Politiker und Impresario - Robert Kriechbaumer Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl und die Salzburger Festspiele - Vandenhoeck & Ruprecht

 
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Politiker und Impresario - Robert Kriechbaumer Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl und die Salzburger Festspiele - Vandenhoeck & Ruprecht
Robert Kriechbaumer

Politiker und
Impresario
Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl
und die Salzburger Festspiele
Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

    © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG Wien
ISBN Print: 9783205212614 — ISBN E-Book: 9783205212621
Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

      Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien
                  der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg

Herausgegeben von Robert Kriechbaumer · Franz Schausberger · Hubert Weinberger

                                      Band 78

                 © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG Wien
             ISBN Print: 9783205212614 — ISBN E-Book: 9783205212621
Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

             Robert Kriechbaumer

Politiker und Impresario
     Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl
       und die Salzburger Festspiele

 Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

      © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG Wien
  ISBN Print: 9783205212614 — ISBN E-Book: 9783205212621
Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

                                    Festspiel reunde

                      Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung durch  :
                              Amt der Salzburger Landesregierung
                               Freunde der Salzburger Festspiele
                            ISA Internationale Salzburg Association

               Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  :
             Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
             Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind
                        im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

        © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1, A-1080 Wien
        Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
     Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen
                             schriftlichen Einwilligung des Verlages.

       Umschlagabbildung  : Karikatur in der Tageszeitung »Der Morgen«, 2. August 1937.
Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl, Arturo Toscanini und Max Reinhardt leitendes Dreigespann der
                              ­Salzburger Festspiele. Foto  : AHB

                            Korrektorat  : Gabriele Fernbach, Wien
                          Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien
                                Satz  : Michael Rauscher, Wien

       Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

                                    ISBN 978-3-205-21262-1

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            ISBN Print: 9783205212614 — ISBN E-Book: 9783205212621
Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

      Präsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler
        in Dankbarkeit und Verehrung

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                                           Vorwort

In seiner viel gerühmten Geschichte Athens in der Antike bemerkte Christian Meier  :
»Je folgenreicher ein Ereignis, je tiefer und endgültiger sich seine Konsequenzen in
die Wirklichkeit eingraben, umso schwieriger wird es, sich vorzustellen, es könnte
nicht stattgefunden (oder einen anderen Ausgang gehabt) haben.«1 Professionelle
Historiker wie auch historisch Interessierte unterliegen aus dem Wissen um das
Nachher allzu leicht der Gefahr des hermeneutischen Zirkels. Für den Betrachter a
posteriori liegt das Verführerische des historischen Prozesses in dem Umstand, dass
er sich als mit dem Ablauf und dem Ergebnis eben dieses Prozesses Vertrauter auf die
Fährte der Abfolge der Ereignisse begibt, auf der sich scheinbar folgerichtig eins aus
dem anderen ergibt. Der so entstehende Erzählduktus bedient sich der Abfolge der
Ereignisse, die für ihn den Faden der Ariadne bilden, führt Gründe und Bedingun-
gen an, die das historische Ereignis unter teleologischen Prämissen erklären. Diese
Methode ist keineswegs illegitim, bietet sie doch Positionslichter für die notwendige
Orientierung im offenen historischen Gelände. Diese Matrix ermöglicht erst die
historische Erzählung und die oft damit verbundenen Bedeutungszuweisungen und
Sinngebungen – seien es Identitäten, in welcher Form auch immer, oder historische
Orte. In diesem Sinn ist diese Form der historischen Erzählung ein Archetypus und
damit – jenseits ihres auch konstruktiven Charakters – konstitutives Merkmal kollek-
tiver kultureller und politischer Selbstvergewisserung.
   Sie beinhaltet jedoch auch die Gefahr des illusionären Verstehens des historischen
Prozesses durch das Ausblenden der möglichen Alternativen, seien es die des Schei-
terns, seien es die des Gelingens. Die historisch-kritische Analyse zielt nicht auf eine
alternative Erzählung im Sinne der Umwertung aller Werte, sondern auf das Auf-
brechen des linearen Erzählduktus durch die Einbeziehung der (realistischen) Alter-
nativen sowohl in den konkreten historischen Prozess wie auch in die Entscheidung
der handelnden Personen. Wenngleich sich dadurch das Ergebnis des historischen
Prozesses nicht verändert, so ändern sich die Parameter der Erzählung.
   Unter diesen Prämissen verliert die Geschichte der Salzburger Festspiele in der
Ersten Republik den Charakter der inhärenten Erfolgsgeschichte. In einer domi-
nanten Kultur der Armut, mit der Aufführung von Hugo von Hofmannsthals »Je-
dermann« am 22. August 1920 erstmals realisiert, waren vor allem die ersten Jahre
von existenziellen Sorgen und einem drohenden frühen Ende gekennzeichnet. Die
Devise von der Stadt als Bühne beinhaltete auch die Notwendigkeit eines Festspiel-
hauses, ohne das – dessen waren sich alle führenden Exponenten der Festspielidee

1   Christian Meier  : Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. München 1995. S. 18.

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bewusst – die Durchführung von Festspielen unmöglich war. Die am 19. August 1922
in Hellbrunn inszenierte Grundsteinlegung erfolgte noch unter der Dominanz der
Festspielidee nach dem Vorbild Bayreuths. Es waren die erheblichen wirtschaftli-
chen Schwierigkeiten der jungen Republik, die eine Realisierung dieses Projekts ver-
hinderten und die Suche nach improvisierten Zwischenlösungen erzwangen. Hinzu
traten finanzielle und organisatorische Probleme, die 1923 nur zu einer Aufführung
von Jean Baptiste Molières »Der eingebildete Kranke« unter der Regie Max Rein-
hardts im Stadttheater und 1924 zur Absage der Festspiele führten. Den Festspielen
drohte ein frühes Ende, dem man im folgenden Jahr durch den in nur vier Monaten
durchgeführten Umbau von Teilen der Winterreitschule in ein Festspielhaus nach
den Plänen von Eduard Hütter zu begegnen suchte. Der Umbau verursachte jedoch
erhebliche Kostenüberschreitungen, die die Salzburger Festspielhausgemeinde nicht
zu bewältigen vermochte und in die Insolvenz zu treiben drohten. Zusätzlich wies
das neue Haus zahlreiche Unzulänglichkeiten auf, die einen neuerlichen Umbau er-
forderlich machten.
   In dieser existenziellen Bedrohung der Festspielhausgemeinde und der Festspiele
betrat der 1922 im Alter von 32 Jahren in das Amt des Salzburger Landeshaupt-
manns gewählte Dr. Franz Rehrl die Festspielbühne, auf der er bis zu seinem von
den Nationalsozialisten erzwungenen Ausscheiden im Jahr 1938 eine dominierende
Rolle spielen sollte. Als mit erheblicher finanzieller Begabung und Phantasie Begab-
ter wurde er nicht nur zum Retter der Festspielhausgemeinde und damit der Fest-
spiele, sondern durch sein Engagement von Clemens Holzmeister für den allgemein
als notwendig erachteten zweiten Umbau des Festspielhauses zum engagierten Bau-
herrn, der auch 1937 durch seinen originellen Plan sowie das von ihm entwickelte Fi-
nanzierungskonzept den von Arturo Toscanini so vehement geforderten neuerlichen
Umbau des Festspielhauses nach den Plänen von Clemens Holzmeister ermöglichte.
   Neben der Großglockner Hochalpenstraße galt den Festspielen sein besonderes
Engagement. Durch zähe und geschickt geführte Verhandlungen gelang ihm deren
finanzielle Absicherung durch eine entsprechende Bundesbeteiligung, wobei er stets
auf die Wahrung Salzburger Interessen besonderen Wert legte und für sie auch auf
die Barrikaden stieg. Im Salzburger politischen Biotop mit seinen – in der Stadt
Salzburg – starken deutschnationalen Elementen und seinem durchaus parteiüber-
greifenden Antisemitismus pflegte er enge persönliche Beziehungen zu Hugo von
Hofmannsthal, Max Reinhardt, Stefan Zweig und ab 1935 zu Arturo Toscanini. Jen-
seits der zentralen wirtschaftlichen Bedeutung der Festspiele entsprangen seine per-
sönlichen Beziehungen zu den Festspielgründern und zahlreichen Festspielkünst-
lern, wie die im Landesarchiv erhaltenen Briefe zeigen, einer tiefen persönlichen
Wertschätzung, die auch erwidert wurde.
   Rehrl war nicht nur während der Festspiele allgegenwärtig und erfüllte die Rolle
des vollendeten Gastgebers, sondern wirkte darüber hinaus als permanente politi-

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                                       Vorwort                                    9

sche und finanzielle Krisenfeuerwehr sowie Initiator ihrer strukturellen Entwick-
lung, war Politiker und Impresario.
   Die vorliegende Darstellung unternimmt den Versuch, diese Doppelfunktion vor
allem auch unter Berücksichtigung der krisenhaften Entwicklungen, die die Existenz
der Festspiele mehrfach infrage stellten, zu beleuchten. Die Erfolgsgeschichte der
Festspiele verlief keineswegs linear, ihre Existenz war immer wieder gefährdet und
ihre schließlich weit über das Bundesland und die kleine Alpenrepublik ausstrah-
lende Faszination und Wirkung war das Ergebnis des Engagements und der Tatkraft
ihrer führenden Persönlichkeiten, unter denen Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl
eine herausragende Position einnimmt. Der Verfasser war bei seinen Recherchen
auf die Unterstützung hilfreicher Geister angewiesen. Mein besonderer Dank gilt
dem gesamten Team des Salzburger Landesarchivs, Frau Mag. Franziska-Maria Let-
towsky vom Archiv der Salzburger Festspiele und Frau Dr. Aisa Henseke für die
umsichtige Durchsicht des Manuskripts.

                                                               Robert Kriechbaumer
                                                          Salzburg, im Frühjahr 2021

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                                Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     7

                                Teil I
                  POLITIKER UND IMPRESARIO
 Die Geschichte der Salzburger Festspiele in der Zwischenkriegszeit
     ist auch die Geschichte von Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl

I. Präludium 1. Ein Historiker betrachtet eine Fotografie .                      . . . .   19
I.1 Die Anfänge der Mozartpflege in Salzburg, MaxReinhardt und die
    vielen Väter der Festspielidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . . . .   20
I.2 1917/18  : Die Nornen knüpfen das Seil. Die Konkretisierung der
    Festspielidee in einer Zeitenwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     . . . .   31
I.3 Die ungünstigen Rahmenbedingungen. Aus der Not geboren –
    Der »Jedermann«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     . . . .   44
I.4 Die zerstörerische Kraft der Not. Der Höllensturz der Preise oder
    Mutter Courage gegen die Kraft der kulturellen Idee . . . . . . . . .        . . . .   50

II. Präludium 2. Die Krisenjahre 1923/24 und das drohende
     vorzeitige Ende der Festspielidee . . . . . . . . . . . . . . . . . .           . .   76
II.1 Die Vergeblichkeit der Assimilation durch Kunst und Wissenschaft.
     Manifestationen des Antisemitismus in den frühen Zwanzigerjahren . .            . .   77
II.2 Wirtschaftliche Stabilisierungskrise und eine unverhoffte Wende  :
     MaxReinhardt und CamilloCastiglioni. . . . . . . . . . . . . . . . . . .        . .   93
II.3 »Wir glauben, dass aus den Spenden der Salzburger für die Festspiele
     nicht einmal eine Bedürfnisanstalt errichtet werden könnte.«
     Die desaströsen Jahre 1923/24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     . . 103
II.4 »In ewiger Eifersucht wachten die Salzburger darüber, dass die
     Wiener Herren in Salzburg nicht zu groß würden.« Die
     Neuorganisation der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde am
     7. Dezember 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    . . 115

III. Im Wechselbad der Gefühle. Ambitionierter Neubeginn und
      Skandal. Die Phantasie der Politik oder Landeshauptmann
      Rehrl als Retter der Festspiele 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
III.1 Ein Haus fürReinhardts Gesamtkunstwerk. Das erste Festspielhaus 1925 . 123

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III.2 »Diesmal hat sich die Festspielhausgemeinde schwer die Finger
      verbrannt.« Die finanzielle Krise der Festspielhausgemeinde 1925/26 . . . 137
III.3 »Der Plan des Landeshauptmannes löst die Sache wie das Ei des
      Kolumbus.« Der SanierungsplanRehrls 1926. . . . . . . . . . . . . . . . . 145
III.4 »Gerne bin ich bereit, der Sache zu dienen.« Der zweite Bau des
      Festspielhauses durch ClemensHolzmeister 1926 . . . . . . . . . . . . . . 162

IV. »Vermögen wir einzig und allein in Herrn Dr.Rehrl die
    Persönlichkeit zu erblicken, durch deren Geschick … es
    möglich ist, einen Ausweg aus den finanziellen
    Schwierigkeiten zu finden.« Die finanzielle und
    organisatorische Sanierung der Festspiele durchRehrl.. . . . . 170

V.   Die Festspiele sind »eine österreichische und keine
     Salzburger Lokalangelegenheit«. Das vergebliche Bemühen um
     Bundessubventionen und die Suche nach privaten Sponsoren .. 186
V.1 Finanzierung durch private Sponsoren  ? CamilloCastiglioni ante portas. . . 192

VI. Rehrl als kulturpolitischer Akteur hinter                   den     Kulissen      1929
     bis 1932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . . .   . . . . . .   . . . .   198
VI.1 Der Kampf um eine gesicherte finanzielle Basis . .         . . .   . . . . . .   . . . .   198
VI.2 Festspiele im Zeichen der Wirtschaftskrise . . . . .       . . .   . . . . . .   . . . .   221
VI.3 DerMoissi-Skandal . . . . . . . . . . . . . . . . . .      . . .   . . . . . .   . . . .   250

VII. »… dass Salzburg längst und besonders jetzt etwas für
      Österreich Repräsentatives geworden ist.« Die Salzburger
      Festspiele in den Wende- und Schicksalsjahren 1933/34 . . .                         . . 272
VII.1 Wirtschaftskrise und zunehmende NS-Penetration . . . . . . . . . . .                . . 272
VII.2 Existenzbedrohende Herausforderungen  : Tausend-Mark-Sperre,
      Terrorwellen undRehrls landespolitische Gegenstrategie. . . . . . . .               . . 288
VII.3 Die Festspiele als (kultur-)politische Demonstration gegen den
      Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         . . 303
VII.4 Der Kampf um die finanzielle Absicherung der Festspiele durch den
      Bund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       . . 309
VII.5 Eine folgenschwere künstlerische Wende. VonKrauss zuToscanini.. .                   . . 326

VIII. Per aspera ad astra. Die Jahre 1935/36 . . . . . . . . . . . . . . . . 331
VIII.1 »Die Salzburger Festspiele haben ihre bisher schwerste Prüfung
       bestanden.« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

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                                      Inhaltsverzeichnis                                   13

VIII.2 »Der Landeshauptmann glaubt offenbar, die Bundesregierung
       tyrannisieren zu können.« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       . 339
VIII.3 Die Gewissheit freundschaftlicher Geborgenheit.Rehrl und die
       SteuerschuldenReinhardts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        . 347
VIII.4 Festspielsommer 1936. ArturoToscanini oder das Huhn, das goldene
       Eier legt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   . 350
VIII.5 Die Kritik ist »geradezu grotesk«.Rehrls neuerliche Kontroverse mit
       dem Finanzministerium und dem Rechnungshof.. . . . . . . . . . . .                . 361

IX. Ein neues Festspielhaus – aber wie und welches  ?
    Die (scheinbare) Quadratur des Kreises. . . . . . . . . . . . . . . . . 366

X. Ein letzter Festspielsommer 1937 oder der unvollendete
   Triumph. Zur historischen Dekodierung einer Karikatur . . . . . 384

XI. Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

Bildteil.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

                                       Teil II
                                    DOKUMENTE

Dokument Nr. 1  : Der von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl 1926
erarbeitete Sanierungsplan des Festspielhauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443

Dokument Nr 2  : Verpflichtungserklärung der Stadtgemeinde Salzburg vom
1. April 1926. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

Dokument Nr. 3  : Rede von Landeshauptmann Dr.Rehrl
vor dem Salzburger Landtag am 7. April 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Dokument Nr. 4  : Der Plan von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl für die
Sanierung der Salzburger Festspielhausgemeinde, 26. November 1926 . . . . . 455

Dokument Nr. 5  : Brief von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl an
Prof. MaxReinhardt am 22. Dezember 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

Dokument Nr. 6  : Brief Prof. MaxReinhardts aus Taormina an
Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am 4. April 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . 468

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Dokument Nr. 7  : Plan der Salzburger Festspielhausgemeinde zur
Veranstaltung von Weihnachts- und Krippenspielen unter der Regie von
MaxReinhardt in der Zeit zwischen 25. Dezember und 6. Jänner.. . . . . . . . 472

Dokument Nr. 8  : Hugo vonHofmannsthal, MaxReinhardt  :
Organisationsentwurf der Salzburger Festspiele. Salzburg 21. August 1928. . . 475

Dokument Nr. 9  : Niederschrift über eine am 29. August 1928 erfolgte
Besprechung zwischen den Herren Landeshauptmann Dr.Rehrl einerseits,
Herrn vonHofmannsthal und Herrn ProfessorReinhardt andererseits in der
Angelegenheit der Fortführung der Salzburger Festspiele.. . . . . . . . . . . . 478

Dokument Nr. 10  : Entwurf für die Durchführung der Festspiele unter
Zuhilfenahme einer anonymen Zweckgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 481

Dokument Nr. 11  : Analyse der Organisationsdefizite der Salzburger
Festspiele des Jahres 1928 durch das Kuratorium und Mitglieder des
Aufsichtsrates der Salzburger Festspielhausgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . 484

Dokument Nr. 12  : Randglossen zur Salzburger Festspielfrage (Frühjahr 1929,
Verfasser anonym).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

Dokument Nr. 13  : Brief Prof. MaxReinhardts an Landeshauptmann
Dr.FranzRehrl am 11. Oktober 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

Dokument Nr. 14  : Brief von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl an
Kammersängerin Rosette Anday vom 3. August 1933 . . . . . . . . . . . . . . . 513

Dokument Nr. 15  : Brief von Bundespräsident Dr. WilhelmMiklas an
Landeshauptmann Dr.FranzRehrl vom 2. September 1933 . . . . . . . . . . . . 514

Dokument Nr. 16  : Brief von Dagny Servaes, der Buhlschaft der Jahre 1926
bis 1937, an Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am 14. Jänner 1937 . . . . . . . 515

Dokument Nr. 17  : Brief von Dagny Servaes an Landeshauptmann
Dr.FranzRehrl am 19. Februar 1937.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516

Dokument Nr. 18  : Rede von Landeshauptmann Dr. FranzRehrl anlässlich
des Festaktes »15 Jahre Salzburger Festspiele« in der Salzburger Alten
Residenz am 11. August 1935 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517

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Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

                                     Inhaltsverzeichnis                               15

Dokument Nr. 19  : Rede von Bundespräsident Dr. WilhelmMiklas anlässlich
der Verleihung des Österreichischen Verdienstkreuzes für Kunst und
Wissenschaft I. Klasse an Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am
11. August 1935 in der Salzburger Alten Residenz. . . . . . . . . . . . . . . . . 520

Dokument Nr. 20  : Rede von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl beim
Empfang des Landes Salzburg anlässlich der 100. Aufführung des
»Jedermann« in der Alten Residenz am 16. August 1936 . . . . . . . . . . . . . 523

Dokument Nr. 21  : Schreiben von Architekt Prof. DI Dr. Clemens
Holzmeister an Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am 23. November 1936 . . . 526

Dokument Nr. 22  : Schreiben von Architekt Prof. DI Dr. Clemens
Holzmeister an Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am 12. Dezember 1936 . . . 528

Dokument Nr. 23  : Landeshauptmann Dr.FranzRehrl  : Ein neues Projekt zur
Umgestaltung des Salzburger Festspielhauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

Dokument Nr. 24  : Brief von Staatsoperndirektor Dr. ErwinKerber an
Landeshauptmann Dr.FranzRehrl am 15. Februar 1937. . . . . . . . . . . . . . 533

Dokument Nr. 25  : Schreiben von Architekt Prof. DI Dr. Clemens
Holzmeister an Landeshauptmann
Dr.FranzRehrl am 22. Februar 1937.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

Dokument Nr. 26  : Telegramm ArturoToscaninis vom 23. Februar 1937 zum
Umbauvorschlag von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl . . . . . . . . . . . . . 536

Dokument Nr. 27  : Rede von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl anlässlich
des 70. Geburtstages ArturoToscaninis in Mailand am 25. März 1937 . . . . . . 537

Dokument Nr. 28  : Gedächtnisprotokoll von Landeshauptmann
Dr.FranzRehrl von Anfang März 1937 über die Verhandlungen mit dem
Bund zur Finanzierung des Umbaus des Festspielhauses . . . . . . . . . . . . . 539

Dokument Nr. 29  : Pressenotiz vom 14. April 1937 über die Finanzierung
des Festspielhausumbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540

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16                                   Inhaltsverzeichnis

Dokument Nr. 30  : Rede von Landeshauptmann Dr.FranzRehrl anlässlich
der Enthüllung eines Ehrenmals für Hugo vonHofmannsthal in der
Eingangshalle des Salzburger Festspielhauses am 8. August 1937 . . . . . . . . 541

Dokument Nr. 31  : Bericht über den Fortschritt des Umbaus des
Festspielhauses für die Besprechung im Sitzungssaal der Landesregierung
am 24. August 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

Dokument Nr. 32  : Schreiben von Landeshauptmann Dr. FranzRehrl
an die Bauleitung des Erweiterungsbaues des Salzburger Festspielhauses am
25. August 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547

Quellen- und Literaturverzeichnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549

Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557

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Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

                                  Teil I

          POLITIK ER U N D I MPR ESA R IO
        Die Geschichte der Salzburger Festspiele in der
Zwischenkriegszeit ist auch die Geschichte von Landeshauptmann
                        Dr. Franz Rehrl

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Robert Kriechbaumer: Politiker und Impresario

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                                         I. Präludium 1
                   Ein Historiker betrachtet eine Fotografie

Es ist eine unter Fachleuten bekannte Fotografie, die in Publikationen über die Ge-
schichte der Salzburger Festspiele vielfach Verwendung findet. Sie zeigt eine illustre
Schar von Prominenten, die sich am 19. August 1922 in Hellbrunn versammelten,
um der feierlichen Grundsteinlegung des neuen Festspielhauses beizuwohnen. Die
Zeitgenossen, sofern sie der Festspielidee und den hochfliegenden Plänen der Er-
richtung eines Festspielhauses auf der grünen Wiese nach Bayreuther Vorbild positiv
gegenüberstanden, vertraten die Meinung, dass der 19. August 1922 den Rang eines
historisches Datums nicht nur in der Salzburger, sondern auch der österreichischen
und wahrscheinlich auch der europäischen (Kultur-)Geschichte einnehmen werde,
da ein entscheidender Schritt zur Realisierung eines lang gehegten Wunsches getan
schien. Es war eine hochrangige Gemeinde, wie die »Salzburger Chronik« bemerkte,
die sich in Hellbrunn versammelte, an ihrer Spitze Bundespräsident Richard Hai-
nisch, Fürsterzbischof Ignaz Rieder, der die Weihe des Grundsteins vornahm, Au-
ßenminister Alfred Grünberger, Landeshauptmann-Stellvertreter Robert Preußler,
Bürgermeister Josef Preis, der ehemalige Präsident der Provisorischen Nationalver-
sammlung und nunmehrige Obmann der Großdeutschen Volkspartei, Franz Ding-
hofer, die Repräsentanten der Festspielhausgemeinde Sigmund Stransky, Friedrich
Gehmacher, Heinrich Damisch, Rudolf Holzer, Richard Strauss, Max Reinhardt,
Helene Thimig, Hermann Bahr und seine Frau Anna Bahr-Mildenburg, Bernhard
Paumgartner, Selma Kurz, Richard Mayr und Richard Tauber.1 Im Namen der Fest-
spielhausgemeinde hielt der Repräsentant des Wiener Hauptvereins, Rudolf Holzer,
die Festansprache, in der er bemerkte, dass nur diejenigen, die die Betreiber dieses
Projekts nicht verstehen, es »vermögen, auch diesen Augenblick durch ein einziges,
zu einem Beil geschliffenes Wort, zu einer Hinrichtung zu gestalten  ; die, die da sa-
gen  : am Rande seines Grabes baut dieses Volk ein – Theater  ! Ja, ›dieses Volk  !‹ Die-
ses bajuwarisch-österreichische Volk hat die ungeheure Kühnheit, die g     ­ otterfüllte
Überzeugung in sich, jetzt keine andere Sendschaft, Aufgabe für sein und der Welt
Heil zu haben, als im ungeheuren, besinnungslosen Taumel von Verwilderung des
Gemütes, Gier nach materiellen Gütern, Abbröckelung der Kultur, ein Asyl, einen
Tempel der Menschlichkeit, der idealen Antiquitäten und ›überlebten‹ Geistes­an­
schauungen zu errichten  !« Das Festspielhaus sei keine Gründung der Fremdenver-
kehrsindustrie, sondern ein nationaler Tempel der Kunst zu Ehren der Weltkultur

1   Salzburger Chronik, 22. 8. 1922. S. 2.

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im Sinne der Menschlichkeit.2 Die feierliche Grundsteinlegung endete mit Mozarts
»O Schutzgeist alles Schönen«, dargebracht von der Salzburger Liedertafel.
   Die sich im Archiv der Salzburger Festspiele befindende Fotografie gewinnt für
den Historiker, jenseits ihres dokumentarischen Charakters, aufgrund ihrer, die kom-
plexen und unterschiedlichen Entwicklungsstränge und die handelnden ­Personen
wie in einem Brennglas vereinigenden Symbiose besonderes Interesse. Sie eröffnet
ihm die Möglichkeit der historischen Hermeneutik, die miteinander zu einem kom-
plexen Gewebe verwobenen Stränge in einer rückläufigen Analyse aufzulösen.

     I.1 Die Anfänge der Mozartpflege in Salzburg, Max Reinhardt
                 und die vielen Väter der Festspielidee

Die Feier in Hellbrunn vereinte verschiedene historische Entwicklungslinien und
Interessengruppen und erfolgte in einer Zeit extremer Wirtschafts- und Finanzkrise
sowie der sie begleitenden Inflation, weshalb Österreich tatsächlich »am Rande sei-
nes Grabes« stand und die Frage durchaus berechtigt war, ob man in solcher Zeit ein
Theater bauen solle.
   Das zu Beginn des 19. Jahrhunderts bescheidene bürgerliche Vereinswesen als
Nukleus einer im Entstehen begriffenen bürgerlichen Gesellschaft präsentierte sich
in einem Leseinstitut und einer musikalischen Gesellschaft, die sich 1811 zu dem 212
Mitglieder umfassenden Verein »Museum« zusammenschlossen. Auf den Ruinen der
einstigen höfisch-aristokratisch-kirchlichen Gesellschaft des Fürsterzbistums entwi-
ckelte sich im Vormärz eine bescheidene bürgerliche Kultur- und Kunstszene, aus
der 1842 der »Dom Musikverein und Mozarteum« entstand, der in 14 Salzburger
Kirchen die Musik gestaltete, Konzerte veranstaltete, eine Musikschule gründete
und ein Mozart-Archiv anlegte. 1844 folgte die Gründung des »Salzburger Kul-
turvereins« und 1847 jene der »Salzburger Liedertafel«. In der Phase der allmähli-
chen Erholung von den Verwüstungen der napoleonischen Kriege und des Verlus-
tes der staatlichen Eigenständigkeit erfolgte 1842 als Zeichen eines erwachenden
bürgerlichen Selbst- und Landesbewusstseins die Errichtung des Mozart-Denkmals.
Die Initiative hatten die Mitglieder des »Museums«, Julius Schilling und Sigmund
von Koflern, ergriffen, die eine Spendenaktion ins Leben riefen, um die Finanzie-
rung des vom Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler geschaffenen Denkmals
zu sichern. Mozart als berühmtester Sohn der Stadt diente als Identifikationsfigur
und Projektionsfläche der Wünsche nach Loslösung von oberösterreichischer Be-
vormundung durch Wiedererlangung politischer Teilstaatlichkeit in Form eines ei-
genen Kronlandes und Entprovinzialisierung. Das mit der feierlichen Enthüllung

2 Salzburger Volksblatt, 21. 8. 1922. S. 3.

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                              Die Anfänge der Mozartpflege in Salzburg                             21

 des Mozart-Denkmals verbundene erste Mozart-Fest, dem 1852 und 1856 noch
 zwei weitere folgen sollten, unterstrich diesen Anspruch. Und Mozart behielt auch
 nach der Erlangung des Status eines selbständigen Kronlandes 1861 seine zentrale
 kultur­politische Position in der Landespolitik, wobei sich ab den 1870er-Jahren der
begin­nende Sommerfrischetourismus mit dem Mozartkult verband.3 1870 erfolgte
 mit der Gründung der »Internationalen Mozart-Stiftung« durch einen kleinen Kreis
­liberaler Honoratioren, die 1880 zusammen mit dem vom Dom-Musikverein nun-
 mehr getrennten Mozarteum in die »Internationale Stiftung Mozarteum« umge-
wandelt wurde, die Institutionalisierung des erweiterten Anspruchs einer über den
 lokalen Bereich ausstrahlenden internationalen Mozart-Pflege. Diesem Anspruch
 entsprechend, wurden nach dem Vorbild der Rheinischen Musikfeste und schließlich
 nach jenem von Bayreuth, jedoch ohne deren nationalpolitische Grundierung, zwi-
 schen 1877 und 1910 insgesamt acht Salzburger Musikfeste in den Sommermonaten
 mit prominenten Mitwirkenden wie den Wiener Philharmonikern unter Felix Mottl,
Hans Richter, Gustav Mahler und Richard Strauss und bedeutenden Sängerinnen
und Sängern wie Lilli Lehmann, Leo Slezak oder Richard Mayr veranstaltet.
    Durch die Beteiligung von Wiener Künstlern an den Mozartfesten wurde die Idee
 eines Festspielhauses und die Veranstaltung von Festspielen von der Wiener Kultur-
 publizistik sowie führenden Repräsentanten der k. u. k. Kulturszene unterstützt, wo-
bei allerdings auch die Frage aufgeworfen wurde, ob diese Festspiele nicht aufgrund
 ihrer nationalen Bedeutung nicht von Wien aus organisiert werden sollten, um das
 Odium des Provinzialismus zu vermeiden. So zeigte sich Eduard Hanslick von dem
 ersten Musikfest 1877, dem er sogar drei ausführliche Besprechungen widmete, po-
 sitiv beeindruckt. Im deutlichen Gegensatz zu der »dumpfen Schwüle« des ein Jahr
 zuvor erstmals stattgefundenen Festspiels in Bayreuth, das von der »Wagner’schen
Leibgarde« beherrscht werde, zeichne sich Salzburg durch ein »brüderliches Wohl-
wollen zwischen Künstlern und Festgästen« aus. »In diesem Sinne, unbeabsichtigt
und ohne polemische Tendenz, bildet das Musikfest in Salzburg wirklich eine Art
Protest gegen das Bayreuther Ereignis.«4
    Im Rahmen dieser sommerlichen Musikfeste regte der Dirigent Hans Richter die
Errichtung eines Mozart-Festspielhauses nach dem Vorbild Bayreuth an, und drei
Jahre später konstituierte sich unter dem Vorsitz des Architekten Carl Demel und
 des Fotografen Eduard Bertel ein Aktionskomitee, das aufgrund der Beziehungen

3 Robert Hoffmann  : Festspiele in Salzburg. Quellen und Materialien zur Gründungsgeschichte. Band I  :
  1913–1920. – Wien/Köln/Weimar 2020. S. 19 (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für poli-
  tisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg. Herausgegeben von Robert
  Kriechbaumer, Franz Schausberger, Hubert Weinberger. Band 75). Die Einleitung Hoffmanns zu der
  von ihm edierten Quellensammlung zur Gründungsgeschichte der Salzburger Festspiele ist die gründ-
  lichste Darstellung der Vor- und Frühgeschichte der Festspiele.
4 Zit. bei Hoffmann  : Festspiele in Salzburg. S. 21.

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Demels die bekannten und viel beschäftigten Theaterarchitekten Hermann Helmer
und Ferdinand Fellner mit der Planung eines Opernhauses auf dem Mönchsberg
beauftragte. Wenngleich das von beiden Architekten geplante Festspielhaus auf
dem Mönchsberg nicht realisiert wurde, so zeichneten sie für das 1893 eröffnete
Salzburger Stadttheater verantwortlich, das den alten k. k. Theaterbau aus dem Jahr
1775 ersetzte und von der Presse wie vom Publikum als gelungener Bau, der allen
Belangen eines modernen Bühnenbaus entspreche, gefeiert wurde. Der junge Max
Reinhardt erhielt an der neuen Bühne nach dem Volkstheater in Rudolfsheim sein
zweites festes Engagement und spielte bei der Eröffnungspremiere des neuen Hau-
ses den Oberfeldherrn Berengar in dem damals viel gespielten Märchenstück »Der
Talisman« von Ludwig Fulda. Es folgten zahlreiche weitere Rollen, die bei der Kritik
auf große Zustimmung stießen. Sie bescheinigte dem jungen Schauspieler, dass er zu
den größten Hoffnungen Anlass gebe. Er erhielt mehrere Lorbeerkränze, von denen
einer mit der Widmung »Auf Wiedersehen in der Burg« versehen war. Es war dies
keineswegs bloße Provinzschwärmerei, sondern entsprach seinem Talent, das auch
die Aufmerksamkeit von Otto Brahm, dem designierten Direktor des »Deutschen
Theaters« in Berlin erregt hatte und der ihn 1894 nach Berlin engagierte, was vom
Salzburger Publikum und der Salzburger Kritik mit Bedauern zur Kenntnis genom-
men wurde.
   Reinhardt spielte neun Jahre am Deutschen Theater, in dem unter der Leitung
von Otto Brahm ein naturalistisches Programm dominierte, Die naturalistische
Monotonie förderte schließlich bei Reinhardt die Suche nach Alternativen, und er
gründete zusammen mit anderen jungen Schauspielern die Gruppe »Schall und
Rauch«, die neben Parodien auf Vorstellungen im Deutschen Theater auch Stü-
cke, durchwegs Einakter, spielte. Der Erfolg war so groß, dass schließlich ein eige-
ner Theatersaal »Unter den Linden« angemietet und 1901 eingeweiht wurde. Die
Gruppe »Schall und Rauch« erhielt nunmehr den Beinamen »Kleines Theater«,
und es wurden anstelle der bisherigen Einakter und Parodien mehraktige Stücke
gespielt, allerdings mit mäßigem Erfolg. Reinhardt entschloss sich in dieser schwie-
rigen Situation, die Bühne trotz der Schwierigkeiten weiterzuführen, was jedoch die
Aufgabe seiner Schauspieltätigkeit am Deutschen Theater erforderte. Diesen Ent-
schluss des »Jetzt erst recht« bezeichnete Reinhardt später als Wendepunkt seines
Lebens, der die Hinwendung zur Regie und zur Theaterleitung unter der neuen
Devise »Theater als Gesamtkunstwerk« bedeutete. Er holte seinen jüngeren, unter
zeitweisen Depressionen leidenden Bruder Edmund als Manager nach Berlin, der
ihm bis zu seinem Tod 1929 zur Seite stehen sollte. Den ersten durchschlagenden
Erfolg feierte der Schauspieler und neue Impresario und mit Maxim Gorkis »Nacht-
asyl«, das 1903 zum gefeierten Kassenschlager wurde. Doch die Räumlichkeiten des
Kleinen Theaters waren begrenzt, was auf die Wahl der Stücke und vor allem auch
auf die Finanzen nachteilige Auswirkungen hatte. Reinhardt begab sich daher auf

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                        Die Anfänge der Mozartpflege in Salzburg                23

die Suche nach einem zweiten Theater, das er im »Neuen Theater« am Schiffbau-
erdamm fand und in dem er in Maurice Maeterlincks »Pelléas und Mélisande« nicht
nur den König Arkel spielte, sondern auch Regie führte. Es war diese Regiearbeit,
die durch ihr Zusammenwirken von Schauspiel, Musik und Dekoration einen völlig
neuen, revolutionären Weg beschritt und Reinhardts Ideal eines Gesamtkunstwerks
eindrucksvoll demonstrierte. Für die Dekorationen wandte er sich an die wichtigs-
ten bildenden Künstler der deutschen Hauptstadt wie Lovis Corinth, Alfred Roller,
Emil Orlik und Karl Walser mit der Bitte um Mitarbeit und begeisterte sich für die
Möglichkeiten der modernen Bühnentechnik, in der er eine unverzichtbare Voraus-
setzung für die Faszination des Theaters sah. 1905, im Alter von 32 Jahren, feierte
er mit Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« einen sensationellen Erfolg beim
Berliner Publikum, das Reinhardts Ideen – die Möglichkeiten der Drehbühne, einen
Wald aus Nebelschwaden zum Vorschein zu bringen, den von Moos bedeckten Büh-
nenboden, Glasscheiben im Hintergrund der Bühne, die einen See vortäuschen – be-
geistert aufnahm. Er war über Nacht zum Publikumsmagneten und ersten Regisseur
Deutschlands avanciert.
   Es war daher nur folgerichtig, dass ihm Adolph L’Arronge, der Besitzer des Deut-
schen Theaters, der besten und berühmtesten Bühne Deutschlands, deren Leitung
ab Herbst 1905 anbot. L’Arronge hatte den Vertrag mit Otto Brahm nicht erneu-
ert und die Leitung Paul Lindau übergeben, der jedoch nicht in der Lage war, das
Theater auf die erhoffte Erfolgsspur zurückzuführen. L’Arronges Blick fiel auf den
aufgehenden Stern des 32-jährigen Max Reinhardt, dessen neue Theaterästhetik das
Publikum faszinierte und dem die alten Männer des Theaters offensichtlich nicht
das Wasser reichen konnten. Es lag daher nahe, dem neuen Publikumsliebling die
Leitung der bedeutendsten Bühne Deutschlands anzubieten, und der so Umwor-
bene griff mit beiden Händen zu. Allerdings, dies war die Bedingung, musste er
sich von der Leitung des Kleinen Theaters und des Neuen Theaters trennen und
sich ganz der Leitung des Deutschen Theaters widmen. Reinhardt trennte sich 1905
vom Kleinen Theater und im folgenden Jahr vom Neuen Theater. Die Übernahme
der Leitung des Deutschen Theaters verlief allerdings nicht in der von Reinhardt
erhofften Weise, da sich L’Arronge weigerte, dem von Reinhardt geforderten Um-
bau des Theaters zuzustimmen. Der neue Theaterdirektor entschloss sich zu einem
ungewöhnlichen Schritt – den Kauf des Theaters. Die dafür nötigen Mittel stellten
ihm, unter kräftiger Mithilfe seines Bruders Edmund, mehrere theaterbegeisterte
Geschäftsleute zur Verfügung, sodass die erforderlichen Umbauten, vor allem auch
im Bühnenbereich, vorgenommen und die Saison im Herbst 1905 mit einem um-
gebauten Haus eröffnet werden konnte. Die zweite Premiere der Eröffnungssaison,
Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig« – Reinhardts zweite Shakespeare-Insze-
nierung –, konnte an den Erfolg seines »Sommernachtstraums« anknüpfen, wenn-
gleich die Kritik an einer von Reinhardts Entdeckungen, Alexander Moissi, kaum

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ein gutes Haar ließ. Doch Reinhardt hielt an Moissi fest, trotz dessen italienischen
Akzents, an dessen Beseitigung sie arbeiteten, und ließ ihn weiter wichtige Rollen
spielen, bis er sich durchsetzte.
   Bereits im folgenden Jahr errichtete Reinhardt die »Kammerspiele« als zweites,
intimes Theater mit lediglich 300 Sitzplätzen, in dem kleinere Stücke aufgeführt
werden sollten und dessen Eröffnungspremiere, Henrik Ibsens »Gespenster« im
Bühnenbild von Edvard Munch und unter Reinhardts Regie, zum Ereignis wurde. Es
folgten Frank Wedekinds »Frühlingserwachen« und ein Zyklus von August-Strind-
berg-Stücken. Wenngleich Reinhardt nunmehr über zwei Theater unterschiedlicher
Größenordnung verfügte, so blieb er auf der Suche nach der unmittelbaren Wech-
selwirkung von Publikum und Schauspielern, die er schließlich im antiken Theater,
in dem die Bühne in den Zuschauerraum hineinragte, fand. Damit war die Frage
nach dem Theaterraum und dessen szenischer Funktion aufgeworfen, die Reinhardt
erstmals 1910 in seiner in der Musikfesthalle auf der Theresienhöhe in München
vorgenommenen Großrauminszenierung von Sophokles’ »König Ödipus« zu be-
antworten suchte. Durch die Adaption ehemaliger Fabrikhallen und Zirkusarenen
konnten bisher ungeahnte Spielstätten geschaffen werden, die – wie in der Antike –
die Bühne in den Zuschauerraum verlegten und damit eine neue Form der Inter-
aktion von Schauspielern und Publikum schufen. Wie in der Antike sollte damit
auch ein Theater für das Volk entstehen, d. h. für ein Publikum von mehreren Tau-
send Zuschauern, dem die Teilnahme durch billigere Eintrittspreise geboten wurde.
Es war Reinhardts Vision von der Wiedergeburt des Theaters der Antike und des
mittelalterlichen Mysterienspiels. Die Münchner Inszenierung wurde in Berlin im
Zirkus »Schumann« wiederholt. Aufführungen von London über Wien, Budapest,
Skandinavien und Polen bis nach St. Petersburg mit ihrer suggestiven Kraft der Mas-
seninszenierungen begründeten seinen europäischen Ruf. 1911 folgte im Berliner
Zirkus Schumann die Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals »Jedermann«,
dem Stück vom Sterben des reichen Mannes, mit dem Reinhardt an das mittelal-
terliche Mysterienspiel anknüpfte und dessen Spiel auf dem Salzburger Domplatz
bis heute eine ungebrochene Faszination ausübt. Die Fassade des Zirkus Schumann,
die Uraufführungsstätte des »Jedermann«, war am 18. Juni 1918 eingestürzt, und
Reinhardt entwickelte den ehrgeizigen Plan, in einer Zeit der Not und Inflation
den Zirkus Schumann in ein großes Schauspielhaus umzubauen, in dem die von ihm
kreierten Masseninszenierungen möglich sein sollten. Er gewann Hans Poelzig für
den Umbau, der bis 1919 einen 3200 Plätze fassenden Theaterraum mit neuester
Bühnentechnik und hervorragender Akustik schuf. Trotz aller Hindernisse erfolgte
die Eröffnung des Theaters, gedacht als eine Auferstehung des Theaters der An-
tike und im Berliner Volksmund als »Zirkus Reinhardt« ironisch charakterisiert, am
29. November 1919 mit der »Orestie« des Aischylos in der Bearbeitung von Karl
Gustav Vollmoeller.

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   In das Jahr 1911 fiel auch seine erste Opernregie, er inszenierte Richard Strauss’
»Der Rosenkavalier« an der Semperoper in Dresden, wo diese Hommage an das
barocke Wien seine Uraufführung erlebte. Er verstehe nicht viel von Musik, sei aber
trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sehr empfänglich für sie, bemerkte er im
Rückblick. »Jedenfalls übt gute Musik stets eine mächtige Wirkung auf mich aus,
die mich überrascht und die ich mir nicht recht erklären kann. Neue ungeahnte
Stimmungen erwachen in mir. Alles erweitert sich, und ich freue und wundere mich
darüber wie ein Kind mit einem farbigen Kaleidoskop.«5 Die Inszenierung des »Ro-
senkavaliers« gab ihm nun die Möglichkeit, sein Ideal eines Gesamtkunstwerkes
erstmals im Genre der Oper zu realisieren, und er wurde durch seine Forderung an
das Ensemble, gesangliche mit schauspielerische Leistungen zu verbinden, zu einem
Vorreiter des modernen Musiktheaters.
   Im Rahmen eines sechswöchigen Wien-Gastspiels des »Kleinen« und »Neuen
Theaters« am »Deutschen Volkstheater« Anfang 1903 machte ihn Hermann Bahr,
der von Reinhardts Regiearbeit begeistert war, mit Hugo von Hofmannsthal, ­Richard
Beer-Hofmann, Alfred Roller, Kolo Moser und Otto Wagner bekannt. Hofmanns-
thal gehörte zu jener Gruppe von Literaten, die von Hermann Bahr die Bezeichnung
»Jung Wien« erhalten hatte und sich im Café Griensteidl traf. Von den französi-
schen Symbolisten beeinflusst, lehnten sie den auf den Wiener Bühnen und von Otto
Brahm am Deutschen Theater gepflegten Naturalismus, ebenso wie Reinhardt, ab.
Vor allem die Begegnung mit Hofmannsthal sollte ungeahnte kulturpolitische Fol-
gen haben. Hofmannsthal arbeitete an einer Bearbeitung von Sophokles’ »Elektra«,
die er Reinhardt in Gegenwart der von ihm aufgrund ihrer emotionalen Fähigkeiten
bewunderten Schauspielerin Gertrud Eysoldt präsentierte. Reinhardt war begeis-
tert und sicherte sich die Uraufführung des Stückes, das Ende Oktober 1903 im
Kleinen Theater unter seiner Regie, mit den Kostümen von Lovis Corinth und mit
Gertrud Eysoldt in der Hauptrolle seine Uraufführung erlebte. Richard Strauss war
von der Bearbeitung des Sophokles-Dramas durch Hofmannsthal derart begeistert,
dass er ihn bat, das Libretto für die von ihm geplante Vertonung des Stoffes zu
verfassen. Es war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit für fünf weitere
Opern – »Der Rosenkavalier« (1911), »Ariadne auf Naxos« (1912), »Die Frau ohne
Schatten« (1919), »Die ägyptische Helena« (1928) und »Arabella« (1933). Reinhardt
lud auch Hermann Bahr nach Berlin ein, wo der Schriftsteller und Literaturkritiker
als »Prophet der Moderne« in der Zeitschrift »Freie Bühne« sowie im »Fischer Ver-
lag« eine publizistische Heimat gefunden hatte, ehe er nach Wien zurückkehrte und
Redakteur und Mitherausgeber der »Deutschen Zeitung« wurde. Der zehn Jahre
ältere Bahr war von den künstlerischen Fähigkeiten Reinhardts tief beeindruckt und

5 Gusti Adler  : … aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen. Erinnerungen an Max Rein-
  hardt. – München/Wien 1980. S. 45.

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                     ISBN Print: 9783205212614 — ISBN E-Book: 9783205212621
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