5 ILS-Working Paper - Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung - Eine Inhaltsanalyse - ILS ...

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5   ILS-Working Paper

                 Soziale Stabilität in der
       Stadt- und Quartiersentwicklung –
                     Eine Inhaltsanalyse

                            Michael Kolocek
2                                                Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

Inhalt                                                                                   Seite

u   1    Einleitung                                                                           3

         Was bedeutet soziale Stabilität?

u   2    Soziale Stadt und städtebauliche Entwicklungskonzepte                                4

u   3    Methodische Vorgehensweise und Datenkorpus                                           6

         Methodik                                                                             6

         Datenkorpus                                                                          7

u   4    Ergebnisdiskussion                                                                   9

         Worthäufigkeiten                                                                     9

         Keine oder wenig Aufmerksamkeit                                                     10

         Mittlere Aufmerksamkeit                                                             11

         Hohe und sehr hohe Aufmerksamkeit                                                   12

u   5    Fazit                                                                               16

u        Literatur- und Quellenverzeichnis                                                   19

         Gesetzesgrundlagen                                                                  21

         Handlungs- und Entwicklungskonzepte                                                 22

u        Impressum                                                                           25
E ine I nh altsanalyse                                                                                           3

                                                            •   sehr fest gefügt und dadurch Beanspruchungen
1. Einleitung: Was bedeutet                                     aushaltend

   soziale Stabilität?                                      •   in sich konstant bleibend, gleichbleibend,
                                                                relativ unveränderlich
Im vorliegenden Working Paper wird untersucht, wel-         •   so beständig, dass nicht leicht eine Störung,
che Bedeutung zahlreiche Städte und Gemeinden                   Gefährdung möglich ist; Veränderungen,
NRWs dem Thema soziale Stabilität in den Städte-                Schwankungen kaum unterworfen
baulichen Entwicklungskonzepten beimessen. Das
Baugesetzbuch und wohnungsmarkt- und sozialpoli-
                                                            •   widerstandsfähig; kräftig; nicht anfällig
                                                                (duden online a)
tische Gesetze und Programme, wie das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder der Nationale            Auch die Synonyme (z.B. robust, solide, kräftig, stark)
Integrationsplan (Bundesregierung 2021), betrachten         sind positiv konnotiert. Als erklärende Beispiele für
„sozial stabile Bewohnerstrukturen“ als ein wichtiges       Stabilität listet der Duden finanzielle und politische
Ziel für die Stadt- und Quartiersentwicklung. Was so-       Stabilität, die Stabilität der Währung sowie die Sta-
ziale Stabilität bedeutet, hängt zunächst einmal von        bilität der Beziehungen zwischen Staaten auf (du-
der Diskursebene ab. Im BauGB stellen sozial stabile        den online b). Einen direkten räumlichen Bezug
Wohnstrukturen städtebauliche Belange dar:                  (z.B. stabile Städte, Quartiere, Bewohner- oder
                                                            Wohnstrukturen) stellt der Duden nicht her. In
   Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere   der Notfallmedizin ist eine Patientin stabil, wenn
   zu berücksichtigen: […] 2. die Wohnbedürfnisse der       sich ihr Zustand nicht weiter verschlechtert. Die
   Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit meh-     stabile Seitenlage soll Verunglückten dabei helfen,
   reren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial        nicht zu ersticken. Zur Herstellung der stabilen Sei-
   stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung        tenlage gibt es bildliche Darstellungen sowie detail-
   weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderun-        lierte, eindeutige Durchführungsanweisungen (DRK
   gen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungs-       2019: 60–61). Für die Herstellung und/oder Bewah-
   entwicklung […] (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB).                rung von sozial stabilen Quartieren existiert solch
                                                            eine Durchführungsanweisung bislang nicht. Erika
Aus Perspektive des Baurechts sind sozial stabile           Spiegel (2001) sieht in dem Begriff der Stabilisierung
Bewohnerstrukturen als grundlegende und allge-              eher „eine (umstrittene) theoretische Fiktion als [...]
meine Anliegen des Städtebaus zu betrachten. Der            einen empirisch nachweisbaren Sachverhalt“ (Spiegel
Wortlaut „sozial stabile Bewohnerstrukturen“ hat            2001: 75).
2004 den ehemaligen Begriff der Vermeidung einsei-
tiger Bevölkerungsstrukturen ersetzt. Sozial stabile        In der Rechtsprechung werden stabile Bewohner-
Bewohnerstrukturen sind nicht als ein verpflichtender       strukturen als Belang nicht akzeptiert, um Gemein-
städtebaulicher Grundsatz zur Schaffung durchge-            schaftsunterkünfte für AsylbewerberInnen zu ver-
hender sozialer, altersmäßiger oder ethnischer Ho-          hindern (VGH Bayern 2012). Der bayrische Ver-
mogenität der Wohngebiete zu verstehen; vielmehr            waltungsgerichtshof hat solch einer Auslegung
steht die Schaffung sich selbst tragender Sozial-           des Stabilitätsbegriffs einen Riegel vorgeschoben.
strukturen (Battis et al. 2019: § 1 BauGB, Rn. 55) im       Das Urteil zeigt, dass die Vagheit des Begriffs
Vordergrund. Grundsätzlich ist das Städtebaurecht           auch zum Ausschluss unerwünschter Bewohner-
allerdings hinsichtlich der Zusammensetzung der             Innengruppen missbraucht werden kann. Dies
Wohnbevölkerung in Quartieren neutral (Ramsauer             betrifft auch die Belegungspolitiken institutioneller
2018: 108).                                                 Wohnungsanbietender; etwa dann, wenn „sozial
                                                            stabile Bewohnerstrukturen, ausgewogene Siedlungs-
Aus einer sprachwissenschaftlichen Perspektive ist          strukturen sowie ausgeglichene wirtschaftliche, soziale
das Wort stabil positiv konnotiert. Der Duden schreibt      und kulturelle Verhältnisse“ (§ 19 Abs. 3 AGG) als
dem Adjektiv mehrere ähnliche Bedeutungen zu:               Rechtfertigung für eine exkludierende Belegungs-
4                                                         Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

politik fehlinterpretiert werden (Hanhörster et al.     2 Soziale Stadt und Städte-
2020: 100). In einer Zwischenevaluierung des Bund-
Länder-Programms Soziale Stadt werden fünf Stabi-
                                                          bauliche Entwicklungs-
litäts-Dimensionen genannt:                               konzepte
•   Verbesserung von Lebensbedingungen durch
                                                        Dem BauGB stehen zur Herstellung oder Bewahrung
    Aufwertung des baulich-räumlichen Umfelds
                                                        sozial stabiler Bewohnerstrukturen verschiedene In-
•   Verbesserung von Lebenschancen durch                strumente zur Verfügung. Grundsätzlich wirken sich
    bessere soziale Infrastruktur und Angebote          alle planerischen Maßnahmen auf die Stabilität eines
•   Verbesserung der Sozialisationsbedingungen          Quartiers aus. Die Bauleitplanung kann allerdings
    durch positive Rollenbilder und Möglichkeiten       nur mittelbar wirken, beispielsweise durch die Fest-
    positiven sozialen Lernens                          setzungen einzelner Flächen, auf denen ganz oder
                                                        teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen,
•   Aufwertung des Quartiersimages zur Vermei-          die für Personengruppen mit besonderem Wohnbe-
    dung von Stigmatisierung und Diskriminierung        darf bestimmt sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 8 BauGB). In der
    und damit einhergehender zusätzlicher Benach-       aktuellen Novelle des BauGB (BauGB-E – „Bauland-
    teiligung der Bewohnerinnen und Bewohner            mobilisierungsgesetz“) versucht der Bund mit der
•   Stärkung der Position des Quartiers im lokalen      Einführung eines sektoralen Bebauungsplans für den
    politisch-administrativen System durch leis-        unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) insbeson-
    tungsfähigere Governance-Strukturen (BBSR           dere den sozialen Wohnungsbau (wieder) stärker zu
    2017: 109; siehe auch Altrock 2019: 142f)           fördern (§ 9 Abs. 2d BauGB-E). Diese Regelung ist
                                                        allerdings zeitlich befristet und soll nur bis zum 31.
Die Auflistung macht deutlich, dass neben baulichen     Dezember 2024 gelten (§ 9 Abs. 2d BauGB-E). Ziel
Maßnahmen (Verbesserung des baulich-räumlichen          der Gesetzesnovelle ist daher, die beiden großen He-
Umfelds, Infrastruktur) auch sozialen Aspekten (Ver-    rausforderungen Innenentwicklung und Wohnraum-
besserung der Sozialisationsbedingungen, Vermei-        mangel für insbesondere untere Einkommensschich-
dung von Stigmatisierung und Diskriminierung) sowie     ten gemeinsam zu bewältigen. Der Begriff soziale
weiteren nicht-baulichen Aspekten (Image, Gover-        Stabilität taucht in der Novelle nicht auf.
nance-Strukturen) eine wesentliche Bedeutung bei-
gemessen wird. Diese mehrdimensionale Betrach-          Der Gesetzgeber assoziiert soziale Instabilität vor-
tungsweise ist auch eine Reaktion auf die Erfahrung,    rangig als ein Problem von benachteiligten Quartie-
dass rein bauliche Veränderungen, beispielsweise in     ren, das insbesondere mit Maßnahmen der Sozialen
Form von Sanierungsmaßnahmen in sozial benach-          Stadt (§ 171e BauGB) behoben werden soll.
teiligten Quartieren, ihre „Stabilisierungswirkungen“
(Altrock 2019: 133) häufig verfehlt haben.                Städtebauliche Maßnahmen der Sozialen Stadt sind
                                                          Maßnahmen zur Stabilisierung und Aufwertung von
Ziel des Working Papers ist nicht, soziale Stabilität     durch soziale Missstände benachteiligten Ortsteilen
(oder Instabilität) anhand von Untersuchungskriterien     oder anderen Teilen des Gemeindegebiets, in denen
nachzuweisen. Stattdessen wird untersucht, welche         ein besonderer Entwicklungsbedarf besteht (§ 171e
Bedeutung die Städte und Gemeinden dem Themen-            Abs. 2 BauGB).
feld in ihren Städtebaulichen Entwicklungskonzepten
beimessen, mit welchen anderen Themenfeldern sie        Im Jahr 1999 implementiert, ist das Programm „Stadt-
es verknüpfen und welche Rolle sie bestimmten Be-       teile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die So-
völkerungsgruppen bei der Herstellung, Bewahrung        ziale Stadt“ eines von damals sieben Städtebauför-
oder auch Gefährdung von sozialer Stabilität in den     derungsprogrammen. Ziel der Städtebauförderung ist
Quartieren zuschreiben.                                 die finanzielle Unterstützung der Städte und Gemein-
                                                        den bei der Bewältigung neuer Herausforderungen
Eine Inhaltsanalyse                                                                                             5

sowie bei der Herstellung nachhaltiger Siedlungs-        (zunächst stabilisieren, dann aufwerten) an. Die Pa-
strukturen (BMUB 2016: 8). Seit der Implementierung      tientin muss zunächst stabilisiert werden, erst dann
wurden über 891 Programmgebiete in 513 Städten           können ihre Behandlung und der Genesungspro-
und Gemeinden (BMI 2018: 9) gefördert. Zwischen-         zess beginnen. Gleichwohl beschreibt das BMVBW
zeitlich hieß das Programm „Soziale Stadt – Investiti-   Beispiele, „in denen eine spürbare bauliche und
onen im Quartier.“ Ergänzt wird die Förderung häufig     soziale Aufwertung des Stadtteils angestrebt wird,
auch mit Fördermitteln des Europäischen Fonds für        und solche, in denen man nur eine Stabilisierung
Regionale Entwicklung (EFRE) oder dem Europäi-           oder einen Stopp der Abwärtsentwicklung bewirken
schen Sozialfonds (EFS) (zur Ressourcenbündelung         will“ (BMVBW 2004: 79). Auch sind Beispielprojek-
siehe difu 2001: 164–169; BBSR 2017).                    te denkbar, die über die Aufwertung beispielsweise
                                                         eines Wohnumfeldes zu einer Gesamtstabilisierung
In der aktuellen Verwaltungsvereinbarung (VV 2021)       des Quartiers beitragen sollen. Das Ziel der Schaf-
werden Investitionen in städtebauliche Gesamtmaß-        fung und Bewahrung sozial stabiler Wohnstrukturen
nahmen zur Stabilisierung und Aufwertung von             trägt dem Umstand Rechnung, dass unabhängig
Stadt- und Ortsteilen unter dem Titel „Sozialer Zu-      von der Frage der Zusammensetzung der Wohnbe-
sammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemein-           völkerung ausgewogene und konfliktarme Wohnver-
sam gestalten“ geführt (Art. 7 VV 2021). Dem sozia-      hältnisse anzustreben sind (Ernst et al. 2019: § 171e
len Zusammenhalt kommt somit eine Doppelfunktion         BauGB, Rn. 41). Ein Quartier ist demzufolge sozial
zu: Er ist gleichzeitig Ziel und Mittel zur Erreichung   stabil, wenn die Wohnverhältnisse ausgewogen und
des Oberziels soziale Stabilität. Auch wenn die För-     konfliktarm sind.
dermittel von Bund und Ländern unabdingbare Vo-
raussetzungen für alle Maßnahmen sind, handelt es        Die Maßnahmen der Sozialen Stadt wurden hinsicht-
sich um ein innovatives, komplexes und experimen-        lich ihres Erfolgs zur Stabilisierung und Aufwertung
telles Programm mit einer ganzheitlichen Perspekti-      der durch städtebauliche und soziale Missstände
ve, bei welchem die BewohnerInnen, verschiedene          benachteiligten Ortsteile hinreichend evaluiert (Wal-
Ressorts und Verwaltungen und auch nicht öffentli-       ther 2002; BMVBW 2004; Altrock 2016; Altrock
che AkteurInnen neue Formen der Zusammenarbeit           2019; Wallraff/Zimmer-Hegmann 2016; BBSR 2017).
ausprobieren (Häußermann/Walther 2018: 2204). Mit        Grundsätzlich besteht ein Konsens, dass es Teiler-
einem integrierten Ansatz (BMI 2018: 14f) richtet sich   folge gab und dennoch nach wie vor Handlungs- und
das Programm auf benachteiligte Gebiete mit einer        Nachbesserungsbedarf besteht:
überdurchschnittlichen Problemdichte (Häußermann/
Walther 2018: 2199), „in denen die Verlierer der Mo-       Die durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vor-
dernisierung weitgehend unter sich bleiben“ (Walther       genommene Einfügung der Grundsätze und Verfahren
2002: 27). Trotz der Gemeinsamkeiten ist bei genau-        zur Sozialen Stadt in das BauGB zeigt […], dass das
erer Betrachtung jedes Programmgebiet hinsichtlich         Programm „Soziale Stadt“ nach Auffassung des Ge-
der örtlichen Herausforderungen und Problemur-             setzgebers ein zukunftsweisender Schritt für die Stadt-
sachen einzigartig und erfordert eine individuelle         entwicklung gewesen ist. Insofern ist es konsequent,
Ausgestaltung der Maßnahmen. Dies erschwert die            dass „die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Be-
Vergleichbarkeit, beispielsweise bei den Evaluations-      wohnerstrukturen“ (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) nunmehr
anstrengungen (Altrock 2016; Wallraff/Zimmer-Heg-          ausdrücklich zu den besonders zu berücksichtigenden
mann 2016), zeigt aber gleichzeitig einen breiten          Grundsätzen der Bauleitplanung gehört (Häußermann/
Interpretationsspielraum für den Begriff der sozialen      Walther 2018: 2205).
Stabilität.

Die Wortfolge „Stabilisierung und Aufwertung“ (§
171e Abs. 2 BauGB) spiegelt die beiden wesentlichen
Zielsetzungen wider und deutet eine zeitliche Abfolge
6                                                                 Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

Ausgangspunkt für die Soziale-Stadt-Maßnahmen ist             3 Methodische Vorgehens-
ein sogenanntes Entwicklungskonzept:
                                                                weise und Datenkorpus
    Grundlage für den Beschluss nach Absatz 3 ist ein von     Im Mittelpunkt des Arbeitspapiers stehen Entwick-
    der Gemeinde unter Beteiligung der Betroffenen (§ 137)    lungskonzepte aus 58 der 60 einwohnergrößten
    und der öffentlichen Aufgabenträger (§ 139) aufzustel-    Städte und Gemeinden in NRW. Die kleinste Stadt
    lendes Entwicklungskonzept, in dem die Ziele und Maß-     ist Unna mit etwas unter 60.000 EinwohnerInnen, die
    nahmen schriftlich darzustellen sind. Das Entwicklungs-   größte Stadt ist Köln mit über einer Million Einwoh-
    konzept soll insbesondere Maßnahmen enthalten, die        nerInnen. Für das vorliegende Arbeitspapier stellen
    der Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse        die Entwicklungskonzepte aus diesen Städten und
    sowie der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Be-     Gemeinden die empirische Grundlage dar. Die Un-
    wohnerstrukturen dienen (§ 171e Abs. 4 BauGB).            tersuchungsfragen lauten:

                                                              •    Wie viel Aufmerksamkeit widmen die Städte und
Entwicklungskonzepte haben ihren Ursprung in der
                                                                   Gemeinden dem Themenfeld soziale Stabilität?
Sozialen Stadt und wurden dann auf andere Program-
me der Städtebauförderung übertragen. Sie stellen             •    In welchem thematischen Kontext taucht soziale
Planungs- und Steuerungsinstrumente für lokal an-                  Stabilität vermehrt auf und welche Maßnahmen
gepasste Lösungsansätze dar (BMUB 2016: 9). Seit                   zur Herstellung oder Bewahrung von sozialer
2008 ist es verpflichtend (Art. 7 VV 2008), Entwick-               Stabilität werden genannt?
lungskonzepte aufzustellen, um Finanzmittel aus den           •    Welche Bedeutung wird bestimmten Bevölke-
Städtebauförderungsprogrammen zu erhalten. Die                     rungsgruppen bei der Herstellung, Bewahrung
Konzepte stellen daher den Ausgangspunkt und eine                  oder Gefährdung von sozialer Stabilität beige-
wichtige Bedingung für Soziale-Stadt-Maßnahmen                     messen?
dar (Häußermann/Walther 2018: 2204). Aufgrund des
erheblichen Aufwands bei der Erstellung sollen die            In der Ergebnisdiskussion werden auch Gemeinsam-
Entwicklungskonzepte aus Sicht des Städtetags nicht           keiten und Unterschiede zwischen den Städten und
nur Soziale-Stadt-Maßnahmen vorbereiten, sondern              Gemeinden hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestal-
als Grundlage für verschiedene Förderanträge und              tung der sozialen Stabilität behandelt.
Programme herangezogen werden können (Städ-
tetag 2019: 14). Sie erfüllen mehrere Funktionen,             Methodik
unter anderem ist ihre Erstellung, quasi als Neben-
effekt, eine sinnvolle Möglichkeit, die Aufmerksam-           Vorbild für die methodische Vorgehensweise ist die
keit für das Quartier auch auf politischer Ebene zu           qualitative Inhaltsanalyse (Mayring 2007; Kuckartz
erhöhen und die Kooperation zwischen den Ressorts             2016; Mayring/Fenzl 2019), eine Methode zur syste-
zu verbessern: „Vor allem über die integrierten Ent-          matischen Bearbeitung von Kommunikationsmaterial
wicklungskonzepte konnte das Programm dazu bei-               (Mayring 2008: 468). Die systematische Bearbeitung
tragen, in Verwaltung und Politik die Aufmerksamkeit          ist eine wichtige Bedingung für den Erfolg solcher
für die benachteiligten Quartiere zu stärken“ (BBSR           Analysen, auch wenn es immer wieder zu Rück-
2017: 112). Gleichzeitig sind sie Informationsgrundla-        kopplungen zwischen den unterschiedlichen Phasen
gen für die planerischen Schwerpunktsetzungen und             kommt. Eine weitere Bedingung ist eine individuelle
zeigen, welche Achillesfersen die AutorInnen in den           Anpassung an den Forschungsgegenstand sowie die
Quartieren identifiziert haben. Wichtige Vorausset-           Fragestellung. Daher gibt es nicht den einen metho-
zungen bei der Erstellung der Konzepte sind die Ab-           dischen Fahrplan, sondern unterschiedliche Zugänge
grenzung des Programmgebiets, die Beteiligung der             unter der Überschrift der qualitativen Inhaltsanalyse.
BürgerInnen sowie die Einbettung in ein städtisches           Mayring unterscheidet beispielsweise die drei Ver-
Gesamtkonzept (MHKBG 2021: 7–8).                              fahrensweisen (oder auch „Techniken“, siehe May-
                                                              ring/Fenzl 2019: 637–638) Zusammenfassung, Ex-
E ine I nh altsanalyse                                                                                                       7

plikation und Strukturierung (Mayring 2007: 44–45).                     auftrag für eine automatische Such- und Zählfunk-
Obwohl die qualitative Inhaltsanalyse mit ihrem Na-                     tion), die eine computergestützte Auswertung des
men vor allem den qualitativen Forschungscharakter                      Textmaterials erlauben (siehe hierzu Kolocek 2014).
betont, fließen auch quantitative Elemente ein. Bei-                    Auf Grundlage der Überlappungen der thematischen
spiele hierfür sind Wortzählungen oder die absoluten                    Codes mit den Autocodes wurden für jedes einzel-
oder relativen Häufigkeiten von bestimmten Codes/                       ne Konzept kurze Zusammenfassungen erstellt und
Kategorien. Mittlerweile haben sich unter dem Be-                       eine Zuordnung hinsichtlich der Aufmerksamkeit für
griff Inhaltsanalyse unterschiedliche Stränge entwi-                    soziale Stabilität durchgeführt. Hierbei wurde unter-
ckelt. Kuckartz differenziert beispielsweise zwischen                   schieden zwischen:
einer inhaltlich strukturierenden, einer evaluativen
                                                                        •   Keine Aufmerksamkeit: Das Thema soziale Sta-
und einer typenbildenden qualitativen Inhaltsanalyse
                                                                            bilität wird nicht behandelt, der Autocode *stabil*
(Kuckartz 2016). Im Zentrum der Analysen stehen
                                                                            taucht kein einziges Mal auf.
die Entdeckung, Entwicklung und Ausdifferenzierung
sowie die Auswertung von Codes (oder auch Kate-                         •   Niedrige Aufmerksamkeit: Das Thema wird rand-
gorien). In der Regel gehen Forschende bei der Ent-                         läufig behandelt, der Autocode *stabil* taucht in
wicklung von Codes/Kategorien sowohl deduktiv als                           der Regel seltener als zehnmal auf.
auch induktiv vor, so auch in der vorliegenden Un-
tersuchung. Die Digitalisierung hat zu einer starken                    •   Mittlere Aufmerksamkeit: Das Thema wird in ei-
Verbreitung computergestützter Inhaltsanalysen bei-                         nigen Absätzen erwähnt, der Autocode *stabil*
getragen (Kuckartz 2016: 163–200). Auch die Analy-                          taucht mehr als zehnmal auf.
se dieses Working Papers wurde mit der Computer-                        •   Hohe Aufmerksamkeit: Das Thema wird in meh-
software MaxQDA durchgeführt.                                               reren Absätzen diskutiert, es werden Verknüp-
                                                                            fungen zu anderen Themenfeldern deutlich.
Ziel der vorliegenden Inhaltsanalyse war es, ein mög-
lichst breites Bild hinsichtlich der Wahrnehmung von                    •   Sehr hohe Aufmerksamkeit: Das Thema wird
sozialer Stabilität zu erstellen. Hierzu wurde eine                         ausführlich in mehreren Absätzen mit verschie-
möglichst hohe Anzahl an Handlungs- und Entwick-                            denen thematischen Verknüpfungen diskutiert
lungskonzepten aus 58 der größten 60 Städte und                             und taucht auch in Überschriften oder wichtigen
Gemeinden NRWs recherchiert und alle Dokumen-                               Textstellen regelmäßig auf.
te erhoben, die online verfügbar waren. Die wenigen                     Selbstredend verlaufen die Grenzen zwischen den
Konzepte, die online nicht ausfindig gemacht werden                     Aufmerksamkeitsstufen fließend, so dass im Zwei-
konnten, sind im Datenkorpus nicht enthalten. Ange-                     felsfall eine subjektive Einordung des Autors erfolgte.
strebt war, ein breites und kein vollständiges Bild der
Wahrnehmung von sozialer Stabilität zu zeichnen.                        Datenkorpus
Für ein vollständiges Bild der Wahrnehmung von
sozialer Stabilität wäre die Heranziehung weiterer                      Untersucht wurden insgesamt 114 Konzepte aus
Dokumententypen sowie der Konzepte der kleineren                        58 Städten und Gemeinden NRWs. Die ältesten
Städte und Gemeinden NRWs notwendig gewesen.                            untersuchten Konzepte wurden 2006 publiziert. Die
                                                                        Dokumentenrecherche fand im Sommer 2020 statt,
Zur Auswertung der Konzepte wurden sowohl thema-                        weshalb nur ein Konzept (Gelsenkirchen 2020) aus
tische Codes gebildet, wie zum Beispiel „Wohnen“,                       diesem Jahr im Datenkorpus enthalten ist. Die Kon-
„Einzelhandel“, „Migration“, als auch sogenannte                        zepte sind durchschnittlich 121 Seiten lang. Die kür-
Autocodes (z.B. der Wortstamm1 *stabil* als Such-                       zesten Konzepte stammen aus Arnsberg (2015) mit
                                                                        neun Seiten, Münster (2018) mit 18 Seiten und Marl
1 Ein Wortstamm ist die Ausgangsbasis für die Wortbildung.
                                                                        (2015) mit 20 Seiten. Die längsten kommen aus Bo-
Erst wurden alle Wörter automatisiert gesucht, die den Wort-
stamm *stabil* enthalten, wie beispielsweise: instabil, Stabilität,     chum (2014, 363 Seiten) und Köln (2015b, 562 Sei-
stabilisieren, Stabilisatoren. Hierzu zählt auch das Adjektiv stabil.   ten).
8                                                          Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

         Durchschnittliche Seitenanzahl                                        Anzahl der Konzepte
160                                                                                                           20

140

120                                                                                                           15

100

    80                                                                                                        10

    60

    40                                                                                                          5

    20

    0                                                                                                           0
         2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
                                                                                         (n = 114 Konzepte)
Abbildung 1: Anzahl der untersuchten Konzepte und durchschnittliche Länge im zeitlichen Verlauf

Abbildung 1 zeigt, dass die Anzahl der Konzepte          bezeichnet, manchmal als Integrierte Handlungskon-
in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraums          zepte (IHK) (z.B. in BMVBW 2004) oder auch als
(2013–20202) deutlich höher ist als zwischen 2006        Integrierte Entwicklungskonzepte (IEK) (im vorlie-
und 2012. Für die durchschnittliche Seitenanzahl der     genden Paper auch „Dokumente“ oder „Konzepte“).
Konzepte kann kein eindeutiger zeitlicher Trend fest-
gestellt werden. Es ist allerdings anzunehmen, dass      Eine vom ehemaligen Bundesministerium für Umwelt,
die durchschnittliche Seitenanzahl zukünftig eher ab-,   Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit herausgege-
als zunehmen wird. Im aktuellen Programmaufruf zur       bene Arbeitshilfe (BMUB 2016) empfiehlt, folgende
Städtebauförderung in NRW heißt es: „Der Umfang          inhaltliche Bausteine zu erarbeiten: Thematische Be-
des Konzeptes sollte auf das notwendige Maß be-          standsanalyse; integriertes Stärken-Schwächen-Pro-
schränkt werden und je kompakter ausfallen, je weni-     fil; Leitbild, Ziele, Handlungsleitlinien; Handlungsräu-
ger städtebauliche Missstände es zu bewältigen gilt“     me und Handlungsfelder; Projekte und Maßnahmen;
(MHKBG 2021: 7).                                         Umsetzungsstrategie und Erfolgskontrolle; Kosten-
                                                         und Finanzierungsübersicht (BMUB 2016: 22).
Nach einer ersten Orientierungsphase mit teilweise
widersprüchlichen Anforderungsvorstellungen (BMVBW       Der Städtetag (2019: 14) sowie die AutorInnen der
2004: 84) herrscht seit einigen Jahren etwas mehr        Evaluationsprogramme zum Programm Soziale Stadt
Klarheit über die inhaltlichen Anforderungen und         betonen die Bedeutung dieser Instrumente für den Er-
die Struktur der Entwicklungskonzepte. Die anfäng-       folg der Soziale-Stadt-Maßnahmen (BMVBW 2004:
lichen Orientierungsschwierigkeiten spiegeln sich        84; BBSR 2017: 112). „Das Instrument sorgt bei allen
auch in den unterschiedlichen Bezeichnungen der          Beteiligten für Kontinuität und Transparenz im Prozess
Dokumente in der Fachliteratur wider. Manchmal           einer umfassenden Stabilisierung der Quartiere, auch
werden diese als Integrierte Städtebauliche Ent-         über die Förderung hinaus“ (BMI 2018: 24–25). Die
wicklungskonzepte (INSEK) (z.B. in BMUB 2016)            unterschiedlichen Bezeichnungsmöglichkeiten der
                                                         Dokumente (s.o.) betreffen auch die Dokumente aus
2  Die niedrige Anzahl der gefundenen Konzepte für das   dem Datenkorpus. Am häufigsten werden die Kon-
Jahr 2020 erklärt sich damit, dass in diesem Jahr die
                                                         zepte als Integrierte Handlungskonzepte bezeichnet
Recherche stattgefunden hat.
Eine Inhaltsanalyse                                                                                               9

(64 von 114; 56%) gefolgt von 19 (17%) (integrier-       (Gelsenkirchen/Herten 2013, 2016). Selbst erstellte
ten) Städtebaulichen Entwicklungskonzepten. Auch         Konzepte sind im Durchschnitt etwas kürzer (102
andere Bezeichnungen werden verwendet, etwa In-          Seiten) als diejenigen, die in der Hauptverantwor-
tegriertes Gesamtkonzept (Neuss 2013) oder auch          tung von Planungsbüros erstellt wurden (133 Seiten).
Rahmenplan (Aachen 2009, 2010, 2014). Vier Kom-          Viele Planungsbüros stammen aus Dortmund (etwa
munen kombinieren die Begriffe und bezeichnen ihre       plan-lokal; planungsgruppe Stadtbüro; scheuvens &
Dokumente als Integrierte Handlungs- und Entwick-        wachten plus; steg), was vermutlich mit der Fakul-
lungskonzepte (z.B. Oberhausen 2011).                    tät Raumplanung an der TU Dortmund als PlanerIn-
                                                         nenschmiede zusammenhängt. Hier ist wiederum
In der Regel werden die Konzepte für einzelne Stadt-     auffällig, dass die Konzepte der Stadt Dortmund
teile aufgestellt. Bei insgesamt 34 der 114 Konzepte     nicht von Planungsbüros, sondern in Eigenregie der
(30%) handelt es sich um Konzepte für die Innen-         Stadt erstellt wurden (Amt für Wohnen und Stadter-
städte, die sich aufgrund ihrer thematischen Schwer-     neuerung). Es scheint so, als wenn sich vor allem
punktsetzungen (Stärkung und Stabilisierung des          die größeren Städte (z.B. Dortmund 2013, 2017;
Einzelhandels) – von einigen Ausnahmen abgesehen         Düsseldorf 2011a, 2011b; Köln 2015a, 2015b; Mön-
– kaum oder nur teilweise mit sozialer Stabilität aus-   chengladbach 2019; Mülheim 2019) zutrauen (können),
einandersetzen. Diese Konzepte werden häufig aus         ihre Konzepte selbst zu erstellen.
Anlass zur Aufnahme in das Förderprogramm „Aktive
Stadt- und Ortsteilzentren“ verfasst (Bocholt 2019;
Minden 2009). Nicht alle IEKs wurden geschrieben,
um Fördermittel des Programms Soziale Stadt zu be-       4       Ergebnisdiskussion
antragen. Teilweise sind Förderungen anderer Pro-
gramme, wie Stadtumbau-West in Dortmund Hörde
(Dortmund 2008) oder das verwandte EU-Programm           Worthäufigkeiten
Starke Quartiere, Starke Menschen, angestrebt. Ei-
nige Städte wirken noch unentschlossen, für welche       Die Ergebnisdiskussion beginnt mit einigen Angaben
Programmtöpfe sie sich bewerben wollen, und er-          zu Worthäufigkeiten. Die Angaben können als eine
wähnen einfach grundsätzlich, dass sie das Konzept       vorsichtige Annäherung hinsichtlich der Gesamtauf-
als Grundlage für die potentielle Beantragung von        merksamkeit für das Thema soziale Stabilität be-
Fördermitteln betrachten (Hürth 2019: 10).               trachtet werden.

In mindestens 38 Fällen (33%) haben die Kommunen         Der Wortstamm *stabil* taucht in den 114 Konzepten
die Konzepte selbst erstellt. Die Zahl kann möglicher-   insgesamt 870-mal auf. Im Durchschnitt entspricht
weise etwas höher liegen, denn bei einigen Konzep-       das acht Nennungen pro Konzept. Bei einem Ge-
ten ist nicht ersichtlich, ob die Kommune sie selbst     samtvolumen von 13.795 Seiten bedeutet dies, dass
erstellt hat (z.B. Castrop-Rauxel 2009) oder ob und      der Wortstamm alle 16 Seiten auftaucht. In 15 Kon-
wie sie unterstützt wurde. Einige Kommunen haben         zepten taucht der Wortstamm kein einziges Mal auf.
ihre Konzepte gemeinsam mit einem Planungsbüro           Das häufigste den Wortstamm enthaltende Substantiv
erstellt (z.B. Aachen 2009; Duisburg 2017). Über die     ist Stabilisierung mit 377 Nennungen (entspricht ca.
Hälfte der Konzepte (68, 60%) wurde im Auftrag der       43% aller 870 Wortstamm-Treffer), gefolgt von dem
Kommunen von Planungsbüros erstellt. Am häufigs-         Adjektiv stabil3 mit 177 Nennungen (20%). Die Zahlen
ten vertreten ist das Kölner Büro Stadt- und Regio-      deuten an, dass die Aufmerksamkeit für das Thema
nalplanung Dr. Jansen mit insgesamt 18 Konzepten         nicht sonderlich hoch ist bzw. zwischen den Konzep-
(entspricht 26% der 68 von privaten Planungsbüros        ten stark variiert.
erstellten Konzepte). Auch interkommunale Koope-
rationen gibt es. Gelsenkirchen und Herten haben
beispielsweise gemeinsame Konzepte verfasst              3   Inklusive stabile, stabiles, stabiler, stabileren.
10                                                         Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

Durchschnittliche Nennungshäufigkeit des Wortstamms *stabil* pro Konzept
14

12      "stabil"
10

8

6

4

2

0
     2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
                                                                                                 (n = 114 Konzepte)
Abbildung 2: Durchschnittliche Nennungshäufigkeit des Wortstamms *stabil* pro Konzept

Für die durchschnittliche Nennungshäufigkeit des         Keine oder wenig Aufmerksamkeit
Wortstamms *stabil* pro Konzept kann im zeitlichen
Verlauf kein eindeutiger Trend nachgewiesen werden       In 67 Konzepten wurde die Aufmerksamkeit für das
(Abbildung 2). Am anteilig häufigsten wurde *stabil*     Thema soziale Stabilität als niedrig eingestuft und in
in den Konzepten der Jahre 2009 und 2016 sowie           15 Konzepten wird das Thema mit keinem Wort er-
im (einzigen hier untersuchten) Konzept aus dem          wähnt. Mit anderen Worten: 82 von 114 Konzepten
Jahr 2020 (Gelsenkirchen 2020) genannt. In den           (71%) behandeln das Thema kaum bzw. gar nicht.
Jahren 2017 bis 2019 nahm die Häufigkeit der             Unter diesen 82 Konzepten sind allerdings 31 Innen-
Nennungen rapide ab. Grundsätzlich sind die hier         stadtkonzepte, die z.B. als Grundlage für das Förder-
präsentierten Zahlenspiele als eine erste Annähe-        programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren erstellt
rung an das Themenfeld soziale Stabilität im Da-         wurden. Im Gegensatz zu Konzepten, die beispiels-
tenkorpus zu verstehen und daher mit Vorsicht            weise ausdrücklich für das Förderprogramm Soziale
zu betrachten. Die Häufigkeit der Nennung eines          Stadt erstellt wurden, haben die Innenstadtkonzepte
Wortes kann nur als ein erstes Indiz für die Auf-        meist andere Schwerpunktsetzungen, beispielsweise
merksamkeit zu dem Themenfeld gesehen werden.            die Erneuerung der Fußgängerzonen, die Sanierung
                                                         historischer Gebäude oder die wirtschaftliche Stär-
In einem weiteren Schritt wurden die Konzepte daher      kung des lokalen Einzelhandels (z.B. Minden 2009,
hinsichtlich ihrer Aufmerksamkeit für soziale Stabili-   2015). Im Rahmen der Ergebnisverwertung stand die
tät bewertet. Hierbei wurden zunächst auf Grundlage      Option im Raum, die Innenstadtkonzepte aus dem
der Zählungen die Textstellen identifiziert, in denen    Korpus wieder herauszunehmen; dies hätte eine an-
der Wortstamm *stabil* auftaucht. Dann wurden die        teilig höhere Aufmerksamkeit für soziale Stabilität in
Textstellen und die umliegenden Absätze qualitativ       der Gesamtbewertung der verbliebenen Konzepte
ausgewertet.                                             zur Folge. Gegen diese Entscheidung sprachen fol-
                                                         gende Gründe:
E ine I nh altsanalyse                                                                                       11

•    Teilweise war nicht eindeutig festzustellen, für    politiken entgegengewirkt werden (Witten 2006: 49).
     welche Fördertöpfe ein Konzept verfasst wurde.      Das Belegungsmanagement wird ausdrücklich als
     Auch ein sogenanntes „Innenstadtkonzept“ kann       eine Maßnahme zur sozialen Stabilisierung genannt
     auf eine Förderung mit Mitteln der Sozialen Stadt   (Witten 2006: 52f). Im Integrierten Handlungskonzept
     zielen (z.B. Gladbeck 2009, siehe unten). Einige    Wanne-Süd (Herne 2015) soll ebenfalls vor allem die
     Kommunen ließen sich auch offen, ob und welche      Wohnsituation stabilisiert werden: „Angesichts der
     Städtebauförderungsmaßnahmen auf Grundlage          erheblichen Funktionsverluste, die das Quartier als
     ihres erstellten Konzepts zukünftig angestrebt      Wirtschaftsstandort und Ortsteilzentrum zu verkraf-
     werden sollten (Hürth 2019: 10).                    ten hat, kommt der Stabilisierung und Weiterentwick-
•    Ein weiteres – und noch gewichtigeres – Argu-       lung der Wohnnutzung besonders hohe Bedeutung
     ment ist die Ergebnisoffenheit der vorliegenden     zu“ (Herne 2015: 32). Ein weiteres Ziel stellt die Sta-
     Untersuchung. Zu Beginn der Forschungen             bilisierung und Weiterentwicklung der sozialen und
     war die Annahme, Innenstadtkonzepte würden          kulturellen Angebote im Quartier dar, welches auch
     der sozialen Stabilität weniger Aufmerksamkeit      durch Investitionen Dritter erreicht werden soll (Herne
     schenken zwar wahrscheinlich, allerdings kei-       2015: 36).
     nesfalls sicher. Denkbar wäre beispielsweise
     eine häufige Verwendung des Stabilitätsbegriffs     Mittlere Aufmerksamkeit
     im Einzelhandelskontext wie sie, allerdings nur
     vereinzelt, in einigen Konzepten tatsächlich auf-   Insgesamt 18 Konzepten (16%) kann eine mittlere
     taucht.                                             Aufmerksamkeit attestiert werden. Trotz der ge-
•    Eine strikte Trennung zwischen einzelnen The-       meinsamen Einstufung in diese Kategorie unter-
     menfeldern ist in der Praxis unwahrscheinlich       scheiden sich die Konzepte hinsichtlich der inhaltli-
     und nicht förderlich für die Entwicklung eines      chen Schwerpunktsetzungen teilweise stark. Einige
     Quartiers. Der integrierte Gesamtansatz der         Konzepte zeichnen sich dadurch aus, dass die Au-
     Städtebauförderung (siehe oben) verlangt gera-      torInnen verschiedene Stabilitäten erwähnen, ohne
     dezu eine Einbeziehung unterschiedlicher Ak-        den Begriff weiter auszudifferenzieren. Im Konzept
     teurInnen und Themenfelder. Hierfür sprechen        für das Gasborn und Suermondt Viertel betrachtet
     auch aktuelle Entwicklungen in der Förderpolitik:   die Stadt Aachen die soziale Stabilität als ein Hand-
     In NRW wird die Städtebauförderung mittlerweile     lungsfeld, das Maßnahmen der Stabilisierung und
     unter drei Programmleitlinien (Lebendige Zentren    Inwertsetzung sowie Maßnahmen der Prävention
     – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortsker-    miteinander kombiniert (Aachen 2010: 106). In dem
     ne; Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben           Handlungsfeld soziale Stabilität sollen Wohnange-
     im Quartier gemeinsam gestalten; Wachstum           bote geschaffen und umgebaut werden sowie der
     und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte            öffentliche Raum in Wert gesetzt werden (Aachen
     Quartiere gestalten) mit dem Ziel einer höheren     2010: 106). Hierzu zählt die Stadt auch die Kriminali-
     Flexibilität bei der Ausgestaltung der Programm-    tätsprävention und damit verbunden eine „Entzerrung
     maßnahmen zusammengefasst (MHKBG 2021).             der Drogenszene […]. Das Gasborn und Suermondt
                                                         Viertel ist unter bestimmten Voraussetzungen in der
Auch unter den Konzepten mit wenig Aufmerksamkeit        Lage, mit der Herausforderung, die der Umgang mit
für soziale Stabilität sind thematische Schwerpunkt-     Suchtkranken bedeutet, umzugehen – es muss hier
setzungen zu erkennen. Das Integrierte Handlungs-        nach dem Prinzip ‚nicht wegschieben, sondern an-
konzept Witten-Annen (Witten 2006: 49) greift die        nehmen‘ verfahren werden“ (Aachen 2010: 107). Im
soziale Stabilität beispielsweise insgesamt nur zwei-    Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept
mal auf, beide Male im Themenfeld Wohnungspoli-          für Bochum-Wattenscheid (Bochum 2014) betonen
tik. Zur Stabilisierung der Bewohnerstruktur wird der    die AutorInnen die Erforderlichkeit von sozial-integra-
Einsatz von Beratungs- und Unterstützungsangebo-         tiven Maßnahmen im Zusammenspiel mit baulichen
ten angedacht; der Segregation soll mit Belegungs-       Maßnahmen (Bochum 2014: 7). Die Stabilisierung
12                                                         Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

hat in diesem Konzept häufig Zielcharakter; es han-      Unternehmens-Community“ (Dortmund 2010: 53). In
delt sich um ein Konzept, das den Stabilitätsbegriff     der Fortschreibung (Dortmund 2015) wird an zahlrei-
verhältnismäßig selten, aber wenn, dann an promi-        chen Stellen die Armutszuwanderung aus Südosteu-
nenter Stelle verwendet. Wie in Aachen finden auch       ropa und einigen nicht-europäischen Staaten aufge-
in Bochum marginalisierte Bevölkerungsgruppen in         griffen. Unter den zahlreichen vorgestellten Projekten
Verbindung mit sozialer Stabilität Beachtung. Zu den     ist auch die Herrichtung eines „Heimathafens“. Hier-
zahlreichen Zielen des Wattenscheider Konzepts           bei handelt es sich um ein integratives Beratungs-
zählt, die Lebenssituation von obdachlosen Men-          und Bildungshaus, welches als zentrale Anlaufstelle
schen zu stabilisieren (Bochum 2014: 47). Des Wei-       für Neuankömmlinge fungieren soll (Dortmund 2015:
teren sollen die Wohnsituation der Bevölkerung sowie     28).
die Wattenscheider Innenstadt als Einkaufs-, Kultur-,
Dienstleistungszentrum stabilisiert werden (Bochum       In der Fortschreibung geben die AutorInnen auch
2014: 148). Die Stadt Gelsenkirchen berichtet eben-      einen selbstkritischen Rückblick über die bisherigen
falls über obdachlose Menschen, allerdings in einem      Erfolge und Misserfolge seit Erstellung des ersten
anderen Kontext: „Nicht mehr benötigte Obdachlo-         Konzepts. Sie diskutieren unter anderem das Ergeb-
senunterkünfte […] wurden abgerissen und auf dem         nis einer Befragung unter BewohnerInnen der Nord-
Gelände entstanden 15 neue Einfamilienhäuser.            stadt, aus der sich ergibt, dass 81% der Befragten
Damit erhielt das Wohnquartier eine neue Stabilität;     eine Verschlechterung der Situation in der Nordstadt
soziale Unruhen blieben aus“ (Gelsenkirchen 2018a:       beanstanden. Als Hauptgründe werden von den Be-
23). Warum die Obdachlosenunterkünfte nicht mehr         fragten die Neuzuwanderung und eine steigende Kri-
benötigt werden, erklärt die Stadt nicht; allerdings     minalität genannt (Dortmund 2015: 14). Die AutorIn-
wird Einfamilienhäusern eine höhere Stabilitätswir-      nen schlussfolgern:
kung als Obdachlosenunterkünften unterstellt.
                                                           Trotz der intensiven Befassung ist die Stabilisierung der
Hohe und sehr hohe Aufmerksamkeit                          Nordstadt eine Daueraufgabe, die sich immer wieder neu
                                                           stellt. Die dicht besiedelte Nordstadt ist, wie die Zahlen
In neun Konzepten widmeten die Städte und Ge-              bestätigen, ein sich stetig wandelnder Zuwanderungs-
meinden dem Themenfeld soziale Stabilität eine             stadtbezirk. Neuankömmlinge bringen ihre Kultur mit,
insgesamt hohe Aufmerksamkeit. Hierzu zählt das            wodurch es zwangsläufig immer wieder zu Reibungen
Integrierte Handlungskonzept Dortmund Nordstadt            kommt. Der soziale Zusammenhalt wird in der Nordstadt
(Dortmund 2010) sowie dessen Fortschreibung (Dort-         oft auf eine harte Probe gestellt und muss immer wieder
mund 2015). Im 67 Seiten langen ersten Konzept             neu initiiert und eingeübt werden. […] Wenn die Bewoh-
(Dortmund 2010) taucht der Wortstamm insgesamt             nerinnen und Bewohner das Gefühl haben, dass sich
25-mal und somit verhältnismäßig oft (alle 2,7 Seiten)     die Nordstadt zum Schlechteren entwickelt hat, wenn
auf. Zu den Zielsetzungen des Konzepts zählen die          sie Angsträume wahrnehmen und Kriminalität an vielen
Stabilisierung des Wirtschaftsstandorts Dortmunder         Stellen thematisiert wird, dann ist dies ein Problem, wel-
Nordstadt (Dortmund 2010: 11), insbesondere die            ches Wegzüge und Unsicherheiten fördert, insbesonde-
Stabilisierung lokaler Ökonomien (Dortmund 2010:           re für diejenigen, die das Quartier zu seiner Stabilisie-
48), die Schaffung stabiler Wohnstrukturen (Dort-          rung dringend benötigt (Dortmund 2015: 18–19).
mund 2010: 46) sowie die Stabilisierung des Weiter-
bildungsangebots (Dortmund 2010: 50). Auffällig ist,     Die fortwährende Bevölkerungsfluktuation wird als
dass die AutorInnen vor allem über Gewerbe und Ar-       ein Hindernis zur Stabilisierung der Nordstadt be-
beit zu einer sozialen Stabilisierung der Dortmunder     trachtet (Dortmund 2015: 13). Die AutorInnen vermei-
Nordstadt beitragen wollen. Hierzu zählen sie auch       den klare Schuldzuweisungen. Sie deuten in dem Zi-
die Existenzgründung „ethnisch geprägter Unterneh-       tat (Dortmund 2015: 18–19) an, dass es ihrer Ansicht
men“, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplät-       nach Personengruppen gibt, die für die Stabilisierung
zen und die Stabilisierung der „ethnisch geprägten       des Quartiers als dringend benötigt betrachtet wer-
Eine Inhaltsanalyse                                                                                          13

den. Des Weiteren gibt es, so die AutorInnen, Neu-       lichen Beschreibung des Untersuchungsgebiets,
ankömmlinge, die „ihre Kultur mitbringen“, was zu        einschließlich der lokalen AkteurInnen, Projekte
„Reibungen“ führe.                                       und Initiativen sowie der Auswertung einer kleinen
                                                         Bevölkerungsbefragung. Als wesentliche Probleme
In der Summe gibt es nicht viele Konzepte, die be-       des Untersuchungsraums werden eine abnehmen-
stimmten Bevölkerungsgruppen stabilisierende oder        de Wohn- und Lebensqualität, Modernisierungsstau,
destabilisierende Funktionen beimessen. Ein Beispiel     eine unausgewogene Bevölkerungsstruktur und da-
ist das Integrierte Handlungs- und Entwicklungskon-      mit einhergehend eine hohe Fluktuation im Stadtteil
zept Innenstadt Alt-Oberhausen, in welchem der           genannt (Dortmund 2014: 11). Die AutorInnen ver-
sozialen Stabilität ebenfalls eine hohe Beachtung        sprechen sich von dem Konzept nachhaltig positive
gewidmet wird (Oberhausen 2011). Die Stadt Ober-         Wirkungen: „Nur ein solches langfristig angelegtes In-
hausen betrachtet Familien mit Kindern und ältere        tegriertes Handlungskonzept ermöglicht die ganzheit-
Menschen als „[s]tabilisierende Bewohnergruppen“         liche Betrachtung ökonomischer, ökologischer, sozi-
(Oberhausen 2011: 28). Die AutorInnen führen wei-        aler und städtebaulicher Aspekte des Stadtteils. Mit
ter aus: „Familien mit einer stabilen Lebenssituation,   diesem Planungs- und Steuerungsinstrument kann
einem kontinuierlichen Lebensrhythmus und fester         dort eine positive Entwicklung initiiert und dadurch
Erwerbsarbeit sind für die Stabilisierung der Einwoh-    eine Stabilisierung und Aufwertung erreicht werden“
nerstruktur wichtig“ (Oberhausen 2011: 31). Zu Be-       (Dortmund 2014: 11). Die hohe Aufmerksamkeit für
ginn des Konzepts erläutern die AutorInnen, dass der     soziale Stabilität wurde dem Konzept attestiert, weil
Bevölkerungsrückgang durch den „Zuzug destabili-         die AutorInnen das Ziel der Stabilisierung auf ver-
sierender Bevölkerungsgruppen“ (Oberhausen 2011:         schiedenen Ebenen mit zahlreichen Einzelprojekten
3) nicht ausgeglichen werden kann – gleichwohl ohne      zu erreichen versuchen. Beispielsweise wird die Be-
zu erläutern, welche Gruppe sie als „destabilisieren-    deutung älterer BewohnerInnen für die Stabilisierung
de Bevölkerungsgruppe“ betrachten.                       des Gemeinwesens hervorgehoben und daraus ein
                                                         Handlungsbedarf für seniorengerechtes Wohnen
Eine sehr hohe Aufmerksamkeit für soziale Stabilität     und Barrierefreiheit im öffentlichen Raum abgeleitet
kann insgesamt fünf Konzepten attestiert werden. Das     (Dortmund 2014: 24, 35). Neben langfristig angeleg-
Integrierte Handlungskonzept „Stadterneuerung            ten Projekten sollen auch sogenannte Sofortmaßnah-
Westerfilde/Bodelschwingh“ (Dortmund 2014)               men zur Stabilisierung der Wohn- und Lebensbedin-
wurde im Jahr 2014 von einem interdisziplinären Be-      gungen beitragen. Hierzu zählen die Einstellung von
arbeitungsteam erstellt. Seitens der Stadt Dortmund      zwei Quartiershausmeistern, ein Bürgergarten so-
waren an der Erstellung des Konzepts unter ande-         wie die Beauftragung eines Quartiersmanagements
rem VertreterInnen des Stadtplanungs- und Bau-           (Dortmund 2014: 63).
ordnungsamts, des Amts für Wohnungswesen, des
Jugendamts sowie der Wirtschaftsförderung beteiligt.     Neben der Städtebauförderung werden weitere För-
Des Weiteren beteiligten sich ein Planungsbüro aus       dermöglichkeiten in Erwägung gezogen, beispiels-
Düsseldorf (urbano Urban Research & Consultancy)         weise die Wohnraumförderung, der Strukturfonds der
sowie die Planungsgruppe Stadtbüro. Der Unter-           Europäischen Union oder die Kulturförderung des
suchungsraum liegt im Nord-Westen Dortmunds              Landes Nordrhein-Westfalen (Dortmund 2014: 92–
und zählte zum Zeitpunkt der Erstellung ca. 13.500       96). In der Fortschreibung des Handlungskonzepts
EinwohnerInnen. Wie die anderen Dortmunder               (Dortmund 2018) lässt die Aufmerksamkeit für sozi-
Fördergebiete auch, zählt das Gebiet Westerfilde/Bo-     ale Stabilität übrigens deutlich nach. Das Dokument
delschwingh zu den Aktionsräumen des Aktionsplans        erwähnt erste Erfolge und stellt fest: „Zusammenfas-
Soziale Stadt Dortmund (Stadt Dortmund 2018).            send lässt sich sagen, dass erste richtige Schritte auf
                                                         dem langen Weg hin zu einem stabilen und voll funk-
Das 103 Seiten umfassende Integrierte Handlungs-         tionsfähigen Quartier gegangen worden sind. Gleich-
konzept besteht zu zwei Dritteln aus einer ausführ-      zeitig ist festzustellen, dass vor Ort noch viel zu tun
14                                                         Soziale Stabilität in der Stadt- und Quartiersentwicklung

ist. Dabei haben die Leitlinien und grundsätzlichen      haltiger und hochwertiger Beschäftigung sowie die
Ziele aus dem InHK von 2014 weiterhin Bestand“           Unterstützung der Mobilität der Arbeitskräfte oberste
(Dortmund 2018: 11).                                     Priorität (Duisburg 2016: 3).

Das mit redaktioneller Unterstützung des Planungs-       Im Integrierten Handlungskonzept Düsseldorf
büros plan-lokal Dortmund erstellte (fortgeschriebene)   Rath/Mörsenbroich (Düsseldorf 2011a) spielt das
Integrierte Handlungskonzept Duisburg-Hochfeld           Themenfeld Zuwanderung keine so starke Rolle.
(Duisburg 2016) widmet der sozialen Stabilität eben-     Dem Konzept wurde eine hohe Aufmerksamkeit für
falls eine sehr hohe Beachtung. Der Stadtteil Duis-      soziale Stabilität unterstellt, weil die AutorInnen sehr
burg-Hochfeld liegt im Stadtbezirk Duisburg Mitte        detailliert beschreiben, wie die Stabilisierung des Un-
südwestlich der Duisburger Altstadt und ist stark        tersuchungsraums erfolgen soll. Das von der Stadt
vom Niedergang der Schwerindustrie geprägt. In der       selbst erstellte, 90 Seiten lange Dokument wurde in
Einleitung des 221 Seiten langen Dokuments ver-          enger Absprache mit beteiligten Wohnungsunterneh-
weisen die AutorInnen auf erste Erfolge von Stadt-       men zur Aufnahme in das Programm Soziale Stadt
entwicklungsmaßnahmen in den 1990er Jahren,              erstellt. Deutlich zu erkennen ist dies auch an einer
unter anderem eine lokalökonomische Stabilisierung       starken Fokussierung auf das Themenfeld Wohnen.
durch Schaffung ökonomischer Beteiligungsstruktu-        Beispielsweise soll ein von der zentralen Fachstelle
ren und zahlreiche Projekte des Stadtteilmarketings      für Wohnungsnotfälle eingerichtetes Mieterbüro Woh-
(Duisburg 2016: 1). Diese Erfolge hielten allerdings     nungsnotfälle vermeiden und so zur sozialen Stabi-
nicht lange an und der Stadtteil wurde in den ver-       lisierung der Wohnquartiere beitragen (Düsseldorf
gangenen Jahren teilweise wieder zurückgeworfen.         2011a: 36). Die Stabilisierung der Wohnverhältnisse
Auch in Hochfeld dient die Bevölkerungsfluktuation       stellt das erste von insgesamt drei Leitzielen dar. Das
– „selektive[r] Rückgang ökonomisch stabiler Bevöl-      zweite Leitziel ist die Aufwertung des Wohnumfeldes
kerungsanteile [und] Zuzug benachteiligter Gruppen“      und des Freiraums und das dritte Leitziel widmet sich
(Duisburg 2016: 14) – als eine Erklärung für negative    der Schaffung von sozialer Stabilität durch die Stär-
Gesamtentwicklungen im Stadtteil. Die Erläuterun-        kung des Zusammenlebens (Düsseldorf 2011a: 41–
gen ähneln der Argumentation aus der Dortmunder          42). Die Ziele sollen mit der Schaffung neuen Wohn-
Nordstadt (Dortmund 2015, siehe oben): „Die begin-       raums durch die Wohnungsunternehmen im Sinne
nende Stabilisierung des Stadtteils und die Aussicht     einer Nachverdichtung erreicht werden (Düsseldorf
auf eine Trendumkehr nach über 30 Jahren Nieder-         2011a: 43). Dies ist insofern ungewöhnlich, als dass
gang sind durch die neuen sozialen Umbrüche mehr         andere Städte und Gemeinden die Nachverdichtung
als in Frage gestellt. Die Umsetzung der geplanten       nicht als eine Maßnahme zu Stabilisierung eines
Verstetigungsstrategie ist durch die veränderten         Quartiers erwähnen. Ein weiteres genanntes Hand-
Rahmenbedingungen derzeit nicht möglich“ (Duis-          lungsfeld zur Stabilisierung der Quartiere ist die Be-
burg 2016: 8). Zu den „veränderten Rahmenbedin-          reitstellung von Infrastruktur „mit niedrigschwelligen
gungen“ zählen die AutorInnen die „Armutszuwan-          sozialen, sportlichen und kulturellen Angeboten und
derung von schon im Heimatland benachteiligten           Begegnungsmöglichkeiten“ (Düsseldorf 2011a: 57).
bulgarischen und rumänischen EU-Angehörigen“             Das im selben Jahr publizierte Integrierte Handlungs-
(Duisburg 2016: 20), die die AkteurInnen vor Ort auf     konzept Düsseldorf Wersten/Holthausen (Düsseldorf
unterschiedlichen Ebenen (Kriminalitätsprävention,       2011b) ist dem Konzept Rath/Mörsenbroich übrigens
Bildung und Sprache von schulpflichtigen Kindern)        hinsichtlich des Umfangs, Aufbaus und Wordings ins-
vor große Herausforderungen gestellt haben. Sehr         gesamt ähnlich und hinsichtlich der beteiligten Mitar-
ausführlich beschreibt das Handlungskonzept insge-       beitenden identisch. Die Einführungskapitel sind so-
samt 28 Einzelprojekte zur Stabilisierung Hochfelds,     gar wortgleich (Düsseldorf 2011a: 5–10; Düsseldorf
die unterschiedlichen Leitthemen zugeordnet sind.        2011b: 5–10), weitere Absätze sowie der kurze Ab-
Zur Herstellung der Stabilität im Untersuchungsraum      satz zum Fazit ebenfalls:
hat aus Sicht der Stadt Duisburg die Förderung nach-
Eine Inhaltsanalyse                                                                                              15

  Mit den hier nicht vollständig aufgeführten Strategi-   für das Wohnen in der Innenstadt zu interessieren“
  en und Maßnahmen reagiert die Stadt in besonderer       (Gladbeck 2009: 9). Eine genaue Antwort, was „an-
  Weise auf die besonderen Problemlagen im Quar-          dere Mieterschichten“ bedeutet, bleiben die AutorIn-
  tier. Zusammen mit dem abgestimmten Engagement          nen des Konzepts allerdings schuldig. Dennoch, in
  der Wohnungsunternehmen und Privater und mit er-        keinem anderen Konzept nehmen sich die AutorIn-
  gänzender Unterstützung des Landes ist mit der Um-      nen vor, so viele unterschiedliche Bereiche zu „sta-
  setzung des Handlungskonzeptes ein nachhaltiger         bilisieren“, wie in dem Konzept aus Gladbeck. Neben
  Beitrag zur Stabilisierung des Quartiers zu erwarten    der allgemeinen und häufig erwähnten Stabilisierung
  (Düsseldorf 2011a: 68; Düsseldorf 2011b: 68).           der Innenstadt einschließlich der Wohnquartiere sol-
                                                          len die lokale Ökonomie (S. 14), die „benachteiligten
Insgesamt ist die Aufmerksamkeit hinsichtlich der         Interventionsräume“ (S. 15), die Einzelhandelsstruk-
sozialen Stabilität im Integrierten Handlungskon-         turen (S. 18), das kulturelle freizeitbezogene Angebot
zept Düsseldorf Wersten/Holthausen dennoch                (S. 51), die Funktionsvielfalt (S. 66) und Angebots-
deutlich niedriger als im Integrierten Handlungs-         struktur der Innenstadt (S. 121), die Familiensituation
konzept Düsseldorf Rath/Mörsenbroich.                     der Bevölkerung (S. 225) sowie die lokalen Unter-
                                                          nehmen (S. 235) mit zahlreichen Einzelmaßnahmen
Überraschenderweise ist mit dem Integrierten              stabilisiert werden. Die Fortschreibung des Konzepts
Handlungskonzept für eine familienfreundli-               (Gladbeck 2015) ist insgesamt ein wenig kompakter
che Stadtmitte (Gladbeck 2009) auch ein Kon-              (137 Seiten) und widmet der sozialen Stabilität nur
zept, das sich schwerpunktmäßig mit der Auf-              noch eine mittlere Aufmerksamkeit.
wertung der Innenstadt beschäftigt, unter den
Konzepten mit einer sehr hohen Aufmerksamkeit             Das fünfte und letzte Konzept mit einer sehr hohen
für soziale Stabilität. Das Gladbecker Konzept            Aufmerksamkeit ist das mit Abstand längste, weil 562
liefert ein weiteres Argument, die 34 sogenann-           Seiten lange, Integrierte Handlungskonzept Starke
ten „Innenstadtkonzepte“ trotz einer mehrheitlich         Veedel – Starkes Köln (Köln 2015b). Der Umfang
niedrigen Beachtung für soziale Stabilität (sie-          des Dokuments erklärt sich dadurch, dass insgesamt
he oben) im Datenkorpus zu belassen. Das fast             elf Sozialräume, die sich über die gesamte Stadt ver-
250 Seiten lange, vom Büro Stadt- und Regio-              teilen, vorgestellt werden: „Die elf hier in Rede stehen-
nalplanung Dr. Jansen erstellte Konzept dient als         den benachteiligten Sozialräume weisen durchgän-
Grundlage zur Aufnahme in das Handlungspro-               gig soziale Missstände und Problemlagen auf, deren
gramm Soziale Stadt NRW (Gladbeck 2009) und               zügige Behebung durch geeignete Maßnahmen zur
nicht etwa für das Förderprogramm Aktive Stadt-           Stabilisierung und Aufwertung im öffentlichen Inte-
und Ortsteilzentren, das 2008 startete (BBSR              resse liegt“ (Köln 2015b: 77). Mit dem Konzept be-
2019) und während der Konzepterstellung noch              wirbt sich die Stadt Köln auf den gemeinsamen Aufruf
in seinen Kinderschuhen stand. Der inhaltliche            der europäischen Programme von EFRE, ELER und
Fokus liegt sowohl auf lokalökonomischen und              ESF zur präventiven und nachhaltigen Entwicklung
städtebaulichen als auch auf sozial-integrativen          von Quartieren und Ortsteilen sowie zur Bekämpfung
und wohnungspolitischen Aspekten. Die AutorIn-            von Armut und Ausgrenzung (Köln 2015b: 9). Die Au-
nen fragen unter anderem: „Mit welchen städte-            torInnen betrachten die Integration in Arbeit als einen
baulichen, architektonischen, gestalterischen und         wichtigen Stabilisierungsfaktor, sowohl für den ein-
strategischen Maßnahmen kann die langfristige             zelnen Menschen als auch für die Stadtviertel:
Stabilisierung der Innenstadt erreicht werden? […]
Welche sozialintegrativen, wohnungswirtschaftli-            Wesentlichen Einfluss auf eine positive Lebensgestal-
chen und freiraumrelevanten Maßnahmen sind in               tung haben Arbeit und die damit verbundene Tages-
den problematischen Wohnquartieren (Interven-               struktur sowie die sozial stabilisierende Auswirkung auf
tionsräumen) erforderlich, um eine Stabilisierung           den Einzelnen, für die Gesellschaft von Nutzen zu sein.
zu erreichen und um auch andere Mieterschichten             Neben der wirtschaftlichen Komponente hat Arbeit somit
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