Wissenschaftstheorie und Methodologie - WS 21/22, Goethe Universität, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Martin Lanzendorf Institut für Humangeographie ...
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Wissenschaftstheorie und Methodologie WS 21/22, Goethe Universität, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Martin Lanzendorf Institut für Humangeographie Email: Lanzendorf@geo.uni-frankfurt.de
Aufbau Veranstaltung (Zeitplan) Sitzung Termin Inhalt 1 19.10.2021 Motivation, Ziel, Aufbau, Geschichte 2 26.10.2021 Wissenschaftstheoretische Grundlagen 3 02.11.2021 Quantitativer Forschungsprozess: Fragestellung, Hypothesen, Ablauf 4 09.11.2021 Quantitative Befragung 1: Grundlagen, Frageformulierung 5 16.11.2021 Quantitative Befragung 2: Stichprobe und Auswahlverfahren 6 23.11.2021 Quantitative Befragung 3: Operationalisierung, Ablauf, Pretest 7 30.11.2021 Qualitative Erhebungsmethoden 8 07.12.2021 Qualitative Auswertungstechniken 9 14.12.2021 Weihnachtssitzung / Soziales Event 10 11.01.2021 Qualitative Forschung: Gütekriterien 11 18.01.2022 Erhebungsform Beobachtung (und Kartierung, Zählung) 12 25.01.2022 Poststrukturalistische Verfahren / Diskursanalyse 13 01.02.2022 Besondere Erhebungsformen und Triangulation 14 08.02.2022 Puffersitzung 15 15.02.2022 Abschlusssitzung Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 2
Frage: Würden Sie sich wünschen, dass das Institut für Humangeographie (oder die Fachschaft / Forum Humangeographie oder andere) eine Veranstaltung für die organisieren, die in den vergangenen 3 Semestern mit dem Studium begonnen haben und jetzt erstmals in Präsenzveranstaltungen sind? Oder würden Sie sich etwas anderes wünschen? Idee: - Geowanderung, ggf auch Personen höheren Semesters - Weihnachtsmarktbesuch - Kneipentour - Kleine Weihnachtsfeier zur Veranstaltung? Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie, Goethe Universität Frankfurt am Main 9
Empfohlene Literatur Mattissek, Annika; Pfaffenbach, Carmella; Reuber, Paul (2013): Methoden der empirischen Humangeographie. Braunschweig. Flick, Uwe (2019): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen: ein Überblick für die BA-Studiengänge. Reinbek bei Hamburg. Diekmann, Andreas (2007): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek bei Hamburg. Kaufempfehlung: Mattissek, Annika / Pfaffenbach, Carmella / Reuber, Paul (2013): Methoden der empirischen Humangeographie. Braunschweig: Kaufempfehlung: Westermann. EUR 29,95. Flick, Uwe (2019): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen: ein Überblick für die BA-Studiengänge. Reinbek bei Hamburg. EUR 14,00. Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 12
Weitere Literatur Althoff, Martina; Apel, Magdalena; Bereswill, Mechthild; Gruhlich, Julia; Riegraf, Birgit (2017): Feministische Methodologien und Methoden. Traditionen, Lesetipp: Konzepte, Erörterungen. Wiesbaden. Jahoda, Marie/Lazarsfeld, Paul F./Zeisel, Hans (1933 [1988]): Die Arbeitslosen von Baur, Nina; Blasius, Jörg (2019). Handbuch Methoden Marienthal. Ein soziographischer Versuch der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden. über die Wirkungen langandauernder Creswell, John (2009): Research design: qualitative, Arbeitslosigkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. quantitative, and mixed methods approaches. London. Flick, Uwe (2019): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hambug: Rowohlt. Flick, Uwe (2017): Qualitative Forschung: ein Handbuch. Reinbek. Flick, Uwe (2008): Triangulation. Eine Einführung. Wiesbaden. Lamnek, Siegfried (2016): Qualitative Sozialforschung. Weinheim. Mayring, Philipp (2016): Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Weinheim und Basel. Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 13
Gliederung heute • Wissenschaft • Wertfreiheit der Wissenschaft? • Wissenschaftstheorie • Methodologie • Sozialwissenschaften & Erkenntnistheorien • Empirische Sozialforschung: Geschichte & Erkenntnistheorien Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie, Goethe Universität Frankfurt am Main 16
Was ist Wissenschaft? „Wissenschaft ist jede Tätigkeit, die neues Wissen schafft.“ „soll klären und erklären“ Wytrzens et al. (2014): 13f Wissenschaftliches Arbeiten ist „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ BVerfGE zit. n. Wytrzens et al. (2014): 14 „eine auf Erkenntnisgewinn und systematische Reflexion gerichtete Einrichtung“ Quelle: http://md1987.files.wordpress.com/2012/01/ Wytrzens et al. (2014): 13f wissenschaft.jpg Wytrzens, Hans Karl; Schauppenlehner-Loyber, Elisabeth; Sieghardt, Monika; Gratzer, Georg (2014): Wissenschaftliches Arbeiten. Eine Einführung. Wien: Facultas. Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 18
Was ist Wissenschaft? Wissenschaft ist „jede intersubjektiv überprüfbare Untersuchung von Tatbeständen und die auf ihr beruhende systematische Beschreibung und – wenn möglich – Erklärung der untersuchten Tatbestände“ (nach Körner 1988, S. 726, zit. nach Wessel 1996, S. 13). Wissenschaft … … hat Geschichte! … ist in die Gesellschaft eingebettet! „Ein Grundprinzip von Wissenschaft, jedenfalls im neuzeitlichen Sinne, ist die bedingungslose Kritik, der prinzipielle Zweifel an jeder Aussage bzw. Behauptung.“ (Blotevogel1997, S. 6) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 19
Ziele der Wissenschaft Theoretisches Ziel: • die Realität nach einem System von Regeln nachprüfbar in einem geschlossenen Modell zu rekonstruieren; • Maxime des Handelns ist ein wie immer gefasstes Kriterium der Wahrheit Praktisches Ziel: • mit Hilfe ihrer Ergebnisse ein rationales und humaneres Leben der Menschen zu ermöglichen; • Maxime des Handelns ist das Kriterium der Nützlichkeit Quelle: Faltlhauser, Popp, Salm: Seminar empirische Sozialforschung WS 05/06 Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 20
Was ist Wissenschaft? https://www.washingtonpost.com/politics/2019/10/14/president-trump-has-made-false-or-misleading-claims-over-days/ (21.10.19) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 21
Wertfreiheit der Wissenschaft? Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 22
Wertfreiheit der Wissenschaft? Max Weber formulierte das methodologische Postulat der Wertfreiheit der Wissenschaft. Es gibt aber ... a) ethische Ansprüche an das wiss. Handeln b) ökonomische u.a. Ansprüche an das wiss. Handeln (Drittmittel-Wissenschaft) „Wichtig ist, dass (…) Werturteile nicht verschleiert werden und explizit erkennbar sind.“ (Diekmann 2007: 81) Max Weber (1864 - 1920) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 23
Wertfreiheit der Wissenschaft? Die Methoden (Themen und Fragen) der Wissenschaften sollen dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Sie sind aber abhängig - von den Geisteshaltungen einer Epoche („Zeitgeist“) - vom politischen System eines Staates, der die Wissenschaft finanziert - von aktuellen gesellschaftlichen Situationen (z.B. Krisenbewältigung) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 24
Was ist Wissenschaftstheorie? Die Wissenschaftstheorie erfasst die Regeln (für die Wissenschaftler_innen) • nach denen der Gegenstand einer Wissenschaft bestimmt, • Begriffe definiert, • Aussagen logisch strukturiert und • Verfahren zur Gewinnung von Aussagen angewendet werden. Wissenschaftstheorie beschäftigt sich demnach mit den • Voraussetzungen, • Methoden, • Strukturen, • Zielen und • Auswirkungen von Wissenschaft. Quelle: Faltlhauser, Popp, Salm: Seminar empirische Sozialforschung WS 05/06 Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 25
Methodologie (griech. methodos = Weg einer Untersuchung; logos = Lehre) allgemeine fachspezifische Methodologie Wissenschaftstheorie Theorie(n) der Erkenntnistheorie Geographie „Für Meta-Reflexionen über grundsätzliche Voraussetzungen, Stärken und Schwächen des methodischen Vorgehens hat sich im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte ein eigenständiger Zweig der Epistemologie (Wissenschaftslehre, …) herausgebildet, die sogenannte Methodologie.“ (Mattissek et al. 2013:26) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 26
Methodologie Einzelwissenschaftliche Methoden können bestimmend sein für die Identität einer wiss. Disziplin: Archäologie: C14-Methode zur Datierung archäol. Funde Psychoanalyse: Freie Assoziation Geographie: a) länderkundliches Schema (Hettner) (bis 1970) b) Kartographie (heute oft abnehmende Bedeutung) c) Handlungstheorie (erkenntnistheoretische „Brille“ des Mainstreams der Humangeographie) d) ... (andere) Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 27
Wissenschaftstheorie und Methodologie: Wozu? Um eigene Forschungsarbeiten durchführen zu können an der Universität als Studierende (z.B. BA-Arbeit) oder wiss. Mitarbeiter/innen in der Berufspraxis (Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Verbände, etc.) in anderen Bereichen (z.B. politischer Aktivismus) Quelle: FNP 19.12.2014 Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 28
Wissenschaftstheorie und Methodologie: Wozu? Um eigene Forschungsarbeiten durchführen zu können an der Universität als Studierende (z.B. BA-Arbeit) oder wiss. Mitarbeiter/innen in der Berufspraxis (Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Verbände, etc.) in anderen Bereichen (z.B. politischer Aktivismus) Um die Qualität anderer Forschungsarbeiten beurteilen zu können an der Universität als Studierende oder wiss. Mitarbeiter/innen in der Berufspraxis (Lehramt, Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Verbände, etc.) zur politischen Meinungsbildung (aktuell: Corona-Pandemie, Klimawandel, Wohnungskrise) und für persönliche Entscheidungen Quelle: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020- 05/christian-drosten-bild-zeitung-debatte-kitaschliessung- widerspruch-studie Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 29
Wissenschaftstheorie und Methodologie: Wozu? Um eigene Forschungsarbeiten durchführen zu können an der Universität als Studierende (z.B. BA-Arbeit) oder wiss. Mitarbeiter/innen in der Berufspraxis (Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Verbände, etc.) in anderen Bereichen (z.B. politischer Aktivismus) Um die Qualität anderer Forschungsarbeiten beurteilen zu können an der Universität als Studierende oder wiss. Mitarbeiter/innen in der Berufspraxis (Lehramt, Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Verbände, etc.) zur politischen Meinungsbildung (aktuell: Corona-Pandemie, Klimawandel, Wohnungskrise) und für persönliche Entscheidungen Um zu erkennen, das empirische Sozialforschung nicht neutral und wertfrei, sondern auch von gesellschaftlichen Machtverhältnisse, dem sozialen Hintergrund der Forschenden (Klasse, Geschlecht, etc.) und deren individuellen Entscheidungen geprägt ist. Schipper – Wissenschaftstheorie und Methodologie 30
Empirische Sozialforschung Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 46
Was ist „Empirische Sozialforschung“? • Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Erscheinungen. • Empirisch bedeutet, dass theoretisch formulierte Annahmen an spezifischen Wirklichkeiten überprüft werden. • Systematisch weist darauf hin, dass dies nach Regeln vor sich gehen muss. (Atteslander 2006, S. 3-5) Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 47
Ursprünge & Geschichte der empirischen Sozialforschung • Volkszählungen und Agrar-, Gewerbe- und Handelsstatistiken (China, Ägypten, Persien, Griechenland, Rom) als erste Datenerhebungen Steuern und Bevölkerung für Kriege • Verschiedene Formen der Staatsbeschreibung etc. während des Merkantilismus und Absolutismus • Beginn des 19. Jh. mit Früh-Industrialisierung Reformuntersuchungen und Sozialenqueten zur Beschreibung Lebenssituation Arbeiterschaft (vor allem in England, in Deutschland gegen Ende des 19. Jh.) • Institutionalisierung ab ca. 1920 in Deutschland und Österreich • Impulse aus den USA: Social Surveys, Chicago School, „Polls“ (Meinungsumfragen vor Wahlen), Survey Research Quelle: Schnell et al. 1999, S. 15 - 46 Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 48
Disziplinen mit empirischer Sozialforschung • Soziologie • Politikwissenschaft • Ökonomie • Psychologie und Sozialpsychologie • Pädagogik und Erziehungswissenschaften • Humanmedizin • Geographie • Geschichtswissenschaft • Ethnologie • Rechtswissenschaft (Dieckmann 2007, S. 20-25) Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 49
Erkenntnistheoretische (epistemologische) Fundierung der empirischen Sozialforschung I Erkenntnistheorie: Behandeln von Fragen der alltäglichen und der wissenschaftlichen Erkenntnis „Was können wir als Menschen mit den Mitteln unseres Verstandes über die Welt um uns herum überhaupt wahrnehmen?“ (Reuber & Pfaffenbach 2005, 26) Probleme menschlicher Wahrnehmung: • Selektivität, d.h. Eingeschränktheit unserer Wahrnehmung und • Subjektivität, d.h. äußere Eindrücke werden immer individuell interpretiert und bewertet (Reuber & Pfaffenbach 2005, 25-30) Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 50
Erkenntnistheoretische (epistemologische) Fundierung der empirischen Sozialforschung II Deshalb: Wahrnehmung einer „objektiven Realität“ unmöglich, vielmehr entstehen Weltbilder im Kopf, d.h. werden individuell „konstruiert“ Konstruktivismus Für Humangeographie vgl. Geographical Imagination (Gregory 1994) alltägliche Regionalisierung (Werlen 1995, 1997) neue Kulturgeographie Letztlich sei demnach „der Anspruch einer absoluten Wahrheit unwissenschaftlich“ (Blotevogel 1996, 47-48) (Reuber & Pfaffenbach 2005, 25-30) Lanzendorf – Empirische Sozialforschung, WS 15/16 51
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Lanzendorf – Wissenschaftstheorie und Methodologie 52
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