ACH G OTT, WIE MANC HES HER ZELEID - Freitag, 12. Februar 2021 Olma-Halle 2.0, St. Gallen - JS Bach-Stiftung

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ACH G
OTT, WIE
  MANC                        3

HES HER
ZELEID
 Freitag, 12. Februar 2021
 Olma-Halle 2.0, St. Gallen

 Kantate BWV 3
HINW
EISE ZU
 DEN KA
NTATEN
   KONZ
ERTEN
 Abfolge

 17.30–18.15 Uhr
 Olma-Halle 2.0, St. Gallen
 Musikalisch­theologische
 Werkeinführung
 mit Rudolf Lutz
 und Pfr. Niklaus Peter
 Lutzogramm auf Seite 9

 19 Uhr
 Olma-Halle 2.0, St. Gallen
 Erste Aufführung
 der Kantate
 im Anschluss
 Reflexion über den
 Kantatentext*
 Christoph Quarch
 im Anschluss
 Zweite Aufführung
 der Kantate

 * Persönlichkeiten aus verschiedenen
 gesellschaftlichen Bereichen betrach-
 ten den barocken Kantatentext
 aus heutiger und persönlicher Sicht.
BWV 3
  ACH G                                                                                   1
OTT, WIE                                   «Ach Gott, wie manches Herzeleid»
  MANC                                     Kantate zum 2. Sonntag

HES HER                                    nach Epiphanias
                                           für Sopran, Alt, Tenor und Bass
ZELEID                                     Vokalensemble, Posaune,
                                           Oboe d’amore I+II,
                                           Streicher und Basso continuo

  Solisten                                 Orchester der J. S. Bach-Stiftung

  Sopran         Gerlinde Sämann           Violine               Renate Steinmann**
  Altus          Jan Börner                                      Monika Baer
  Tenor          Christian Rathgeber                             Elisabeth Kohler
  Bass           Wolf Matthias Friedrich                         Olivia Schenkel
                                                                 Marita Seeger
                                                                 Salome Zimmermann
  Chor der J. S. Bach-Stiftung             Viola                 Susanna Hefti
                                                                 Claire Foltzer
  Sopran         Lia Andres                                      Matthias Jäggi
                 Stephanie Pfeffer         Violoncello           Maya Amrein
                 Susanne Seitter                                 Jakob Herzog
                 Noëmi Tran-Rediger        Violone               Markus Bernhard
                 Maria Weber               Posaune               Henning Wiegräbe
                 Alexa Vogel               Oboe d’amore          Katharina Arfken
  Alt            Antonia Frey                                    Clara Espinosa Eucinas
                 Stephan Kahle             Fagott                Susann Landert
                 Francisca Näf             Orgel                 Nicola Cumer
                 Alexandra Rawohl
                 Lea Pfister-Scherer
  Tenor          Zacharie Fogal            Leitung & Cembalo
                 Joël Morand
                 Christian Rathgeber       Rudolf Lutz
                 Nicolas Savoy
  Bass           Serafin Heusser
                 Daniel Pérez
                 Retus Pfister
                 Philippe Rayot*
                 Tobias Wicky

  * Chorleitungsassistenz                  ** Konzertmeisterin
Christoph Quarch
REFL
EXION

                                                             Foto Ulrich Mayer
        Dr. Christoph Quarch (*1964) ist Philosoph, Bestseller­
        autor und Denkbegleiter. Er berät Unternehmen,
        unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und ver­
        anstaltet gemeinsam mit ZEIT­Reisen philosophische
        Reisen. Mit seiner SWR­Radiokolumne «Der Früh­
        stücksquarch» sowie mit seinen Podcasts, Artikeln
        und Büchern erreicht er ein breites Publikum im
        deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2019 initiierte und
        gründete er die Neue Platonische Akademie (aka­
        demie_3) zur Entwicklung eines geistigen Paradig­
        mas für das digitale Zeitalter. Zahlreichen Unter­
        nehmen steht er als philosophischer Gesprächspartner
        und Autor zur Seite. In seinen Veröffentlichungen
        schöpft er aus den Quellen der europäischen Philo­
        sophie, um tragfähige Antworten auf die Heraus­
        forderungen des Lebens im 21. Jahrhundert zu finden.
        Quarch studierte Philosophie, Theologie und Reli­
        gionswissenschaften in Bielefeld, Heidelberg und
        Tübingen, wo er 1996 mit einer Arbeit über Platon
        promovierte. Anschliessend war er als Redakteur
        und Chefredakteur verschiedener Publikationen
        tätig und organisierte von 2000 bis 2007 als Pro­
        grammchef die Deutschen Evangelischen Kirchen­
        tage. Er lebt mit seiner Frau und zwei gemeinsamen
        Kindern in Fulda.           www.christophquarch.de
Gerlinde Sämann, Sopran
SOLI                                                                   3
STEN

                                                            Foto zVg
       Gerlinde Sämann, geboren in Nürnberg, Studium von
       Klavier und Gesang am Münchner Richard­Strauss­
       Konservatorium, Ausbildung zur Atemtherapeutin
       nach Ilse Middendorf.
       Ihr Repertoire reicht von historischen Werken über
       Lied und Oratorium bis hin zu Avantgarde und zeit­
       genössischem Musiktheater.
       Seit 1991 tritt die blinde Sopranistin solistisch welt­
       weit mit renommierten Ensembles auf. Balthasar­
       Neumann­Chor, Dresdner Kammerchor, Dresdner
       Kreuzchor, Thomaner­Chor, Bachakademie Stuttgart,
       Rias Kammerchor, L’Arpeggiata, Akademie für alte
       Musik, La Petite Bande, Nederlandse Bachvereni­
       ging, Gesualdoconsort, J. S. Bach­Stiftung etc.
       Mit grosser Intensität gestaltet Gerlinde Sämann aus­
       gefallene Lied­ und Duoprogramme. Was die Künst­
       lerin auszeichnet, ist ihre flexible und feinsinnige
       Musikalität und Interpretation, die das Publikum
       in ein ungewöhnliches Erleben vielfältiger Klang­
       nuancen entführt.
Jan Börner, Altus
4

                                                      Foto zVg
    Jan Börner studierte zunächst als Privatschüler bei
    Richard Levitt, bevor er sein Gesangsstudium bei
    Prof. Ulrich Messthaler an der Schola Cantorum
    Basiliensis absolvierte und 2010 mit dem Diplom für
    Alte Musik abschloss. Daneben erhielt er auch Unter­
    richt bei Andreas Scholl und Margreet Honig.
    Jan Börner konzertiert als Solist mit Musik der Re­
    naissance und des Barocks. Zu den Vokalensembles,
    in denen er bereits mitwirkte, gehören u.a. der Bal­
    thasar­Neumann­Chor, Vox Luminis, Le Concert
    Etranger und das Vokalensemble der J. S. Bach­
    Stiftung St. Gallen.
    Eine erste Solo­CD mit deutschen Frühkantaten und
    geistlichen Konzerten des 17. Jahrhunderts unter
    dem Titel «absorta est…» erschien beim Label reso­
    nando und wurde für den Preis der deutschen Schall­
    plattenkritik 2015 nominiert. Börners zweites Album,
    «Freundliches Glücke, süsseste Liebe» (zusammen
    mit Nuria Rial), erscheint diesen Frühling.
    Auch auf der Opernbühne ist Börner aktiv. Nach Enga­
    gements am Stadttheater Biel Solothurn und auf
    Schloss Waldegg (SO) stehen 2021 Auftritte mit Hän­
    dels «Alcina» (Nikolaus Habjan, Regie) u.a. in Wien,
    Villach, Bern und Zürich an. Im Sommer wird er aus­
    serdem als Ottone in «L‘Incoronazione di Poppea» auf
    Schloss Waldegg zu erleben sein. www.janboerner.ch
Christian Rathgeber, Tenor
                                                                5

                                                     Foto zVg
Christian Rathgeber erhielt seine erste musikalische
Ausbildung im Windsbacher Knabenchor. Während
seiner Ausbildung und Berufstätigkeit als Heilerzie­
hungspfleger hatte er privaten Gesangsunterricht
bei Hans­Peter Blochwitz und Martin Hummel. Er
absolvierte ein Diplom im Gesangsstudium an der
Musikhochschule Mainz bei Prof. Andreas Karasiak
und ist derzeit bei Nadine Secunde in Betreuung.
Sein Schwerpunkt liegt auf Tenorpartien der «Alten
Musik» und der frühen Romantik von Monteverdi,
Bach, Händel bis Mendelssohn. Konzerte führten ihn
u.a. nach Israel, Ungarn, Südafrika, nach Paris, in
die Schweiz und nach Russland. Einladungen erhielt
er vom Rheingau Musik Festival und der Bachwoche
Ansbach.
Christian Rathgeber ist regelmässiger Solist der «Bach­
kantatenreihe» Mainz unter Prof. Ralf Otto und war
Mitglied des «Jungen Ensembles» am Staatstheater
Mainz. Auf der Opernbühne war er in zahlreichen
Produktionen wie am Staatstheater Mainz zu sehen.
Er arbeitete mit Regisseuren wie Tatjana Gürbaca,
Christoph Nehl und Sigrid T’Hooft zusammen.
Eine intensive Arbeit in Ensembles wie dem Collegium
Vocale Gent, Balthasar­Neumann­ Chor, Rundfunk­
chor Berlin und der J. S. Bach­Stiftung St. Gallen run­
det sein musikalisches Schaffen ab.
Wolf Matthias Friedrich, Bass
6

                                                       Foto Aaron Cawley
    Wolf Matthias Friedrich studierte Gesang an der Hoch­
    schule für Musik Felix Mendelssohn Bartholdy in
    Leipzig bei Prof. Eva Schubert. 1980 war er Preis­
    träger des Internationalen Dvořák­Wettbewerbes
    in Karlovy Vary. Von 1982 bis 1986 war Wolf Matthias
    Friedrich Mitglied des Opernstudios der Staatsoper
    Dresden. Zahlreiche Opern­ und Konzertverpflich­
    tungen unter Dirigenten wie Howard Arman, Ales­
    sandro De Marchi, Philippe Herreweghe, Paul Dyer,
    Konrad Junghänel, Fabio Luisi, Rudolf Lutz, Nicholas
    McGegan, David Timm u.v.a. führten ihn in Opern­
    und Konzerthäuser sowie zu Festivals auf allen
    Kontinenten.
    Zahlreiche Rundfunk­ sowie über 60 CD­ und DVD­
    Produktionen zeugen von seiner grossen Variabilität,
    die von der Musik des Frühbarocks bis zur Moderne
    reicht. Auch Opernproduktionen gehören zu seinen
    grossen Werken.       www.wolfmatthiasfriedrich.de
Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung
CHOR, OR                                                                                     7
CHESTER
& MUSIKA
LISCHER
LEITER

   Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung wurden 2006 von Rudolf Lutz gegründet, um
   das gesamteVokalwerk von J. S. Bach gemäss Auftrag der J. S. Bach­Stiftung aufzufüh­
   ren und zu dokumentieren. Das Ensemble besteht aus Berufsmusikerinnen und
   ­musikern, die in der historischen Aufführungspraxis zu Hause sind und diese un­
   dogmatisch in den Dienst einer modernen, vitalen Interpretation stellen. Das Or­
   chester verfügt über zwei verschiedene Stammbesetzungen, die je nach Erfordernis
   der Werke ergänzt werden. Dessen Konzertmeisterinnen sind Renate Steinmann
   und Eva Borhi. Der Chor wird von einer flexiblen Besetzung bis zu vierzig Personen
   gebildet, wobei einzelne Sängerinnen und Sänger auch immer wieder die Chance
   bekommen, solistische Aufgaben zu übernehmen. Seit seiner Gründung erarbeitet das
   Ensemble im Monatsrhythmus das gesamte Vokalwerk von Bach. Diese kontinuier­
   liche Arbeit unter der Leitung von Rudolf Lutz hat das Ensemble zusammenwachsen
   und reifen lassen. Heute verfügt es über einen homogenen, aber facettenreichen
   Klang und eine grosse Erfahrung in der Interpretation von Bach. Über Bach hinaus
   gehören Werke anderer Stilrichtungen (u. a. religiöse und symphonische Werke von
   Händel, Haydn und Beethoven) zum Repertoire des Ensembles. Chor & Orches­
   ter der J. S. Bach­Stiftung sind mittlerweile ein national und international gefragtes
   Ensemble und treten in wichtigen Bach­Stätten und Konzerthäusern Europas auf.
      Rudolf Lutz (St. Gallen, *1951) ist ein Musiker singulärer Befähigungen als Pianist,
   Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Nach langjähriger
   Tätigkeit als Improvisationsdozent an der Schola Cantorum Basiliensis und als
   Organist in der Stadtkirche St. Laurenzen in St. Gallen widmet sich Rudolf Lutz
   heute internationalen Konzertengagements und Meisterkursen in Europa, Amerika
   und Asien. Seine interdisziplinäre Erfahrung machte ihn zum prädestinierten
   musikalischen Leiter der Gesamtaufführung von Bachs Vokalwerk, des gigantischen
   Projekts der J. S. Bach­Stiftung St. Gallen. Für sein Lebenswerk wurde Rudolf
   Lutz u.a. mit dem Kulturpreis des Kantons St. Gallen (2006) und mit dem STAB­Preis
   der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur (2015) sowie dem Schweizer
   Musikpreis (2019) geehrt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mitglied des Direktoriums der
   Neuen Bach­Gesellschaft e. V. Leipzig.
BWV 3

KANT                                            «Ach Gott, wie manches Herzeleid»
ATENT                                           Kantate zum 2. Sonntag nach Epiphanias

EXT                                             Erste Aufführung
                                                14. Januar 1725, Leipzig
                                                Textdichter
                                                Martin Moller (Sätze 1, 2, 6)
                                                unbekannter Dichter (Sätze 3 – 5)

1. Chor                                            Ich darf nur Jesu Namen nennen,
Ach Gott, wie manches Herzeleid                    der kann auch unermeßne Schmerzen
begegnet mir zu dieser Zeit!                       als einen leichten Nebel trennen.
Der schmale Weg ist trübsalvoll,
den ich zum Himmel wandern soll.                4. Rezitativ — Tenor
                                                Es mag mir Leib und Geist verschmachten,
2. Rezitativ und Choral — Sopran, Alt, Tenor,   bist du, o Jesu, mein
    Bass; Chor                                  und ich bin dein,
    Wie schwerlich läßt sich Fleisch und Blut   will ichs nicht achten.
so nur nach Irdischem und Eitlem trachtet       Dein treuer Mund
und weder Gott noch Himmel achtet,              und dein unendlich Lieben,
    zwingen zu dem ewigen Gut.                  das unverändert stets geblieben,
Da du, o Jesu, nun mein alles bist,             erhält mir noch dein’ ersten Bund,
und doch mein Fleisch so widerspenstig ist,     der meine Brust mit Freudigkeit erfüllet
    Wo soll ich mich denn wenden hin?           und auch des Todes Furcht,
Das Fleisch ist schwach, doch will der Geist;   des Grabes Schrecken stillet.
so hilf du mir, der du mein Herze weißt.        Fällt Not und Mangel gleich von allen Seiten ein,
    Zu dir, o Jesu, steht mein Sinn.            mein Jesus wird mein Schatz und Reichtum sein.
Wer deinem Rat und deiner Hülfe traut,
der hat wohl nie auf falschen Grund gebaut.     5. Arie — Duett Sopran, Alt
Da du der ganzen Welt zum Trost gekommen        Wenn Sorgen auf mich dringen,
und unser Fleisch an dich genommen,             will ich in Freudigkeit
so rettet uns dein Sterben                      zu meinem Jesu singen.
vom endlichen Verderben.                            Mein Kreuz hilft Jesus tragen,
Drum schmecke doch ein gläubiges Gemüte             drum will ich gläubig sagen:
des Heilands Freundlichkeit und Güte.               Es dient zum besten allezeit.

3. Arie — Bass                                  6. Choral
Empfind ich Höllenangst und Pein,               Erhalt mein Herz im Glauben rein,
doch muß beständig in dem Herzen                so leb und sterb ich dir allein.
ein rechter Freudenhimmel sein.                 Jesu, mein Trost, hör mein Begier,
                                                o mein Heiland, wär ich bei dir.
9
Kantatentext und Vertonung
 EINF
ÜHR     Die Kantate «Ach Gott, wie manches Herzeleid» zum
UNG     2. Sonntag nach Epiphanias wurde am 14. Januar 1725
        erstmalig in Leipzig aufgeführt. Sie gehört zu Bachs Cho­
        ralkantatenjahrgang und beruht ausschliesslich auf dem
        achtzehnstrophigen Lied Martin Mollers (1547–1606),
        aus dem drei Strophen wörtlich zitiert werden. Die rest­
        lichen fünfzehn Strophen wurden vom unbekannten
        Textdichter mit Teilzitaten und Paraphrasen zum vor­
        liegenden Kantatenlibretto umgearbeitet. Dass kurz nach
        dem Weihnachtsfest solche Trauertöne erklingen, hängt
        mit den Vorgaben des Kirchenjahrs und mit der zeit­
        genössischen Interpretation der Evangelienlesung aus
        Johannes 2, 1–11 (Hochzeit zu Kana) zusammen – der
        Wein geht aus, «meine Zeit ist noch nicht gekommen».
        Sie wird als Krise menschlicher Existenz gedeutet. Einer
        anderen Interpretation zufolge ist es die nachweih­
        nachtliche Trauer über den wieder verlorenen Jesus, wo­
        bei für den Librettisten die Suche nach dem im Tempel
        weilenden Heilandsknaben ein Sinnbild der auf die
        Wiederkehr des Erlösers wartenden Kirche ist.
           Für diese zugleich von Trauer wie Tapferkeit ge­
        präg te Textvorlage hat Bach besondere Klangmittel
        und Satz konzepte gesucht, die zeigen, dass ihn das
        standardisierte Modell des Choraljahrgangs anhal­
        tend inspirierte. Die lange eher dunkleren Register
        der Kantate setzen dabei eine besondere Empathie
        frei, mit der die Musik sowohl von der menschlichen
        Bedrängnis als insbesondere von Jesus als bleiben­
        dem «Schatz und Reichtum» redet. Jenseits von Selbst­
        mitleid oder Triumphgeste entsteht so ein klingendes
        Bild verhaltener Hoff nung, die gesetzte Grenzen ak­
        zeptiert und aus dem alten Chorallied erstaunlichen
        Trost zu schöpfen vermag.
           Während die Originalstimmen der Kantate als De­
        positum des Thomaner­Chores im Bach­Archiv Leip­
        zig verwahrt werden, befindet sich die autographe
        Partitur Bachs heute in Basler Privatbesitz.

        Weitere Hinweise finden sich auf der Innenseite –
        aufgeklappt können sie gleichzeitig mit dem Kantaten-
        text gelesen werden.
Theologisch-musikalische Anmerkungen
ANMER
KUNGEN                                von Dr. Anselm Hartinger und Pfr. Dr. Niklaus Peter

1. Chor                                            himmel» auf den erlösenden Namen Jesu zu be­
Der Eingangschor bringt integral die erste von     ziehen. Allein vom Continuo begleitet, verströmt
den achtzehn Strophen des Liedes «Ach Gott, wie    die so vollständig in tieferen Klangbereichen ver­
manches Herzeleid» von Martin Moller aus dem       bleibende Bassarie mit ihrer vertrackten Seuf­
Jahr 1587, das vom schmalen, «trübsalvollen»       zermotivik eine bärbeissige Bitterkeit, von der
Weg zu Gott handelt. Ihn durchziehen feierliche    sich der besungene «Freudenhimmel» nur mit
Klagetöne, die dank der durchsichtigen Faktur      Mühe absetzen kann.
des Satzes schmerzhaft offenliegen und durch
die Klangfarbe der Oboen eindrücklich zu Herzen    4. Rezitativ
gehen. Entsprechend verkörpert der Aufwärts­       Das Rezitativ umspielt Elemente der Jesusmys­
sprung des Kopfmotivs hier keine zielgerichtete    tik aus den Strophen sieben bis dreizehn, in der
Entschlossenheit, sondern das von Verlassen­       trotz Todesfurcht schliesslich eine Freudigkeit und
heit und Trübsal förmlich herausgepresste Seuf­    Gewissheit aufkommt und betont wird, dass Not
zen. Die von einer Posaune unterstützte Basslage   und Mangel durch den Schatz und Reichtum
der Choralmelodie setzt diesen niedergedrück­      Jesu aufgewogen sind.
ten Eindruck architektonisch um; die im Sprung­
motiv durchaus angelegte «Wanderung gen Him­       5. Arie — Duett
mel» scheint hier noch weit entfernt und führt     Das Duett von Sopran und Alt nimmt nochmals
dann auch über zahlreiche emblematische Kreu­      eben gehörte Motive aus den Strophen vierzehn
ze.                                                bis siebzehn wieder auf – eine redundanzmin­
                                                   dernde Straffung des ursprünglichen Liedtex­
2. Rezitativ und Choral                            tes: «Wenn Sorgen auf mich dringen, will ich in
Im Chorrezitativ erklingt die zweite Strophe des   Freudigkeit zu meinem Jesu singen» – und mün­
Moller­Liedes, allerdings ergänzt durch frei ge­   det in den glaubensgewissen Satz: «Es dient zum
dichtete, aus Bibelworten dazwischen eingefügte    Besten allezeit.» Das im entrückten E­Dur ange­
Tropierungen, die jeweils durch die vier Solo­     siedelte und mit einem schimmernden Instru­
stimmen gesungen werden. Danach folgt eine         mental­Unisono ausgestattete Duett lässt erstmals
Zusammenstellung von Liedmotiven aus den           hellere Sphären erahnen. Aus dem seufzenden
Strophen drei und vier. Sie alle verstärken das    Quartsprung des Eingangschores ist ein ermuti­
Thema des schwachen, widerspenstigen «Flei­        gender Impuls geworden, der durch die ver­
sches» – und lenken doch hin zu Jesu Wort und      schlungene Sorgenmaschinerie dieser Arie zum
Werk, zu des «Heilands Freundlichkeit und          erwünschten Ziel trägt. Bach macht so das
Güte». Die im Rezitativ seltene vierstimmige       «freudige Singen» zum perfekten Ausdruck der
Aussetzung der Choralzeilen verleiht dem Satz      Tapferkeit in Bedrängnis und bringt damit zu­
litaneiartige Züge. Dass das ebenfalls vom Choral  gleich die beseelte musikalische Tätigkeit als
geprägte Continuoritornell konsequent durch die    Königsweg zu Glaubensstärkung und Krisen­
Tonarten wandert, verleiht der liedgewordenen      bewältigung ins Spiel.
Textaussage einen zwischen resignierender Aus­
weglosigkeit und haltgebendem Vertrauen chan­ 6. Choral
gierenden Nachdruck.                              Der Schlusschoral fasst mit der achtzehnten und
                                                  letzten Strophe des Moller­Liedes die tröstliche
3. Arie                                           Perspektive der ganzen Kantate in der Form einer
Die Bassarie paraphrasiert die Strophen fünf und Bitte zusammen: «Erhalt mein Herz im Glauben
sechs des Liedes, um die Auflösung der Span­ rein, so leb und sterb ich dir allein.»
nung zwischen «Höllenangst» und «Freuden­
JAHR
ESPRO
GRAMM
 2021
       Die Konzerte und Veranstaltungen 2021 im Überblick

       19. März           Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 165
       21. Mai            Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 37
       25. Juni           Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 215
       20. August         Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 27
       24. September      Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 77
       29. Oktober        Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 120
       26. November       Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Messe in A-Dur BWV 234
       17. Dezember       Olma-Halle 2.0, St. Gallen SG      Kantatenkonzert BWV 122
       30. Dezember       Kirche St. Laurenzen         SG    Konzert «Zwischen den Zeiten»

       Programm­ und Besetzungsänderungen vorbehalten. Weitere Informationen
       entnehmen Sie bitte unserer Webseite: bachstiftung.ch → Konzertkalender

  J. S. Bach St. Gallen AG | Postfach 328 | 9004 St.Gallen (Schweiz) | Telefon +41 (0)71 242 16 61
                           info@bachstiftung.ch | www.bachstiftung.ch
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