Praktikumsbegleitender Unterricht Sächsische Landesapothekerkammer 2021 - Sächsische Landesapothekerkammer
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Praktikumsbegleitender Unterricht Sächsische Landesapothekerkammer 2021 Giftinformation/Vergiftungsgeschehen Allgemeine Maßnahmen bei Vergiftungen Vergiftungen durch Arzneimittel Vergiftungen durch Haushaltsprodukte und Pflanzen Dr. rer. nat. Dagmar Prasa Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Dr. D. Prasa – 03. März 2021 1
Giftinformation – Historische Entwicklung 1953 erstes Poison Center in den USA (Chicago) Anfang der 1960er Jahre erste Giftinformationszentren in Europa 1963 erste Giftinformationszentren in Deutschland (Berlin, Leipzig) bis 1980 Institute für Pharmakologie und Toxikologie der Universitäten und Medizinischen Hochschulen in der DDR – Beratung nur für Ärzte 1980 - 1989 Zentraler Toxikologischer Auskunftsdienst am Institut für Arzneimittelwesen der DDR in Berlin 1990 - 1993 Toxikologischer Auskunftsdienst Berlin unter dem Dach des BGA seit 1994 Giftinformationszentrum Erfurt Kooperation mit Giftinformationszentrum Nord Göttingen (seit 2004) und Vergiftungsinformationszentrale Freiburg (seit 2014) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 2
Giftinformation - Zentren in Deutschland Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 24-Stunden Notruf: 0361 - 730 730 Gemeinsamer Nachtdienst mit GIZ Nord Göttingen und VIZ Freiburg Dr. D. Prasa – 03. März 2021 3
Giftinformation - Gesetzliche Grundlagen Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) §16e Abs. 2 Giftinformationsverordnung Meldepflicht für Vergiftungen (inkl. Verdachtsfälle) durch: Gefährliche Stoffe und Gemische Erzeugnisse, die gefährliche Stoffe oder Gemische freisetzen oder enthalten Biozide Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin Bericht des BfR („Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen“) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 4
Giftinformation - Informationsmaterial des BfR App: Vergiftungsunfälle bei Kindern www.bfr.bund.de Dr. D. Prasa – 03. März 2021 5
Giftinformation – Weiteres Informationsmaterial Dr. D. Prasa – 03. März 2021 6
Giftinformation – Aufgaben telefonische Beratung zur Erkennung und Behandlung von Vergiftungen Dokumentation und Auswertung des Vergiftungsgeschehens Erarbeitung von Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Vergiftungen Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über mögliche Gefahrenquellen (Prävention) Aus- und Weiterbildung von medizinischem/pharmazeutischem Fachpersonal Dr. D. Prasa – 03. März 2021 7
Anfragestatistik GGIZ (2011 – 2020) – Anrufer Tierarzt 1% Privat 40% Kita/Schule Arztpraxis 1% 3% Rettungsdienst 4% Klinik Apotheken, 43% Behörden, Firmen, 2020: Medien u.a. 9% 27 212 Anfragen 23 449 Fälle davon 93,5 % Expositionen Dr. D. Prasa – 03. März 2021 8
Anfragestatistik GGIZ (2011 – 2020) – Altersgruppen Erwachsener (Alter?) Erwachsener 15% 28% Senior 7% Jugendlicher Kind (Alter?) 4% 0,4% Schulkind Kleinkind Säugling 5% 34% 7% Dr. D. Prasa – 03. März 2021 9
Anfragestatistik GGIZ (2011 – 2020) – Ort der Vergiftung Sonstiges Kinder/Jugendliche Strafanstalt Erwachsene Medizinische Einrichtung Arbeitsplatz Bildungseinrichtung Kindereinrichtung Öffentlichkeit Haushalt 0 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 80000 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 10
Anfragestatistik GGIZ (2011 – 2020) – Ursache der Vergiftung Umwelt Straftat Kinder/Jugendliche Erwachsene Havarie Nebenwirkung Verwechslung Missbrauch Fehlanwendung Suizid akzidentell 0 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 11
Anfragestatistik GGIZ (2013 – 2017) – Medikationsfehler 6917 Fälle (18 % aller Arzneimittelexpositionen) 81 % Laien falscher Applikationsweg 19 % medizinisches Personal akzidentelle Vergiftungen Verwechslungen unsachgemäßer Gebrauch 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 12
Medikationsfehler – falscher Applikationsweg Fehler durch medizinische Laien orale Anwendung von Vaginaltabletten, Klistieren, Inhalationskapseln iatrogene Fehler i.v. Applikation von Lösungen für i.m. oder orale Anwendung Fallbericht: erwachsener Patient i.v. Gabe einer Sucralfat-Suspension (Aluminium saccharose octasulfat) akuter Herz-Kreislauf-Stillstand wahrscheinlich durch Embolie der Mikrovaskulatur der Lunge und des Gehirns Dr. D. Prasa – 03. März 2021 13
Medikationsfehler – Verwechslungen Medikation des Kindes und der Mutter Fluoridtabletten, Vigantoletten ↔ L-Thyroxin, orales Kontrazeptivum Präparate für unterschiedliche Applikationswege Hustentropfen, Vitamin D-Tropfen ↔ etherische Öle zur äußerlichen Anwendung Salbutamol Tropfen ↔ Salbutamol-Inhalationslösung Arzneimittel unterschiedlicher Wirkstärke Paracetamol-Suppositorien Dimenhydrinat-Suppositorien Nasentropfen Arzneimittel verschiedener Patienten (Pflegeheim) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 14
Medikationsfehler – falscher Gebrauch Überdosierung Ursache: Missachtung oder Unverständnis/Missverständnis der Dosieranweisung häufig betroffen: Analgetika (Ibuprofen, Paracetamol) selten, aber potenziell vital bedrohlich: Methotrexat Fallbericht Patientin hat über 3 Wochen statt 1 x wöchentlich 1 x täglich Methotrexat eingenommen Symptome: Panzytopenie, Pilzinfektion, Hautpetechien Dr. D. Prasa – 03. März 2021 15
Medikationsfehler – falscher Gebrauch Falsche Zubereitung z.B. von Antibiotika-Trockensäften Missachtung der Wechselwirkungen Fallbericht: 49 Jahre, m therapeutische Einnahme von: Tranylcypromin, Duloxetin, Zopiclon, Chloralhydrat Symptome: Atemdepression, Kreislaufinstabilität, Status epilepticus, Hyperpyrexie (Serotoninsyndrom) Verlauf: Patient ist am Folgetag verstorben nicht angepasste Dosis bei Niereninsuffizienz z.B. chronische Vergiftung mit Lithiumsalzen Dr. D. Prasa – 03. März 2021 16
Giftinformation – Telefonische Beratung Einschätzung der Gefährdung anhand von Patient (Alter, Körpergewicht, vorbestehende Erkrankungen) Noxe, Menge, Aufnahmeweg Zeitpunkt der Exposition Symptome, bisherige Maßnahmen Schwere der Vergiftung mögliche Symptome Dr. D. Prasa – 03. März 2021 17
Anfragestatistik GGIZ (2011 – 2020) – Vergiftungsrisiko schwer nicht einschätzbar nicht einschätzbar kein Zusammenhang mäßig 2% kein Zusammenhang symptomlos 3% 7% schwer 13% symptomlos mäßig 21% 15% symptomatisch leicht 29% symptomatisch 51% 19% leicht 29% Kinder/Jugendliche Erwachsene Dr. D. Prasa – 03. März 2021 18
Giftinformation – Telefonische Beratung Therapieempfehlung Notwendigkeit der Überwachung (häusliche Beobachtung, Arztvorstellung, stationäre Überwachung) Maßnahmen der Giftentfernung (primär, sekundär) spezifische symptomatische Maßnahmen Antidottherapie Diagnostik/Analytik Dr. D. Prasa – 03. März 2021 19
Maßnahmen bei Vergiftungen – Primäre Giftentfernung Haut Entfernung benetzter Kleidungsstücke Reinigung der Haut mit fließendem Wasser und Seife Verwendung von Lösungsvermittlern: PEG 400 (Roticlean®E, Fa. Roth) Spezielle Spüllösungen bei Säure- oder Laugenverätzung Previn®, Hexafluorine® (bei Flusssäureverätzung), Fa. Prevor Auge wichtig: mindestens 10 min mit fließendem Wasser spülen ggf. Lokalanästhetikum Dr. D. Prasa – 03. März 2021 20
Maßnahmen bei Vergiftungen – Primäre Giftentfernung Inhalative Aufnahme Entfernung aus dem Gefahrenbereich Zufuhr von Frischluft/Sauerstoff Orale Aufnahme Medizinische Kohle (Magenspülung) (Orthograde Darmspülung) Laxanzien Induziertes Erbrechen CAVE: Aspirationsgefahr Gabe von Salzwasser Kochsalzvergiftung möglich Dr. D. Prasa – 03. März 2021 21
Maßnahmen bei Vergiftungen – Primäre Giftentfernung - Kohle Indikation mittelschwere bis schwere Vergiftungen mit vielen organischen Noxen - primär Stoffen, die einem enterohepatischen Kreislauf unterliegen - sekundär (z.B. Carbamazepin) Stoffen, die enteral desorbiert werden - sekundär (z.B. Theophyllin) nicht wirksam bei Metallen, anorganischen Salzen Alkoholen und Glykolen Kontraindikation Bewusstseinstrübung (Aspirationsgefahr) Verätzungen im GIT Perforationen, Blutungen im GIT Dr. D. Prasa – 03. März 2021 22
Maßnahmen bei Vergiftungen – Primäre Giftentfernung - Kohle Dosierung 0,5 – 1 g/kg Erwachsene maximal 100 g Kinder maximal 50 g primäre Giftentfernung: einmalige Anwendung: innerhalb 1 h nach Ingestion primäre Giftentfernung bei Bezoarbildung , sekundäre Giftentfernung wiederholte Gabe: im Intervall von 1 – 4 h (Erwachsene 12,5 g/h) ggf. Kombination mit salinischen Abführmitteln Präparate Ultracarbon® (Merck); Kohle pulvis (Köhler) Kohle-Suspension – Rezeptur des NRF Kohle-Tabletten verschiedener Hersteller (nur bedingt geeignet) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 23
Maßnahmen bei Vergiftungen – Primäre Giftentfernung Gefahr der Aspiration und Verletzung! Gefahr der Wasservergiftung! Dr. D. Prasa – 03. März 2021 24
Maßnahmen bei Vergiftungen – Sekundäre Giftentfernung Wiederholte Gabe von Aktivkohle (Forcierte Diurese) Blutreinigungsverfahren, z.B. Hämodialyse, Hämofiltration Indikation: schwere bzw. vital bedrohliche Vergiftung nur für wenige Noxen geeignet (z.B. Lithium, Ethanol) Effektivität abhängig von der Pharmakokinetik der Noxe Proteinbindung Verteilungsvolumen renale Ausscheidung Dr. D. Prasa – 03. März 2021 25
Maßnahmen bei Vergiftungen – Antidota Lebensrettende Antidote ohne deren Einsatz ist bei schweren Vergiftungen kein Überleben möglich Blausäure, Cyanid → Natriumthiosulfat, Hydroxocobalamin, 4-DMAP Methanol, Ethylenglykol → Ethanol; Fomepizol MetHb-Bildner → Toluidinblau Organophosphate → Atropin Supportive Antidote beeinflussen Vergiftungsverlauf günstig, aber symptomatische Maßnahmen sind auch ausreichend z.B. Beatmung statt Naloxon bei Opiatvergiftungen strenge Indikationsstellung! Dr. D. Prasa – 03. März 2021 26
Maßnahmen bei Vergiftungen – Antidota www.rote-liste.de Dr. D. Prasa – 03. März 2021 27
Maßnahmen bei Vergiftungen – Antidota 19.1. Brecherregender Sirup 19.2. Natriumedetat-Augentropfen 0,4 % / 2 % (Kalkverätzungen am Auge) 19.5. Kohle-Suspension 15 % 19.6. Hydrophiles Calciumgluconat-Gel 2,5 % mit Chlorhexidindigluconat 0,5 % = Anti-Flusssäure-Gel (Notfallbehandlung von Verätzungen mit Flusssäure) 19.8. Natriumcitrat-Pulver für Lösung 0,3 mol/l zum Einnehmen 19.9. Natriumcitrat-Lösung 0,3 mol/l zum Einnehmen (präoperative Prophylaxe einer Aspirationspneumonie) 19.10. Dimethylsulfoxid 70 %/Dimethylsulfoxid (Lokalbehandlung nach Extra- oder Paravasation von Zytostatika) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 28
Maßnahmen bei Vergiftungen – Antidota Apothekenbetriebsordnung (§15 Abs.1 und 2) - Notfallsortiment Ständiger Vorrat: Glucocorticoide zur Injektion Glucocorticoide zur Inhalation zur Behandlung von Rauchgas-Intoxikationen Antischaum-Mittel zur Behandlung von Tensid-Intoxikationen Medizinische Kohle, 50 Gramm Pulver zur Herstellung einer Suspension Kurzfristig beschaffbar: Botulismus-Antitoxin vom Pferd Schlangengift-Immunserum, polyvalent, Europa Digitalis-Antitoxin Dr. D. Prasa – 03. März 2021 29
Anfragestatistik GGIZ (2011 - 2020) – Noxen Erwachsene Biozide 3% Chemikalien 7% Kosmetika 1% Drogen 5% Lebens- und Genussmittel 12% Arzneimittel 62% Pflanzen 2% Pilze 2% Tiere 1% Sonstige 5% Dr. D. Prasa – 03. März 2021 30
Anfragestatistik GGIZ (2011 - 2020) – Noxen Kinder/Jugendliche Drogen 1% Lebens-/Genussmittel 4% Kosmetika 8% Pflanzen 15% Pilze 2% Tiere 1% Chemikalien 24% Sonstige 9% Arzneimittel 32% Biozide 4% Dr. D. Prasa – 03. März 2021 31
Arzneimittel – Top Ten Erwachsene (2011 – 2020) Metamizol ca. 40 % in Kombination mit Alkohol Citalopram mehr als 50 % Mischintoxikationen Zolpidem Diazepam Zopiclon Mirtazapin Lorazepam Paracetamol Quetiapin Ibuprofen 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 32
Arzneimittel – Ibuprofen Fallbericht 23 Jahre, m, 60 kg wegen anhaltender Schmerzen Einnahme von 20 Tabletten Ibuprofen 600 mg über den Tag verteilt, Gesamtdosis 200 mg/kg am Abend Vorstellung in der Klinik Symptome: einmaliges Erbrechen Toxizität bis 200 mg/kg meist keine oder leichte Symptome, selten mittelschwer ab 300 - 400 mg/kg schwere Vergiftungssymptome möglich Dr. D. Prasa – 03. März 2021 33
Arzneimittel – Ibuprofen mögliche Symptome gastrointestinale Reizungen, Blutungen Müdigkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, bei sehr hoher Dosis Koma, Krampfanfall Hypotonie, Tachykardie, bei hoher Dosis Herzrhythmusstörungen möglich Seh- und Hörstörungen, Azidose, Elektrolytstörungen, Nierenfunktionsstörungen mit Latenz von 2 – 4 Tagen empfohlene Therapie stationäre Überwachung, Laborwertkontrolle Protonenpumpeninhibitor, ausreichende Flüssigkeitsversorgung, ggf. symptomatische Therapie Dr. D. Prasa – 03. März 2021 34
Arzneimittel – Quetiapin Fallbericht 48 Jahre w Dosis: Einnahme von 18,2 g Quetiapin (retardiert) in suizidaler Absicht vor ca. 20 min Ankündigung durch den Notarzt, Symptome nicht bekannt Toxizität > 2000 mg → vital bedrohliche IntoxikaYon möglich mögliche Symptome ZNS: Somnolenz - Koma, Krampfanfälle, Atemdepression, exrapyramidale Störungen, Agitation, Delir, UAW: Malignes Neuroleptisches Syndrom HKL: Hypotonie, Tachykardie, Arrhythmien SONSTIGES: Rhabdomyolyse, Hyperglykämie, Elektrolytstörungen empfohlene Therapie Gastroskopie Entfernung des Konglomerats, wiederholte Kohlegabe Dr. D. Prasa – 03. März 2021 35
Arzneimittel – Quetiapin Fallbericht - Verlauf Giftentfernung Ösophago-Gastro-Duodenoskopie am Aufnahmetag: großes wandadhärentes Tablettenkonglomerat, Entfernung von ca. 10 %, wiederholte Kohlegabe über 3 Tage, Kontrollendoskopie: keine Tablettenreste Symptome Sopor bis Koma, Ateminsuffizienz, Hypotonie, Tachykardie, vorübergehende QT-Verlängerung, Hyperglykämie, Harnverhalt Therapie Intubation/Beatmung, Sedierung Gabe von Noradrenalin, Antibiose wegen vermuteter Aspiration Überwachung für 6 Tage, Verlegung in die Psychiatrie Dr. D. Prasa – 03. März 2021 36
Arzneimittel – Top Ten Kinder/Jugendliche (2011 – 2020) Efeublätter Diphenhydramin Salbutamol Etherische Öle Hormonelle Kontrazeptiva Homöopathika Levothyroxin Xylometazolin Paracetamol Ibuprofen 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 37
Arzneimittel – Etherische Öle Fallbericht – Anfrage des Rettungsdienstes 3 Jahre m; 17 kg Kind habe max. 5 - 10 ml vom Babix-inhalat N getrunken, riecht danach und war "lange genug" unbeobachtet Kind ist ungewöhnlich „aufgedreht“ mögliche Symptome innerhalb von 2 h nach Aufnahme MDT: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen ZNS: Sedierung, Unruhe, Tremor, Ataxie, schwere Symptome: Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle bei Säuglingen lebensbedrohlicher Laryngospasmus Therapie > 5 ml (Kleinkind) Überwachung in der Klinik, ggf. symptomatische Therapie Dr. D. Prasa – 03. März 2021 38
Arzneimittel – Nasentropfen (Xylometazolin) Fallbericht – Anruf der Mutter 13 Monate, m Mutter fand Kind mit der leeren Flasche Xylometazolin-Nasentropfen 0,025% vor es wurde etwas verkleckert, unklar, ob und wie viel verschluckt wurde Kind bekam Flüssigkeit zu trinken und ist unauffällig Toxizität ab 0,1 - 0,2 mg/kg leichte ab 0,5 mg/kg schwere Symptome möglich mögliche Symptome α-2-mimetische zentrale u. periphere Effekte: Erbrechen, Blässe, Somnolenz, Tachy-/Bradykardie, Hyper-/Hypotonie, Atemdepression Dr. D. Prasa – 03. März 2021 39
Arzneimittel – Levothyroxin Fallbericht – Anruf der Klinik Anruf des Vaters in Kinderklinik: 10 Monate alte Tochter hat versehentlich statt D-Fluorette Levothyroxin 125 µg erhalten Toxizität Euthyreote Kinder ohne kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei einmaliger Überdosierung relativ unempfindlich bis 500 µg keine Therapie (Säuglinge bis 30 mg/kg) Schwere Vergiftungen bei chronischer Überdosierung möglich Symptome korrelieren nicht mit eingenommener Menge oder Plasmaspiegel In der Regel Latenzzeit von 2 - 3 d (Umwandlung in T3) Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen Tachykardie, Hypertension, Unruhe, Angst, Temperaturerhöhung Dr. D. Prasa – 03. März 2021 40
Arzneimittel – Diphenhydramin/Dimenhydrinat Fallbericht – Anruf der Klinik 2 Jahre, m, 14 kg wiederholte Verabreichung von 4 - 5 Suppositorien Dimenhydrinat 40 mg über den Tag verteilt 160 - 200 mg = 11,4 - 14,3 mg/kg Symptome: Somnolenz bis Sopor, im Verlauf Tachykardie, Grimassieren Verlauf: Überwachung auf ITS, am Folgetag symptomlos Toxizität Dimenhydrinat = Chlortheophyllin-Salz von Diphenhydramin Kinder: ab 3 mg/kg leichte Symptome möglich > 10 mg/kg schwere Symptome möglich Dr. D. Prasa – 03. März 2021 41
Arzneimittel – Diphenhydramin/Dimenhydrinat mögliche Symptome Zentrales anticholinerges Syndrom ZNS: Verwirrtheit, Erregung, Delir, Krampfanfälle, Somnolenz bis Koma ATMUNG: Atemdepression HERZ-KREISLAUF: Tachykardie, Arrhythmie, Hypotonie AUGE: Mydriasis HAUT: gerötet u. warm Hyperpyrexie GIT: Mundtrockenheit, Erbrechen (!) MUSKULATUR: Rhabdomyolyse Nierenversagen HARNBLASE: Atonie Miktionsstörungen Antidot Physostigmin (Anticholium®) – cave: hohe Eigentoxizität! Dr. D. Prasa – 03. März 2021 42
Arzneimittel - Salbutamol Fallbericht – Anruf der Mutter Säugling (9 Monate) hat versehentlich 20 Tropfen einer Salbutamol-Inhalationslösung (0,5 %) oral erhalten 0,56 mg/kg Toxizität < 2 Jahre keine orale Anwendung < 1 mg/kg in der Regel maximal leichte Symptome mögliche Symptome Übelkeit, Erbrechen, Durchfall Erregung, Tremor, (Müdigkeit, Somnolenz), Krampfanfall Tachykardie, Arrhythmie, Hyper- oder Hypotonie Hyperglykämie, Hypokaliämie Dr. D. Prasa – 03. März 2021 43
Haushaltsprodukte – Top Ten Kinder/Jugendliche (2011 – 2020) Klarspüler Geräteentkalker Bade- / Duschprodukte Knicklicht Geschirrreiniger-Tabs fester Kohlenanzünder Tabakerzeugnisse Waschmittel WC-Steine Geschirrspülmittel 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 44
Haushaltsprodukte – Tensidhaltige Wasch- und Reinigungsmittel Anionische und nichtionische Tenside geringe Toxizität (bis 1 g/kg unbedenklich) schleimhautreizende Wirkung → gastrointesYnale Symptome Gefährdung durch Schaumaspiration bei Erbrechen ! Risikopatienten: v.a. Kleinkinder und ältere Patienten 4 Todesfälle (74 - 88 Jahre) [1994 - 2011] → Exitus letalis innerhalb von 20 h nach Ingestion durch Lungenödem infolge Aspiration (2 x) u./o. Herz-Kreislauf-Versagen Therapie: kein Erbrechen auslösen! 1 - 2 Teelöffel Entschäumer (Espumisan®, Lefax®, SabSimplex®) und wenig Flüssigkeit Dr. D. Prasa – 03. März 2021 45
Haushaltsprodukte – Tensidhaltige Wasch- und Reinigungsmittel Waschmittel-Pads flüssige Tensidkonzentrate in wasserlöslichen Gelkapseln stark reizend auf Haut- und Schleimhaut bei Augenkontakt schwere Schädigung möglich Fallbericht Junge 17 Monate hat Inhalt eines Waschmittel-Pads verschluckt Erbrechen, später Durchfall; anhaltender heftiger Husten, Heiserkeit, Rachenrötung Bronchopneumonie Behandlung in der Klinik (Sab simplex®, Antibiose, Infusion, Inhalation, Salbutamol), beschwerdefrei nach 9 Tagen Dr. D. Prasa – 03. März 2021 46
Haushaltsprodukte – weitere Gefahren Säuren/Laugen/andere ätzende Stoffe Essigessenz > 25 % – ausländische Produkte Rohrreiniger, (gewerbliche) Reiniger mit Säuren oder Laugen (gewerblich) Flächendesinfektionsmittel (quartäre Ammoniumverbindungen) Steinreiniger, Felgenreiniger (CAVE: Flusssäure) Alkohole/Glykole/Lösungsmittel Scheiben- und Kühlerfrostschutz (Ethanol, Ethylenglykol) Steinreiniger, Fleckentferner (Lösungsmittel) Desinfektionsmittel (Ethanol, Isopropanol) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 47
Haushaltsprodukte – Quecksilber Anfrage Fieberthermometer mit Quecksilber bzw. Energiesparlampe ist im Zimmer zerbrochen Gefährdung? Was tun? Auskunft bei kurzzeitiger Exposition keine Vergiftungsgefahr nach (längerem) Verdunsten des Quecksilbers bei Raumtemperatur Beeinträchtigung der Gesundheit möglich das Verschlucken des Inhalts von einem Thermometer ist toxikologisch unbedenklich (cave: Verletzungsgefahr!) lüften, alle Reste beseitigen Sondermüll Dr. D. Prasa – 03. März 2021 48
Haushaltsprodukte – Knopfzellen Gefährdung Verbleib an Engstellen des Ösophagus oder im Magen Schleimhautnekrose, Perforation durch Stromfluss bzw. Druck innerhalb weniger Stunden Therapie so bald wie möglich Lagekontrolle durch Röntgen, ggf. endoskopische Entfernung Dr. D. Prasa – 03. März 2021 49
Pflanzen (Zimmer) – Top Ten Kinder/Jugendliche (2011 – 2020) Dieffenbachie Clivie Fensterblatt Ladypalme Efeutute Einblatt Wolfsmilch Orchidee Dickblatt Gummibaum 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 50
Pflanzen (Zimmer) - Gefährdung vorwiegend lokal reizend Haut/Schleimhaut: Rötung der Schwellung, Blasenbildung Auge: Hornhautschädigung möglich nach Ingestion: gastrointestinale Symptome Aronstabgewächse (Oxalate) z.B. Dieffenbachie Zamioculcas Monstera Efeutute Einblatt Wolfsmilchgewächse (Diterpenester) z.B. Weihnachtsstern Christusdorn Dreikantige Wolfsmilch Dr. D. Prasa – 03. März 2021 51
Pflanzen (Freiland) – Top Ten Kinder/Jugendliche (2011 – 2020) Eberesche Holunder Zwergmispel Mahonie Heckenkirsche Maiglöckchen Kirschlorbeer Lampionblume Liguster Eibe 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 Dr. D. Prasa – 03. März 2021 52
Pflanzen (Freiland) - Verwechslungsmöglichkeiten Tödlicher Bärlauchstrudel (A. Kaczmarek, Wien 2004) Convallaria majalis Ehepaar verzehrt selbstgebackenen Bärlauchstrudel Colchicum initial gastrointestinale Symptome Allium autumnale ursinum Herzrhythmusstörungen Blutdruckabfall Nierenversagen Knochenmarksdepression Gerinnungsstörungen Multiorganversagen Exitus letalis nach 35 h (Mann) bzw. 8 Tagen (Frau) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 53
Pflanzen (Freiland) - Verwechslungsmöglichkeiten Laburnum anagyroides vorwiegend Magen-Darm-Symptome Verlockende bei größeren Mengen Herz- Schoten Kreislaufstörungen, Bewusstseinstrübung, Krampfanfall Caragana arborescens Robinia pseudoacacia Colutea arborescens Lathyrus odoratus Dr. D. Prasa – 03. März 2021 54
Pflanzen (Freiland) - Gefährdung Phototoxizität Riesen-Bärenklau z.B. Wiesen-Bärenklau u.a. (Heracleum mantegazzianum) Doldenblütler, Wiesenraute, Weinraute, Diptam Dr. D. Prasa – 03. März 2021 55
Pflanzen – Identifizierung Identifizierung durch Foto per E-Mail oder mittels Internet (z.T. fragwürdige Quellen) Dr. D. Prasa – 03. März 2021 56
Pilze - Identifizierung Röhrlinge gastrointestinales Pilzsyndrom Lamellenpilze Organschädigung (Leber, Niere), Muscarinsyndrom (peripher cholinerg), Pantherinasyndrom (ZNS) u.a. Identifizierung der Pilze durch einen Pilzsachverständigen Kontaktdaten der Pilzsachverständigen in einem Giftinformationszentrum erfragen Dr. D. Prasa – 03. März 2021 57
Vergiftung – Was tun im Notfall? Ruhe bewahren! Patient aus Gefahrenbereich entfernen Noxe von Haut oder Auge abspülen, ggf. Mund ausspülen bei Verätzungen keine Neutralisationsversuche kein Erbrechen auslösen bei spontanem Erbrechen Kopftieflage, Erbrochenes ggf. asservieren nach Verschlucken max. ein Glas Flüssigkeit trinken lassen (keine Milch, keine kohlensäurehaltigen Getränke) bei schweren Symptomen (Bewusstlosigkeit, Krampfanfall) Notarzt verständigen Maßnahmen der Ersten Hilfe (z.B. stabile Seitenlage) Giftinformationszentrum oder Arzt konsultieren, ggf. Verpackung bereithalten weitere Maßnahmen nur in Absprache mit Arzt oder Giftinformationszentrum Dr. D. Prasa – 03. März 2021 58
Giftinformation – weitere Informationen www.ggiz-erfurt.de ggiz@ggiz-erfurt.de Dr. D. Prasa – 03. März 2021 59
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