Profitiert die Landwirtschaft vom Klimawandel? - Erste Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojekts - Landnutzung.at
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Freitag 25.September 2009 10 Uhr, Universität Innsbruck Presseunterlagen Profitiert die Landwirtschaft vom Klimawandel? Erste Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojekts
Profitiert die Landwirtschaft vom Klimawandel? Erste Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojekts Freitag 25.September 2009 Universität Innsbruck Am Podium: Mag. Theresa Hohenauer: 1982 geboren in Rum. 2007, Abschluss des Studiums Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft an der Leopold- Franzens Universität Innsbruck. Beginn Dissertation im Bereich Sprachpolitik. Nebenbei unterrichtet sie Deutsch als Fremdsprache und widmet sich der Flurnamenforschung. Mag. Franziska Strauss: 1983 geboren in Genf. 2007 Diplom an der Universität Wien, Studienfach: Meteorologie. Seitdem arbeitet sie am Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur Wien an ihrem Doktorat und untersucht Folgen des Klimawandels sowie mögliche Anpassungsmaßnahmen für die österreichische Landwirtschaft. Die beiden Wissenschaftlerinnen sind Mitarbeiterinnen des dreijährigen Forschungsprojekts "Werkzeuge für Modelle einer nachhaltigen Raumnutzung", das im Rahmen des Forschungsprogrammes ProVision durchgeführt wird. Projektleiter: DI Franz Sinabell, WIFO: T +43 1 798 26 01 Kl. 481 Email: franz.sinabell@wifo.ac.at Pressebetreuung: DI Ilse Huber T 0664/ 223 1 773 Email: ilsehuber@a1.net Projekthomepage: www.landnutzung.at 2
Höhere Ertragsstabilität in der Landwirtschaft aufgrund der Klimaänderung ist möglich Mag. Franziska Strauss ist Meteorologin am Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Im Zuge Ihrer Arbeit für das Forschungsprojekt "Werkzeuge für Modelle einer nachhaltigen Raumnutzung", befasst sie sich mit den Auswirkungen der meteorologischen Veränderungen. Bei ihren bisherigen Untersuchungen bestätigt sie für Österreich den weltweiten Trend bei der Klimaerwärmung: „Der Klimawandel in Österreich macht sich vor allem durch einen Temperaturanstieg im Alpenraum von 2°C bis ca. 2020 im Vergleich zur Klimanormalperiode 1961-1990 bemerkbar.“ Als erstes Detailergebnis liefert sie Daten für das Marchfeld im nordöstlichen Niederösterreich. In weiterer Folge wird flächendeckend für ganz Österreich eine Prognose im gleichen Maßstab erstellt. Im Marchfeld, der so genannten Kornkammer Österreichs, stellt sich heraus, dass bis zum Jahr 2040 * die Temperaturen im Vergleich zur Klimanormalperiode 1961-1990 um durchschnittlich 1,5 °C steigen jedoch * die Niederschlagsverteilungen gleichbleiben. 3
Abbildung 1: Temperatur- und Niederschlagsklassen (Jahresbasis) für das östliche Flachland Österreichs für die Periode 1961-1990 (oben), 1981-2010 (Mitte) 2001-2030 (unten). Interpretation der Klasseneinteilung: Die ersten beiden Stellen von rechts geben den Temperaturbereich an und die erste bzw. die ersten beiden von links den Niederschlagsbereich. So bedeutet 509 Cluster mit 500 mm Jahresniederschlag und 9 °C Jahresmitteltemperatur. 4
Die Struktur der Cluster verändert sich nicht, da für die Zukunft ähnliche Niederschlagsverteilungen angenommen werden wie für die Vergangenheit (Abbildung 1). Allerdings nimmt die Jahresmitteltemperatur zu (veranschaulicht durch dunklere Farbwahl). Für die Periode 2001-2030 (unteres Bild) liegen die Jahresmitteltemperaturen im Marchfeld zwischen 11 °C und 12 °C, für die Klimanormalperiode (oberes Bild) zwischen 9 °C und 10 °C. Durch die erhöhten Jahresmitteltemperaturen steigt die Verdunstung, wodurch den Pflanzen weniger Wasser zur Verfügung steht. Geringere Ertragsschwankungen bei Winterweizen Unter diesen Voraussetzungen wird sich auch die landwirtschaftliche Produktion verändern. Manche Feldfrüchte, die heute angebaut werden, werden verschwinden, andere wiederum profitieren von den geänderten natürlichen Bedingungen, Franziska Strauss: „Modellberechnungen für das Marchfeld zeigen, dass in der Zukunft von vier untersuchten Kulturarten nur noch drei gewinnbringend angebaut werden können. Sonnenblume gehört zu den Gewinnern, der Anbau von Sommergerste wird nicht mehr profitabel sein.“ Ihren Berechnungen zufolge verliert ebenso der Mais aufgrund der limitierenden Wasserverhältnisse an Bedeutung. Zu den Gewinnern zählt wiederum der Winterweizen, dessen Ertragsvariabilitäten abnehmen können. Jene Bauern, welche schwerpunktmäßig Winterweizen anbauen, werden zwar in Zukunft nicht mehr pro Hektar ernten, aber sie können mit weniger hohen Ertragsschwankungen rechnen. So verzeichneten die Bauern in der Vergangenheit Ertragsschwankungen beim Winterweizen von durchschnittlich 0,6 Tonnen Trockenmasse pro Hektar. In Zukunft sollen diese auf 0,4 Tonnen pro Hektar sinken. Der Bodenkohlenstoffvorrat kann aufgrund der zunehmenden Temperatur vermehrt zurückgehen, und auch die Nitratauswaschung, unter der Voraussetzung, dass Düngung und Bodenbearbeitung gleichbleiben. Zustande gekommen sind diese Modellergebnisse aufgrund der Gegenüberstellung von Wetterparametern der letzten 30 Jahre und einem Ensemble von Wetterszenarien der nächsten 30 Jahre. 5
Die Sprache als Klima- und Kulturarchiv Ortsnamen als Hinweis für die Verbreitung von Kulturpflanzen im Lauf der Geschichte Mag. Theresa Hohenauer ist Sprachwissenschaftlerin und untersucht im Rahmen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wie sich bestimmte Kulturpflanzenarten in den österreichischen Ortsnamen niederschlagen. Oder http://www.landnutzung.at/Karten.html Hanf und Flachs sind alte und weit verbreitete landwirtschaftliche Kulturen, die weltweit angebaut wurden. Dies zeigt sich auch in den Bezeichnungen von Orts-, Ried, Gewässer- und Flurnamen. Unter der Leitung von Prof.Dr. Isolde Hausner vom Institut für österreichische Dialekt- und 6
Namenlexika begeben sich die beiden Forscherinnen auf die Suche nach geographischen Hinweisen von Hanf bzw. Flachs in Österreich. „ Dass neben den Bezeichnungen für Flachs und Hanf häufig auch Verarbeitungsschritte oder -geräte in den Namen festgehalten wurden, zeigt die ehemalige wirtschaftliche Bedeutung des Anbaus“ , Theresa Hohenauer Flachs mhd. har- für (nicht zubereiteten) Flachs Sein botanischer Name lautet Linum usitatissimum L. Das lateinische līnum n. besitzt den gleichen Lautstand wie mhd. līn (aus g. *leina- n. „Flachs, Leinwand“). Noch immer wird das Wort Lein für „Flachs, Leinwand“ verwendet. Sein deutscher Name leitet sich aus dem althochdeutschen har(o) ab, mittelhochdeutsch har. Deswegen gibt es Orte wie Klein- und Großharras (Bezirk Gänserndorf, Bezirk Mistelbach, NÖ), Harreith (Gemeinde Winklarn, Bezirk Amstetten, NÖ) oder auch Harland (Bezirk Kufstein, sowie die Bezirke Hollabrunn, Melk, St.Pölten). GKZ Gemeinde Bezirk Name Bezeichnung 30201 Sankt Pölten (Stadt) St. Pölten (Stadt) Harland Dorf 30201 Sankt Pölten (Stadt + Land) St. Pölten (Stadt)+ Harlander Bach Gewässername u.a. Sankt Pölten Land 30541 Winklarn Amstetten Harreith Einzelhof, Einöde 30838 Matzen-Raggendorf Gänserndorf Kleinharras Dorf 30838 Matzen-Raggendorf Gänserndorf Klein-Harras-Bach Gewässername 31051 Wullersdorf Hollabrunn Harland Flurname 31409 Ramsau Lilienfeld Haraseck zerstreute Häuser 31409 Ramsau Lilienfeld Harasecker Einzelhof, Einöde 31505 Blindenmarkt Melk Harland Dorf 31616 Großharras Mistelbach Großharras Hauptort einer Marktgemeinde 31629 Laa an der Thaya - Großharras Mistelbach Mottschüttelbach Gewässername 31630 Ladendorf Mistelbach Harberg Bergname 31633 Mistelbach Mistelbach Harröst Flurname 31633 Mistelbach Mistelbach Harrötz Flurname 40609 Lasberg Freistadt Harau Rotte 40623 Waldburg Freistadt Harruck Dorf 40720 Vorchdorf Gmunden Haresau zerstreute Häuser 41515 Schiedlberg Steyr-Land Harraß Rotte 41751 Zell am Moos Vöcklabruck Harpoint Rotte 50202 Adnet Hallein Harreis Einzelhof, Einöde 61033 Sankt Nikolai im Sausal Leibnitz Harrötzberg Rotte 70355 Steinach a. Brenner Innsbruck Land Plon Harland Rotte 70523 Rettenschöss Kufstein Harland Rotte 70523 Rettenschöss Kufstein Harlander Alm Alm 70525 Schwoich Kufstein Harissen Einzelhof, Einöde 7
25 bereits verortete Ortsnamen weisen auf das Vorkommen der einst weit verbreiteten Kultur- und Nutzpflanze hin. Die meisten Orte finden sich in Niederösterreich, aber selbst in Salzburg und Tirol gibt es namentliche Hinweise auf den Flachs. Anbau von Flachs und Hanf in der Gegenwart Über den Hanf, botanisch: Cannabis sativa, existieren in Österreich weitaus weniger geographische Namen, dafür dominieren die Bezeichnungen Hanftal und Hanfland. Zwar konzentrieren sich die Hanf-Ortsnamen auf Niederösterreich, aber auch in Salzburg, Tirol und Vorarlberg gibt es Hinweise, ebenso im Burgenland. GKZ Gemeinde Bezirk Name Bezeichnung 10710 Jois Neusiedel am See Hanftal Bergname (Flurname?) 10710 Jois Neusiedel am See Hanftalwald Flurname 30601 Alland Baden Hanefbach Einzelhof, Einöde 30601 Alland Baden Hanefbach Gewässername 30601 Alland Baden Haneflandeck Bergname 31028 Nappersdorf-Kammersdorf Hollabrunn Hanftal Flurname 31208 Hausleiten Kroneuburg Hanefrötz Flurname 31617 Großkrut Mistelbach Hanftal Flurname 31629 Laa an der Thaya Mistelbach Hanfthal Dorf 31650 Stronsdorf Mistelbach Hanftal Bergname 32106 Fels am Wagram Tulln Hanftal Flurname 32222 Waldkirchen an der Thaya Waidhofen a.d.Thaya Hanftal Rotte 50418 Sankt Johann im Pongau Sankt Johann im Pongau Hanif Einzelhof, Einöde 70357 Telfs Innsbruck-Land Hanffeld Rotte 80118 Raggal Bludenz Hanflender Bergname ? 8
In der Studie kamen auch Produktionsprozesse in Betracht, die auf das Vorkommen der Pflanzen hindeuten, Beispiel: Der Mottschüttelbach bei Laa an der Thaya und Modsiedl bei Waidhofen an der Thaya (NÖ) lassen sich auf das slawische močidlo zurückführen, das soviel wie Flachsröste bedeutet. Bei diesem Prozessabschnitt werden die von den Samenkapseln befreiten Flachsgarben für einige Tage in Wasserlöchern eingeweicht, was als ‚Röste’ bezeichnet wird. Die Aufgabe des Projektmoduls Sprache in der Landschaft sieht Theresa Hohenauer so: „ Die Ergebnisse stellen für das weitere Projekt ein vereinendes Element dar, zeigen sie doch bei all den landschaftlichen und mundartlichen Unterschieden eine einheitliche Strategie und Tradition.“ 9
Details zum Forschungsprojekt "Werkzeuge für Modelle einer nachhaltigen Raumnutzung" Das Forschungsprojekt läuft von 2009-2011. Es ist in das vom Wissenschaftsministerium betreute Forschungsprogramm ProVision implementiert und wird vom Lebensministerium finanziell unterstützt. Das Wissenschaftsministerium setzt damit die in den 1990er Jahren begonnene Kulturlandschaftsforschung fort. Inzwischen fließen auch ethische Dimensionen und partizipative Prozesse mit ein. ProVision stellt das wissenschaftliche Fundament der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie dar, die vor sieben Jahren von der Bundesregierung beschlossen worden ist. www.proVISION-research.at Interdisziplinäre Partner Das vom Institut für Wirtschaftsforschung, von der Universität für Bodenkultur und von der Universität Innsbruck bzw. der Europäischen Akademie in Bozen getragene Projekt ermittelt erstmals innerhalb des OECD Raumes flächenbezogene Agrar-Umwelt Indikatoren, die als Ergänzung für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung herangezogen werden können. Damit fließen auch ökologische Bedingungen in die klassische Wohlstandsbeurteilung eines Landes mit hinein, die sonst im BIP nicht berücksichtigt werden. „Uns geht es darum, die Landnutzungsänderungen zu quantifizieren und ihre Auswirkungen auf die Biodiversität zu erfassen“, erläutert Projektleiter Franz Sinabell vom WIFO und sagt weiter: „Wir 10
ermitteln damit für den ländlichen Raum einen erweiterten Wohlstandsindikator.“ Der bezieht sich auf ganz Österreich, geht aber möglichst kleinräumig in die Tiefe auf Niveau der NUTS 3 – Kleinere Regionen/Großstädte. Das gesamte Forschungsprojekt soll nicht in irgendeiner Forschungsförderungs-Schublade enden, sondern möglichst breit anwendbar sein. Dazu werden die von den Ökologen und Meteorologen erhobenen Grundlagendaten von Agrarwissenschaftlern und Ökonomen weiterverarbeitet. Die gewonnenen Ergebnisse bestimmen letztlich den Inhalt eines Lehrgangs für Landwirtinnen. Weitere Projektinformationen sowie Bilder in Druckqualität unter www.landnutzung.at 11
ANHANG LOGOS . 12
Sie können auch lesen