Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen - ANALYSE Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen - und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz
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Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen – und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz ANALYSE
Negative Strompreise Ursachen und Wirkungen Impressum analyse Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Eine Analyse der aktuellen Entwicklungen – und ein Vorschlag für ein Flexibilitätsgesetz Erstellt im auftrag von Agora Energiewende Rosenstraße 2 | 10178 Berlin Projektleitung: Dr. Patrick Graichen Ansprechpartner: Dr. Thies F. Clausen thies.clausen@agora-energiewende.de Autoren Philipp Götz Dr. Johannes Henkel Thorsten Lenck Dr. Konstantin Lenz Energy Brainpool GmbH & Co. KG Heylstraße 33 | 10825 Berlin Satz: Maren Rabe, www.marenrabe.com Lydia Glienke Korrektorat: infotext GbR, Berlin Titelbild: James Thew @ Fotolia.com 035/01-A-2014/DE Korrigierte Version Veröffentlichung: Juni 2014
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, im vergangenen Jahr ist es an der Strombörse immer wieder Insofern stellt sich die Frage, welche anderen Faktoren zu negativen Strompreisen gekommen. Dies bedeutet, dass die negativen Preise erklären können. Wir haben Energy in diesen Stunden Stromproduzenten dafür Geld bezahlt Brainpool daher beauftragt, diese Frage genauer zu un- haben, dass Verbraucher ihnen den Strom abgekauft haben. tersuchen – und die Antwort halten Sie in Ihren Händen. Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 war dies an Hierbei sind interessante und auch überraschende Ergeb- genau 97 Stunden der Fall, mit einem durchschnittlichen nisse zu Tage getreten. Kurz zusammengefasst ist die Ur- negativen Preis von minus 41 Euro je Megawattstunde. sache in der mangelnden Flexibilität des Stromsystems zu Auch in den ersten Monaten des Jahres 2014 ist diese Situ- suchen. Da diese mangelnde Flexibilität die Verbraucher in ation schon mehrfach aufgetreten, verstärkt auch tagsüber. Form einer höheren EEG-Umlage belastet, besteht Hand- Landläufig werden negative Strompreise auf ein Über- lungsbedarf auch auf regulatorischer Seite, um die Flexibi- angebot an Strom aus Erneuerbaren Energien zurückge- lität zu befördern. führt. Der Blick auf 2013 zeigt jedoch, dass der Erneuer- baren-Anteil an der Stromerzeugung in keiner Stunde die Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! 65 %-Marke überschritten hat – mithin die Erneuerbaren Ihr Patrick Graichen Energien nie mehr Strom produziert haben als zeitgleich Direktor Agora Energiewende verbraucht wurde. Die Ergebnisse auf einen Blick Negative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie belasten aber die EEG-Umlage erheblich. Denn auch 1. in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Erneuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet. Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto mit knapp 90 Mio. Euro belastet. Negative Strompreise haben ihre Ursache in der mangelnden Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks. In Zeiten hoher Wind- und Solarstromproduktion haben Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und KWK- 2. Anlagen ihre Erzeugung nur teilweise reduziert, sodass es – obwohl die Erneuerbaren Energien in den Spitzenstunden nie mehr als 65 % des Stroms produziert haben – zu Stromüberschüssen kam. Ohne eine deutliche Flexibilisierung von Kraftwerken und Großverbrauchern werden die Stunden mit nega- tiven Strompreisen drastisch zunehmen. Wenn auch weiterhin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke 3. rund um die Uhr Strom produzieren, wird die Zahl negativer Strompreise von 64 Stunden im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen. Mit einem Flexibilitätsgesetz sollten zügig bestehende Flexibilitäts-Hemmnisse abgebaut werden. Derzeit 4. verhindern verschiedene Regeln im Bereich der Systemdienstleistungen sowie im Energierecht eine größere Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks und der Stromnachfrageseite. 1
Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen Kraftwerke, den aktuellen Regelungen für die Bereitstel- für Entscheidungsträger von Agora Energie- lung von Systemdienstleistungen sowie dem Gebotsdesign wende an der EPEX. 1. N egative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie Da inzwischen ein großer Teil der Windenergieanlagen belasten aber die EEG-Umlage erheblich. in der Direktvermarktung ist, werden diese bei negativen Preisen ab etwa minus 65 Euro/MWh in ihrer Strompro- Negative Preise am Strommarkt sind die konsequente duktion abgeregelt. In den Zeiten negativer Preise herrscht Weiterführung des marktwirtschaftlichen Prinzips, dass insofern eine Stromüberschuss-Situation aufgrund der Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Negative 20–25 GW inflexiblen konventionellen Kraftwerke – mit Strompreise erhöhen die Anreize für Kraftwerksbetreiber der Folge, dass erneuerbarer Strom, der zu Grenzkosten von und Stromnachfrager, ihre Anlagen zu flexibilisieren und Null zur Verfügung stünde, abgeregelt wird. sind insofern grundsätzlich ein gutes Steuerungssignal. Allerdings haben negative Preise am Spotmarkt eine erheb- 3. O hne eine deutliche Flexibilisierung von konventionellen liche Belastungswirkung für die EEG-Umlage. Denn auch Kraftwerken und der Stromnachfrage werden die Stun- in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Er- den mit negativen Strompreisen drastisch zunehmen. neuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet. Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto Im Jahr 2022 wird die Zahl der Stunden, in denen die Er- mit knapp 90 Mio. Euro belastet. Bei steigenden Antei- neuerbaren Energien 65 % und mehr der Last abdecken, len der Erneuerbaren Energien kann diese Summe schnell nach Berechnungen von Energy Brainpool auf etwa 1.200 deutlich größer werden. steigen. Der Anteil von 65 % entspricht in etwa dem Anteil, den die erneuerbaren Energien in den Stunden mit nega- 2. Negative Strompreise haben ihre Ursache nicht in einem tiven Strompreisen 2013 hatten. Wenn also auch weiter- Überschuss an Erneuerbaren Energien, sondern in der hin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke inflexibel mangelnden Flexibilität von Kernkraftwerken, Braun- sind, d. h. rund um die Uhr Strom produzieren, und auch kohle-Kraftwerken und KWK-Anlagen. die Stromnachfrage nicht entsprechend flexibel reagiert, wird die Zahl negativer Strompreise von etwa 65 Stunden Die Analyse der 97 Stunden mit negativen Strompreisen im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen. Dies zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 zeigt, dass in hätte zur Folge, dass zum einen hohe Mengen an Erneuer- diesen Stunden der Erneuerbaren-Anteil selbst bei Stark- baren Energien, die in der Direktvermarktung sind, abge- wind bzw. hoher Solarstromproduktion zu keinem Zeit- regelt würden. Zum anderen würde die EEG-Umlage deut- punkt mehr als 65 % des Stromverbrauchs ausgemacht hat. lich ansteigen, da die Übertragungsnetzbetreiber negative In diesen Zeiten wurden, wie man es betriebswirtschaft- Verkaufserlöse bei der Vermarktung der Erneuerbaren- lich erwarten würde, Gas- und Steinkohlekraftwerke in Energien-Strommengen in diesen Stunden hätten und es zu ihrer Stromproduktion auf nahe Null gedrosselt. Die Kern- steigenden Differenzenkosten bei den Erneuerbare–Ener- kraftwerke haben jedoch auch in Zeiten negativer Preise gien-Anlagen käme, die in der Direktvermarktung sind. ihre Leistung nur um 35 % reduziert, bei den Braunkoh- Beides ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ineffizient. lekraftwerken lag dieser Wert bei 50–60 %. Zudem haben wärmegeführte KWK-Anlagen weiterhin Strom produziert. Im Ergebnis waren immer 20–25 GW konventionelle Kraft- werke am Stromnetz. Die Ursachen hierfür liegen u. a. in den betriebswirtschaftlichen An- und Abfahrkosten dieser 2
Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen 4. D ie mangelnde Flexibilität hat auch regulatorische Ur- Diese Must-Run-Leistung kann reduziert werden, wenn sachen. Mit einem Flexibilitätsgesetz sollten zügig be- eine stärkere betriebswirtschaftliche Optimierung zwi- stehende Flexibilitäts-Hemmnisse abgebaut werden. schen flexiblen und inflexiblen Kraftwerken stattfindet, in dem die Ausschreibungs- und Bereitstellungszeit- Derzeit verhindern verschiedene Regeln eine größere räume für Regelleistung so verkürzt werden, dass eine F lexibilität des konventionellen Kraftwerksparks und der Optimierung mit den Geboten am Day-Ahead-Spotmarkt Stromnachfrageseite – und sind so ein Teil der Ursache erfolgen kann. der negativen Strompreise. In einem kurzfristig auszuar- →→ Erneuerbare Energien in den Markt der Regelleistung beitenden Artikelgesetz bzw. durch eine Überarbeitung integrieren: Die Präqualifikationsbedingungen für die der entsprechenden Regularien für Systemdienstleis- Teilnahme an den verschiedenen Regelleistungsmärkten tungen sollten diese Regelungen geändert werden, damit müssen so angepasst werden, dass Erneuerbare Ener- die Marktakteure ihre Flexibilitätspotenziale entfalten gien daran teilnehmen können und so in Konkurrenz zu können. den fossilen Kraftwerken treten können. Damit direkt vermarktete Wind- und PV-Anlagen an den Regelleis- Zu einem solchen Flexibilitätsgesetz sollte u. a. gehören: tungsmärkten teilnehmen können, ist zudem die unter ii) genannte Verkürzung der Ausschreibungs- und Bereit- A. Wettbewerb um Systemdienstleistungen modernisieren stellungszeiträume notwendig. Der Regelleistungsmarkt führt zu einem hohen Anteil an →→ Blindleistung must-run-frei beschaffen: Die Netzbe- konventioneller Must-Run-Leistung, da Kraftwerke, die treiber sollten verpflichtet werden, die für die Stabili- zur Regelleistungsbereitstellung vertraglich verpflichtet tät des Stromnetzes notwendige Blindleistung vorran- wurden, rund um die Uhr laufen müssen, um im Bedarfsfall gig must-run-frei zu beschaffen. Dazu können sie u. a. ihre Erzeugung kurzfristig zu reduzieren (negative Regel- Blindleistung aus Erneuerbaren Energien und aus Netz- energie) oder zu erhöhen (positive Regelenergie). Es gilt da- betriebsmitteln (z. B. Blindleistungskompensatoren oder her vordringlich, diesen zu reformieren, u. a. durch Phasenschiebergeneratoren) nutzen. →→ Stärkung des Ausgleichsenergiepreissystems: Ein gro- ßer Teil der Bilanzkreisverantwortlichen optimiert B. K WK-Anlagen flexibilisieren und Power-to-Heat seine Bilanzkreise noch nicht im Intraday-Handel, da ermöglichen die Kosten für die Ausgleichsenergie bei Bilanzkreisab- →→ Wärmespeicher fördern: Die Stromproduktion aus KWK- weichungen relativ gering ausfallen. Dies führt zu einem Anlagen kann flexibilisiert werden, wenn KWK-Anlagen erhöhten Regelleistungsbedarf – und erhöht somit auch mit Wärmespeichern ausgerüstet sind. So können sie den die Must-Run-Kapazitäten konventioneller Kraftwerke. Wärmespeicher dann füllen, wenn die Strompreise an Eine Erhöhung der Kosten für benötigte Ausgleichsener- der Börse hoch sind – und die Wärmekunden in Zeiten gie, beispielsweise durch Einbezug der Kosten für die niedriger Strompreise mit Wärme aus dem Speicher ver- Vorhalteleistung oder durch die Einführung administra- sorgen, ohne dann Strom produzieren zu müssen. tiver Pönalen würde den kurzfristigen Intraday-Handel →→ KWK-Eigenverbrauch mit Börsenstrompreis synchro- stärken und den Regelleistungsbedarf senken. nisieren: Viele Betreiber industrieller KWK-Anlagen →→ Ausschreibungs- und Bereitstellungszeiträume für Re- können etwaige Vorteile aus Situationen mit negativen gelenergie verkürzen: Derzeit werden die Ausschreibun- Strompreisen nicht nutzen, weil die Entgelt- und Abga- gen für die Regelleistungen mit einem Vorlauf von 5 bis benbefreiungen für Eigenverbrauch dieses Signal ver- 12 Tagen vor Leistungserbringung durchgeführt – mit- zerren. Die Ausnahmeregeln sollten daher so angepasst hin viel zu früh, um mit Hilfe von Wetterprognosen die werden, dass auch diese Anlagen ihre Produktion am Wind- und Solarstromproduktion (und damit die Spot- Spotmarkt ausrichten und in Zeiten negativer Preise die marktpreise) zu diesem Zeitpunkt zu prognostizieren. 3
Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen eigene Produktion stoppen und stattdessen den Über- D. D ie Nachfrage flexibler gestalten – Lastmanagement schussstrom von der Börse beziehen. ermöglichen →→ Power-to-Heat bei negativen Strompreisen ermöglichen: →→ Selbst bei negativen Börsenpreisen gibt es aufgrund der In Zeiten von negativen Strompreisen ist es darüber hi- zusätzlich zu zahlenden Abgaben, Netzentgelte, EEG- naus sinnvoll, wenn die KWK-Anlagen ihren Wärmebe- Umlage und Stromsteuer nur geringe Anreize, die Nach- darf über Elektrodenheizkessel („Tauchsieder“) decken frage in diese Zeiten zu verlagern (Lastverschiebung). und so zusätzlichen Strom verbrauchen. So wird ver- →→ Netzentgeltstruktur für Großverbraucher reformieren: hindert, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen im Rah- Die Netzentgelte sollten den Anreizen des Börsenpreis- men der Direktvermarktung abgeregelt werden, d. h. es signals mindestens nicht zuwiderlaufen, ggf. diese sogar wird ansonsten abgeregelter erneuerbarer Strom sinnvoll verstärken, um Lastmanagement rentabel zu machen. verwendet und die EEG-Umlage für alle Stromkunden So sollten sich die Netzentgelte bei leistungsgemessenen reduziert. Hierfür müssten Power-to-Heat-Anlagen in Industrie- und Gewerbekunden nicht erhöhen, wenn Zeiten negativer Strompreise allerdings von der Zahlung diese ihre Nachfrage in Zeiten niedriger oder negativer der EEG-Umlage befreit werden, da sie sonst nicht zum Börsenstrompreise erhöhen. Zudem sollte die Netzentgel- Zuge kämen. treduktion für Großverbraucher zukünftig nicht mehr an die Bedingung eines gleichmäßigen Netzbezugs, sondern C. EEG-Umlage-Struktur reformieren und vielmehr an die Fähigkeit zur flexiblen Stromabnahme Erneuerbare-Energien-Anlagen flexibilisieren geknüpft werden. →→ Dynamische EEG-Umlage: Die EEG-Umlage verzerrt das →→ Spotmarkttarife für Endkunden ermöglichen: Bisher ist Börsenpreissignal, das beim Endkunden ankommt, mas- es jenseits von Großverbrauchern für mittlere und klei- siv – und verhindert so eine flexibleres Verhalten von nere Kunden nicht möglich, ihren Verbrauch anhand des Stromnachfragern und Eigenerzeugern. Wenn die EEG- Spotmarktpreissignals zu optimieren. Die zunehmende Umlage dynamisch an den Börsenstrompreis gekoppelt Verbreitung von Smart Metern würde es jedoch auch wird, ist genau das Gegenteil der Fall – und Flexibili- mittleren und kleineren Endkunden ermöglichen, dies zu tät wird belohnt. Während sich für die meisten Kunden tun. Die entsprechenden Regelungen sind so zu gestal- nichts ändern würde, da die durchschnittliche EEG-Um- ten, dass das im Energiewirtschaftsgesetz festgehaltene lage konstant bliebe, könnten flexible Stromnachfrager Pflichtangebot eines flexiblen Tarifs wirtschaftlich zu- ihre EEG-Umlagebelastung reduzieren. Zudem würden mutbar wird, insbesondere durch Abschaffung von damit Eigenerzeuger in Zeiten von sehr niedrigen oder sogar verbundenen Zusatzkosten. negativen Strompreisen ihre Stromproduktion reduzie- ren und stattdessen Strom aus dem Netz beziehen. →→ Biomasse flexibilisieren und stromgeführt betreiben: Biomasseanlagen produzieren derzeit fast rund um die Uhr, sie haben ähnlich hohe Volllaststunden wie Braun- kohlekraftwerke. In Zukunft sollten Biomasseanlagen deutlich flexibler betrieben werden, d. h. die Volllast- stunden sollten reduziert werden und die Produkti- onszeiten an das Börsen-Strompreissignal angepasst werden. 4
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Inhalt 1 Zusammenfassung 11 1.1 Erklärungsansätze für die negativen Preise 2012 und 2013 11 1.2 Die weitere Entwicklung im Bereich negativer Preise 12 1.3 Handlungsempfehlungen 13 2 Einleitung und Fragestellung 15 2.1 Eine kurze Historie negativer Strompreise in Deutschland 16 2.2 Wirkung EEG-vergüteter Strommengen auf negative Strompreise 18 3 Ziel und Methodik 21 4 Mögliche Erklärungsansätze 23 4.1 Kurzfristige Grenzkosten 23 4.2 Kosten für An- und Abfahrvorgänge24 4.3 Auktionierungsverfahren am Day-ahead-Markt der EPEX Spot27 4.4 Zur Systemstabilität notwendige Kapazitäten28 4.5 Erzeugung aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung30 4.6 Hemmnisse durch EE-Strom am Residualmarkt31 4.7 Operative und technische Hemmnisse32 5 Untersuchung ausgewählter Tage mit negativen Strompreisen 43 5.1 Verwendete Datenquellen 43 5.2 Die Situation an den Weihnachtsfeiertagen 2012 44 5.3 Der 5. Januar 2012 50 5.4 Die Situation am 24. März 2013 50 5.5 Die Situation am 16. Juni 2013 55 5.6 Die Situation in der Vorweihnachtszeit 2013 (22. bis 24. Dezember 2013) 59 5.7 Zwischenfazit 62 6 Negative Strompreise und Erneuerbare Energien 65 6.1 Kosten für das EEG-System 65 6.2 Abregelung Erneuerbarer Energien bei negativen Strompreisen 66 7 Schlussfolgerungen und Ausblick 71 8 Quellenverzeichnis 78 1 7
Verzeichnisse Abbildungsverzeichnis Abbildung 2.1: Häufigkeit von Null- oder negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion16 Abbildung 2.2: Auswertung von Stunden mit negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion17 Abbildung 2.3: Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie Wind- und Solarstromprognose in der Weihnachtszeit 2012 19 Abbildung 4.1: Grenzspotpreise bei Verteilung der vermiedenen Ab- und Wiederanfahrkosten auf eine unterschiedliche Anzahl von Stunden unterhalb der Grenzkosten bei Reduktion auf Minimallast unter Vernachlässigung technisch realisierbarer An- und Abfahrzeiten 27 Abbildung 4.2: Mittlere Ausgleichsenergiepreise (reBAP) für die Viertelstunden eines Tages im Zeitraum 1. Dezember 2012 bis 30. November 2013 38 Abbildung 5.1: Windenergieerzeugung und Day-ahead-Preise am 25. und 26. Dezember 2012 45 Abbildung 5.2: Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 25. und 26. Dezember 2012 Quellen: ENTSO-E und EEX 45 Abbildung 5.3: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle und Kernkraft am 25. und 26. Dezember 2012 46 Abbildung 5.4: Prognose am Vortag und Online-Hochrechnung der Übertragungsnetzbetreiber zur Einspeisung von Wind- und Photovoltaikstrom am 25. Dezember 2013 46 Abbildung 5.5: Preisverlauf am EPEX-Intraday-Markt für ausgewählte Handelsstunden am 25. Dezember 2012 47 Abbildung 5.6: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Steinkohle und Erdgas am 25. und 26. Dezember 2012 47 Abbildung 5.7: Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas am 25. und 26. Dezember 2012. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt. 48 Abbildung 5.8: Auktionskurve der EPEX für den 25. Dezember 2012, Stunde drei, Market Clearing Price (MCP) = -221,99 Euro/MWh, gehandeltes Volumen 29.999 MWh 48 Abbildung 5.9: Vergleich der Stundenpreise im EPEX-Day-ahead-Markt und der maximalen, minimalen und gewichteten Durchschnittspreise im EPEX-Spot-Intraday-Markt am 25. und 26. Dezember 2012 49 Abbildung 5.10: Erzeugung aus Windkraftanlagen und Day-ahead-Preise am 5. Januar 2012 51 Abbildung 5.11: Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 5. Januar 2012. Quellen: ENTSO-E und EEX 51 Abbildung 5.12: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle und Kernkraft am 5. Januar 2012 52 Abbildung 5.13: Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas am 5. Januar 2012. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt. 52 Abbildung 5.14: Erzeugung aus Windkraftanlagen und Photovoltaiksystemen und Day-ahead-Preise am 24. März 2013 53 Abbildung 5.15: Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 24. März 2013, Quellen: ENTSO-E und EEX 53 Abbildung 5.16: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle und Kernkraft am 24. März 2013 54 Abbildung 5.17: Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas am 24. März 2013. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt. 55 8
Verzeichnisse Abbildung 5.18: Erzeugung aus Windkraftanlagen und Photovoltaiksystemen und Day-ahead-Preise am 16. Juni 2013 56 Abbildung 5.19: Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern am 16. Juni 2013, Quellen: ENTSO-E und EEX 56 Abbildung 5.20: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle und Kernkraft am 16. Juni 2013 57 Abbildung 5.21: Day-ahead-Strompreise in Deutschland und ausgewählten verbundenen Staaten am 16. Juni 2013 57 Abbildung 5.22: Windenergieerzeugung und Day-ahead-Preise im Zeitraum vom 22. bis 24. Dezember 2013 60 Abbildung 5.23: Erzeugung aus den unterschiedlichen Primärenergieträgern vom 22. bis 24. Dezember 2013, Datenquellen: ENTSO-E, EEX 60 Abbildung 5.24: Verhältnis von Erzeugung und verfügbarer Kapazität für die Erzeugung aus Braunkohle und Kernkraft vom 22. bis 24. Dezember 2013 61 Abbildung 5.25: Gesamtproduktion aus Kernenergie, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas vom 22. bis 24. Dezember 2013. Mögliche Produktion aus nicht erklärten Mengen wurde nicht berücksichtigt. 61 Abbildung 6.1 Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie Wind- und Solarstromprognosein der Weihnachtszeit 2013 67 Abbildung 6.2: Gleitende Monatsdurchschnitte der Gebotsmengen in negativen Preisintervallen der EPEX-Day-ahead-Auktion für die Jahre 2012 und 2013 68 Tabellenverzeichnis Tabelle 4.1: Dynamische Merkmale konventioneller thermischer Kraftwerke 23 Tabelle 4.2: Ermittelte Grenzkosten für Kernkraftwerke und konventionelle thermische Kraftwerke für Nennlast und Minimallast 25 Tabelle 4.3: Ermittelte Kosten für das An- und Abfahren verschiedener konventioneller Kraftwerke 26 Tabelle 4.4: Kontrahierte Regelleistung der betrachteten Beispieltage 29 Tabelle 5.1: Flexibilität von Stromerzeugungsanlagen nach Energieträgern sowie Export am 16. Juni 2013 in Frankreich 59 9
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen 10
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen 1. Zusammenfassung An der Strombörse sind in den Jahren 2012 und 2013 wie- Zu beachten ist hierbei, dass die Datenbasis teilweise der vermehrt negative Strompreise aufgetreten. Allein Lücken im Bereich mehrerer GW aufweist, welche nicht im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 waren es erklärt werden können. 97 Stunden mit einem Durchschnitt von minus 40,97 Euro je Megawattstunde (MWh). Der bisherige Rekord im Be- Die Analyseergebnisse und Schlussfolgerungen wurden im reich der negativen Strompreise stellte sich an Heiligabend Rahmen einer breit angelegten und anonymen Befragung und Weihnachten 2012 ein, als über einen Zeitraum von 32 von Akteuren der Energiewirtschaft wie konventionellen Stunden in insgesamt 18 Stunden negative Strompreise auf- Kraftwerksbetreibern, Direktvermarktern Erneuerbarer traten mit einem Minimum von minus 221,99 Euro/MWh. Energien, Betreibern von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Stromhändlern, Netzbetreibern und Wissenschaftlern an- Negative Preise am Strommarkt sind per se nichts Negati- derer Institute erörtert und abgeglichen. Die Erkenntnisse ves, sondern die konsequente Weiterführung des markt- daraus sind in diese Studie eingeflossen. wirtschaftlichen Prinzips, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Hierdurch werden Angebot und 1.1 Erklärungsansätze für die Nachfrage auch in Angebotsüberschuss-Situationen zum negativen Preise 2012 und 2013 Ausgleich gebracht, ohne in eine Prorata-Zuteilung zu ver- fallen, die für die Marktteilnehmer in der Regel schwer kal- Zur Beantwortung der Frage, warum die konventionellen kulierbar und nur mit größerem Aufwand handhabbar ist. Kraftwerke auch in Zeiten negativer Strompreise Strom produziert haben, wurden unter anderem die folgenden Die aktuell auftretenden negativen Preise sind jedoch nicht möglichen Erklärungsansätze näher betrachtet: kurzfris- Ausdruck einer Überschusssituation von Strom aus Erneu- tige Grenzkosten der verschiedenen Kraftwerkstechnolo- erbaren Energien (EE), sondern auf mangelnde Flexibilität gien, Auktionierungsverfahren am Day-ahead-Markt der des Stromsystems zurückzuführen. Denn der Erneuerba- EPEX Spot, zur Systemstabilität notwendige Kapazitäten, ren-Anteil selbst bei Starkwind beziehungsweise bei ho- Stromerzeugung aus wärmegeführt betriebenen Kraft- her Solarstromproduktion hat bisher zu keinem Zeitpunkt Wärme-Kopplungsanlagen sowie operative, technische mehr als 65 Prozent des Stromverbrauchs ausgemacht. und regulatorische Hemmnisse. Bei Betrachtung der Stunden negativer Day-ahead-Preise Durch Heranziehen dieser Erklärungsansätze wurden an der EEX/EPEX Spot zeigt sich, dass trotz negativer Preise dann die Situationen an konkreten ausgewählten Tagen mit eine signifikante Produktion aus konventionellen Kraft- negativen Strompreisen im Detail analysiert (Kapitel 5) – werken stattfand. Dies wird anhand ausgewählter Bei- mit folgendem Ergebnis: spieltage im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2013 beschrieben. Zudem traten auch viele Stunden auf, deren →→ Negative Preise treten in Situationen auf, die durch eine Preise zwar positiv waren, aber mit Beträgen zwischen hohe Einspeisung Erneuerbarer Energien und gleichzei- null Euro/MWh und zehn Euro/MWh unterhalb der kurz- tig auftretender relativ niedriger Nachfrage geprägt sind. fristigen Grenzkosten aller nuklearen und konventionel- Die Zeiten niedriger Nachfrage betreffen insbesondere len thermischen Kraftwerke lagen. Insofern stellt sich die Sonn- und Feiertage beziehungsweise Nachtstunden. Frage, warum diese Kraftwerke trotzdem Strom produziert →→ Steinkohle- und Erdgaskraftwerke weisen in den be- haben. Dies ist zugleich die zentrale Fragestellung der vor- trachteten Marktsituationen generell ein sehr niedriges liegenden Studie. Erzeugungsniveau auf, wie zu erwarten war. Sie h aben 11
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen sich insofern grundsätzlich sehr flexibel verhalten. Die →→ wärmegeführte (und somit stromseitig inflexible) Fahr- verbleibende Erzeugung aus diesen Technologien ist mit weise von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. hoher Wahrscheinlichkeit auf Restriktionen aus der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung in diesen Kraft- 1.2 Die weitere Entwicklung werken zu erklären. im Bereich negativer Preise →→ Die deutschen Kern- und Braunkohlekraftwerke re- agieren zwar in einem limitierten Bereich flexibel auf Mit zunehmendem Anteil Erneuerbarer Energien wird ins- das Auftreten negativer Preise. Auch in Zeiten negativer besondere die Stromproduktion aus Wind- und Solarener- Preise haben jedoch die Kernkraftwerke immer mit min- gie stetig zunehmen – mit der Folge, dass die Fluktuationen destens 65 Prozent ihrer verfügbaren Kapazität Strom und damit die Zahl der Stunden mit hohen Erneuerbaren- produziert, bei Braunkohlekraftwerken lag dieser Wert Anteilen ebenfalls stark zunimmt. Gemäß einer Model- bei 40 bis 50 Prozent. Dieser beobachtete flexible Bereich lierung von Energy Brainpool mit dem Fundamentalmo- der aggregierten Einspeisung stimmt grob mit dem er- dell Power2Sim wird es im Jahr 2022 – einen Ausbau der warteten technisch flexiblen Bereich dieser Kraftwerk- Erneuerbaren Energien gemäß derzeitigen Plänen voraus- stypen vor einer Komplettabschaltung überein. gesetzt – etwa 1.200 Stunden geben, in denen der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch derselben Damit lassen sich das beobachtete inflexible Verhalten des Stunde bei 65 Prozent und mehr liegt – während es nur konventionellen Kraftwerksparks und die deshalb entste- etwa 150 Stunden sind, in denen die EE-Stromproduktion henden negativen Strompreise vor allem auf folgende zent- die gesamte Last deckt. Falls das Gesamtsystem nicht deut- rale Faktoren zurückführen: lich flexibler wird, ist zu erwarten, dass negative Preise nicht mehr – wie bisher – die Ausnahme sind, sondern mit →→ mangelnde technische Flexibilität sowie relativ hohe hoher Regelmäßigkeit auftreten. Kosten für An- und Abfahrvorgänge konventioneller Kraftwerke, die einen Betrieb bei Mindesterzeugung Das Auftreten extremer negativer Preise wird jedoch in der selbst bei Preisen zwischen null und zehn Euro/MWh nächsten Zeit unwahrscheinlicher, wie Auswertungen der über 24 Stunden beziehungsweise rein kraftwerksseitig EPEX-Gebotskurven zeigen. Durch Gebote, die bei negati- bei Preisen bis minus 60 Euro/MWh in einzelnen Stun- ven Preisen limitiert sind, wird ein „Preispuffer“ vor den den wirtschaftlich rechtfertigen; extrem negativen Preisen aufgebaut. Dieser Preispuffer →→ hohe Wirkleistungseinspeisung zwischen 13 und 20 GW 1 setzt sich im Wesentlichen aus drei Preisstufen zusammen: für die Erbringung von Systemdienstleistungen, insbe- sondere für die Bereitstellung primärer Regelleistung und →→ Die „Preislimitierung in Ausnahmefällen“ nach § 8 Aus- die Vorhaltung von Blindleistung; gleichsmechanismus-Ausführungsverordnung stellt →→ signifikante Einschränkungen bei der Abgabe von Ab- de facto einen generell geltenden unteren Preiskorridor schaltgeboten, die durch das Auktionierungsverfahren zwischen minus 350 und minus 150 Euro/MWh dar. Sie am Day-ahead-Markt verursacht wurden2; ist für diejenigen EEG-Strommengen vorgegeben, die eine EEG-Einspeisevergütung erhalten und somit von den Übertragungsnetzbetreibern abgenommen, vergütet und vermarktet werden. 1 Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen und →→ Die zweite Stufe des Preispuffers bildet sich aus den di- Stromwirtschaft e. V. (2012) rektvermarkteten EEG-Strommengen im Marktprämien- 2 Mit der Einführung des North-Western Europe (NWE) Market modell und umfasst ein Preisintervall von circa minus 500 Couplings am 4. Februar 2014 wurden gleichzeitig auch Veränderungen am Auktionierungsverfahren vorgenommen, bis minus 50 Euro/MWh mit einer Häufung im Intervall wodurch diese Beschränkungen teilweise aufgehoben wurden. zwischen circa minus 150 und minus 50 E uro/MWh. 12
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen →→ Die dritte Stufe mit einem geringen Mengenanteil bilden Zur notwendigen Flexibilisierung des Stromsystems und Windstrom- und Photovoltaikanlagen in der sonstigen zur Vermeidung negativer Strompreise werden folgende Direktvermarktung in einem recht engen Preisbereich Maßnahmen zur Umsetzung beziehungsweise zur Prüfung zwischen null und knapp über null Euro/MWh. durch den Regulierer beziehungsweise durch die Netzbe- treiber vorgeschlagen: Treten zukünftig negative Preise auf, ist durch diesen Preispuffer und mit Ausnahme von Extremsituationen zu →→ Reduzierung des Must-run-Sockels konventioneller erwarten, dass sie zumeist in einem Preisintervall zwi- Kraftwerke, die Systemdienstleistungen erbringen (ins- schen 0 und minus 150 Euro/MWh liegen werden. besondere Regel- und Blindleistung), zum Beispiel durch Miteinbeziehung von Erneuerbaren Energien im Bereich Über diesen Preispuffer hinaus zeigen die Lerneffekte der Systemdienstleistungen; der Marktakteure als Reaktion auf die bisherigen negati- →→ Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes zur Redu- ven Preise bereits Wirkung. So lag die Stromerzeugung aus zierung der KWK-bedingten Must-run-Stromeinspei- konventionellen Kraftwerken an Weihnachten 2013 bereits sung; deutlich unter dem Niveau von Weihnachten 2012. →→ Stärkung des Ausgleichsenergiepreissystems zur Erhö- hung der Fahrplantreue sowie zur Stärkung des kurz- →→ Als dritter Effekt wurde mit der Einführung des North- fristigen Handels. Western Europe (NWE) Price Couplings für die Day- ahead-Märkte Nordwesteuropas am 4. Februar 2014 die Folgende Maßnahmen sollten vonseiten der Anlagenbetrei- Nutzung der Grenzkuppelkapazitäten optimiert. Hier- ber ergriffen werden: durch soll der Kraftwerkseinsatz in den betroffenen Ländern effizienter erfolgen, was sich zumeist dämpfend →→ (weitere) Flexibilisierung konventioneller sowie steuer- auf negative Strompreise auswirken sollte. Gleichzeitig barer Erneuerbarer-Energien-Anlagen zur Stromerzeu- mit der Einführung des NWE Price Couplings ist auch die gung, Preisuntergrenze in der Day-ahead-Auktion vereinheit- →→ Erbringung von Systemdienstleistungen durch Erneuer- licht worden und in Deutschland/Österreich von minus bare Energien zur Absenkung des konventionellen Must- 3.000 Euro/MWh auf minus 500 Euro/MWh herauf- run-Sockels, gesetzt worden, wodurch Preise unter minus 500 Euro/ →→ Beseitigung operativer Hemmnisse. MWh nicht mehr auftreten können. Folgende Maßnahmen sollten vonseiten der Stromvertriebe/ 1.3 Handlungsempfehlungen Lieferanten ergriffen beziehungsweise geprüft werden: Die Frage nach den Ursachen negativer Strompreise hat eine →→ Flexibilisierung der Verbrauchsseite und Einbindung von hohe Relevanz. Denn die Stunden mit negativen Stromprei- Lastverlagerungspotenzialen durch die Stromvertriebe, sen belasten die EEG-Umlage nicht unerheblich – schließ- →→ optionale Stromtarife mit Spotbepreisung für Endkun- lich wird auch der Strom aus Erneuerbaren Energien in den den, die der nur kurzfristigen Planbarkeit der Erzeugung Stunden mit negativen Preisen am Spotmarkt vermarktet. aus fluktuierenden Anlagen Rechnung tragen. An den betrachteten Tagen im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 wurde das EEG-Konto mit zusätzlich Zuvorderst sollte natürlich „nutzloser“ Stromverbrauch 86,6 Millionen Euro dadurch belastet, dass Erneuerbare (Energieverschwendung wie zum Beispiel nicht genutzte Energien zu negativen Preisen vermarktet wurden. Lichtbögen, Erdschlüsse, Stromwandlung zu Wärme, ohne dabei die Wärme zu nutzen etc.) bei negativen Preisen un- bedingt vermieden werden. Vielmehr sollen die negativen 13
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Preise und Preis-Spreads direkte Anreize zur Flexibilisie- rung des Stromsystems schaffen. Die Flexibilisierung des Stromsystems sollte dabei mit dem Ziel erfolgen, dynami- sche Effizienz zu erreichen. 14
ANALYSE | Negative Strompreise | Studie von Energy Brainpool 2. Einleitung und Fragestellung An der Strombörse sind in den Jahren 2012 und 2013 wie- piell von zusätzlichen Erlösen profitieren, wenn sie ihren der vermehrt negative Strompreise aufgetreten. Allein Stromverbrauch in die Zeiten negativer Strompreise verla- im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 waren es gern. Dies setzt eine entsprechende Vergütungsvereinba- 97 Stunden mit einem Durchschnitt von minus 40,97 Euro/ rung mit dem Stromlieferanten voraus, die bisher nur für MWh. Der bisherige Rekord im Bereich der negativen größere Industriekunden mit signifikanten Verlagerungs- Strompreise stellte sich an Heiligabend und Weihnach- möglichkeiten üblich ist. ten 2012 ein, als über einen Zeitraum von 32 Stunden in insgesamt 18 Stunden negative Strompreise auftraten mit Wenn negative Preise trotz dieser betriebswirtschaftlichen einem Minimum von minus 221,99 Euro/MWh. Rationalität bereits heute, das heißt bei weit weniger als 100 Prozent Erneuerbaren Energien, auftreten, dann muss Das negative Vorzeichen bei Preisen kehrt die übliche Zah- dies andere Gründe haben, die aber bislang noch wenig er- lungsrichtung vom Käufer an den Verkäufer einer Ware um. forscht sind. Zusätzlich zur Ware liefert bei negativen Preisen der Ver- käufer dem Käufer Geld für die Abnahme der Ware. Das Be- Die Frage nach den Ursachen negativer Strompreise hat halten der Ware wäre für den Verkäufer teurer. Die negati- eine hohe Relevanz. Denn die Stunden mit negativen ven Preise sind insofern Zeichen eines Überangebots einer Strompreisen belasten die EEG-Umlage nicht unerheb- Ware am Markt. In der Öffentlichkeit werden die negativen lich – schließlich wird auch der Strom aus Erneuerbaren Strompreise daher oft als Zeichen eines Überangebots von Energien in den Stunden mit negativen Preisen am Spot- Erneuerbaren Energien interpretiert. markt vermarktet. An den betrachteten Tagen im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 wurde das EEG-Konto Dies ist jedoch unplausibel: Da die Erneuerbaren Energien mit zusätzlich 86,6 Millionen Euro dadurch belastet, dass im Jahr 2013 einen Anteil am Stromverbrauch von etwa Erneuerbare Energien zu negativen Preisen vermarktet 25 Prozent hatten3 und der Erneuerbaren-Anteil selbst bei wurden. Zudem wird mit zunehmendem Anteil Erneuerba- Starkwind beziehungsweise bei hoher Solarstromproduk- rer Energien die Stromproduktion aus Wind- und Solar- tion zu keinem Zeitpunkt mehr als 65 Prozent des Strom- energie stetig zunehmen mit der Folge, dass die Zahl der verbrauchs ausgemacht hat4 , kann dies die aktuell auftre- Stunden mit hohen Erneuerbaren-Anteilen ebenfalls stark tenden negativen Strompreise nicht erklären. zunimmt. Nach Analysen von Energy Brainpool wird es im Jahr 2022 etwa 1.200 Stunden geben, in denen der An- Die bisher aufgetretenen negativen Strompreise sind inso- teil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch der- fern eher als Ausdruck einer mangelnden Flexibilität des selben Stunde bei 65 Prozent und mehr liegt – während es Stromsystems zu verstehen. Denn negative Strompreise nur etwa 150 Stunden sind, in denen die Stromproduktion bedeuten für die Kraftwerksbetreiber, die zu diesen Zeiten aus Erneuerbaren Energien die gesamte Last deckt. Es stellt Strom produzieren, Kosten (oder zumindest entgangene sich daher die Frage, ob negative Preise – wie bisher – die Gewinne) und erzeugen somit eigentlich einen Anreiz, die Ausnahme sind oder bald zur Regel werden. Produktion von Strom aus (konventionellen) Kraftwerken in Zeiten von hoher Wind- und/oder Solarstromproduktion zu vermeiden. Stromverbraucher können dagegen prinzi- 3 AG Energiebilanzen (2013), Werte für 2013 teilweise geschätzt 4 Eigene historische Auswertung mit Power2Sim 15
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Häufigkeit von Null- oder negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion Abbildung 2.1 80 70 60 Anzahl Stunden 50 40 30 20 ab 1.9. bis 31.8. 10 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Preis = 0 €/MWh Preis < 0 €/MWh Eigene Auswertung 2.1. Eine kurze Historie negativer schaffen, den Stromverbrauch entsprechend dem Stroman- Strompreise in Deutschland gebot zu verlagern. Stundenpreise von minimal null Euro/ MWh, wie sie vor dem 1. September 2008 existierten, Seit dem 1. September 2008 besteht in der für den Strom- waren dazu nicht ausreichend. Denn vor der Einführung markt relevanten Day-ahead-Börsenauktion an der Euro- negativer Preise in der Day-ahead-Auktion traten Situ- pean Energy Exchange (EEX) in Leipzig (heute EPEX Spot in ationen auf, in denen das preisunlimitierte Stromangebot Paris)5 die Möglichkeit, negative Preise für Strom als Ge- (damals zu 0 Euro/MWh) größer war als die Nachfrage für bote ins Handelssystem einzugeben und dementsprechend die Lieferstunde (Angebotsüberhang). Für diese Situationen auch negative Preise als Auktionsresultat zu erhalten. Der musste die Börse festlegen, welcher Verkäufer mit seinem volkswirtschaftliche Sinn dieser Maßnahme liegt darin preisunlimitierten Gebot zum Zuge kommt (zum genauen begründet, bei Überproduktion genügend große Anreize zu Verfahren siehe unten). In Abbildung 2.1 ist die Häufig- schaffen, nicht notwendige Erzeugungskapazitäten tat- keit der Stunden von null Euro/MWh (bis 31. August 2008) sächlich vom Netz zu nehmen beziehungsweise Anreize zu beziehungsweise negativer Strompreise (seit 1. Septem- ber 2008) dargestellt. 5 Die EEX Power Spot wurde zum 1. September 2009 im Zuge der Zusammenarbeit mit der französischen Powernext in die European Abbildung 2.1 zeigt, dass eine erste Welle von Null- bezie- Power Exchange (EPEX Spot) mit Sitz in Paris umgewandelt. hungsweise negativen Preisen im Zeitraum 2007 bis 2009 16
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen auftrat. Diese sind dann 2010/11 fast vollständig ver- Diagrammachse abgetragen ist die Anzahl negativer Preise schwunden und treten seit 2012 wieder häufiger auf. Die seit ihrer Einführung im Jahr 2008. Gründe für das Abflauen 2010/11 lagen zum einen darin, dass insbesondere die großen Energieversorger die Fahr- Auf der linken Diagrammachse sind ferner für die einzel- weise ihrer Kraftwerke ab 2010 konsequenter an die Preis- nen Monate jeweils der niedrigste Preis sowie der Durch- entwicklung der Strombörse angepasst haben. Zum anderen schnitt der negativen Preise dargestellt. Auch hier zeigt trug auch die Erholung vor allem des deutschen Stromver- das Jahr 2009 die signifikanteste Häufung sowie für den brauchs nach den Auswirkungen der Finanzkrise zur Ver- Liefertag 4. Oktober 2009 in der Stunde von 2 bis 3 Uhr den meidung von negativen Preisen bei. bisher niedrigsten Preis in der Day-ahead-Auktion von minus 500,02 Euro/MWh. Die höchste Anzahl von Stunden Abbildung 2.2 gibt einen detaillierteren monatlichen Über- mit negativen Preisen zeigt allerdings der Dezember 2012. blick über das Auftreten negativer Preise. Auf der rechten Diese traten vor allem an den beiden Weihnachtsfeiertagen auf. Auswertung von Stunden mit negativen Preisen in der EEX-/EPEX-Day-ahead-Auktion Abbildung 2.2 40 33 24 19 20 16 17 20 11 8 9 6 6 5 5 6 5 3 3 3 44 1 21 1 1 1 2 23 2 2 1 1 2 2 2 0 0 Preis in €/MWh Anzahl -50 -100 -150 -500,02 -199,99 -221,99 -200 Okt 2008 Jan 2009 April 2009 Jul 2009 Okt 2009 Jan 2010 Apr 2010 Jul 2010 Okt 2010 Jan 2011 April 2010 Jul 2010 Okt 2011 Jan 2012 Apr 2012 Jul 2012 Okt 2012 Jan 2013 Apr 2013 Jul 2013 Okt 2013 Jan 2014 kleinster Preis Ø negativer Preise Anzahl negativer Preise EEX 17
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Vor der Einführung negativer Preise war der niedrigste Ebenso können auf der Nachfrageseite die Kosten für eine Preis in der Day-ahead-Auktion mit 0 Euro/MWh fest- verlagerte oder gesteigerte Stromnachfrage weitreichen- gelegt, wodurch es zum oben erwähnten Angebotsüber- der in die Gebote eingepreist werden. Dies führt zu Kauf- hang kam. Vor der Einführung negativer Preise in der geboten von Strom erst bei niedrigen oder eben negativen Day-Ahead-Auktion traten Situationen auf, in denen das Strompreisen. Diese Nachfrage kann auch von Kraft- preisunlimitierte Stromangebot (damals zu 0 Euro/MWh) werksbetreibern hervorgerufen werden, die vor der Day- größer war als die Nachfrage für die Lieferstunde (An- ahead-Auktion am sogenannten Terminmarkt eine Liefer- gebotsüberhang). Für diese Situationen muss festgelegt verpflichtung eingegangen sind. Unter Einbeziehung der werden, welcher Verkäufer mit seinem preisunlimitier- Abschaltkosten kann es sich für die Betreiber lohnen, statt ten Gebot zum Zuge kommt. Aufgrund einer umgekehrten den Strom aus dem eigenen Kraftwerk zu liefern, das Kraft- Situation des Nachfrageüberhangs im Dezember 2001 für werk teilweise oder ganz herunterzufahren und den zu eine einzelne Stunde, in der durch eine zu hohe Nachfrage liefernden Strom vom Markt mit niedrigen oder negativen zum Maximalpreis kein Auktionspreis gefunden werden Strompreisen zu beziehen. konnte, führte die Börse daraufhin das sogenannte Prorata- Verfahren bei Überhangsituationen in die Day-ahead- Flexible Kraftwerke zeichnen sich durch geringe Abschalt- Auktion ein. Das bedeutet bei Angebotsüberhang, dass alle kosten aus, flexible Verbraucher durch geringe Kosten preisunlimitierten Angebote nicht in ihrer vollständigen für die Lastverlagerung. Negative Strompreise am Markt Gebotsmenge, sondern nur zu einem für alle Gebote glei- spiegeln daher die Inflexibilität von Stromerzeugern und chen Anteil abhängig von der Nachfragemenge aufgeteilt Stromverbrauchern wider. werden. In solchen Situationen können Anbieter nur eine Teilmenge verkaufen, was insbesondere für Kraftwerks- 2.2. Wirkung EEG-vergüteter Strommengen betreiber zu einer größeren Unsicherheit über die Höhe der auf negative Strompreise verkauften Menge und somit der Kraftwerkseinsatzpla- nung führte. Denn Kraftwerke werden in der Regel nur an Durch den Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien nach bestimmten Betriebspunkten mit einer durch das Anlagen- § 8 Absatz 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG, 2012) design festgelegten Stromeinspeiseleistung betrieben. Seit ist auch der Strom aus Erneuerbaren Energien gewisser- der Einführung negativer Strompreise sind Situationen mit maßen inflexibel, da er vorrangig vor Strom aus ande- einer Prorata-Zuteilung nicht mehr aufgetreten. Dies wäre ren Energieträgern abgenommen, übertragen und verteilt nur bei Strompreisen an den heutigen systemisch gesetz- werden soll. Gemäß § 2 Ausgleichsmechanismusverord- ten Preisgrenzen der Day-ahead-Auktion von plus bezie- nung (AusglMechV) sind die Übertragungsnetzbetreiber hungsweise minus 3.000,00 Euro/MWh der Fall. verpflichtet, den von ihnen abgenommenen EEG-Strom in der börslichen Day-ahead-Auktion oder im börslichen Während positive Preisgebote auf der Angebotsseite die Intraday-Handel zu vermarkten. Um dabei den vorran- Rangfolge des Kraftwerkseinsatzes gemäß den kurzfris- gigen Verkauf des Stroms an der Börse zu gewährleisten, tigen Kosten der Stromerzeugung bestimmen, können mit verpflichtet § 1 Absatz 1 Ausgleichsmechanismus-Ausfüh- negativen Strompreisen zudem die Abschaltkosten in den rungsverordnung (AusglMechAV) die Übertragungsnetz- Geboten weitreichender berücksichtigt werden. Dem- betreiber dazu, Gebote zum Verkauf des Stroms nur unlimi- entsprechend geben niedrig positive oder negative Ge- tiert, das heißt zum niedrigsten Preis, der derzeit bei minus botspreise auf der Angebotsseite eine Rangfolge für die 3.000,0 Euro/MWh (Gebotslimits haben nur eine Nach- Abschaltung von Kraftwerken bei nicht ausreichender kommastelle) liegt, in die Day-ahead-Auktion einzustel- Nachfrage vor. len. Im ungünstigsten Fall, der bisher nicht vorgekommen ist, müssen dann die Übertragungsnetzbetreiber für die Abnahme des Stroms 3.000,00 Euro/MWh an die Käufer 18
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen Limitierte Angebotsmengen in der Day-ahead-Auktion sowie Wind- und Solarstromprognose in der Weihnachtszeit 2012 Abbildung 2.3 Wind- und Solarstromprognose bzw. Gebotsmengen der EPEX-Auktion in MW 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 30.12.2012 12 h 20.12.2012 12 h 26.12.2012 12 h 28.12.2012 12 h 29.12.2012 12 h 24.12.2012 12 h 25.12.2012 12 h 22.12.2012 12 h 23.12.2012 12 h 27.12.2012 12 h 19.12.2012 12 h 30.12.2012 0 h 20.12.2012 0 h 21.12.2012 12 h 26.12.2012 0 h 28.12.2012 0 h 29.12.2012 0 h 24.12.2012 0 h 25.12.2012 0 h 22.12.2012 0 h 23.12.2012 0 h 27.12.2012 0 h 19.12.2012 0 h 21.12.2012 0 h Gebotsmenge im Preisintervall in €/MWh: -500 bis -350 -350 bis -150 -150 bis -100 -100 bis 0 Summe aus Wind- und Solarstromprognose Eigene Auswertung mit Daten von EEX und Power2Sim bezahlen. Dadurch würde jedoch das EEG-Konto immens Abbildung 2.3 stellt die preislimitierten Gebotsmengen in belastet. Deshalb erlaubt § 8 AusglMechAV eine Preisli- der Day-ahead-Auktion in Preisintervallen zwischen mi- mitierung in Ausnahmefällen. Wenn sich nämlich bei der nus 500 und 0 Euro/MWh dar. Zudem zeigt Abbildung 2.3 ersten Berechnung der Auktionsergebnisse ein Preis klei- die Prognose für die Wind- und Solarstromeinspeisung. ner als minus 350,00 Euro/MWh ergeben würde, ruft die Die Mengen, die preisunlimitiert geboten werden, sind Börse zu einer zweiten Auktion auf, in der die Teilnehmer nicht dargestellt. Am 25. und 26. Dezember 2012 sind durch ihre Gebote noch einmal abändern können. In dieser zwei- entsprechend größere Gebotsmengen deutlich die Ausnah- ten Auktion dürfen die Übertragungsnetzbetreiber dann limitiert im Preisintervall von minus 350 Euro/MWh und Bezogen auf die Stunden mit negativen Strompreisen trat die minus 150 Euro/MWh anbieten.6 Ausnahmesituation jedoch in über zehn Prozent der Fälle auf, nämlich in insgesamt 15 Stunden von 120 Stunden mit ne- 6 Im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2013 gativen Strompreisen in diesem Zeitraum. Dieser Anteil von ist die beschriebene Ausnahmesituation, in der die Ausnahmesituationen an den Stunden mit negativen Strompreisen Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Mengen preislimitiert ge- kann als Indikator dafür dienen, ob die Übertragungsnetzbetreiber boten haben, zwar nur an drei Tagen aufgetreten, nämlich am 5. mit ihren Geboten für die EEG-Mengen strompreisbestimmend Januar 2012 sowie am 25./26. Dezember 2012 (50Hertz 2013). sind. 19
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen mefälle zu sehen, in denen die Übertragungsnetzbetrei- ber die zu vermarktenden EEG-Mengen preislimitiert im Intervall zwischen minus 350 und minus 150 Euro/MWh anbieten. In den Ausnahmefällen müssen die Übertragungsnetzbe- treiber die gesamte Gebotsmenge in zehn gleiche Lose auf- teilen. Die Gebotspreise müssen innerhalb des genannten Intervalls mit einem Zufallsverfahren bestimmt werden, damit andere Marktteilnehmer nicht gegen vorher be- kannte Preislimits bieten und diese ausreizen können. Soll- ten EEG-Strommengen aufgrund der Limitierung nicht ab- genommen werden, müssen die Übertragungsnetzbetreiber diese Mengen im Intraday-Handel veräußern. De facto führt der beschriebene Mechanismus dazu, dass die Day-ahead-Preise – unter Ausnahme von extremen Si- tuationen – mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr un- ter minus 350,00 Euro/MWh fallen werden. 20
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen 3. Ziel und Methodik Bei Betrachtung der Stunden negativer Day-ahead-Preise Diese Erklärungsansätze wurden zunächst auf allgemei- an der EEX/EPEX Spot zeigt sich, dass trotz negativer Preise ner Ebene untersucht. Für den Zeitraum Januar 2012 bis eine signifikante Produktion aus konventionellen Kraft- Dezember 2013 wurden die wesentlichen Tage mit signi- werken stattfand. Dies wird in den folgenden Kapiteln an- fikanten negativen Stundenpreisen zur Überprüfung und hand ausgewählter Beispieltage beschrieben. Zudem traten Illustration der erarbeiteten Thesen untersucht, sofern die auch viele Stunden auf, deren Preise zwar positiv waren, Datenlage dies ermöglichte. Diese Tage sind: aber mit Beträgen zwischen null Euro/MWh und zehn Euro/ MWh unterhalb der kurzfristigen Grenzkosten aller nuk- →→ Donnerstag, 5. Januar 2012; learen und konventionellen thermischen Kraftwerke la- →→ Dienstag (1. Weihnachtsfeiertag), 25. Dezember 2012; gen. Insofern stellt sich die Frage, warum diese Kraftwerke →→ Mittwoch (2. Weihnachtsfeiertag), 26. Dezember 2012; trotzdem Strom produziert haben. →→ Sonntag, 24. März 2013; →→ Sonntag, 16. Juni 2013 und Zur Erklärung dieses Phänomens wurden im Rahmen die- →→ Sonntag, 22., bis Dienstag (Heiligabend), ser Studie folgende Erklärungsansätze untersucht: 24. Dezember 2013. →→ Untersuchung der kurzfristigen Grenzkosten insbeson- Die Analyseergebnisse und Schlussfolgerungen wurden im dere unter Einbeziehung der An- und Abfahrkosten Rahmen einer breit angelegten und anonymen Befragung →→ Auktionierungsverfahren in der Day-ahead-Auktion an von Akteuren der Energiewirtschaft wie konventionellen der EPEX Spot Kraftwerksbetreibern, Direktvermarktern Erneuerbarer →→ notwendige Betriebskapazitäten und Netzeinspeisung Energien, Betreibern von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, zur Systemstabilität des Stromnetzes Stromhändlern, Netzbetreibern und Wissenschaftlern an- →→ notwendige Netzeinspeisung aus Kraftwerken mit Kraft- derer Institute erörtert und abgeglichen. Die Erkenntnisse Wärme-Kopplung zur Wärmebereitstellung daraus sind in diese Studie eingeflossen. →→ mögliche regulatorische Hemmnisse – auch verursacht durch das Strommarktdesign →→ Betrachtung des Day-ahead-Marktes und der zugehöri- gen Gebotskurven unter Beachtung der für das Auftreten negativer Preise relevanten Verfahrensrahmenbedin- gungen 21
Agora Energiewende | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen 22
ANALYSE | Negative Strompreise: Ursachen und Wirkungen 4. Mögliche Erklärungsansätze Zur Untersuchung möglicher Erklärungsansätze resultie- 4.1. Kurzfristige Grenzkosten rend aus Grenzkosten müssen diese unter Berücksichti- gung von An- und Abfahrkosten für die verschiedenen 4.1.1 Kernkraftwerke Kraftwerkstypen ermittelt werden. Im Einzelnen sind Zur Ermittlung der Grenzkosten von Kernkraftwerken dies die für die Untersuchungen relevanten Kernkraft- muss auf Literaturwerte zurückgegriffen werden, da die werke, Braunkohlekraftwerke, Steinkohlekraftwerke und Brennstoffkosten für diesen Kraftwerkstyp einer durch- Gas-und–Dampf-Kraftwerke (GuD). Zunächst werden die aus komplexeren Berechnung bedürfen. Wagner (2002) Grenzkosten, also vor allem die Kosten für Brennstoffe und ermittelten für Kernkraftwerke Brennstoffkosten in Höhe Emissionszertifikate, für Kernkraftwerke und konventio- von 5,30 Euro/MWh, der Bericht des Bundeskartellamtes nelle Kraftwerke bei Betrieb auf Nennleistung und auf Mi- (2011) zeigt einen Wert von ungefähr fünf Euro/MWh, in nimalleistung ermittelt. Anschließend werden die Kosten dieser Studie wurden fünf Euro/MWh als Brennstoffkosten für An- und Abfahrvorgänge zusätzlich abgeschätzt. Da die angesetzt. Dazu müssen ferner die Kosten für die seit 2010 Kosten für An- und Abfahrvorgänge bei kurzzeitig auftre- existierende Kernbrennstoffsteuer hinzuaddiert werden. tenden negativen Preisen die Grenzkosten deutlich über- Da nur Brennelemente, die seit Einführung dieser Steuer steigen, ist eine Grobabschätzung der Letzteren ausrei- in ein Kernkraftwerk eingebracht wurden, tatsächlich be- chend. Eine detailliertere Berechnung führt hier zu keinem steuert werden, gibt es möglicherweise in den Kernkraft- signifikanten Zusatznutzen. werken noch unbesteuerte Brennelemente. Nichtsdesto- trotz sind die Aufschläge durch die Kernbrennstoffsteuer für alle Brennelemente anzusetzen, da der Ersatz für diese später abgebrannten Brennelemente mit dieser Steuer be- legt ist. Haucap (2012) ermittelt hierfür Kosten in Höhe von Dynamische Merkmale konventioneller thermischer Kraftwerke Tabelle 4.1 Wirkungs- Leistungs- Anfahrts- Mindest- Mindeststill- Mindestbe- Kraftwerkstyp gradverlust änderungs- zeit leistung standszeit triebszeit bei Pmin geschw. h % H h %-Punkte %/min. Erdgas GT 0 20 0 1 22 20 Ergas Kombi 1 33 2 4 11 6 Erdgas DT 1 38 2 4 6 6 Steinkohlen DT 2 38 2 4 6 4 Braunkohlen DT 2 40 6 6 5 3 Hundt et al. (2009) 23
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