzeugung           Das Auftreten extremer negativer Preise wird jedoch in der
   selbst bei Preisen zwischen null und zehn Euro/MWh           nächsten Zeit unwahrscheinlicher, wie Auswertungen der
   über 24 Stunden beziehungsweise rein kraftwerksseitig        EPEX-Gebotskurven zeigen. Durch Gebote, die bei negati-
   bei Preisen bis minus 60 Euro/MWh in einzelnen Stun-         ven Preisen limitiert sind, wird ein „Preispuffer“ vor den
   den wirtschaftlich rechtfertigen;                            extrem negativen Preisen aufgebaut. Dieser Preispuffer
→→ hohe Wirkleistungseinspeisung zwischen 13 und 20 GW 1        setzt sich im Wesentlichen aus drei Preisstufen zusammen:
   für die Erbringung von Systemdienstleistungen, insbe-
   sondere für die Bereitstellung primärer Regelleistung und    →→ Die „Preislimitierung in Ausnahmefällen“ nach § 8 Aus-
   die Vorhaltung von Blindleistung;                               gleichsmechanismus-Ausführungsverordnung stellt
→→ signifikante Einschränkungen bei der Abgabe von Ab-             de facto einen generell geltenden unteren Preiskorridor
   schaltgeboten, die durch das Auktionierungsverfahren            zwischen minus 350 und minus 150 Euro/MWh dar. Sie
   am Day-ahead-Markt verursacht wurden2;                          ist für diejenigen EEG-Strommengen vorgegeben, die
                                                                   eine EEG-Einspeisevergütung erhalten und somit von
                                                                   den Übertragungsnetzbetreibern abgenommen, vergütet
                                                                   und vermarktet werden.
1 Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen und
                                                                →→ Die zweite Stufe des Preispuffers bildet sich aus den di-
  Stromwirtschaft e. V. (2012)
                                                                   rektvermarkteten EEG-Strommengen im Marktprämien-
2 Mit der Einführung des North-Western Europe (NWE) Market
                                                                   modell und umfasst ein Preisintervall von circa minus 500
  Couplings am 4. Februar 2014 wurden gleichzeitig auch
  Veränderungen am Auktionierungsverfahren vorgenommen,            bis minus 50 Euro/MWh mit einer Häufung im Intervall
  ­wodurch diese Beschränkungen teilweise aufgehoben wurden.       zwischen circa minus 150 und minus 50 E    ­ uro/MWh.

12
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

→→ Die dritte Stufe mit einem geringen Mengenanteil bilden   Zur notwendigen Flexibilisierung des Stromsystems und
   Windstrom- und Photovoltaikanlagen in der sonstigen       zur Vermeidung negativer Strompreise werden folgende
   Direktvermarktung in einem recht engen Preisbereich       Maßnahmen zur Umsetzung beziehungsweise zur Prüfung
   zwischen null und knapp über null Euro/MWh.               durch den Regulierer beziehungsweise durch die Netzbe-
                                                             treiber vorgeschlagen:
Treten zukünftig negative Preise auf, ist durch diesen
Preispuffer und mit Ausnahme von Extremsituationen zu        →→ Reduzierung des Must-run-Sockels konventioneller
erwarten, dass sie zumeist in einem Preisintervall zwi-         Kraftwerke, die Systemdienstleistungen erbringen (ins-
schen 0 und minus 150 Euro/MWh liegen werden.                   besondere Regel- und Blindleistung), zum Beispiel durch
                                                                Miteinbeziehung von Erneuerbaren Energien im Bereich
Über diesen Preispuffer hinaus zeigen die Lerneffekte           der Systemdienstleistungen;
der Marktakteure als Reaktion auf die bisherigen negati-     →→ Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes zur Redu-
ven Preise bereits Wirkung. So lag die Stromerzeugung aus       zierung der KWK-bedingten Must-run-Stromeinspei-
konventionellen Kraftwerken an Weihnachten 2013 bereits         sung;
deutlich unter dem Niveau von Weihnachten 2012.              →→ Stärkung des Ausgleichsenergiepreissystems zur Erhö-
                                                                hung der Fahrplantreue sowie zur Stärkung des kurz-
→→ Als dritter Effekt wurde mit der Einführung des North-       fristigen Handels.
   Western Europe (NWE) Price Couplings für die Day-
   ahead-Märkte Nordwesteuropas am 4. Februar 2014 die       Folgende Maßnahmen sollten vonseiten der Anlagenbetrei-
   Nutzung der Grenzkuppelkapazitäten optimiert. Hier-       ber ergriffen werden:
   durch soll der Kraftwerkseinsatz in den betroffenen
   Ländern effizienter erfolgen, was sich zumeist dämpfend   →→ (weitere) Flexibilisierung konventioneller sowie steuer-
   auf negative Strompreise auswirken sollte. Gleichzeitig      barer Erneuerbarer-Energien-Anlagen zur Stromerzeu-
   mit der Einführung des NWE Price Couplings ist auch die      gung,
   Preisuntergrenze in der Day-ahead-Auktion vereinheit-     →→ Erbringung von Systemdienstleistungen durch Erneuer-
   licht worden und in Deutschland/Österreich von minus         bare Energien zur Absenkung des konventionellen Must-
   3.000 Euro/MWh auf minus 500 Euro/MWh herauf-                run-Sockels,
   gesetzt worden, wodurch Preise unter minus 500 Euro/      →→ Beseitigung operativer Hemmnisse.
   MWh nicht mehr auftreten können.
                                                             Folgende Maßnahmen sollten vonseiten der Stromvertriebe/
1.3   Handlungsempfehlungen                                  Lieferanten ergriffen beziehungsweise geprüft werden:

Die Frage nach den Ursachen negativer Strompreise hat eine   →→ Flexibilisierung der Verbrauchsseite und Einbindung von
hohe Relevanz. Denn die Stunden mit negativen Stromprei-        Lastverlagerungspotenzialen durch die Stromvertriebe,
sen belasten die EEG-Umlage nicht unerheblich – schließ-     →→ optionale Stromtarife mit Spotbepreisung für Endkun-
lich wird auch der Strom aus Erneuerbaren Energien in den       den, die der nur kurzfristigen Planbarkeit der Erzeugung
Stunden mit negativen Preisen am Spotmarkt vermarktet.          aus fluktuierenden Anlagen Rechnung tragen.
An den betrachteten Tagen im Zeitraum Dezember 2012
bis Dezember 2013 wurde das EEG-Konto mit zusätzlich         Zuvorderst sollte natürlich „nutzloser“ Stromverbrauch
86,6 Millionen Euro dadurch belastet, dass Erneuerbare       (Energieverschwendung wie zum Beispiel nicht genutzte
Energien zu negativen Preisen vermarktet wurden.             Lichtbögen, Erdschlüsse, Stromwandlung zu Wärme, ohne
                                                             dabei die Wärme zu nutzen etc.) bei negativen Preisen un-
                                                             bedingt vermieden werden. Vielmehr sollen die negativen

                                                                                                                       13
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

Preise und Preis-Spreads direkte Anreize zur Flexibilisie-
rung des Stromsystems schaffen. Die Flexibilisierung des
Stromsystems sollte dabei mit dem Ziel erfolgen, dynami-
sche Effizienz zu erreichen.

14
ANALYSE | Negative Strompreise | Studie von Energy Brainpool

2.       Einleitung und Fragestellung

An der Strombörse sind in den Jahren 2012 und 2013 wie-           piell von zusätzlichen Erlösen profitieren, wenn sie ihren
der vermehrt negative Strompreise aufgetreten. Allein             Stromverbrauch in die Zeiten negativer Strompreise verla-
im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 waren es              gern. Dies setzt eine entsprechende Vergütungsvereinba-
97 Stunden mit einem Durchschnitt von minus 40,97 Euro/           rung mit dem Stromlieferanten voraus, die bisher nur für
MWh. Der bisherige Rekord im Bereich der negativen                größere Industriekunden mit signifikanten Verlagerungs-
Strompreise stellte sich an Heiligabend und Weihnach-             möglichkeiten üblich ist.
ten 2012 ein, als über einen Zeitraum von 32 Stunden in
insgesamt 18 Stunden negative Strompreise auftraten mit           Wenn negative Preise trotz dieser betriebswirtschaftlichen
einem Minimum von minus 221,99 Euro/MWh.                          Rationalität bereits heute, das heißt bei weit weniger als
                                                                  100 Prozent Erneuerbaren Energien, auftreten, dann muss
Das negative Vorzeichen bei Preisen kehrt die übliche Zah-        dies andere Gründe haben, die aber bislang noch wenig er-
lungsrichtung vom Käufer an den Verkäufer einer Ware um.          forscht sind.
Zusätzlich zur Ware liefert bei negativen Preisen der Ver-
käufer dem Käufer Geld für die Abnahme der Ware. Das Be-          Die Frage nach den Ursachen negativer Strompreise hat
halten der Ware wäre für den Verkäufer teurer. Die negati-        eine hohe Relevanz. Denn die Stunden mit negativen
ven Preise sind insofern Zeichen eines Überangebots einer         Strompreisen belasten die EEG-Umlage nicht unerheb-
Ware am Markt. In der Öffentlichkeit werden die negativen         lich – schließlich wird auch der Strom aus Erneuerbaren
Strompreise daher oft als Zeichen eines Überangebots von          Energien in den Stunden mit negativen Preisen am Spot-
Erneuerbaren Energien interpretiert.                              markt vermarktet. An den betrachteten Tagen im Zeitraum
                                                                  Dezember 2012 bis Dezember 2013 wurde das EEG-Konto
Dies ist jedoch unplausibel: Da die Erneuerbaren Energien         mit zusätzlich 86,6 Millionen Euro dadurch belastet, dass
im Jahr 2013 einen Anteil am Stromverbrauch von etwa              Erneuerbare Energien zu negativen Preisen vermarktet
25 Prozent hatten3 und der Erneuerbaren-Anteil selbst bei         wurden. Zudem wird mit zunehmendem Anteil Erneuerba-
Starkwind beziehungsweise bei hoher Solarstromproduk-             rer Energien die Stromproduktion aus Wind- und Solar-
tion zu keinem Zeitpunkt mehr als 65 Prozent des Strom-           energie stetig zunehmen mit der Folge, dass die Zahl der
verbrauchs ausgemacht hat4 , kann dies die aktuell auftre-        Stunden mit hohen Erneuerbaren-Anteilen ebenfalls stark
tenden negativen Strompreise nicht erklären.                      zunimmt. Nach Analysen von Energy Brainpool wird es
                                                                  im Jahr 2022 etwa 1.200 Stunden geben, in denen der An-
Die bisher aufgetretenen negativen Strompreise sind inso-         teil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch der-
fern eher als Ausdruck einer mangelnden Flexibilität des          selben Stunde bei 65 Prozent und mehr liegt – während es
Stromsystems zu verstehen. Denn negative Strompreise              nur etwa 150 Stunden sind, in denen die Stromproduktion
bedeuten für die Kraftwerksbetreiber, die zu diesen Zeiten        aus Erneuerbaren Energien die gesamte Last deckt. Es stellt
Strom produzieren, Kosten (oder zumindest entgangene              sich daher die Frage, ob negative Preise – wie bisher – die
Gewinne) und erzeugen somit eigentlich einen Anreiz, die          Ausnahme sind oder bald zur Regel werden.
Produktion von Strom aus (konventionellen) Kraftwerken
in Zeiten von hoher Wind- und/oder Solarstromproduktion
zu vermeiden. Stromverbraucher können dagegen prinzi-

3 AG Energiebilanzen (2013), Werte für 2013 teilweise geschätzt

4 Eigene historische Auswertung mit Power2Sim

                                                                                                                               15
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

  Häufigkeit von Null- oder negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion                                                            Abbildung 2.1

                          80

                          70

                          60
         Anzahl Stunden

                          50

                          40

                          30

                          20                                                                      ab 1.9.
                                                                                                  bis 31.8.

                          10

                          0
                                2000

                                        2001

                                                 2002

                                                        2003

                                                                2004

                                                                        2005

                                                                                 2006

                                                                                           2007

                                                                                                  2008

                                                                                                              2009

                                                                                                                     2010

                                                                                                                            2011

                                                                                                                                   2012

                                                                                                                                          2013
                               Preis = 0 €/MWh                 Preis < 0 €/MWh

  Eigene Auswertung

2.1.   Eine kurze Historie negativer                                                    schaffen, den Stromverbrauch entsprechend dem Stroman-
       Strompreise in Deutschland                                                       gebot zu verlagern. Stundenpreise von minimal null Euro/
                                                                                        MWh, wie sie vor dem 1. September 2008 existierten,
Seit dem 1. September 2008 besteht in der für den Strom-                                waren dazu nicht ausreichend. Denn vor der Einführung
markt relevanten Day-ahead-Börsenauktion an der Euro-                                   negativer Preise in der Day-ahead-Auktion traten Situ-
pean Energy Exchange (EEX) in Leipzig (heute EPEX Spot in                               ationen auf, in denen das preisunlimitierte Stromangebot
Paris)5 die Möglichkeit, negative Preise für Strom als Ge-                              (damals zu 0 Euro/MWh) größer war als die Nachfrage für
bote ins Handelssystem einzugeben und dementsprechend                                   die Lieferstunde (Angebotsüberhang). Für diese Situationen
auch negative Preise als Auktionsresultat zu erhalten. Der                              musste die Börse festlegen, welcher Verkäufer mit seinem
volkswirtschaftliche Sinn dieser Maßnahme liegt darin                                   preisunlimitierten Gebot zum Zuge kommt (zum genauen
begründet, bei Überproduktion genügend große Anreize zu                                 Verfahren siehe unten). In Abbildung 2.1 ist die Häufig-
schaffen, nicht notwendige Erzeugungskapazitäten tat-                                   keit der Stunden von null Euro/MWh (bis 31. August 2008)
sächlich vom Netz zu nehmen beziehungsweise Anreize zu                                  beziehungsweise negativer Strompreise (seit 1. Septem-
                                                                                        ber 2008) dargestellt.

5 Die EEX Power Spot wurde zum 1. September 2009 im Zuge der
  Zusammenarbeit mit der französischen Powernext in die European                        Abbildung 2.1 zeigt, dass eine erste Welle von Null- bezie-
  Power Exchange (EPEX Spot) mit Sitz in Paris umgewandelt.                             hungsweise negativen Preisen im Zeitraum 2007 bis 2009

16
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

auftrat. Diese sind dann 2010/11 fast vollständig ver-                                                                                                                     Diagrammachse abgetragen ist die Anzahl negativer Preise
schwunden und treten seit 2012 wieder häufiger auf. Die                                                                                                                    seit ihrer Einführung im Jahr 2008.
Gründe für das Abflauen 2010/11 lagen zum einen darin,
dass insbesondere die großen Energieversorger die Fahr-                                                                                                                    Auf der linken Diagrammachse sind ferner für die einzel-
weise ihrer Kraftwerke ab 2010 konsequenter an die Preis-                                                                                                                  nen Monate jeweils der niedrigste Preis sowie der Durch-
entwicklung der Strombörse angepasst haben. Zum anderen                                                                                                                    schnitt der negativen Preise dargestellt. Auch hier zeigt
trug auch die Erholung vor allem des deutschen Stromver-                                                                                                                   das Jahr 2009 die signifikanteste Häufung sowie für den
brauchs nach den Auswirkungen der Finanzkrise zur Ver-                                                                                                                     Liefertag 4. Oktober 2009 in der Stunde von 2 bis 3 Uhr den
meidung von negativen Preisen bei.                                                                                                                                         bisher niedrigsten Preis in der Day-ahead-Auktion von
                                                                                                                                                                           minus 500,02 Euro/MWh. Die höchste Anzahl von Stunden
Abbildung 2.2 gibt einen detaillierteren monatlichen Über-                                                                                                                 mit negativen Preisen zeigt allerdings der Dezember 2012.
blick über das Auftreten negativer Preise. Auf der rechten                                                                                                                 Diese traten vor allem an den beiden Weihnachtsfeiertagen
                                                                                                                                                                           auf.

 Auswertung von Stunden mit negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion                                                                                                                                                                                                             Abbildung 2.2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                40
                                                                                                                                                                                                                                                     33

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     24
                                                                                                                                                                                                       19                                                                      20
                                                                   16                                 17                                                                                                                                                                                                        20
                                           11
                                                                        8                         9
                                                      6                                     6                                                                                                      5                                                      5     6                              5
                                 3                                                 3                             3                                      44
                                       1         21          1               1         1                   2                23                     2                       2                                  1 1                                2                         2              2
                      0                                                                                                                                                                                                                                                                                         0
   Preis in €/MWh

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Anzahl
                    -50

                    -100

                    -150

                                                                    -500,02                                -199,99                                                                                                                  -221,99
                    -200
                           Okt 2008

                                           Jan 2009

                                                      April 2009

                                                                        Jul 2009

                                                                                       Okt 2009

                                                                                                      Jan 2010

                                                                                                                 Apr 2010

                                                                                                                             Jul 2010

                                                                                                                                        Okt 2010

                                                                                                                                                   Jan 2011

                                                                                                                                                              April 2010

                                                                                                                                                                           Jul 2010

                                                                                                                                                                                      Okt 2011

                                                                                                                                                                                                   Jan 2012

                                                                                                                                                                                                              Apr 2012

                                                                                                                                                                                                                         Jul 2012

                                                                                                                                                                                                                                      Okt 2012

                                                                                                                                                                                                                                                     Jan 2013

                                                                                                                                                                                                                                                                Apr 2013

                                                                                                                                                                                                                                                                               Jul 2013

                                                                                                                                                                                                                                                                                          Okt 2013

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Jan 2014

                                      kleinster Preis                              Ø negativer Preise                         Anzahl negativer Preise

 EEX

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              17
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

Vor der Einführung negativer Preise war der niedrigste          Ebenso können auf der Nachfrageseite die Kosten für eine
Preis in der Day-ahead-Auktion mit 0 Euro/MWh fest-             verlagerte oder gesteigerte Stromnachfrage weitreichen-
gelegt, wodurch es zum oben erwähnten Angebotsüber-             der in die Gebote eingepreist werden. Dies führt zu Kauf-
hang kam. Vor der Einführung negativer Preise in der            geboten von Strom erst bei niedrigen oder eben negativen
Day-Ahead-Auktion traten Situationen auf, in denen das          Strompreisen. Diese Nachfrage kann auch von Kraft-
preisunlimitierte Stromangebot (damals zu 0 Euro/MWh)           werksbetreibern hervorgerufen werden, die vor der Day-
größer war als die Nachfrage für die Lieferstunde (An-          ahead-Auktion am sogenannten Terminmarkt eine Liefer-
gebotsüberhang). Für diese Situationen muss festgelegt          verpflichtung eingegangen sind. Unter Einbeziehung der
werden, welcher Verkäufer mit seinem preisunlimitier-           Abschaltkosten kann es sich für die Betreiber lohnen, statt
ten Gebot zum Zuge kommt. Aufgrund einer umgekehrten            den Strom aus dem eigenen Kraftwerk zu liefern, das Kraft-
Situation des Nachfrageüberhangs im Dezember 2001 für           werk teilweise oder ganz herunterzufahren und den zu
eine einzelne Stunde, in der durch eine zu hohe Nachfrage       liefernden Strom vom Markt mit niedrigen oder negativen
zum Maximalpreis kein Auktionspreis gefunden werden             Strompreisen zu beziehen.
konnte, führte die Börse daraufhin das sogenannte Prorata-
Verfahren bei Überhangsituationen in die Day-ahead-             Flexible Kraftwerke zeichnen sich durch geringe Abschalt-
Auktion ein. Das bedeutet bei Angebotsüberhang, dass alle       kosten aus, flexible Verbraucher durch geringe Kosten
preisunlimitierten Angebote nicht in ihrer vollständigen        für die Lastverlagerung. Negative Strompreise am Markt
Gebotsmenge, sondern nur zu einem für alle Gebote glei-         spiegeln daher die Inflexibilität von Stromerzeugern und
chen Anteil abhängig von der Nachfragemenge aufgeteilt          Stromverbrauchern wider.
werden. In solchen Situationen können Anbieter nur eine
Teilmenge verkaufen, was insbesondere für Kraftwerks-           2.2.	Wirkung EEG-vergüteter Strommengen
betreiber zu einer größeren Unsicherheit über die Höhe der            auf negative Strompreise
verkauften Menge und somit der Kraftwerkseinsatzpla-
nung führte. Denn Kraftwerke werden in der Regel nur an         Durch den Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien nach
bestimmten Betriebspunkten mit einer durch das Anlagen-         § 8 Absatz 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG, 2012)
design festgelegten Stromeinspeiseleistung betrieben. Seit      ist auch der Strom aus Erneuerbaren Energien gewisser-
der Einführung negativer Strompreise sind Situationen mit       maßen inflexibel, da er vorrangig vor Strom aus ande-
einer Prorata-Zuteilung nicht mehr aufgetreten. Dies wäre       ren Energieträgern abgenommen, übertragen und verteilt
nur bei Strompreisen an den heutigen systemisch gesetz-         werden soll. Gemäß § 2 Ausgleichsmechanismusverord-
ten Preisgrenzen der Day-ahead-Auktion von plus bezie-          nung (­AusglMechV) sind die Übertragungsnetzbetreiber
hungsweise minus 3.000,00 Euro/MWh der Fall.                    verpflichtet, den von ihnen abgenommenen EEG-Strom
                                                                in der börslichen Day-ahead-Auktion oder im börslichen
Während positive Preisgebote auf der Angebotsseite die          Intraday-Handel zu vermarkten. Um dabei den vorran-
Rangfolge des Kraftwerkseinsatzes gemäß den kurzfris-           gigen Verkauf des Stroms an der Börse zu gewährleisten,
tigen Kosten der Stromerzeugung bestimmen, können mit           verpflichtet § 1 Absatz 1 Ausgleichsmechanismus-Ausfüh-
negativen Strompreisen zudem die Abschaltkosten in den          rungsverordnung (AusglMechAV) die Übertragungsnetz-
Geboten weitreichender berücksichtigt werden. Dem-              betreiber dazu, Gebote zum Verkauf des Stroms nur unlimi-
entsprechend geben niedrig positive oder negative Ge-           tiert, das heißt zum niedrigsten Preis, der derzeit bei minus
botspreise auf der Angebotsseite eine Rangfolge für die         3.000,0 Euro/MWh (Gebotslimits haben nur eine Nach-
Abschaltung von Kraftwerken bei nicht ausreichender             kommastelle) liegt, in die Day-ahead-Auktion einzustel-
Nachfrage vor.                                                  len. Im ungünstigsten Fall, der bisher nicht vorgekommen
                                                                ist, müssen dann die Übertragungsnetzbetreiber für die
                                                                Abnahme des Stroms 3.000,00 Euro/MWh an die Käufer

18
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

  Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie
  Wind- und Solarstromprognose in der Weihnachtszeit 2012                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Abbildung 2.3
    Wind- und Solarstromprognose bzw. Gebotsmengen der EPEX-Auktion in MW

                                                                            35.000

                                                                            30.000

                                                                            25.000

                                                                            20.000

                                                                            15.000

                                                                            10.000

                                                                            5.000

                                                                                 0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           30.12.2012 12 h
                                                                                                                                         20.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             26.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     28.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        29.12.2012 12 h
                                                                                                                                                                                                                                                                                      24.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          25.12.2012 12 h
                                                                                                                                                                                                                22.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                   23.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  27.12.2012 12 h
                                                                                                      19.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          30.12.2012 0 h
                                                                                                                        20.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                             21.12.2012 12 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            26.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    28.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       29.12.2012 0 h
                                                                                                                                                                                                                                                                     24.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                         25.12.2012 0 h
                                                                                                                                                                                               22.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                                                                                  23.12.2012 0 h

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 27.12.2012 0 h
                                                                                     19.12.2012 0 h

                                                                                                                                                           21.12.2012 0 h

                                                                                       Gebotsmenge im Preisintervall in €/MWh:
                                                                                                      -500 bis -350                                                         -350 bis -150                                                     -150 bis -100                                                   -100 bis 0                                                       Summe aus Wind- und Solarstromprognose

  Eigene Auswertung mit Daten von EEX und Power2Sim

bezahlen. Dadurch würde jedoch das EEG-Konto immens                                                                                                                                                                                                                                                     Abbildung 2.3 stellt die preislimitierten Gebotsmengen in
belastet. Deshalb erlaubt § 8 AusglMechAV eine Preisli-                                                                                                                                                                                                                                                 der Day-ahead-Auktion in Preisintervallen zwischen mi-
mitierung in Ausnahmefällen. Wenn sich nämlich bei der                                                                                                                                                                                                                                                  nus 500 und 0 Euro/MWh dar. Zudem zeigt Abbildung 2.3
ersten Berechnung der Auktionsergebnisse ein Preis klei-                                                                                                                                                                                                                                                die Prognose für die Wind- und Solarstromeinspeisung.
ner als minus 350,00 Euro/MWh ergeben würde, ruft die                                                                                                                                                                                                                                                   Die Mengen, die preisunlimitiert geboten werden, sind
Börse zu einer zweiten Auktion auf, in der die Teilnehmer                                                                                                                                                                                                                                               nicht dargestellt. Am 25. und 26. Dezember 2012 sind durch
ihre Gebote noch einmal abändern können. In dieser zwei-                                                                                                                                                                                                                                                entsprechend größere Gebotsmengen deutlich die Ausnah-
ten Auktion dürfen die Übertragungsnetzbetreiber dann
limitiert im Preisintervall von minus 350 Euro/MWh und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Bezogen auf die Stunden mit negativen Strompreisen trat die
minus 150 Euro/MWh anbieten.6                                                                                                                                                                                                                                                                                   Ausnahmesituation jedoch in über zehn Prozent der Fälle auf,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                nämlich in insgesamt 15 Stunden von 120 Stunden mit ne-
6 Im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2013                                                                                                                                                                                                                                                          gativen Strompreisen in diesem Zeitraum. Dieser Anteil von
  ist die beschriebene Ausnahmesituation, in der die                                                                                                                                                                                                                                                            Ausnahmesituationen an den Stunden mit negativen Strompreisen
  Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Mengen preislimitiert ge-                                                                                                                                                                                                                                                   kann als Indikator dafür dienen, ob die Übertragungsnetzbetreiber
  boten haben, zwar nur an drei Tagen aufgetreten, nämlich am 5.                                                                                                                                                                                                                                                mit ihren Geboten für die EEG-Mengen strompreisbestimmend
  Januar 2012 sowie am 25./26. Dezember 2012 (50Hertz 2013).                                                                                                                                                                                                                                                    sind.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             19
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

mefälle zu sehen, in denen die Übertragungsnetzbetrei-
ber die zu vermarktenden EEG-Mengen preislimitiert im
Intervall zwischen minus 350 und minus 150 Euro/MWh
anbieten.

In den Ausnahmefällen müssen die Übertragungsnetzbe-
treiber die gesamte Gebotsmenge in zehn gleiche Lose auf-
teilen. Die Gebotspreise müssen innerhalb des genannten
Intervalls mit einem Zufallsverfahren bestimmt werden,
damit andere Marktteilnehmer nicht gegen vorher be-
kannte Preislimits bieten und diese ausreizen können. Soll-
ten EEG-Strommengen aufgrund der Limitierung nicht ab-
genommen werden, müssen die Übertragungsnetzbetreiber
diese Mengen im Intraday-Handel veräußern.

De facto führt der beschriebene Mechanismus dazu, dass
die Day-ahead-Preise – unter Ausnahme von extremen Si-
tuationen – mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr un-
ter minus 350,00 Euro/MWh fallen werden.

20
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

3.      Ziel und Methodik

Bei Betrachtung der Stunden negativer Day-ahead-Preise         Diese Erklärungsansätze wurden zunächst auf allgemei-
an der EEX/EPEX Spot zeigt sich, dass trotz negativer Preise   ner Ebene untersucht. Für den Zeitraum Januar 2012 bis
eine signifikante Produktion aus konventionellen Kraft-        Dezember 2013 wurden die wesentlichen Tage mit signi-
werken stattfand. Dies wird in den folgenden Kapiteln an-      fikanten negativen Stundenpreisen zur Überprüfung und
hand ausgewählter Beispieltage beschrieben. Zudem traten       Illustration der erarbeiteten Thesen untersucht, sofern die
auch viele Stunden auf, deren Preise zwar positiv waren,       Datenlage dies ermöglichte. Diese Tage sind:
aber mit Beträgen zwischen null Euro/MWh und zehn Euro/
MWh unterhalb der kurzfristigen Grenzkosten aller nuk-         →→ Donnerstag, 5. Januar 2012;
learen und konventionellen thermischen Kraftwerke la-          →→ Dienstag (1. Weihnachtsfeiertag), 25. Dezember 2012;
gen. Insofern stellt sich die Frage, warum diese Kraftwerke    →→ Mittwoch (2. Weihnachtsfeiertag), 26. Dezember 2012;
trotzdem Strom produziert haben.                               →→ Sonntag, 24. März 2013;
                                                               →→ Sonntag, 16. Juni 2013 und
Zur Erklärung dieses Phänomens wurden im Rahmen die-           →→ Sonntag, 22., bis Dienstag (Heiligabend),
ser Studie folgende Erklärungsansätze untersucht:                 24. Dezember 2013.

→→ Untersuchung der kurzfristigen Grenzkosten insbeson-        Die Analyseergebnisse und Schlussfolgerungen wurden im
   dere unter Einbeziehung der An- und Abfahrkosten            Rahmen einer breit angelegten und anonymen Befragung
→→ Auktionierungsverfahren in der Day-ahead-Auktion an         von Akteuren der Energiewirtschaft wie konventionellen
   der EPEX Spot                                               Kraftwerksbetreibern, Direktvermarktern Erneuerbarer
→→ notwendige Betriebskapazitäten und Netzeinspeisung          Energien, Betreibern von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen,
   zur Systemstabilität des Stromnetzes                        Stromhändlern, Netzbetreibern und Wissenschaftlern an-
→→ notwendige Netzeinspeisung aus Kraftwerken mit Kraft-       derer Institute erörtert und abgeglichen. Die Erkenntnisse
   Wärme-Kopplung zur Wärmebereitstellung                      daraus sind in diese Studie eingeflossen.
→→ mögliche regulatorische Hemmnisse – auch verursacht
   durch das Strommarktdesign
→→ Betrachtung des Day-ahead-Marktes und der zugehöri-
   gen Gebotskurven unter Beachtung der für das Auftreten
   negativer Preise relevanten Verfahrensrahmenbedin-
   gungen

                                                                                                                         21
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

22
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen

4. Mögliche Erklärungsansätze

Zur Untersuchung möglicher Erklärungsansätze resultie-       4.1. Kurzfristige Grenzkosten
rend aus Grenzkosten müssen diese unter Berücksichti-
gung von An- und Abfahrkosten für die verschiedenen          4.1.1 Kernkraftwerke
Kraftwerkstypen ermittelt werden. Im Einzelnen sind          Zur Ermittlung der Grenzkosten von Kernkraftwerken
dies die für die Untersuchungen relevanten Kernkraft-        muss auf Literaturwerte zurückgegriffen werden, da die
werke, Braunkohlekraftwerke, Steinkohlekraftwerke und        Brennstoffkosten für diesen Kraftwerkstyp einer durch-
Gas-und–Dampf-Kraftwerke (GuD). Zunächst werden die          aus komplexeren Berechnung bedürfen. Wagner (2002)
Grenzkosten, also vor allem die Kosten für Brennstoffe und   ermittelten für Kernkraftwerke Brennstoffkosten in Höhe
Emissionszertifikate, für Kernkraftwerke und konventio-      von 5,30 Euro/MWh, der Bericht des Bundeskartellamtes
nelle Kraftwerke bei Betrieb auf Nennleistung und auf Mi-    (2011) zeigt einen Wert von ungefähr fünf Euro/MWh, in
nimalleistung ermittelt. Anschließend werden die Kosten      dieser Studie wurden fünf Euro/MWh als Brennstoffkosten
für An- und Abfahrvorgänge zusätzlich abgeschätzt. Da die    angesetzt. Dazu müssen ferner die Kosten für die seit 2010
Kosten für An- und Abfahrvorgänge bei kurzzeitig auftre-     existierende Kernbrennstoffsteuer hinzuaddiert werden.
tenden negativen Preisen die Grenzkosten deutlich über-      Da nur Brennelemente, die seit Einführung dieser Steuer
steigen, ist eine Grobabschätzung der Letzteren ausrei-      in ein Kernkraftwerk eingebracht wurden, tatsächlich be-
chend. Eine detailliertere Berechnung führt hier zu keinem   steuert werden, gibt es möglicherweise in den Kernkraft-
signifikanten Zusatznutzen.                                  werken noch unbesteuerte Brennelemente. Nichtsdesto-
                                                             trotz sind die Aufschläge durch die Kernbrennstoffsteuer
                                                             für alle Brennelemente anzusetzen, da der Ersatz für diese
                                                             später abgebrannten Brennelemente mit dieser Steuer be-
                                                             legt ist. Haucap (2012) ermittelt hierfür Kosten in Höhe von

 Dynamische Merkmale konventioneller thermischer Kraftwerke                                                    Tabelle 4.1

                                                                                          Wirkungs-        Leistungs-
                             Anfahrts-    Mindest-    Mindeststill-     Mindestbe-
 Kraftwerkstyp                                                                            gradverlust      änderungs-
                             zeit         leistung    standszeit        triebszeit
                                                                                          bei Pmin         geschw.

                             h            %           H                 h                 %-Punkte         %/min.

 Erdgas GT                   0            20          0                 1                 22               20

 Ergas Kombi                 1            33          2                 4                 11               6

 Erdgas DT                   1            38          2                 4                 6                6

 Steinkohlen DT              2            38          2                 4                 6                4

 Braunkohlen DT              2            40          6                 6                 5                3

 Hundt et al. (2009)

                                                                                                                         23
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