Epidemiologisches Bulletin 12 2021 - RKI

Die Seite wird erstellt Charlotte Kühne
 
WEITER LESEN
AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN
                ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  12 Epidemiologisches
2021 Bulletin
25. März 2021

                COVID-19-Ausbruch im LK Tirschenreuth |
                STIKO: 3. Aktualisierung der COVID-19-
                Impfempfehlung
Epidemiologisches Bulletin           12 | 2021      25. März 2021                                                          2

  Inhalt

  Kontrolle eines COVID-19-Ausbruches im Landkreis Tirschenreuth, März bis Mai 20203
  Die vorgestellten Analysen beruhen auf den vom Gesundheitsamt Tirschenreuth an das RKI übermittelten
  Meldedaten und machen den hohen Stellenwert deutlich, den diese Daten an der Aufklärung von Ausbruchs-
  geschehen haben. Die Untersuchungen zeigen, dass SARS-CoV-2 ohne effiziente Kontrollmaßnahmen zu
  großen Ausbrüchen mit hoher Fallsterblichkeit unter Risikogruppen und in Pflege- und Altenheimen führen
  kann. Kontrollmaßnahmen sind daher unabdingbar und bedürfen eines gut aufgestellten ÖGD, der Koope-
  rationsbereitschaft der Bevölkerung und eines belastbaren Gesundheitssystems, das Erkrankte versorgen und
  nosokomiale Ausbrüche verhindern kann.

  Beschluss der STIKO zur 3. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und
  die dazugehörige wissenschaftliche Begründung13
  Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19. Für die Impfung soll einer der beiden zugelassenen
  mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, COVID-19-Vaccine von Moderna) oder der zugelassene
  Vektor-basierte Impfstoff (COVID-19 Vaccine AstraZeneca) verwendet werden. Eine begonnene Impfserie muss
  mit demselben Produkt abgeschlossen werden. Die Impfstoffe werden hinsichtlich des Individualschutzes und
  der Bekämpfung der Pandemie als gleich geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstudien zwischen den verschie-
  denen Impfstoffen sind nur sehr begrenzt verfügbar. Die Impfstoffe können in allen Altersgruppen eingesetzt
  werden, für die sie zugelassen sind.

  (Dieser Beitrag erschien online vorab am 12. März 2021.)

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 11. Woche 2021                                                    26

  Impressum
  Herausgeber                                                       Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                              Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                         www.rki.de/epidbull
  Telefon 030 18754 – 0
                                                                    Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
  Redaktion                                                         die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Dr. med. Jamela Seedat
  Dr. med. Maren Winkler (Vertretung)                               Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
  Telefon: 030 18754 – 23 24                                        Namensnennung 4.0 International Lizenz.
  E-Mail: SeedatJ@rki.de

  Nadja Harendt (Redaktionsassistenz)
  Telefon: 030 18754 – 24 55
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)                      ISSN 2569-5266
  E-Mail: EpiBull@rki.de

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin      12 | 2021      25. März 2021                                                     3

  Kontrolle eines COVID-19-Ausbruches
  im Landkreis Tirschenreuth, März bis Mai 2020

  Einleitung                                                   Amt, ISGA) gemeldet und auf nationaler Ebene
  Die Faktoren, die die Ausbreitung von severe acute           übermittelt wurden (SurvNet@rki.de). 4 Am
  respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) för-         16.8.2020 erfolgte eine aktualisierte Abfrage der
  dern, sind noch nicht vollständig verstanden. Es ist         SurvNet-Daten am Robert Koch-Institut (RKI) für
  klar, dass längere Aufenthalte in geschlossenen              den genannten Zeitraum. Für epidemische Kurven
  Räumen, größere Menschenmengen und enger                     wurde entweder das Datum des Auftretens spezifi-
  Kontakt die Übertragung erleichtern.1 Teilweise              scher Symptome oder, wenn keine Information
  kommt es dabei zu einem Superspreading, d. h. durch          zum Symptombeginn vorlag, das Datum der Mel-
  einzelne Personen oder Events wird eine hohe An-             dung verwendet. Bei Fällen, zu denen initial kein
  zahl von Folgefällen generiert, die deutlich über der        Erkrankungsbeginn gemeldet worden war, wurden
  Basisreproduktionszahl R0 von 2,8 – 3,8 liegt.2              die Unterlagen der Kontaktpersonen-Nachverfol-
                                                               gung nochmals überprüft und die Meldungen ent-
  In der Anfangsphase der coronavirus disease 2019-            sprechend ergänzt.
  (COVID-19-)Pandemie kam es zu einer exponentiel-
  len Ausbreitung in Deutschland, die schnell restrik-         Unterschiedliche Verteilungen der Geschlechter
  tive Maßnahmen wie beispielsweise Kontakt­                   bei den Fällen zwischen dem Landkreis Tirschen-
  beschränkungen und Ausgangssperren in beson-                 reuth und dem Rest Deutschlands wurden mit dem
  ders betroffenen Gebieten nach sich zog. Die Be-             Chi-Quadrat-Test analysiert, unterschiedliche Ver-
  schreibung der Ausbreitung von COVID-19 in                   teilungen des Alters mit dem Wilcoxon Rank-Sum-
  dieser Zeit erlaubt Einblicke, wie sich das Virus            Test. Ein p-Wert kleiner 0,05 gilt als statistisch sig-
  ohne diese Kontrollmaßnahmen verbreitet hat und              nifikant.
  wie im Anschluss empfohlene Maßnahmen zur
  Eindämmung des Ausbruchs beigetragen haben.                  Erhobene Vorerkrankungen, die mit einem erhöh-
                                                               ten Risiko schwerer Verläufe einhergehen, wurden
  Der Landkreis Tirschenreuth mit 72.504 Einwoh-               analysiert.2 Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankun-
  nenden liegt im Norden des bayerischen Regie-                gen, Diabetes mellitus, Immundefizienz, Krebs-
  rungsbezirks Oberpfalz an der tschechischen Gren-            und Lebererkrankungen sowie chronische Lungen­
  ze und besteht aus insgesamt 26 Gemeinden. An-               erkrankungen. Um den Fall-Verstorbenen-­Anteil
  fang März verzeichnete der Landkreis einen der               (CFR) zwischen dem Landkreis Tirschenreuth und
  ersten und größten Ausbrüche von SARS-CoV-2 in               dem Rest Deutschlands zu vergleichen, wurde eine
  Deutschland. Wir untersuchten, welche Faktoren               direkte Altersstandardisierung mithilfe von 10-­Jahres-
  bei der Ausbreitung und Kontrolle dieses Aus-                Kategorien durchgeführt.
  bruchs eine Rolle spielten.3 Das Ziel der Analyse ist
  es, Evidenz für erfolgreiche Kontrollmaßnahmen               Wir befragten die ersten 110 Fälle mit Erkrankungs-
  zu dokumentieren, um auf künftige Ausbrüche                  datum bis einschließlich 12.3.2020 im Landkreis
  besser vorbereitet zu sein.                                  Tirschenreuth nach möglichen Expositionen im
                                                               Zeitraum vom 17.2.2020 bis 8.3.2020 (öffentliche
                                                               Großereignisse, vorheriger Kontakt zu bekannten
  Methoden                                                     COVID-19-Fällen und unternommene Reisen, ins-
  Um den Ausbruch zu beschreiben, wurden Daten                 besondere Skiurlaube in Gebieten mit hohem Risi-
  von laborbestätigten COVID-19-Fällen verwendet,              ko für den Erwerb von COVID-19). Dazu wurden
  die zwischen dem 10.3.2020 und dem 11.5.2020 auf             vorliegende Daten der Infektionsquellensuche des
  lokaler Ebene (InformationsSystem Gesundheits-               Gesundheitsamtes verwendet und komplettiert,
Epidemiologisches Bulletin                                   12 | 2021                     25. März 2021                                                                                                   4

  s­ owie Betroffene in halbstandardisierten Telefon­                                                             Mittel. Der Tag mit den meisten gemeldeten Fall-
   interviews erneut befragt.                                                                                     zahlen nach Glättung wurde als Referenzwert defi-
                                                                                                                  niert (1,0) und für die anderen Tage ein Wert relativ
  Die effektive 7-Tage-Reproduktionszahl R wurde                                                                  zu dem Wert des Tages mit den meisten Fallzahlen
  aus dem jeweiligen Meldedatum eines jeden Falles                                                                berechnet. (Beispiel: Tag x hatte mit 40 Fällen die
  unter Verwendung eines gleitenden 7-Tage-Durch-                                                                 höchste COVID-19-Fallzahl und wurde deshalb als
  schnitts berechnet.5                                                                                            Referenz (1,0) gesetzt. Am Tag danach senkte sich
                                                                                                                  die Fallzahl auf 36. Der Wert relativ zum Tag mit
  Um die Anzahl der im Zeitraum vom 7.3.2020                                                                      den meisten Erkrankungen entspricht 36/40 = 0,9).
  ­(erste Laborbestätigung in Tirschenreuth, Ergebnis                                                             Mithilfe einer angenommenen mittleren Inkuba­
   lag am 10.3.2020 vor) bis 13.5.2020 durchgeführten                                                             tionszeit von 5 Tagen schätzten wir den Infektions-
   SARS-CoV-2-Tests abzuschätzen, wurden die baye-                                                                beginn.2 Maßnahmen in den Alten- und Pflegehei-
   rische Landesbehörde und örtliche Labore kontak-                                                               men werden nach Datum des Inkrafttretens in Ab-
   tiert und die Daten mit den für Gesamtdeutschland                                                              bildung 5 abgebildet.
   gemeldeten verglichen.6
                                                                                                                  Zur Eruierung der durchgeführten Maßnahmen
  Um der Wirksamkeit der eingesetzten Maßnah-                                                                     dienten persönliche Informationen durch Mitarbei-
  men im Landkreis Tirschenreuth in den Alten- und                                                                tende des Gesundheitsamtes Tirschenreuth, des
  Pflegeheimen (Einrichtungen nach § 36 Infektions-                                                               Landratsamtes, des Katastrophenschutzes und die
  schutzgesetz [IfSG]) abzuschätzen, haben wir die                                                                Dokumentation in Presse und Fachöffentlichkeit.
  Daten der Bewohnenden und Angestellten mit ge-
  meldetem Symptombeginn betrachtet. Zum Glät-                                                                    Statistische Analysen wurden in Stata SE 15.1 durch-
  ten der Kurven nutzten wir ein gleitendes 3-Tage-­                                                              geführt.

  Anzahl COVID-19-Fälle                                                                                                                                                  Effektive Reproduktionszahl R

  60                                                                                                                                                                                                             20

                                                                                                                                                                                                                 18

  50                                                                                                                                                            Meldedatum
                                                                                                                                                                                                                 16
                                                                                                                                                                Erkrankungsbeginn
                                                                                                                                                                7-Tages-R-Wert
                                                                                                                                                                                                                 14
  40
                                                                                                                                                                                                                 12

  30                                                                                                                                                                                                             10

                                                                                                                                                                                                                 8
  20
                                                                                                                                                                                                                 6

                                                                                                                                                                                                                 4
  10

                                                                                                                                                                                                                 2

   0                                                                                                                                                                                                             0
       17.02.

                21.02.

                         25.02.

                                  29.02.

                                           04.03.

                                                    08.03.

                                                               12.03.

                                                                         16.03.

                                                                                  20.03.

                                                                                            24.03.

                                                                                                     28.03.

                                                                                                              01.04.

                                                                                                                       05.04.

                                                                                                                                09.04.

                                                                                                                                         13.04.

                                                                                                                                                  17.04.

                                                                                                                                                           21.04.

                                                                                                                                                                    25.04.

                                                                                                                                                                             29.04.

                                                                                                                                                                                      03.05.

                                                                                                                                                                                               07.05.

                                                                                                                                                                                                        11.05.

                                                                                                                                         Erkrankungsbeginn, ersatzweise Meldedatum (2020)

  Abb. 1 | Epidemische Kurve der COVID-19-Fälle im Landkreis Tirschenreuth nach Erkrankungsbeginn, ersatzweise Meldedatum
  (n = 1.120) plus 7-Tage-R-Wert berechnet aus dem Meldedatum, 10.3. – 11.5.2020
Epidemiologisches Bulletin               12 | 2021   25. März 2021                                                                        5

   10.3. – 11.5.2020                                      Landkreis Tirschenreuth                         Übriges Deutschland
   Zahl der bestätigten COVID-19-Fälle                            1.120                                          170.131
   Inzidenz pro 100.000 Einwohner                                 1.500                                            200
   Altersmedian (Interquartilsabstand)                          56 (41–76)                                     50 (32–63)
   Anteil Frauen an den Fällen                                     58 %                                           52 %
   Todeszahl (Fall-Verstorbenen-Anteil, CFR)                    138 (12 %)                                     8.543 (5 %)
   Altersstandardisierter CFR                                      8%                                              5%
   Symptomatische Fälle                                        1.012 (90 %)                                   134.740 (79 %)
   Hospitalisierte Fälle                                        251 (22 %)                                    26.540 (16 %)
   Fälle in Einrichtungen gemäß § 36 IfSG*                      169 (15 %)                                     15.489 (9 %)
   Fälle mit Vorerkrankungen                                    336 (30 %)                                    22.805 (13 %)

  Tab. 1 | Charakteristika der COVID-19-Fälle im Landkreis Tirschenreuth und im restlichen Bundesgebiet sowie prozentuale Anteile
  von symptomatischen und asymptomatischen Fällen (n = 1.120), 10.3. – 11.5.2020
  * Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünfte, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylsuchenden,
  sonstige Massenunterkünfte, Justizvollzugsanstalten

  Ergebnisse                                                           Exposition                                             Anzahl (%)
                                                                       Skiurlaub in Italien oder Österreich                   12 (13 %)
  Verlauf der Epidemie im Landkreis                                    Zoigl*-Braustube in Mitterteich                        15 (17 %)
  Tirschenreuth                                                        Starkbierfest in Mitterteich                           10 (11 %)

  Bis zum 11.5.2020 waren insgesamt 1.120 bestätigte                   Kontakt zu bestätigtem Fall                            30 (33 %)
                                                                       Ausschließlich andere, weniger häufig                  23 (26 %)
  Fälle gemeldet, 138 davon verstarben. In Abbildung  1                genannte Expositionen
  ist die Anzahl der übermittelten Fälle über die Zeit                 Keine Expositionen                                     15 (17 %)
  dargestellt. Nach vereinzelten Fällen im Februar kam
                                                                     Tab. 2 | Expositionen der frühen Fälle mit Erkrankungsbeginn
  es ab dem 8.3.2020 zu einem starken Anstieg, der in                bis 12.3.2020 (n = 90)
  einen ersten Gipfel mit 28 Fällen am 10.3.2020 mün-
  dete. Ein weiterer starker Anstieg der Fälle ist ab dem
  13.3.2020 zu sehen, mit einem Gipfel von 55 Fällen                 Bundesdurchschnitt im Vergleichszeitraum. Das
  am 16.3.2020. Insbesondere in der frühen Phase                     Durchschnittsalter der Verstorbenen betrug 81 Jah-
  und Hochphase des Ausbruchs ist der Anteil an                      re (medianes Alter: 82 Jahre, Interquartilsabstand
  übermittelten symptomatischen Fällen sehr hoch.                    (IQR): 76 – 88) und war genauso hoch wie im Rest
                                                                     Deutschlands (medianes Alter: 83 Jahre, IQR:
  Die Kurve fiel ab Ende März kontinuierlich ab. Der                 76 – 88, p  = 0,43). Von den Todesfällen waren 122
  auf dem Meldedatum basierende 7-Tage-R-Wert lag                    (88 %) Personen 70 Jahre und älter.
  bis einschließlich 17.3.2020 über 4 und fiel nach
  dem 4.4.2020 auf Werte unter 1. Ab Ende April kam                  Es konnten 90 der 110 ersten gemeldeten Personen
  es nur noch zu vereinzelten Meldungen im Land-                     mit Erkrankungsbeginn bis einschließlich
  kreis. Zwischen Beendigung der hier vorgestellten                  12.3.2020 zu möglichen Expositionen befragt wer-
  Studie am 12.5.2020 und der aktualisierten Abfrage                 den (s. Tab.  2). Insgesamt gaben ca. 40 % der Fälle
  am 16.8.2020 traten lediglich 22 neue Fälle auf.                   an, entweder im Skiurlaub in Italien oder Öster-
                                                                     reich, beim Starkbierfest (am 7.3.2020) oder dem
  In Tabelle 1 sind Charakteristika der gemeldeten                   Zoigl* in Mitterteich (3.3. – 7.3.2020) gewesen zu
  Fälle im Landkreis Tirschenreuth und im restlichen
  Bundesgebiet für den Zeitraum 10.3.– 11.5.2020 zu-
  sammengefasst.                                                     * Zoigl ist eine Brautradition in der nördlichen Ober-
                                                                       pfalz. Es handelt sich um ein untergäriges Bier,
                                                                       das von Privatpersonen nach mittelalterlichem
  Der CFR lag mit 12 % deutlich über dem Bundes-
                                                                       Braurecht in Kommunbrauhäusern gebraut wird.
  durchschnitt von 5 %. Auch nach einer Altersstan-                    Anschließend wird es nach einem festgelegten
  dardisierung lag der CFR mit 8 % noch über dem                       Turnus in den jeweiligen Zoiglstuben ausgeschenkt.
Epidemiologisches Bulletin                               12 | 2021                  25. März 2021                                                                                                      6

  sein. Ein Drittel der Fälle gab einen Kontakt zu ei-                                                      Fälle in Mitterteich sichtbar, während im übrigen
  nem ihnen bekannten Fall an. Gut 10 % dieser Fälle                                                        Landkreis die Anzahl der neu Erkrankten hoch
  hatten zusätzlich zum Kontakt mit einer erkrank-                                                          bleibt und erst Anfang April kontinuierlich absinkt.
  ten Person mindestens eine der drei anderen oben
  genannten Expositionen. Die übrigen gut 40 % der                                                          Beschreibung der Maßnahmen
  Fälle gaben ausschließlich andere, weniger häufig                                                         Nachdem die gemeldeten Fallzahlen Mitte März
  genannte, oder gar keine Expositionen an.                                                                 deutlich anstiegen und die Fälle aus der Gemeinde
                                                                                                            Mitterteich einen überproportional großen Anteil
  Verteilung der Fälle auf die Gemeinde                                                                     einnahmen, verhängte das Landesratsamt Tirschen-
  Mitterteich und den übrigen Landkreis                                                                     reuth in Abstimmung mit dem Innenministerium
  Zu Beginn der Epidemie bis einschließlich                                                                 und dem Gesundheitsministerium Bayerns am
  16.3.2020 repräsentierten die Fälle der Gemeinde                                                          18.3.2020 eine komplette Ausgangssperre für das
  Mitterteich einen überproportionalen Teil der Ge-                                                         Stadtgebiet.7 Mitterteich war somit die erste Stadt in
  samtfallzahl im Landkreis (s. Abb. 2). Obwohl ledig-                                                      Deutschland mit einer solchen Maßnahme. Erfah-
  lich ca. 10 % der Bevölkerung des Landkreises                                                             rungen aus Wuhan, China, zeigten einen positiven
  ­Tirschenreuth in Mitterteich wohnhaft sind, lag der                                                      Effekt des Lockdowns auf die lokalen Infektionszah-
   tägliche Anteil neuer Fälle aus Mitterteich zwischen                                                     len.8 Analog verringerten sich die Infektionszahlen
   dem 9. – 16.3.2020 jeweils zwischen 20 % und etwa                                                        nach Einführen der Ausgangssperre in Mitterteich
   50 %. Am 16.3.2020 wurde die insgesamt höchste                                                           und nachfolgend auch im restlichen Landkreis.
   Anzahl von Fällen sowohl in Mitterteich (n = 22) als
   auch im gesamten Landkreis (n = 55) erreicht. Ab                                                         Am 21.3.2020 traten bayernweit per Allgemeinver-
   dem 17.3.2020 ist ein deutlicher Rückgang neuer                                                          fügung vorläufige Ausgangsbeschränkungen an-

  Anzahl COVID-19-Fälle

  60
                         18.03.2020:                                                               21.03.2020:
                         Ausgangssperre für                                                        Ausgangsbeschränkungen für das
                         die Stadt Mitterteich                                                     gesamte Bundesland Bayern

  50
                                                                                                                                                Landkreis Tirschenreuth (ohne Mitterteich)
                         12.03.2020:
                         14-tägige Quarantäne                                                                                                   Mitterteich
                         für Reiserückkehrer
  40                     aus AUT/CHE/ITA

                         10.03.2020:
                         Verbot von Veran-
  30                     staltungen über
                         1.000 Teilnehmer

  20

  10

   0
       17.02.

                21.02.

                           25.02.

                                    29.02.

                                             04.03.

                                                      08.03.

                                                               12.03.

                                                                        16.03.

                                                                                 20.03.

                                                                                          24.03.

                                                                                                   28.03.

                                                                                                            01.04.

                                                                                                                     05.04.

                                                                                                                              09.04.

                                                                                                                                       13.04.

                                                                                                                                                 17.04.

                                                                                                                                                          21.04.

                                                                                                                                                                   25.04.

                                                                                                                                                                            29.04.

                                                                                                                                                                                     03.05.

                                                                                                                                                                                              07.05.

                                                                                                                                                                                                           11.05.

                                                                                                                                  Erkrankungsbeginn, ersatzweise Meldedatum (2020)

  Abb. 2 | SARS-CoV-2-Infektionen in der Gemeinde Mitterteich und dem restlichen Landkreis Tirschenreuth, sowie Maßnahmen
  zur Pandemieeindämmung nach Datum (n = 1.120) (AUT – Österreich, CHE – Schweiz, ITA – Italien)
Epidemiologisches Bulletin         12 | 2021        25. März 2021                                                          7

  lässlich der Corona-Pandemie in Kraft.9 Physische                 ­ ontaktpersonen Kategorie 1 (KP1) von bereits bestä-
                                                                    K
  und soziale Kontakte sollten minimiert, ein Min-                  tigten Fällen im Landkreis getestet. In dieser ersten
  destabstand von 1,5 m eingehalten und die eigene                  Phase zwischen dem 7.3. und dem 25.3.2020 wurden
  Wohnung nicht ohne triftigen Grund verlassen                      vom Gesundheitsamt etwas über 500 Testungen
  werden. Außerdem wurden Gastronomiebetriebe                       durchgeführt, von denen 79 SARS-CoV-2-­positiv wa-
  jeglicher Art geschlossen.                                        ren. An zwei Tagen (21.3. und 25.3.2020) wurden
                                                                    zwei „Teststraßen“ eingerichtet; in diesem Rahmen
  Zusätzlich zu den in Abbildung 2 eingezeichneten                  wurden 331 Personen getestet. Laut Angaben des Ge-
  Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchsge-                         sundheitsamts waren ca. 60 – 70% der getesteten
  schehens klärten Flugblätter und Lautsprecherwa-                  Kontaktpersonen in dieser Testphase symptomatisch.
  gen der Feuerwehr mit entsprechenden Durchsagen
  am 17.3.2020 in Mitterteich die Bevölkerung über die              Aus Kapazitätsgründen und im Einklang mit natio­
  Situation auf. Des Weiteren wurde nach Meldung                    nalen10 und internationalen11 Empfehlungen wur-
  der ersten Fälle im Landkreis und in der Gemeinde                 den ab dem 26.3.2020 nur noch symptomatische
  Mitterteich mit Maßnahmen zur Testung und Kon-                    Personen getestet. Innerhalb eines 8- bis 10-tägigen
  taktpersonen-Nachverfolgung begonnen. Die effek-                  Zeitraums Ende März/Anfang April nahm die An-
  tive Durchführung war allerdings ­limitiert durch                 zahl der Tests nach vorangegangener intensiver
  mangelnde personelle und technische Ressourcen                    Testphase ab, weil nur noch wenig bzw. keine Test­
  des lokalen Gesundheitsamtes, z. B. Software zur                  ressourcen (Abstrichmaterial, Schutzkleidung) zur
  entsprechenden Datenerhebung und -auswertung.                     Verfügung standen (s. Abb. 3).
  Im weiteren Verlauf konnte dies teilweise durch die
  Unterstützung anderer Behörden, der Landesstelle                  Insgesamt wurden im Landkreis Tirschenreuth bis
  und weiterer Institutionen ausgeglichen werden.                   zum 13.5.2020 um den Faktor 2,2-mal mehr Testun-
                                                                    gen pro Einwohner durchgeführt als in Gesamt-
  Teststrategie und durchgeführte Labor­                            deutschland6, jedoch waren fast dreimal so viele
  testungen im Landkreis Tirschenreuth                              Tests positiv (s. Tab. 3). Diese Daten beinhalten alle
  In der Anfangsphase des Ausbruchs wurden gemäß                    durchgeführten Tests, somit sind auch Mehrfach-
  den Empfehlungen des Landes Bayern gezielt                        testungen von Personen miterfasst.

                                                                                         Screening von 7 weiteren
                                                                      Screening von 3
                                                                                         Pflegeheimen mit keinen
                                                                          Hotspot‐
                                                                                           oder nur vereinzelten
                                                                       Pflegeheimen
                                                                                             vorherigen Fällen

                                März 2020                                               April 2020
          3   5   7   9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 2               4   6   8 10 12 14 16 18 20 22 24 26

                                                                                          Screening von 1
         Testungen von allen Kontaktpersonen der    Testungen nur von
                                                                                             Hotspot‐
                    Kategorie 1 (KP1)            symptomatischen Personen
                                                                                           Pflegeheim*

         *von der Kassenärztlichen
         Vereinigung Bayern durchgeführt                             Knappheit Testmaterial

  Abb. 3 | Teststrategien und durchgeführte Screenings des Gesundheitsamtes im Landkreis Tirschenreuth bis zum 27.4.2020
Epidemiologisches Bulletin          12 | 2021       25. März 2021                                                              8

  Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen                              Heim 1 war vom Ausbruch zuerst betroffen. Der
  Durch das möglicherweise enge Zusammenleben                       erste COVID-19-Fall beim Personal dieses Heimes
  von Menschen stellen Gemeinschaftseinrichtungen                   wurde am 16.3.2020 getestet und am 19.3.2020 ge-
  eine Umgebung mit deutlich erhöhtem Übertra-                      meldet. Aufgrund der milden respiratorischen
  gungsrisiko von SARS-CoV-2 dar. Zusätzlich haben                  Symptomatik, die bereits seit dem 8.3.2020 be-
  die in Alten- und Pflegeheimen lebenden Men-                      stand (s. Abb. 4), arbeitete die betroffene Person
  schen durch ein häufig fortgeschrittenes Alter und                noch bis zum 16.3.2020 in der Einrichtung. Vier
  eine hohe Prävalenz von Vorerkrankungen eine er-                  weitere Mitarbeitende, welche wegen eines Perso-
  höhte Prädisposition für einen schwereren Verlauf                 nalnotstandes das Stammpersonal unterstützten,
  von COVID-19. Im Kreis Tirschenreuth wurden                       wurden im Verlauf des Ausbruchs in Heim 3 eben-
  169  COVID-19-Fälle (15 %) zum Untersuchungs-                     falls positiv getestet.
  zeitpunkt in einer Einrichtung gemäß § 36 IfSG
  (z. B. Pflegeeinrichtungen) untergebracht bzw. be-                Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen
  treut, hier lag die Fallsterblichkeit bei 36 %. Im rest-          Ab dem 13.3.2020 wurden Alten- und Pflegeeinrich-
  lichen Deutschland betrug die Anzahl der Fälle im                 tungen in Bayern für Besuchende geschlossen. Die
  selben Zeitraum in Einrichtungen gemäß § 36 IfSG                  in den Heimen vorrätige, einfache Schutzausrüs-
  lediglich 9 % (n  =  15.489), mit einer Fallsterblich-            tung wurde eingesetzt. Mit dem Auftreten von Fäl-
  keit von 22 %. Nach Informationen des Gesund-                     len unter Bewohnenden wurden umgehende Iso-
  heitsamtes stammen alle im Landkreis Tirschen-                    liermaßnahmen (Einzelzimmer bzw. Kohorteniso-
  reuth unter § 36 IfSG erfassten Fälle aus Alten- und              lierung in Wohnbereichen) eingeleitet. In der Zeit
  Pflegeheimen, mit Ausnahme von 9 Bewohnenden                      zwischen dem 25.3.2020 und 2.4.2020 wurde allen
  (5 %) aus Einrichtungen zur Betreuung von Men-                    Heimen im Landkreis, zusätzlich zur bereits vor-
  schen mit Behinderungen. Aus anderen Einrich-                     handenen Schutzausrüstung, Filtering Face Piece
  tungen, welche nach § 36 IfSG geführt werden, z. B.               (FFP)2-Masken und weitere persönliche Schutz-
  zur Unterbringung von Asylsuchenden oder Justiz-                  kleidung zur Verfügung gestellt. Ab dem 2.4.2020
  vollzugsanstalten, wurden keine Fälle gemeldet.                   bis Anfang Mai 2020 wurden gezielt alle Bewoh-
                                                                    nenden sowie das Personal in 14 Alten- und Pflege-
  Drei Alten- und Pflegeheime (Hotspots) im Land-                   heimen und einer Einrichtung für Menschen mit
  kreis Tirschenreuth waren besonders vom Aus-                      Behinderungen im Landkreis in einem Screening-
  bruch betroffen (s. Tab. 4). Der Anteil an COVID-19-              verfahren auf SARS-CoV-2 getestet, sofern sie nicht
  Fällen unter Bewohnenden und Mitarbeitenden in                    in der Vergangenheit bereits an COVID-19 erkrankt
  den Heimen lag zwischen 26 % (Heim 1) und 46 %                    waren. Die drei Hot­spot-Heime hatten zum Zeit-
  (Heim 2). In Heim 3 mit einer Erkrankungsrate von                 punkt des Screenings bereits bestätigte Fälle unter
  38 % verstarben knapp ein Viertel der 67 Bewoh-                   dem Personal sowie den Bewohnenden (s. Tab. 4).
  nenden an oder mit COVID-19 (n  =  16, 24 %). Ins-                Durch das Screening wurden weitere Fälle bestätigt.
  gesamt war im Landkreis Tirschenreuth das Sterbe-
  risiko für Fälle unter Bewohnenden von Alten- und                 Symptomatische COVID-19-Fälle im Landkreis
  Pflegeheimen im Alter ab 70 Jahren im Vergleich                   ­Tirschenreuth, die in einer Einrichtung nach § 36
  zu nicht in Heimen untergebrachten Fällen dersel-                  IfSG betreut oder tätig waren, sind in Abbildung 5A
  ben Altersgruppe zwar leicht erhöht, der Unter-                    (Erkrankungsbeginn der Fälle) und 5B (geschätztes
  schied allerdings nicht signifikant (p  =  0,08).                  Infektionsdatum) dargestellt. Bei einer angenom-
                                                                     menen Inkubationszeit von 5 Tagen zeigt sich, dass

                             Bevölkerung        Tests (n)    Tests/100.000   Tests positiv (n)   Tests positiv (%)   Positiv/100.000
   Tirschenreuth                  72.504           6.106             8.422              1.044                  17             1.440
   Deutschland                83.122.535        3.147.771            3.787           197.101                    6               237

  Tab. 3 | SARS-CoV-2 PCR-Testungen im Landkreis Tirschenreuth und in Gesamtdeutschland (Datenstand 13.5.2020)
Epidemiologisches Bulletin                                      12 | 2021                         25. März 2021                                                                                                               9

                                                     Anzahl                  Fälle vor             Fälle im Screening                 Fälle              Erkrankungs-               Verstorben          Fall-Verstorbenen-
                                                     gesamt                 Screening                    (/Tests)                    gesamt                   rate                                         Anteil (CFR)
                         Personal                      70                      22                             0 (/9)                      22                     31 %                     –                         –
      HEIM 1             Bewohnende                    70                      14                            1 (/70)                      15                     21 %                     5                        33 %
                         Gesamt                       140                      36                            1 (/79)                      37                     26 %                     –                         –
                         Personal                      33                       7                            3 (/21)                      10                     30 %                     –                         –
      HEIM 2             Bewohnende                    39                      10                            13 (/28)                     23                     59 %                     7                        30 %
                         Gesamt                        72                      17                            16 (/49)                     33                     46 %                     –                         –
                         Personal                      69                       6                            4 (/24)                      18*                    26 %                     –                         –
      HEIM 3             Bewohnende                    67                       9                            25 (/58)                     34                     51 %                    16                        47 %
                         Gesamt                       136                      15                            29 (/82)                     52*                    38 %                     –                         –

  Tab. 4 | COVID-19-Erkrankungen unter Personal und Bewohnenden von drei Alten- und Pflegeheimen (Hotspots) im Landkreis
  Tirschenreuth, Datenstand 11.5.2020
  * Inklusive 8 Fällen beim Personal, die erst nach dem Screening auftraten.

  die Schließung der Pflegeheime für Besucher am                                                                        legt.12 Die Untererfassung der Fälle würde auch den
  13.3.2020 einen Anstieg der Fallzahlen nicht verhin-                                                                  hohen Anteil an symptomatischen (90 %) und teil-
  dern konnte (s. Abb. 5B). Es trugen jedoch gezielte                                                                   weise den hohen Anteil an verstorbenen Fällen er-
  Maßnahmen wie Hygienepläne, Kohortenisolie-                                                                           klären. Dass trotz des hohen Erkrankungsgipfels
  rung bei positiven Fällen in der Einrichtung, sowie                                                                   ein Abnehmen der Fallzahlen gelang, deutet auf
  die Versorgung mit professioneller Schutzausrüs-                                                                      ­effektive eindämmende Maßnahmen hin.
  tung inklusive FFP2-Masken zu einem Rückgang
  der Fallzahlen bei.                                                                                                   Ein Zusammenspiel von drei Faktoren hat mögli-
                                                                                                                        cherweise zur schnellen Ausbreitung des Krank-
                                                                                                                        heitsgeschehens beigetragen: Reiserückkehrer aus
  Diskussion                                                                                                            Österreich und Italien13, der Zoigl und das Stark-
  Wir beschreiben hier einen der größten Ausbrüche                                                                      bierfest. Etwa ein Drittel der früh erfassten Fälle
  von COVID-19 in Deutschland. Der steile Anstieg                                                                       gab mindestens eine dieser drei Expositionen an.
  der Fälle ist nicht mit einem R0 von 2,8 – 3,8, wie es                                                                Zu Beginn des Ausbruchs wurden verglichen mit
  für SARS-CoV-2 beschrieben wurde, zu erklären.2                                                                       der Gesamtfallzahl des Landkreises überproportio-
  Die gemeldeten Fälle stellen daher vermutlich nur                                                                     nal viele Fälle in Mitterteich registriert. Dies unter-
  einen Teil des Ausbruchsgeschehens dar. Dass es                                                                       stützt die These, dass die beiden Biertraditionen
  deutlich mehr als die dokumentierten Fälle gab,                                                                       des Ortes als Katalysator des Geschehens dienten.
  wird mittlerweile durch serologische Studien be-                                                                      In ca. 40 % der Fälle kamen keine oder nur seltener

  Anzahl COVID-19-Fälle
  4                                                                                                                                                                                 Bewohnende
  3                                                                                                                                                                                 Personal
  2

  1

  0
       17.02.

                21.02.

                          25.02.

                                   29.02.

                                            04.03.

                                                       08.03.

                                                                   12.03.

                                                                               16.03.

                                                                                         20.03.

                                                                                                    24.03.

                                                                                                               28.03.

                                                                                                                        01.04.

                                                                                                                                 05.04.

                                                                                                                                            09.04.

                                                                                                                                                        13.04.

                                                                                                                                                                  17.04.

                                                                                                                                                                           21.04.

                                                                                                                                                                                      25.04.

                                                                                                                                                                                               29.04.

                                                                                                                                                                                                          03.05.

                                                                                                                                                                                                                     07.05.

                                                                                                                                                                                                                                  11.05.

                                                                                                                                                     Erkrankungsbeginn, ersatzweise Meldedatum (2020)

  Abb. 4 | Epidemische Kurve der SARS-CoV-2-Infektionen für Heim 1 im Landkreis Tirschenreuth nach Erkrankungs­datum,
  ersatzweise Meldedatum (n = 33). Vier Fälle (Mitarbeitende) sind in der Kurve nicht gezeigt, da ihr Wohnsitz außerhalb des
  Landkreises liegt.
Epidemiologisches Bulletin             12 | 2021     25. März 2021                                                          10

  COVID-19-Infektionen relativ zum Maximalwert

  1,0            21.03.2020: Ausgangs-
           A     beschränkungen in ganz Bayern
  0,9                                                                                               Bewohnende

                 18.03.2020: Ausgangssperre                                                         Personal
  0,8
                 in der Stadt Mitterteich

  0,7

  0,6
                 13.03.2020: Besuchsverbot
                 in Alten- und Pflegeheimen
  0,5

  0,4

  0,3

  0,2

  0,1

  0,0
        17.02.
        19.02.
        21.02.
        23.02.
        25.02.
        27.02.
        29.02.
        02.03.
        04.03.
        06.03.
        08.03.
        10.03.
        12.03.
        14.03.
        16.03.
        18.03.
        20.03.
        22.03.
        24.03.
        26.03.
        28.03.
        30.03.
        01.04.
        03.04.
        05.04.
        07.04.
        09.04.
        11.04.
        13.04.
        15.04.
        17.04.
        19.04.
        21.04.
        23.04.
        25.04.
        27.04.
        29.04.
        01.05.
        03.05.
        05.05.
        07.05.
        09.05.
        11.05.
                                                                                                                 Erkrankungsbeginn

  COVID-19-Infektionen relativ zum Maximalwert
                                                                           21.03.2020: Ausgangs-
  1,0                                                                      beschränkungen in ganz Bayern
                 18.03.2020: Ausgangssperre
           B     in der Stadt Mitterteich
  0,9

  0,8            13.03.2020: Besuchsverbot
                 in Alten- und Pflegeheimen                                                         Bewohnende
  0,7
                                                                                                    Personal

  0,6

  0,5

  0,4

  0,3

  0,2

  0,1

  0,0
        17.02.
        19.02.
        21.02.
        23.02.
        25.02.
        27.02.
        29.02.
        02.03.
        04.03.
        06.03.
        08.03.
        10.03.
        12.03.
        14.03.
        16.03.
        18.03.
        20.03.
        22.03.
        24.03.
        26.03.
        28.03.
        30.03.
        01.04.
        03.04.
        05.04.
        07.04.
        09.04.
        11.04.
        13.04.
        15.04.
        17.04.
        19.04.
        21.04.
        23.04.
        25.04.
        27.04.
        29.04.
        01.05.
        03.05.
        05.05.
        07.05.
        09.05.
        11.05.

                                                                                                       Geschätztes Infektionsdatum

  Abb. 5 | Symptomatische Fälle aus dem Landkreis Tirschenreuth betreut (schwarz) oder tätig (blau) in Einrichtungen nach § 36
  IfSG und eingeführte Maßnahmen. 13.3.2020 (Linie): Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen; 18.3.2020 (Linie): Ausgangssperre
  in Mitterteich; 20.3.2020 (Linie): Ausgangsbeschränkung in Bayern; 25.3.2020 – 2.4.2020 (grauer Bereich): Versorgung Personal
  Protective Equipment (PPE) und FFP2-Masken von allen Einrichtungen. A: Erkrankungsbeginn B: geschätztes Infektionsdatum
Epidemiologisches Bulletin         12 | 2021       25. März 2021                                                     11

  genannte Expositionen in Frage. Das deutet darauf                Landkreis Tirschenreuth schwer von COVID-19 be-
  hin, dass es zu einer weit verbreiteten Übertragung              troffen; in einem Heim betrug die Erkrankungsrate
  in der Bevölkerung im Landkreis Tirschenreuth ge-                unter betreuten Personen sogar 59 %. In diesen
  kommen ist.                                                      Umgebungen mit hoher Übertragungswahrschein-
                                                                   lichkeit und besonders vulnerablen Populationen
  Der hohe Anteil an positiven SARS-CoV-2-Befun-                   betrug der berechnete CFR über 36 %. Durch um-
  den, trotz der überproportional hohen Anzahl an                  gehende Maßnahmen in Alten- und Pflegeheimen
  Testungen im Landkreis Tirschenreuth, weist zu-                  konnte ein Übergreifen der Epidemie auf weitere
  sätzlich auf ein großes Ausbruchsgeschehen hin.                  Heime erfolgreich verhindert werden.
  Zudem lassen die Zahlen vermuten, dass im Land-
  kreis vorwiegend symptomatische bzw. akut er-
  krankte Personen getestet wurden, was ebenso                     Schlussfolgerungen
  durch die angewendete Teststrategie verdeutlicht                 Die hier vorgestellten Analysen beruhen größten-
  wird. Es ist somit wahrscheinlich, dass aufgrund                 teils auf den vom Gesundheitsamt Tirschenreuth
  der fehlenden Untersuchungen asymptomatischer                    an das RKI übermittelten Meldedaten und machen
  und leicht symptomatischer Personen das gesamte                  den hohen Stellenwert deutlich, den diese Daten an
  Ausbruchsgeschehen nur zum Teil erfasst wurde.                   der Aufklärung von Ausbruchsgeschehen haben.
                                                                   Unsere Untersuchungen zeigen, dass SARS-CoV-2
  Neben der Untererfassung von Fällen kann der                     ohne effiziente Kontrollmaßnahmen zu großen
  hohe CFR durch die vergleichsweise hohe Anzahl                   Ausbrüchen mit hoher Fallsterblichkeit unter Risi-
  an Erkrankungen von Personen im fortgeschritte-                  kogruppen und in Pflege- und Altenheimen führen
  nen Alter erklärt werden. Diese Personen litten zu-              kann. Kontrollmaßnahmen sind daher unabding-
  dem häufig an für COVID-19 relevanten Vorerkran-                 bar und bedürfen eines gut aufgestellten öffent­
  kungen. Beide Parameter erhöhen das Risiko, an                   lichen Gesundheitsdienstes, der Kooperationsbe-
  oder mit COVID-19 zu versterben. Diese Faktoren                  reitschaft der Bevölkerung und eines belastbaren
  wurden durch Ausbrüche in Alten- und Pflegehei-                  Gesundheitssystems, das Erkrankte versorgen und
  men verschärft. Mindestens drei Heime waren im                   nosokomiale Ausbrüche verhindern kann.

  Literatur
  1   Bundesregierung: Was gegen Aerosole in Innen­                4 RKI: Falldefinition zur Übermittlung von Erkran-
      räumen hilft 2020. https://www.bundesregierung.                kungs- oder Todesfällen und Nachweisen der
      de/breg-de/themen/coronavirus/schutz-vor-aero-                 Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (SARS-
      solen-17978542020                                              CoV-2) 2020. https://www.rki.de/DE/Content/InfA-
  2 RKI: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krank-                Z/N/Neuartiges_Coronavirus/Falldefinition.pdf?__
      heit-2019 (COVID-19) 2020. https://www.rki.de/DE/              blob=publicationFile [Stand: 23.12.2020]
      Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steck-
                                                                   5 RKI: Erläuterung der Schätzung der zeitlich variie-
      brief.html#doc13776792bodyText3
                                                                     renden Reproduktionszahl R 2020. https://www.rki.
      [Stand: 25.1.2021 ]
                                                                     de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/
  3 Brandl M, Selb R, Seidl-Pillmeier S, et al.: Mass
                                                                     Projekte_RKI/R-Wert-Erlaeuterung.pdf?__blob=pu-
      gathering events and undetected transmission of
                                                                     blicationFile
      SARS-CoV-2 in vulnerable populations leading to an
      outbreak with high case fatality ratio in the district       6 RKI: Täglicher Lagebericht des RKI zur Corona­virus-

      of Tirschenreuth, Germany. Epidemiology and                    Krankheit-2019 (COVID-19) 13.5.2020. https://www.
      Infection 2020;148:e252. DOI: 10.1017/                         rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavi-
      S0950268820002460 [Online vorab am 13.10.2020                  rus/Situationsberichte/2020-05-13-de.pdf?__blob=-
      erschienen.]                                                   publicationFile
Epidemiologisches Bulletin           12 | 2021       25. März 2021                                                     12

                                                                     e) 
  7 Landratsamt Tirschenreuth: Vollzug des Infektions-                   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und
         schutzgesetzes (IfSG). Allgemeinverfügung vom                   Lebensmittelsicherheit (LGL), Oberschleißheim
                                                                     f ) 
         18.3.2020. https://www.mitterteich.de/files/mitter-             Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektions­
         teich/bilder/aktuelles/bekanntmachungen/2020/                   epidemiologie – Fachgebiet für respiratorisch
         allgemeinverfuegung-mitterteich-02-04-20.pdf                    übertragbare Erkrankungen, Berlin
  8 Lau H, Khosrawipour V, Kocbach P, et al.:                        *Die beiden Verfassenden teilen sich die
         The positive impact of lockdown in Wuhan on                   Erstautorenschaft.
         containing the COVID-19 outbreak in China.
         Journal of travel medicine 2020;27(3) DOI: 10.1093/         Korrespondenz: brandlm@rki.de
         jtm/taaa037 [Online vorab am 18.3.2020 erschienen.]
  9 Bayerisches Staatsministeriums für Gesundheit                    Vorgeschlagene Zitierweise
         und Pflege: Allgemeinverfügung vom 20.3.2020.               Brandl M, Selb R, Susanne Seidl-Pillmeier S,
         https://www.bayern.de/wp-content/upload-                    Marosevic D, Buchholz U, Rehmet S: Kontrolle eines
         s/2020/03/20-03-20-ausgangsbeschraenkung-bay-               COVID-19-Ausbruches im Landkreis Tirschenreuth,
         ern-.pdf                                                    März bis Mai 2020
  10 RKI: COVID-19-Verdacht: Maßnahmen und                           Epid Bull 2021;12:3 -12 | DOI 10.25646/7883
         Testkriterien – Orientierungshilfe für Ärzte
         (Stand: 12.5.2020) 2020. https://www.rki.de/DE/
         Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Mass-                Interessenkonflikt
         nahmen_Verdachtsfall_Infografik_Tab.html                    Die Autorinnen und Autoren geben an, dass kein
  11 WHO: Laboratory testing strategy recommenda-
                                                                     Interessenkonflikt besteht.
         tions for COVID-19 2020. https://apps.who.int/iris/
         bitstream/handle/10665/331509/WHO-COVID-19-
                                                                     Publikationshinweis
         lab_testing-2020.1-eng.pdf
                                                                     Bei diesem Artikel handelt es sich in Teilen um eine
  12 FAU Erlangen-Nürnberg: COVID-19-Immunität im                    Übersetzung eines am 13.10.2020 bei Epidemiology &
         Landkreis Tirschenreuth 2020. https://www.med.              Infection erschienen Artikels, welcher unter folgendem
         fau.de/2020/08/24/covid-19-immunitaet-im-land-              Link abrufbar ist: https://doi.org/10.1017/
         kreis-tirschenreuth/                                        S0950268820002460. Differenzen bei den Fallzahlen
  13 Frank C, Lewandowsky M, Saad N, et al.: Der erste
                                                                     sind auf eine Aktualisierung des Datenstandes für
         Monat mit COVID-19-Fällen im Landkreis Witten-              den vorliegenden Artikel zurückzuführen.
         berg, Sachsen-Anhalt. Epid Bull 2020(20):8-16. DOI:
         10.25646/6788
                                                                     Danksagung
                                                                     Wir möchten uns insbesondere bei den Mitarbei­-
  Autorinnen und Autoren                                             te­rinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes
  a,b)
      Michael Brandl* | c) Regina Selb* | d) Susanne Seidl-          ­Tirschenreuth, sowie dem Landratsamt, der Füh-
  Pillmeier | e) Durdica Marosevic | f ) Udo Buchholz  |              rungsgruppe Katastrophenschutz Landkreis Tirschen-
  a)
     Sybille Rehmet                                                   reuth und den angesprochenen Laboren und Kliniken
                                                                      im Landkreis für die ausgezeichnete Z­ usammenarbeit
  a) 
     Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektions­                  und Unterstützung bedanken. Den Betroffenen im
     epidemiologie – Postgraduiertenausbildung in                     Landkreis Tirschenreuth danken wir, dass sie nochmals
     Angewandter Epidemiologie (PAE), Berlin                          zur Beantwortung unserer Nachfragen bereit waren,
  b) 
      European Programme for Intervention Epidemiology                ebenso den verschiedenen Personen, die uns in per-
      Training (EPIET), European Centre for Disease                   sönlichen Gesprächen wertvolle Informationen und
      Prevention and Control (ECDC), Stockholm,                       Hinweise zu unserer Untersuchung gegeben haben.
      Schweden
  c) 
     Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepide-
     miologie – Fachgebiet für HIV/AIDS & andere sexuell
     o. durch Blut übertragbare Infektionen, Berlin
  d) 
      Gesundheitsamt des Landkreises Tirschenreuth,
      Tirschenreuth
Epidemiologisches Bulletin     12 | 2021      25. März 2021                                                 13

  Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut
  Beschluss der STIKO zur 3. Aktualisierung der COVID-19-
  Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche
  Begründung

  STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung
  Aktualisierung vom 12. März 2021

  Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19.             ▶▶ Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
  Für die Impfung soll einer der beiden zugelassenen          ▶▶ Personal mit besonders hohem Expositions­
  mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer,                risiko in medizinischen Einrichtungen (z. B. in
  COVID-19-Vaccine von Moderna) oder der zugelas-                Notaufnahmen, in der medizinischen Betreu-
  sene Vektor-basierte Impfstoff (COVID-19 Vaccine               ung von COVID-19-PatientInnen)
  AstraZeneca) verwendet werden. Eine begonnene               ▶▶ Personal in medizinischen Einrichtungen mit
  Impfserie muss mit demselben Produkt abge-                     engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen (z. B.
  schlossen werden. Die Impfstoffe werden hinsicht-              in der Onkologie, der Transplantationsmedizin
  lich des Individualschutzes und der Bekämpfung                 oder bei der Behandlung anderer schwer im-
  der Pandemie nach derzeitigem Wissen als gleich                munsupprimierter PatientInnen)
  geeignet beurteilt. Direkte Vergleichsstudien zwi-          ▶▶ Pflegepersonal in der ambulanten und stationä-
  schen den verschiedenen Impfstoffen sind nur sehr              ren Altenpflege
  begrenzt verfügbar. Die Impfstoffe, die alle keine          ▶▶ Andere Tätige in SeniorInnen- und Altenpflege-
  Lebendimpfstoffe sind, können in allen Alters- und             heimen mit Kontakt zu den BewohnerInnen
  Indikationsgruppen eingesetzt werden, für die sie
  zugelassen sind.                                            Innerhalb der Stufe 1 sind die ≥ 80-Jährigen und
                                                              die BewohnerInnen von Altenpflegeheimen beson-
  Aufgrund begrenzter Impfstoffverfügbarkeit soll             ders gefährdet und sollten, trotz schwerer Erreich-
  die Impfung zunächst nur Personengruppen ange-              barkeit, zu Beginn der Impfaktionen prioritär
  boten werden, die entweder ein besonders hohes              geimpft werden.
  Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer
  ­COVID-19-Erkrankung haben oder die beruflich               Bei zunehmender, aber weiterhin limitierter Impf-
   entweder besonders exponiert sind oder engen               stoffverfügbarkeit sollen Personengruppen der
   Kontakt zu vulnerablen Personengruppen haben.              2.  Stufe geimpft werden, gefolgt von den Menschen
                                                              in der jeweils nachfolgenden Stufe. Zu welchem
  Da in Bezug auf die Höhe des Risikos und die ange-          Zeitpunkt von einer Stufe zur nächsten gewechselt
  strebten Impfziele Unterschiede bestehen, emp-              werden kann, soll lokal entschieden werden. Dies
  fiehlt die STIKO ein stufenweises Vorgehen (Priori-         richtet sich nach der Verfügbarkeit der Impfstoffe
  sierungsempfehlung). In der 1. Stufe sollen folgende        und danach, ob allen Impfwilligen der jeweiligen
  Personengruppen geimpft werden:                             Priorisierungsstufe die Impfung angeboten wurde.
                                                              Neue Erkenntnisse zu den Risiken für schwere Er-
  ▶▶ BewohnerInnen von SeniorInnen- und Alten­                krankung werden fortlaufend weiter bewertet und
     pflegeheimen                                             die Risikogruppen ggf. entsprechend angepasst.
Epidemiologisches Bulletin                   12 | 2021              25. März 2021                                                   14

   Stufe   Personengruppen
                                                                                    Diese STIKO-Empfehlung setzt sich aus der allge-
   1       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
                                                                                    meinen Impfempfehlung und einer Empfehlung
           ▶▶ BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen                  zur Priorisierung zusammen. Es handelt sich wäh-
           ▶▶ Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in

              medizinischen Einrichtungen*                                          rend der Pandemie um eine Indikationsimpfemp-
           ▶▶ Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt

              zu vulnerablen Gruppen*
                                                                                    fehlung im Rahmen der epidemischen Lage von na-
           ▶▶ Pflegepersonal in der ambulanten und stationären
                                                                                    tionaler Tragweite. Ob es in Zukunft eine Standard­
              Altenpflege
           ▶▶ Andere Tätige in SeniorInnen- und Altenpflegeheimen mit               impfempfehlung oder eine anderslautende Indika-
              Kontakt zu den BewohnerInnen
                                                                                    tionsimpfempfehlung geben wird, kann zum
   2       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 75 – 79 Jahren
           ▶▶ Personen mit Down-Syndrom (Trisomie 21)
                                                                                    jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Die
           ▶▶ Personal mit hohem Expositionsrisiko in medizinischen
                                                                                    Priorisierungsempfehlung hat nur solange Gültig-
              Einrichtungen*
           ▶▶ Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderung,                 keit, bis genügend Impfstoff verfügbar ist. Mittel-
              die in Institutionen wohnen oder betreut werden
           ▶▶ Tätige in der ambulanten oder stationären Versorgung von
                                                                                    fristig ist es das Ziel, allen Menschen einen gleich-
              Personen mit Demenz oder geistiger Behinderung                        berechtigten Zugang zu einer Impfung gegen
   3       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 70 – 74 Jahren                                ­COVID-19 anbieten zu können.
           ▶▶ Personen mit Vorerkrankungen mit hohem Risiko
              (z. B. Zustand nach Organtransplantation; aktive maligne
              hämatologische Erkrankungen; fortgeschrittene solide
              Tumorerkrankungen, die nicht in Remission sind, sowie
                                                                                    Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in
              Tumorerkrankungen unter aktueller systemischer Therapie               der Europäischen Union (EU) vier Impfstoffe zuge-
              [ausgenommen ausschließlich antihormonelle Monothera-
              pie]; interstitielle Lungenerkrankungen, COPD und andere              lassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impf-
              ähnlich schwere Lungenerkrankungen; psychiatrische
              Erkrankungen [bipolare Störung, Schizophrenie und schwere
                                                                                    stoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und
              Depression], Demenz; Diabetes mellitus mit einem HbA1c                COVID-19-Vaccine-Moderna der Firma Moderna)
              ≥ 58 mmol/mol bzw. ≥ 7,5%; Adipositas (BMI > 30kg/m2);
              chronische Lebererkrankungen inkl. Leberzirrhose;                     und zwei Vektor-basierte Impfstoffe (COVID-19
              chronische Nierenerkrankungen)
           ▶▶ BewohnerInnen und Tätige in Gemeinschaftsunterkünften
                                                                                    Vaccine Astra-Zeneca der Firma AstraZeneca und
           ▶▶ Enge Kontaktpersonen von Schwangeren                                  COVID-19 Vaccine Janssen von Johnson & Johnson).
           ▶▶ Enge Kontaktpersonen bzw. Pflegende von Personen mit

              hohem Risiko                                                          Die STIKO berüksichtigt den neu zugelassenen
           ▶▶ Personal mit moderatem Expositionsrisiko in medizi­nischen
                                                                                    Janssen-Impfstoff, der aktuell nicht in Deutschland
              Einrichtungen* und in Positionen, die für die Aufrechterhal-
              tung der Krankenhausinfrastruktur besonders relevant sind             verfügbar ist, bisher nicht in ihren Empfehlungen.
           ▶▶ Teilbereiche des ÖGD
                                                                                    Für eine vollständige Impfserie der beiden mRNA-
   4       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 65 – 69 Jahren
           ▶▶ Personen mit Vorerkrankungen mit erhöhtem Risiko                      Impfstoffe und des Vektor-basierten AstraZeneca-
              (z. B. Diabetes mellitus mit HbA1c < 58 mmol/mol bzw.
              < 7,5 %; Arrhythmie/Vorhofflimmern, koronare Herzkrank-
                                                                                    Impfstoffs sind zwei intramuskulär (i. m.) zu appli-
              heit, Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie; HIV-Infektion;         zierende Impfstoffdosen notwendig. Unter Berück-
              Krebserkrankungen in behandlungsfreier Remission;
              Auto­immunerkrankungen, rheumatologische Erkrankungen,                sichtigung der Zulassungen empfiehlt die STIKO
              Asthma bronchiale; chronisch entzünd­liche Darmerkrankun-             für die mRNA-Impfstoffe einen Abstand von 3
              gen; zerebrovaskuläre Erkrankungen/Apoplex und andere
              chronische neurologische Erkrankungen)                                bis 6 Wochen (Comirnaty) bzw. 4 bis 6 Wochen
           ▶▶ Enge Kontaktpersonen bzw. Pflegende von Personen mit

              erhöhtem Risiko                                                       ­(COVID-19-Vaccine-Moderna) zwischen den beiden
           ▶▶ Personal mit niedrigem Expositionsrisiko in medizinischen
                                                                                     Impfstoffdosen und für den Vektor-basierten Impf-
              Einrichtungen*
           ▶▶ LehrerInnen                                                            stoff (COVID-19 Vaccine AstraZeneca) einen Ab-
           ▶▶ ErzieherInnen

           ▶▶ sonstige Personen, bei denen aufgrund ihrer Arbeits- oder
                                                                                     stand von 12 Wochen. Sobald weitere Impfstoffe zu-
              Lebensumstände ein deutlich erhöhtes Risiko einer Infektion            gelassen und verfügbar sind oder neue Erkenntnis-
              mit SARS-CoV-2 besteht
                                                                                     se mit Einfluss auf diese Empfehlung bekannt wer-
   5       ▶▶ Personen im Alter von ≥ 60 – 64 Jahren
           ▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und                        den, wird die STIKO ihre COVID-19-Impf­empfehlung
              Bundesregierungen
           ▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel                                           aktualisieren und ggf. Indika­tionsgruppen anpas-
           ▶▶ Beschäftigte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
                                                                                     sen. Die Publikation jeder Aktua­lisierung erfolgt im
              Sicherheit mit erhöhtem Expositionsrisiko
           ▶▶ Berufsgruppen der kritischen Infrastruktur                             Epidemiologischen Bulletin und wird auf der RKI-
   6       ▶▶   Alle übrigen Personen im Alter von < 60 Jahren                       Webpage bekannt gegeben.
  Tabelle | Stufenplan und Impfindikationsgruppen zur
  Priorisierung der COVID-19-Impfung in Deutschland
  Zur Einteilung des Personals in medizinischen Einrichtun-
  gen* wird auf die wissenschaftliche Begründung verwiesen
  (Tabelle 17, Kapitel 10.2.1)
Epidemiologisches Bulletin      12 | 2021      25. März 2021                                                  15

  Hinweise zur praktischen Umsetzung                              relle Impfung in der Schwangerschaft derzeit
  ▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die                    nicht. Eine akzidentelle Impfung in der Schwan-
     Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten                 gerschaft ist jedoch keine Indikation für einen
     Stellen verantwortlich.                                      Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren mit
  ▶▶ Bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19-­               Vorerkrankungen und einem daraus resultieren-
     Impfempfehlung der STIKO können nicht alle                   den hohen Risiko für eine schwere COVID-19-
     Krankheitsbilder oder Impfindikationen expli-                Erkrankung kann in Einzelfällen nach Nut-
     zit genannt werden. Es obliegt daher den für die             zen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher
     Priorisierung in den Bundesländern Verant-                   Aufklärung eine Impfung angeboten werden.
     wortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht              Die STIKO hält es für sehr unwahrscheinlich,
     ausdrücklich im Stufenplan genannt sind, an-                 dass eine Impfung der Mutter während der Still-
     gemessen zu priorisieren. Dies betrifft z. B. Per-           zeit ein Risiko für den Säugling darstellt.
     sonen mit seltenen, schweren Vorerkrankun-                ▶▶ Zu anderen planbaren Impfungen soll ein Min-
     gen oder auch schweren Behinderungen, für                    destabstand von 14 Tagen vor und nach jeder
     die bisher zwar keine ausreichende wissen-                   COVID-19-Impfung eingehalten werden (Not-
     schaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer                fallimpfungen sind davon ausgenommen).
     COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein            ▶▶ Es besteht keine Notwendigkeit, vor Verabrei-
     deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden                   chung einer COVID-19-Impfung das Vorliegen
     muss. Dies trifft auch für Personen zu, die zu               einer akuten asymptomatischen oder (uner-
     einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder                     kannt) durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion
     nicht mehr gleich wirksam geimpft werden                     labordiagnostisch auszuschließen. Bei Personen
     können (z. B. bei unmittelbar bevorstehender                 mit labordiagnostisch bestätigter SARS-CoV-2-
     Chemotherapie). Darüber hinaus sind Einzel-                  Infektion kann es nach Impfung zu vorüberge-
     fallentscheidungen möglich, wenn berufliche                  henden verstärkten systemischen Reaktionen
     Tätigkeiten bzw. Lebensumstände mit einem                    kommen. Nach den bisher vorliegenden Daten
     nachvollziehbaren, unvermeidbar sehr hohen                   gibt es aber keinen Hinweis darauf, dass die
     Infektionsrisiko einhergehen. Diese Öffnungs-                Impfung in diesen Fällen eine relevante Gefähr-
     klausel darf nicht missbraucht werden, um                    dung darstellt.
     ­ungerechtfertigterweise eine Impfung durch-                 Aufgrund der Immunität nach durchgemachter
      zuführen und somit stärker gefährdeten Perso-               SARS-CoV-2-Infektion und in Anbetracht des
      nen die Impfung vorzuenthalten.                             weiterhin bestehenden Impfstoffmangels sollten
  ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige                 immungesunde Personen, die eine SARS-CoV-2-
      Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des                 Infektion durchgemacht haben, nach Ansicht
      verantwortlichen Vorsorgebevollmächtigten                   der STIKO zunächst nicht geimpft werden. Die
      ­voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Kapitel              derzeit verfügbaren klinischen und immunolo-
       4.1 der STIKO-Empfehlungen STIKO-Impf­                     gischen Daten belegen eine Schutzwirkung für
       empfehlungen 2020/2021 (Epid Bull 34/2020).                mindestens 6 bis 8 Monate nach überstandener
  ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshinwei-                   SARS-CoV-2-Infektion. Entsprechend sollte frü-
       se in den Fachinformationen des jeweiligen                 hestens 6 Monate nach Genesung bzw. Diagno-
       Impfstoffs zu beachten.                                    sestellung eine COVID-19-Impfung unter Be-
  ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen                   rücksichtigung der Priorisierung erwogen wer-
       mit progredienten Krankheiten, die sich in ei-             den. Hierbei reicht eine Impfstoffdosis aus, da
       nem schlechten Allgemeinzustand befinden,                  sich dadurch bereits hohe Antikörpertiter erzie-
       muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die-              len lassen, die durch eine 2. Impfstoffdosis
       sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob             nicht weiter gesteigert werden. Ob und wann
       ihnen die Impfung empfohlen werden kann.                   später eine 2. COVID-19-Impfung notwendig
  ▶▶ Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in                     ist, lässt sich gegenwärtig noch nicht sagen.
       der Schwangerschaft und Stillzeit liegen aktuell        ▶▶ Die Gabe der 2. Impfstoffdosis soll innerhalb des
       keine Daten vor. Die STIKO empfiehlt die gene-             durch die Zulassungsstudien abgedeckten Zeit-
Epidemiologisches Bulletin      12 | 2021      25. März 2021                                                 16

       raumes erfolgen (mRNA-Impfstoffe: Comirnaty                vorsichtshalber bei bestimmten Risikoperso-
       3 bis 6 Wochen bzw. COVID-19-Vaccine-Moder-                nen eingehalten werden, z. B. bei Personen mit
       na 4 bis 6 Wochen; AstraZeneca-Impfstoff: 4 bis            gerinnungshemmender Medikation, schweren
       12 Wochen). Für die AstraZeneca Vaccine emp-               kardialen oder respiratorischen Grunderkran-
       fiehlt die STIKO, bis an die obere Grenze dieses           kungen oder mit stärkeren oder anaphylakti-
       Zeitintervalls zu gehen (12 Wochen), da dadurch            schen Reaktionen auf andere Impfungen in der
       die beste Schutzwirkung zu erzielen ist. Sollte            Anamnese. Maßgeblich für diese Entscheidun-
       der empfohlene maximale Abstand zwischen der               gen sind die Angaben der Person selbst sowie
       1. und 2. Impfstoffdosis überschritten worden              die ärztliche Einschätzung des Gesundheitszu-
       sein, kann die Impfserie dennoch fortgesetzt               stands.
       werden und muss nicht neu begonnen werden.              ▶▶ Nach der Zulassung der COVID-19-Impfstoffe
       Eine begonnene Grundimmunisierung muss                     sind einzelne schwerwiegende, allergische
       mit dem gleichen Produkt abgeschlossen wer-                ­U nverträglichkeitsreaktionen aufgetreten.
       den.                                                        Nach der derzeitigen Datenlage ist ein generell
  ▶▶   Tritt nach Verabreichung der 1. Impfstoffdosis              erhöhtes Risiko für schwerwiegende uner-
       eine labordiagnostisch gesicherte SARS-CoV-2-               wünschte Wirkungen für Personen mit vorbe-
       Infektion auf, sollte nach Ansicht der STIKO                kannten allergischen Erkrankungen bei der
       die Verabreichung der 2. Impfstoffdosis eben-               COVID-19-Impfung nicht anzunehmen, sofern
       falls frühestens 6 Monate nach Genesung bzw.                keine Allergie gegen einen Inhaltsstoff der je-
       Diagnosestellung erwogen werden.                            weiligen Vakzine (z. B. Polyethylenglykol im
  ▶▶   Es ist aktuell nicht bekannt, ob man nach                   Falle der COVID-19 mRNA-Impfstoffe) vorliegt.
       SARS-CoV-2-Exposition durch eine postexposi-                Zur weiteren Information wird auf die „Emp-
       tionelle Impfung den Verlauf der Infektion                  fehlung zur Coronaimpfung für Allergikerin-
       günstig beeinflussen oder die Erkrankung noch               nen und Allergiker“ des Paul-Ehrlich-Instituts
       verhindern kann.                                            (PEI) verwiesen.
  ▶▶   Die bisher vorliegenden Daten erlauben nicht,           ▶▶ Für die Meldungen von über das übliche Maß
       die Wirksamkeit der mRNA- und Vektor-basier-                hinausgehenden Impfreaktionen und -kompli-
       ten COVID-19-Impfstoffe hinsichtlich einer Ver-             kationen soll das etablierte Verfahren verwen-
       hinderung der Transmission abschließend zu                  det werden (siehe Kapitel 4.9 „Impfkomplikati-
       bewerten. Allerdings kann eine Verminderung                 onen und deren Meldung“ in den STIKO-Impf­
       der Virusausscheidung bei nach Impfung Infi-                empfehlungen 2020/2021; Meldeformular des
       zierten als gesichert angesehen werden. Bis                 PEI). Regelmäßige Berichte des PEI zur Sicher-
       zum Vorliegen von Daten zum Schutz der Imp-                 heit von COVID-19-Impfstoffen sind unter fol-
       fung vor Transmission müssen deshalb auch                   gendem Link zu finden: https://www.pei.de/
       nach Impfung die allgemein empfohlenen                      DE/newsroom/dossier/coronavirus/arzneimit-
       Schutzmaßnahmen weiterhin eingehalten wer-                  telsicherheit.html
       den.
  ▶▶   Die Impfung ist strikt intramuskulär (i. m.)
       und keinesfalls intradermal, subkutan oder in-
       travaskulär zu verabreichen. Bei PatientInnen
       unter Antikoagulation soll die Impfung eben-
       falls i. m. mit einer sehr feinen Injektionska­
       nüle und einer anschließenden festen Kompri-
       mierung der Einstichstelle über mindestens
       2  Minuten erfolgen.
  ▶▶   Im Allgemeinen wird eine Nachbeobachtungs-
       zeit nach der COVID-19-Impfung von mindes-
       tens 15 Minuten empfohlen. Längere Nachbeob-
       achtungszeiten von bis zu 30 Minuten sollten
Epidemiologisches Bulletin       12 | 2021      25. März 2021                                                   17

  Wissenschaftliche Begründung der STIKO für die
  Empfehlung zur Impfung gegen COVID-19

  1. Hintergrund                                                2.1 Ergebnisse zur Wirksamkeit der Astra-
  Die vorliegende 3. Aktualisierung der STIKO-Emp-              Zeneca Vaccine aus den Zulassungsstudien
  fehlung zur COVID-19-Impfung enthält Änderun-                 Der von der Universität Oxford entwickelte
  gen zur Empfehlung der AstraZeneca Vaccine hin-               COVID-19-Impfstoff basiert auf dem nicht-replizie-
  sichtlich der Altersgrenze und des Impfintervalls so-         renden Adenovirus-Vektor ChAdOx1. Die COVID-19
  wie zur COVID-19-Impfung von Personen, die be-                Vaccine AstraZeneca ist für die Prävention von
  reits eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht                   COVID-19 ab 18 Jahren in einem 2-Dosenimpfsche-
  haben. Für die wissenschaftliche Begründung zu al-            ma zugelassen.
  len anderen Aspekten der Empfehlung, insbesonde-
  re zur Priorisierung von bevorzugt zu impfenden               Bewertungsgrundlage für die Zulassung war die
  Personengruppen, wird auf die Publikation der                 zusammengefasste (gepoolte) Interimanalyse von
  2.  Aktualisierung verwiesen.                                 vier RCTs.1,4 Hierbei handelt es sich um die Studien
                                                                COV001, COV002, COV003 und COV005, die ab
                                                                dem 23. April 2020 im Vereinigten Königreich, in
  2. Aktualisierung der STIKO Empfehlung                        Brasilien und Südafrika durchgeführt wurden.
  zur AstraZeneca Vaccine                                       Hierzu wurden 23.753 ProbandInnen ab einem Al-
  Die STIKO hatte am 29.01.2021 erstmals ihre Impf­             ter von 18  Jahren im Verhältnis 1 : 1 dem Impfstoff-
  empfehlung zur AstraZeneca Vaccine publiziert.                bzw. Kontrollarm randomisiert zugeteilt. Die Studi-
  Aufgrund nicht ausreichender Daten zur Alters-                enteilnehmerInnen des Impfstoffarms erhielten
  gruppe ≥  65 Jahre wurde die Empfehlung bisher                zwei Dosen des AstraZeneca Impfstoffs i. m. In der
  nur für 18 – 64-Jährige ausgesprochen.1,2 Kürzlich            Kon­trollgruppe kam entweder ein MenACWY-Impf-
  wurden neue Daten zur Wirksamkeit in höheren Al-              stoff (COV001, COV002) oder Kochsalzlösung
  tersgruppen publiziert, die eine Neubewertung er-             (COV005) oder beides (COV003) zum Einsatz. Zur
  lauben. Wie von der STIKO angekündigt, wurde die              Beurteilung der Wirksamkeit wurden nur die Er-
  initiale Empfehlung unter Berücksichtigung dieser             gebnisse der Studien COV002 und COV003 be-
  Daten überprüft. Das Vorgehen und die Ergebnisse              rücksichtigt. Akzidentiell erhielt ein Teil der Teil-
  sind im Folgenden dargestellt.                                nehmerInnen des Impfstoffarms der Studie
                                                                COV002 bei der ersten Injektion eine verminderte
  Die Bewertung der Wirksamkeit der AstraZeneca                 (halbe) Dosis des Impfstoffs. Da der Impfstoff je-
  Vaccine wurde unter Berücksichtigung des Assess-              doch in der Standarddosierung (SD) zugelassen ist,
  ment Reports zur COVID-19 Vaccine AstraZeneca                 werden in der aktualisierten Beurteilung der STIKO
  der ­European Medicines Agency (EMA),3 einer wei-             zur Wirksamkeit des Impfstoffs nur die Ergebnisse
  teren Publikation der Zulassungsdaten4 sowie ins-             nach Anwendung der Standarddosis berücksich-
  besondere auf der Basis von zwei als Preprint pub-            tigt. Weitere Basis­charakteristika der Studie sind in
  lizierten, nicht-randomisierten Studien,5,6 sog. „real        Tabelle 1 aufgeführt.
  life Beobachtungsstudien“, aktualisiert.
                                                                In die Effektivitätsanalyse mit Datenstand vom
  Der Bericht der EMA, der am 18. Februar 2021 pu­
                             3
                                                                7.  Dezember 2020 gingen Ergebnisse von insge-
  bliziert wurde, enthält Ergebnisse aus der Phase-3-­          samt 12.196 TeilnehmerInnen ein; n = 6.106 aus der
  Studie mit einem Datenstand vom 07.12.2020.3                  Impfstoff- und n = 6.090 aus der Kontrollgruppe.
  ­Bisher waren in der STIKO-Empfehlung nur Ergeb-              Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug
   nisse mit dem Datenstand 05.11.2020 berücksichtigt           78 Tage.
   worden.1
Sie können auch lesen