O HEIL GES GEIS T- UND WASSER BAD - Freitag, 19. März 2021 Olma-Halle 2.0, St. Gallen

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O HEIL
GES GEIS
T- UND                        3

 WASSER
BAD
 Freitag, 19. März 2021
 Olma-Halle 2.0, St. Gallen

 Kantate BWV 165
HINW
EISE ZU
 DEN KA
NTATEN
   KONZ
ERTEN
 Abfolge

 17.30–18.15 Uhr, Olma-Halle 2.0, St. Gallen
 Musikalisch-theologische Werkeinführung: Rudolf Lutz und Pfr. Niklaus Peter
 Lutzogramm auf Seite 9

 19 Uhr, Olma-Halle 2.0, St. Gallen
 Erste Aufführung der Kantate
 im Anschluss Reflexion über den Kantatentext*: Helen Schüngel­Straumann
 im Anschluss Zweite Aufführung der Kantate

 * Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen betrachten den barocken Kantatentext
   aus heutiger und persönlicher Sicht.
BWV 165
   O HEIL                                          1
GES GEIS    «O heilges Geist- und Wasserbad»
T- UND      Kantate zu Trinitatis

 WASSER     für Sopran, Alt, Tenor und Bass
            Streicher und Basso continuo
BAD
            Solisten

            Sopran         Marie Luise Werneburg
            Alt            Elvira Bill
            Tenor          Colin Balzer
            Bass           Dominik Wörner

            Orchester der J. S. Bach-Stiftung

            Violine        Eva Borhi*
                           Judith von der Goltz
                           Christine Baumann
                           Petra Melicharek
                           Dorothee Mühleisen
                           Ildikó Sajgó
            Viola          Sonoko Asabuki
                           Matthias Jäggi
            Violoncello    Maya Amrein
                           Daniel Rosin
            Violone        Markus Bernhard
            Fagott         Susann Landert
            Orgel          Nicola Cumer

            Leitung & Cembalo

            Rudolf Lutz

            * Konzertmeisterin
Helen Schüngel-Straumann
REFL
EXION

                                                            Foto zVg
        Helen Schüngel-Straumann wurde 1940 in St. Gallen
        geboren und wuchs, da der Vater Zollbeamter war,
        in fünf Kantonen auf. Die Matura erwarb sie 1960 auf
        dem zweiten Bildungsweg. Sie absolvierte ihr Studium
        der katholischen Theologie in Tübingen, Paris und
        Bonn, wo sie als erster Laie und erste Frau an der
        katholisch­theologischen Fakultät im Fach Altes Testa­
        ment promovierte. Sie ist Mutter von zwei Söhnen.
        1987–2001 erlangte sie die Professur für Biblische
        Theologie an der Universität Kassel. Seit 2009 ist sie
        wieder wohnhaft in der Schweiz, Basel. Mitglied und
        von 1995–1997 Präsidentin der European Society of
        Women in Theological Research. Sie ist Mitheraus­
        geberin des weltweit ersten Wörterbuchs der Femi­
        nistischen Theologie. 1996 wurde mit Hilfe von Helen
        Schüngel­Straumann eine Stiftung für Feministische
        Theologie in Basel gegründet, 2017 fand die Überga­
        be der aufgebauten Bibliothek ans Zentrum Gender
        Studies der Universität Basel statt.
Marie Luise Werneburg, Sopran
SOLI                                                                  3
STEN

                                                           Foto zVg
       Aufgewachsen in einem musikalischen Pfarrhaus in
       Dresden, nahm die Sopranistin Marie Luise Werneburg
       zunächst ein Kirchenmusikstudium in ihrer Heimat­
       stadt auf, bevor sie – als Stipendiatin des Evangeli­
       schen Studienwerkes Villigst – in Bremen ein Ge­
       sangsstudium absolvierte.
       Als Solistin konzertiert sie weltweit u.a. mit dem En­
       semble Weser Renaissance Bremen, der Bach­Stiftung
       St. Gallen, der Akademie für Alte Musik Berlin, Neder­
       landse Bachvereniging, der Lautten Compagney Ber­
       lin. Sie tritt beim Festival Oude Muziek Utrecht, der
       styriarte Graz, bei den Händelfestspielen in Halle,
       dem Ansbacher Bachfest, dem Montreal Bach Festival
       und dem Bachfest Leipzig auf. Zahlreiche Aufnah­
       men dokumentieren ihr Schaffen, z.B. «Himlische
       Weynacht» mit Bell’Arte Salzburg, Solokantaten von
       Christoph Graupner mit Rudolf Lutz und die Schütz­
       Gesamteinspielung mit dem Dresdner Kammerchor
       unter Hans­Christoph Rademann. Im April 2019 er­
       schien ihr Solodebüt «Diaphenia» mit Vertonungen
       elisabethanischer Liebesgedichte beim Label quer­
       stand in Kooperation mit dem Deutschlandfunk
       Kultur.
       Marie Luise Werneburg lebt mit ihrem Mann und
       ihren Töchtern in Berlin, wo sie an der Hochschule für
       Musik Hanns Eisler lehrt. Sie liebt die Poesie Rilkes,
       die Designs von William Morris und Geruch & Hap­
       tik von bedrucktem Papier.
Elvira Bill, Alt
4

                                                          Foto zVg
    Die innige und einfühlsame Interpretation der Mezzo­
    sopranistin, gepaart mit ihrer warmen und facetten­
    reichen Stimme, lassen die Auftritte von Elvira Bill zu
    ausdrucksstarken und ergreifenden Momenten werden.
    Elvira Bill studierte Gesang bei Christoph Prégardien
    an der Kölner Musikhochschule. Ihr Diplomstudium
    schloss sie im Sommer 2010 mit Auszeichnung ab.
    Auf ihrem musikalischen Weg haben sie zusätzlich
    Reinhard Becker, Thomas Heyer, Ingeborg Danz
    und Michael Gees begleitet und inspiriert.
    Ihr Repertoire reicht von alten Meistern bis zur zeit­
    genössischen Musik. Elvira Bill ist eine gefragte Künst­
    lerin auf zahlreichen Bühnen und Festivals, darunter
    Berliner, Kölner und Essener Philharmonie, Tonhalle
    Düsseldorf, Tchaikovsky Concert Hall Moscow, Rhein­
    gau­Musikfestival, Bachfest Leipzig, La Folle Journée
    Nantes, Teatro Real Madrid und Lucerne Festival.
    Sie sang unter Leitung namhafter Dirigenten wie Pe­
    ter Neumann, Marcus Creed, Philippe Herreweghe,
    Sylvain Cambreling, Helmuth Rilling, Christopher
    Hogwood, Rudolf Lutz, Florian Helgath oder Paul
    Goodwin. Konzertreisen führten sie in viele Städte
    Deutschlands und Europas sowie auch nach Russland,
    China und in den Oman. Elvira Bill ist Preisträgerin
    des Mendelssohn­Bartholdy­Wettbewerbs Berlin 2010
    in der Wertung Vokalensemble.
Colin Balzer, Tenor
                                                                           5

                                                     Foto Catherina Hess
Seine Gesangsausbildung erhielt der gebürtige Kana­
dier bei David Meek in Kanada und bei Edith Wiens in
Deutschland. Daneben besuchte Colin Balzer Meister­
kurse bei Helmut Deutsch, Robert Tear, Elly Ameling,
Brigitte Fassbaender und Christoph Prégardien.
Colin Balzer hat eine ganze Reihe internationaler
Preise errungen und unterhält mit einem Repertoire,
das von Monteverdi bis Penderecki reicht, eine inter­
nationale Konzerttätigkeit. Er arbeitete mit Dirigenten
wie Kenneth Montgomery, Louis Langrée, Hans­
Christoph Rademann, Marcus Creed, Helmuth Ril­
ling und Rudolf Lutz und führte dabei neben Werken
von J. S. Bach auch verschiedenste Werke wie Händels
«Athalia», «Acis & Galatea», «Alcina», Mozarts «Ido­
meneo», «Don Giovanni» und «La finta giardiniera»,
Brittens «War Requiem», Lullys «Psyche» und Matthe­
sons «Boris Goudenow» sowie die Opern Montever­
dis auf. Er war bei grossen Festivals wie zum Beispiel
in Baden­Baden, Aix­en­Provence und dem Early Mu­
sic Festival in Boston und Vancouver zu hören. Tour­
neen mit Philippe Herreweghe, Marc Minkowski
und Enoch zu Guttenberg mit Händel, Haydn und
Bach bestimmen seinen Kalender. Auch als Lied­
sänger hat Colin Balzer bereits grosse Erfolge vorzu­
weisen. Im Juli 2006 legte er seine erste CD vor, eine
Einspielung von Hugo Wolfs «Italienisches Lieder­
buch» in Zusammenarbeit mit Hartmut Höll.
Dominik Wörner, Bass
6

                                                        Foto Aaron Cawley
    Der deutsche Bassbariton Dominik Wörner zählt zu den
    gefragtesten Sängern seiner Generation. Studium
    von Kirchenmusik (B und A), Musikwissenschaft und
    Gesang in Stuttgart, Fribourg, Bern und Zürich (Solis­
    tenklassen in Orgel und Gesang). Sein massgeblicher
    Gesanglehrer war Jakob Stämpfli. Als 1. Preisträger
    des Leipziger Bach­Wettbewerbs 2002 im Fach Ge­
    sang verfolgt er eine internationale Karriere, die ihn
    seither auf die wichtigsten Konzertpodien in Europa,
    Nord­ und Südamerika, Asien und Australien führte.
    Sein äusserst vielseitiges Repertoire reicht von den
    Werken der Renaissance bis zur Moderne. Er ist gern
    gesehener Gast bei Ensembles der historischen Auf­
    führungspraxis. Über 90 CD­ und DVD­Produktionen,
    vielfach preisgekrönt (Echo Klassik, Diapason d´Or
    de l´Année, Jahrespreis der Deutschen Schallplatten­
    kritik), sind bisher erschienen, darunter Bach­Auf­
    nahmen mit Alfredo Bernardini, Philippe Herreweg­
    he, Peter Kooij, Sigiswald Kuijken, Rudolf Lutz, Ryo
    Terakado, Shunske Sato und Masaaki Suzuki. Sein
    besonderes Interesse gilt dem romantischen Kunst­
    lied mit Hammerflügel. Einspielungen an Original­
    instrumenten der Zeit (Schuberts «Winterreise» und
    «Schwanengesang»; Brahms «Schöne Magelone»)
    liegen vor. Er ist Artistic Director des Deutsch­Japa­
    nischen Liedforums Tokyo, Mitbegründer von Sette
    Voci und künstlerischer Leiter der von ihm in seiner
    pfälzischen Heimat initiierten Konzertreihe «Kirch­
    heimer Konzertwinter». www.dominikwoerner.de
Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung
CHOR, OR                                                                                     7
CHESTER
& MUSIKA
LISCHER
LEITER

   Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung wurden 2006 von Rudolf Lutz gegründet, um
   das gesamteVokalwerk von J. S. Bach gemäss Auftrag der J. S. Bach­Stiftung aufzufüh­
   ren und zu dokumentieren. Das Ensemble besteht aus Berufsmusikerinnen und
   ­musikern, die in der historischen Aufführungspraxis zu Hause sind und diese un­
   dogmatisch in den Dienst einer modernen, vitalen Interpretation stellen. Das Or­
   chester verfügt über zwei verschiedene Stammbesetzungen, die je nach Erfordernis
   der Werke ergänzt werden. Dessen Konzertmeisterinnen sind Renate Steinmann
   und Eva Borhi. Der Chor wird von einer flexiblen Besetzung bis zu vierzig Personen
   gebildet, wobei einzelne Sängerinnen und Sänger auch immer wieder die Chance
   bekommen, solistische Aufgaben zu übernehmen. Seit seiner Gründung erarbeitet das
   Ensemble im Monatsrhythmus das gesamte Vokalwerk von Bach. Diese kontinuier­
   liche Arbeit unter der Leitung von Rudolf Lutz hat das Ensemble zusammenwachsen
   und reifen lassen. Heute verfügt es über einen homogenen, aber facettenreichen
   Klang und eine grosse Erfahrung in der Interpretation von Bach. Über Bach hinaus
   gehören Werke anderer Stilrichtungen (u. a. religiöse und symphonische Werke von
   Händel, Haydn und Beethoven) zum Repertoire des Ensembles. Chor & Orches­
   ter der J. S. Bach­Stiftung sind mittlerweile ein national und international gefragtes
   Ensemble und treten in wichtigen Bach­Stätten und Konzerthäusern Europas auf.
      Rudolf Lutz (St. Gallen, *1951) ist ein Musiker singulärer Befähigungen als Pianist,
   Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Nach langjähriger
   Tätigkeit als Improvisationsdozent an der Schola Cantorum Basiliensis und als
   Organist in der Stadtkirche St. Laurenzen in St. Gallen widmet sich Rudolf Lutz
   heute internationalen Konzertengagements und Meisterkursen in Europa, Amerika
   und Asien. Seine interdisziplinäre Erfahrung machte ihn zum prädestinierten
   musikalischen Leiter der Gesamtaufführung von Bachs Vokalwerk, des gigantischen
   Projekts der J. S. Bach­Stiftung St. Gallen. Für sein Lebenswerk wurde Rudolf
   Lutz u.a. mit dem Kulturpreis des Kantons St. Gallen (2006) und mit dem STAB­Preis
   der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur (2015) sowie dem Schweizer
   Musikpreis (2019) geehrt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mitglied des Direktoriums der
   Neuen Bach­Gesellschaft e. V. Leipzig.
BWV 165

KANT                                             «O heilges Geist- und Wasserbad»
ATENT                                            Kantate zu Trinitatis

EXT                                              Erste Aufführung 16. Juni 1715, Weimar
                                                 Textdichter Salomo Franck (Sätze 1–5),
                                                 Ludwig Helmbold (Satz 6)

1. Arie — Sopran                                  4. Rezitativ — Bass
O heilges Geist­ und Wasserbad,                   Ich habe ja, mein Seelenbräutigam,
das Gottes Reich uns einverleibet                 da du mich neu geboren,
und uns ins Buch des Lebens schreibet!            dir ewig treu zu sein geschworen,
O Flut, die alle Missetat                         hochheilges Gotteslamm;
durch ihre Wunderkraft ertränket                  doch hab ich, ach! den Taufbund oft gebrochen
und uns das neue Leben schenket!                  und nicht erfüllt, was ich versprochen,
O heilges Geist­ und Wasserbad!                   erbarme, Jesu, dich
                                                  aus Gnaden über mich!
2. Rezitativ — Bass                               Vergib mir die begangne Sünde,
Die sündige Geburt verdammter Adamserben          du weißt, mein Gott, wie schmerzlich ich empfinde
gebieret Gottes Zorn, den Tod und das Verderben. der alten Schlangen Stich;
Denn was vom Fleisch geboren ist,                 das Sündengift verderbt mir Leib und Seele,
ist nichts als Fleisch, von Sünden angestecket,   hilf, daß ich gläubig dich erwähle,
vergiftet und beflecket.                          blutrotes Schlangenbild,
Wie selig ist ein Christ!                         das an dem Kreuz erhöhet,
Er wird im Geist­ und Wasserbade                  das alle Schmerzen stillt
ein Kind der Seligkeit und Gnade.                 und mich erquickt, wenn alle Kraft vergehet.
Er ziehet Christum an
und seiner Unschuld weiße Seide,                  5. Arie — Tenor
er wird mit Christi Blut, der Ehren Purpurkleide, Jesu, meines Todes Tod,
im Taufbad angetan.                               laß in meinem Leben
                                                  und in meiner letzten Not
3. Arie — Alt                                     mir für Augen schweben,
Jesu, der aus großer Liebe                        daß du mein Heilschlänglein seist
in der Taufe mir verschriebe                      vor das Gift der Sünde!
Leben, Heil und Seligkeit,                        Heile, Jesu, Seel und Geist,
hilf, daß ich mich dessen freue                   daß ich Leben finde!
und den Gnadenbund erneue
in der ganzen Lebenszeit.                         6. Choral
                                                  Sein Wort, sein Tauf, sein Nachtmahl
                                                  dient wider allen Unfall,
                                                  der heilge Geist im Glauben
                                                  lehrt uns darauf vertrauen.
9
Kantatentext und Vertonung
 EINF
ÜHR     Die eindringliche und anspielungsreiche Poesie des
UNG     Weimarer Hofdichters Salomo Franck (1659–1725) hat
        Bach über Jahre hinweg zu tiefempfundenen Schöp­
        fungen inspiriert. Dazu gehört die von Franck zur
        Aufführung am Trinitatistag 1715 in der Weimarer
        Schlosskapelle «Weg zur Himmelsburg» vorgesehene
        Kantate BWV 165, deren Libretto pfingstliches Kolorit
        mit Gedanken der Taufheiligung, Sündennatur, Jesus­
        minne und Todesüberwindung zusammenbringt. Wäh­
        rend Bachs Vertonung stilistisch und vom kammer­
        musikalischen Duktus her perfekt zu diesem Weimarer
        Entstehungskontext passt, deuten die nur abschriftlich
        erhaltenen Quellen auf eine leicht modifizierte Wieder­
        aufführung in den ersten Leipziger Jahren (wohl 1724).
        Dabei benötigt Bach nur ein vom Streichorchester be­
        gleitetes Sängerquartett, um in dichten Miniaturen eine
        tönende Anthropologie zu entfalten, die den realisti­
        schen Blick auf die menschliche Schwäche und An­
        fechtung mit der zuversichtlichen Hoffnung auf eine
        heilsame Verwandlung im Zeichen des Taufbundes
        und des auferstandenen Christus verknüpft.

        Weitere Hinweise finden sich auf der Innenseite –
        aufgeklappt können sie gleichzeitig mit dem Kantaten-
        text gelesen werden.
Theologisch-musikalische Anmerkungen
ANMER
KUNGEN                                  von Dr. Anselm Hartinger und Pfr. Dr. Niklaus Peter

1. Arie — Sopran                                    4. Rezitativ — Bass
In der Arie zu Beginn hat sich der Librettist und   Im Bassrezitativ bekennt der im «Geist­ und
Weimarer Dichter Salomo Franck eng an das Evan­     Wasserbad» neu Geborene dem «Gotteslamm»,
gelium des Sonntags gehalten, an das Gespräch       dass er den Taufbund oft gebrochen und seine
Jesu mit Nikodemus über das Neugeboren­             Versprechen nicht gehalten habe, und bittet um
werden aus Geist und Wasser (Johannes Kap. 3,       Erbarmen und Vergebung. Der Librettist greift
1–15). Der hinzugefügte Akzent der Sünden­          die alte Schlangensymbolik in doppelter Weise
theologie wird ausbalanciert durch das schöne       auf: als verderblicher Schlangenstich und als heil­
Bild vom Buch des Lebens aus Philipper 4, 3 und     bringende Erhöhung: «Wie Mose in der Wüste
Offenbarung 20, 12. Die liebliche G­Tonalität       die Schlange erhöht hat, so muss der Menschen­
und der sanft fliessende Duktus des Satzes ma­      sohn erhöht werden» (Joh. 3, 14) – eine dramatische
chen im Zusammenspiel mit der dichten Stimm­        Neuinterpretation der Kreuzigung als Erhöhung.
polyphonie deutlich, dass es beim Schliessen        Bach versteht es, das zuweilen steif­feierliche
des Taufbundes um eine wohltuende, aber auch        Gerüst eines Streicher­Accompagnatos so zu
ernste Handlung geht. In Bachs ausgedehnten         dynamisieren, dass jede Wendung des zwischen
Melismen vermag die Gnadenflut tatsächlich          Anbetung und Zerknirschung changierenden
«alle Missetat» abzuwaschen; sein «Buch des         Textes anrührende Eindringlichkeit gewinnt. Eine
Lebens» bietet hörbar Raum für alle Gläubigen.      veritable Predigt in Tönen, die das abschliessen­
                                                    de «Vergehen der Kräfte» mit Pianissimo­Fort­
2. Rezitativ — Bass                                 schreitungen über einem nur noch statischen
Das Bassrezitativ verstärkt den Kontrast, indem Bass in eine bestürzende Todesnähe rückt.
das durch Erbsünde «angesteckte», «vergiftete»
und «befleckte» Fleisch im Geist­ und Wasser­ 5. Arie — Tenor
bad nun gereinigt wird und der neu Geborene Die Tenorarie nimmt auf die Soteriologie (Jesu,
in Christus mystisch auch neubekleidet diesem meines Todes Tod) Bezug und bittet um Beistand
Taufbad entsteigt. Der düstere Tonfall heftiger in der Todesstunde – er solle ihm als «mein
Selbstanklage lässt die in einer verzückten Passa­ Heilschlänglein» vor Augen stehen, als Gegen­
ge evozierte neue Identität eines «seligen Chris­ gift zur Sünde, zur Heilung von Seele und Geist.
ten» umso heller erstrahlen. Francks grandios Das unablässige Zucken der von der Unisono­
präzise Reimkunst und Bachs sensible Akzent­ Violinstimme über einem laufenden Bass anein­
disposition machen die komplexen theologi­ andergereihten Quart­ und Terzsprünge scheint
schen Inhalte ungewöhnlich zugänglich.              vom ambivalenten Bild der sowohl verderblichen
                                                    wie heilsamen Schlange inspiriert. Die stetige Um­
3. Arie — Alt                                       kehrung der Bewegungsrichtung macht diesen
Die Alt­Arie ist eine innige Bitte an Jesus um jene Zusammenhang von Leben und Tod auch moti­
durch die Taufe «verschriebenen» Güter «Leben, visch plausibel.
Heil und Seligkeit» des erneuerten Bundes. Ent­
sprechend wählt Bach eine zurückgenommene 6. Choral
zweistimmige Anlage aus Generalbass und Alt, Beim Schlusschoral handelt es sich um die 5. Stro­
um die Liebestat Jesu und die Entschlossenheit phe des Liedes «Nun lasst uns Gott, dem Her­
zur Nachfolge auszudrücken. Die sangliche An­ ren» von Ludwig Helmbold aus dem Jahr 1575,
lage der Continuopartie sowie die noble Kantilene mit der die Tauf­ und Heilsthematik nochmals
der Singstimme machen das persönliche Zwie­ zusammengefasst wird: Gottes Wort, die Taufe,
gespräch zum Exempel einer die «ganze Lebens­ das Abendmahl «dient wider allen Unfall», und
zeit» inspirierenden Gewissheit.                    der Heilige Geist hilft, genau darauf zu vertrauen.
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                                                                                          BWV 92
    JAHR                                                                     •                                          •

                                                              Fr

                                                                                                                        en
ESPRO

                                                                , 23
                                                                                                            nzert
                                                                                                  ches Ko

                                                                                                                            t. G a ll
                                                                              zusätzli

GRAMM                                                                           NUN

                                                             . A p ril
                                                                             DANKET
 2021

                                                                                                                            0, S
                                                                             ALLE
                                                                               GOTT e

                                                                                                                    2.
                                                                       ’2
                                                                             1   •O                                 l
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       Die Konzerte und Veranstaltungen 2021 im Überblick
       23. April           Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 192
       21. Mai             Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 37
       25. Juni            Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 215
       20. August          Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 27
       24. September       Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 77
       29. Oktober         Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 120
       26. November        Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 45
       17. Dezember        Olma-Halle 2.0, St. Gallen   SG       Kantatenkonzert BWV 122
       30. Dezember        Kirche St. Laurenzen         SG       Konzert «Zwischen den Zeiten»
       Programm­ und Besetzungsänderungen vorbehalten. Weitere Informationen
       entnehmen Sie bitte unserer Webseite: bachstiftung.ch → Konzertkalender

                AKTION                                       10 %
                                                              17. Febr
                                                                       uar   – 5. Ap
                                                                                       ril 2021

                                                                               Matthäuspassion
                                           Johannespassion
                       h-Moll Messe                                            3-CD-Set
                       Doppel-CD
                                           Doppel-CD
                                                    40.–                       CHF 65.–             58.–
                       CHF 45.– 40.–       CHF 45.–

  J. S. Bach St. Gallen AG | Postfach 328 | 9004 St.Gallen (Schweiz) | Telefon +41 (0)71 242 16 61
                            info@bachstiftung.ch | www.bachstiftung.ch
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