Raumanalyse: "Vier Blicke auf den Nürburgring"

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Raumanalyse: "Vier Blicke auf den Nürburgring"
Raumanalyse:
„Vier Blicke auf den Nürburgring“

Abb. 1: Nürburgring

Die in den Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schul-
abschluss (DGfG 2010) enthaltene Forderung, dass Geographielehrer in einem
standardbasierten Unterricht verschiedene Raumdefinitionen anwenden sollen,
ist immer noch nicht gesicherter Konsens oder sogar umstritten.     Autor: Karl W. Hoffmann

Zum Stellenwert der Frage               Saarland, welches diese Forderung       Die Schulpraxis zeigt, es geht nicht
nach dem Raum                           aufgreift. Raumkonzepte werden als      alternativ um „Objektorientierung“
Bereits im Jahre 2002 hatte die Ar-     Arbeitswerkzeug den Schülerinnen        oder „Subjektorientierung“, um die
beitsgruppe Curriculum 2000+ der        und Schülern und als Planungshilfe      „Ordnung der Dinge“ oder die „Ord-
Deutschen Gesellschaft für Geogra-      für Lehrende bereit gestellt (siehe     nung der Blicke“, um „objektive Da-
phie (DGfG) in ihren Grundsätzen        Online-Link).                           ten“ oder „subjektive Bedeutungen“,
und Empfehlungen für die Lehrplan-      Auf dem Geographentag 2009 in           sondern darum, beides in den Blick
arbeit im Schulfach Geographie eine     Wien wurde die Frage „Schulgeogra-      zu bekommen als Grundhaltung für
mögliche Denkart einer Diversifizie-    phie – quo vadis?“ so beantwortet:      die Gestaltung von Lehr- und Lern-
rung von Räumlichkeit vorgestellt       „Die nationalen Bildungsstandards       prozessen.
und darauf hingewiesen, dass Schü-      samt Aufgabenbeispielen liegen im       Eine die vier Raumperspektiven in-
ler neben der „Zeitlichkeit“ auch die   Fach Geographie nunmehr vor. Wenn       tegrierende didaktische Inszenie-
„Räumlichkeit“, als eine der grund-     Kompetenzorientierung ein wich-         rung, die neben Fachwissen und
sätzlichen Formen des „In-der-Welt-     tiges Fundament der Bildungsstan-       räumlicher Orientierung auch ganz
Seins“, der Lebens- und Handlungs-      dards ist, dann ist aktuell danach      bewusst Subjektorientierung und
welten existenziell erfahren sollen.    zu fragen, woran sich ein Unterricht    Bewertung einfordert und fördert,
Unter dieser Voraussetzung sollten      im Sinne der Bildungsstandards er-      schafft so eine wesentliche Grund-
„Räume“ ganz gezielt unter vier Per-    kennen lässt. (…) Die Zusammenfüh-      lage für einen interessanten und
spektiven betrachtet und didakti-       rung der vier Raumkonzepte, die eine    herausfordernden Geographieunter-
siert werden: Raum als Container,       Multiperspektive auf die Eine Welt      richt, der Schülerinnen und Schü-
als System von Lagebeziehungen, als     und eine ganzheitliche Bewertung        lern mitgibt, wozu wir verpflichtet
Anschauungsform, als soziale, tech-     politischer Strategien ermöglicht,      sind: Wissen und ein reflektiertes
nische und politische Konstruktion.     trägt so wesentlich dazu bei, die ge-   Bewusstsein von
Zurzeit gibt es in Deutschland immer-   sellschaftliche Bedeutung des Faches    dessen Bedeutung             Weiter im Netz
hin ein Schulbuch, das TERRA 3 für      Geographie zu erhöhen“ (HOFFMANN        („Metakognition“).           Raumkonzepte
Gymnasien in Rheinland-Pfalz und        2011a).                                                              999195-0001

                                                                                                        Klett-Magazin Geographie | 3
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 Unterrichtsservice TERRA                                                                                                                Vollständige Raumanalyse
                                                                                                                                         999195-0002

             Art der         Länderkundliches Schema                       Fragengeleitete Raumanalyse                   Synoptische Raumanalyse
             Raumanalyse                                                                                                 nach den vier Raumkonzepten

             Beispiel        An Ländern und Regionen orientierter Gang     Borneo                                        Vier Blicke auf den Nürburgring
                             über die Erde                                 (TERRA Geographie 2)                          (TERRA Geographie 3)
             Merkmale        Themenorientiertes „Schichtenmodell“          Geographischer Raum mit Naturraumfaktoren     Erweiterung der klassischen objektiven Sicht
                                                                           und Kulturraumfaktoren                        („Container“, „System der Lagebeziehungen“)
                                                                                                                         um die subjektive Sicht („Kategorie der Sinnes-
                                                                                                                         wahrnehmung“, „Konstruktion“)
             Umsetzung       Länderkundlicher Durchgang;                   Exemplarisches und problemorientiertes        Problemorientierte und lohnende Unter-
             im Unterricht   Abfolge der Länder vom „Nahen zum Fernen“     Arbeiten entlang wichtiger Leitfragen;        suchungsfragen am Anfang;
                             (Deutschland, Europa, Außereuropa),                                                         Anwendung der vier Raumkonzepte;
                             vom Bekannten zum Unbekannten;                                                              interessengeleitet;
                             systematisches Ordnungprinzip;                interessengeleitet;                           Schülerorientierung;
                                                                           Schülerorientierung;                          Transfermöglichkeiten;
                                                                           Transfermöglichkeiten;
                             enzyklopädische Betrachtung;                                                                Perspektivenwechsel;
                                                                                                                         Subjektorientierung;
                                                                                                                         Vermittlung umfangreichen Wissens;
                             Vermittlung umfangreichen Wissens             Vermittlung umfangreichen Wissens;            vernetzendes Denken;
                                                                           vernetzendes Denken                           Kommunikation, Reflexion und Kritik

            Abb. 2: Modelle der geographischen Raumanalyse

            Die „Raumfragen“ haben auch hier                        nung“ der handelnden Subjekte bzw.                 „Nürburgring“ im Kontext der
            weiterhin einen Stellenwert, aber in                    deren Bezüge zum Handeln“ (DAUM                    vier Raumkonzepte
            veränderter Perspektive und Bedeu-                      & WERLEN 2002: 8) begründet wer-                   Mit dem Unterrichtsbeispiel „Vier
            tung. „Der Raum“ ist nicht länger                       den? Wenn ja, dann bedeutet dies in                Blicke auf den Nürburgring“ (COEN,
            die absolut gesetzte Zielkategorie,                     der Konsequenz eine bewusste Einbin-               HOFFMANN, WENZ 2011) wird eine
            sondern eine Dimension der Weltbe-                      dung gesellschaftlicher und subjek-                neue erweiterte Form der Raumana-
            obachtung. Für die konkrete Unter-                      tiver Problemfelder und -fragen, und               lyse (Abb. 2) am Ende der Sekundar-
            richtplanung muss der Stellenwert der                   eine gezielte Hinwendung zu „Ursa-                 stufe I angeboten, die die derzeit ak-
            klassischen Raumfragen von Mal zu                       chen, Auslösern und sozialen Kontex-               tuellen vier Raumkonzepte integriert,
            Mal neu bestimmt werden und zwar                        ten von Tätigkeiten, Entscheidungen                Perspektivenwechsel und Subjekt-
            im Hinblick auf die – den Lernprozess                   und Handlungen“ (VIELHABER 1998:                   orientierung einfordert sowie zu Re-
            tragende und lohnende – Problem-                        21).                                               flexion und Kritik anleitet. Diese Art
            und Fragestellung. Dabei ist nicht                      Unterrichtsplanung erfordert je nach               der Raumanalyse erweitert die in den
            mehr die Raumperspektive an sich                        Zielsetzung eine begründete Entschei-              gängigen Schulbüchern vorgestellte
            leitend. Ziel ist es vielmehr, durch                    dung über die Verwendung objektiver                problemorientierte Raumanalyse um
            differenziertes Betrachten zu neuen                     und/oder subjektiver Raumkonzepte                  einige grundlegende Aspekte und ver-
            Erkenntnissen zu gelangen, um die                       je nach dem Stellenwert von physisch-              pflichtet sich zur Progression in zwei-
            übergeordnete Fragestellung beant-                      materieller Raumgliederung und sub-                facher Hinsicht:
            worten zu können. Das heißt zugleich                    jektiven und gesellschaftlichen Pro-               Zum einen vom reinen Topographie-
            kritisch zu prüfen, ob Raum-Fragen,                     blemfeldern. Bisherige Inhalts- und                Lernen zur Förderung der Räumlichen
            die sich allein an raumstrukturellen                    Raumfragen sollen auf ihre Zukunfts-               Orientierungskompetenz, zum ande-
            Bedingungen und räumlich-materiel-                      bedeutsamkeit hin befragt werden.                  ren vom nur objektiven Erfassen eines
            len Ausstattungen orientieren, nicht                    Sie sollen nicht über Bord geworfen,               Raumes hin zur auch subjektorien-
            die drängenden aktuellen und rele-                      sondern neu verortet und didaktisch                tierten Betrachtungsweise. Dar-
            vanten Fragen aus dem Lebenskontext                     in Beziehung gesetzt werden.                       gestellte und gelebte Welt werden
            der Schüler verdecken.                                  Eine solche Re-Orientierung anhand                 aufeinander bezogen. Das Neue einer
            Müsste nicht sogar die gesellschaft-                    der vier Raumkonzepte im Geogra-                   solch mehrperspektivischen Rauma-
            liche Bedeutung des Schulfaches                         phieunterricht kann anhand konkre-                 nalyse liegt auf der Beobachtung der
            Geographie mit der „Unterordnung                        ter Arbeitsaufträge und Aufgaben im                handelnden Subjekte und Akteure
            der räumlichen Gliederung der Un-                       folgenden Unterrichtsbeispiel verdeut-             in den jeweiligen gesellschaftlichen
            terrichtsinhalte unter die „Weltord-                    licht werden.                                      Bereichen.

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Unterrichtsservice TERRA

Darüber hinaus werden die Lernen-                   tiefteres Raumverständnis entstehen
                                                                                                      Was ist richtig? Wer hat Recht?
den angeleitet, ausgehend von pro-                  kann. Ein solch mehrperspektivischer
                                                                                                      Welcher Information und welchen
blemorientierten und lohnenden Un-                  Blick auf den Nürburgring möchte
                                                                                                      Informanten können wir trauen?
tersuchungsaspekten und -fragen, wie                besonders das vernetzende Denken
                                                                                                      Von was können wir sicher ausgehen?
z. B. „Der Nürburgring – (k)ein Beitrag             in Mensch-Raum-Beziehungen anbah-
                                                                                                      Wer sagt was mit welcher Absicht, wo
zur nachhaltigen Entwicklung!?" die                 nen, einfordern, fördern und zugleich
                                                                                                      und wann? Was wissen wir jetzt mehr?
komplexen Mensch-Raum-Zusammen-                     die Bedeutsamkeit von verschiedenen
                                                                                                      Was ist für mich am wichtigsten, und
hänge in der Region Nürburgring zu                  subjektiven Perspektiven und Insze-
                                                                                                      warum?
analysieren und dabei aufzudecken,                  nierungen integrieren (vgl. das hierzu
                                                                                                      Welche Bedeutung hat der vierfache
wie der Raum „ist“, von verschiedenen               erstellte Tafelbild in Abb. 3). Die bei
                                                                                                      Blick auf den Nürburgring?
Akteuren wahrgenommen und „ge-                      dieser Vorgehensweise im Unterricht
                                                                                                      Welche „Dinge“ und „Perspektiven“
macht“ wird, welche Positionen und                  ausgewiesenen Teilfragen sollen nicht
                                                                                                      sind wie geordnet worden?
Intentionen sich darin spiegeln. Das                nach und nach mechanisch abgear-
                                                                                                      Was soll daran „neu“ sein, und welche
über Informationen erlangte Wissen                  beitet werden, vielmehr dienen sie in
                                                                                                      Folgen und Intentionen sind damit
wird ergänzt durch ein Wissen über                  ihrer Gesamtheit als Orientierungs-
                                                                                                      verknüpft?
Intentionen. Damit und durch die in-                hilfe, unter welchen Gesichtspunkten
folge entstandener Reibungspunkte                   man insgesamt einen Raum durch
ausgelösten Denkprozesse entwickelt                 verschiedene Fenster der Weltbeo-              „Neu ist womöglich, in dieses Ding /
sich eine kritische Beobachtungshal-                bachtung betrachten und analysieren            Containerbild mit hineinzudenken,
tung als Kern einer weiterführenden                 kann und wie sich diese Blicke gegen-          welche Absichten und Praktiken in
raumanalytischen Kompetenz. Schüle-                 seitig ergänzen.                               dieser Infrastruktur realisiert werden,
rinnen und Schüler können erkennen,                 Ein Schülerarbeitsbogen „Wie analy-            welche Akteure sich darin bewegen
dass „Dinge“ mehrdeutig sind, „dass                 siere ich einen Raum?“ (Abb. 5, S. 7           und auch: was alles unerwartet in
ein Weltbild nicht einfach ein Spiegel              bzw. Online-Link: 104006-0401) bietet          dieser Infrastruktur geschehen kann,
der äußeren Welt ist, sondern objektiv              eine Gliederungshilfe für Raumana-             in ungewollten Nebenfolgen, nicht
und subjektiv gebrochenen Wahrneh-                  lysen – auch als Schülerreferate – ent-        linear-kausal, „emergent“, „kontin-
mung. (…) Schließlich wissen sie: Die               lang der vier Raumkonzepte anderer             gent“, und immer Teil der – realisier-
Welt wird konstruiert, von Subjekten,               Räume. Grundsätzlich eignen sich               ten oder der mitgedachten – Wirklich-
aus verschiedenen Perspektiven und                  fast alle Räume für derartig angelegte         keit“ (RHODE-JÜCHTERN 2009: 11f).
also mit Differenz“ (RHODE-JÜCH-                    Raumanalysen, insbesondere aber                Zu konstatieren ist, dass „Konstruk-
TERN 2004: 56). Im Unterricht müssen                solche, die auch in den verschiedenen          tion von Raum“ in dem Beispiel Nür-
die „Dinge“ nach allen Seiten gedreht,              Medien kontrovers diskutiert werden.           burgring explizit und direkt zum Un-
Informationen aus verschiedenen                     Gerade für Regionen, die aktuell im            terrichtsgegenstand gemacht wurde.
„Fenstern“ entnommen, Ursachen-                     Fokus – auch der Schüler – stehen,             Vielperspektivische Beschreibungen
forschung und Begründungen vorge-                   eignet sich der Arbeitsbogen als Lern-         sind bewusst und grundlegend vor
nommen werden, um schließlich zur                   werkzeug im Erkenntnisprozess für              dem Hintergrund und dem Anspruch
Urteilsfindung und zur Reflexion zu                 Schüler und Arbeitshilfe zur didak-            berücksichtigt worden, die Wirklich-
gelangen. Dieser Blick durch vier Fen-              tischen Aufbereitung für den Lehrer.           keit komplex darzustellen, weil die
ster der Weltbeobachtung ermöglicht,                Folgende Impulsfragen einer zusam-             sozialen und räumlichen Wirklich-
dass sich wechselseitig Zusammen-                   menführenden Beurteilung haben                 keiten komplex und abhängig von der
hänge erhellen und ein letztlich ver-               sich im Unterricht bewährt:                    Sehweise sind.

                                REALRAUM                                                           BEZIEHUNGSRAUM
                                  (Daten)                                                          (Daten im Vergleich)
  Kühl gemäßigt
  Voll humid                                                              Wesentlich kühler und humider als der Rest von Rheinland-Pfalz,
  Kühle Sommer (10 Sommertage)                                            insbesondere als Wärme- und Trockeninsel Rheinhessen
  Kalte Winter (109 Frosttage)                                            Vergleichbar mit dem Klima im Bayrischen und im Böhmerwald

                                                        Das Klima am Nürburgring
  Rennfahrer: „meist wirklich mieses Wetter“: Verallgemeinerung           Tourismusverein: „Jede Jahreszeit hat ihren Reiz“: Niederschläge
  des Wetters, Ignorieren der Gefahr infolge des Wetters                  werden nicht genannt
  Festivalbesucher: „Sonnenbrand“ und „Erkältung jedes Jahr“: schneller   Darstellung der Jahreszeiten über Gerüche, Farben, Naturbilder
  Wetterwechsel als typisch, Bedeutung für eigenes Wohlbefinden           Inszenierung als ganzjährig attraktive Ferienregion zu Werbezwecken
  Konzertagent: „kein Blitzschlag und Schnee“: Extremereignisse,
  Einfluss für Sicherheit und Rentabilität des Festivals

                  (Persönliche Aussagen/„Geschichten“)                                             (Daten im Vergleich)
                      WAHRGENOMMENER RAUM                                                          GEMACHTER RAUM

Abb. 3: Mögliches Tafelbild zum Klima am Nürburgring im Kontext der vier Raumkonzepte

                                                                                                                                  Klett-Magazin Geographie | 5
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            Was und wie beobachten wir? – Ein objektiver und zwei subjektive Blicke auf den Nürburgring

            Abb. 4: Einzelergebnisse der Präsentation zur Raumanalyse Nürburgring

            Zum Mehrwert der vier Raum-                    Eine mögliche Konsequenz daraus ist,     Voraussetzung (HOFFMANN 2011b)
            perspektiven                                   Schüler noch bewusster zum Fragen        für die Ausrichtung von Aufgaben in
            Aus erkenntnistheoretischer und un-            anzuleiten, mit welchen Absichten        die Kompetenzbereiche Kommuni-
            terrichtsplanerischer Sicht bleibt fest-       über einen Raum oder ein Ereignis        kation, Beurteilung/Bewertung und
            zuhalten, dass hier nicht eine schema-         gesprochen und wie dieser Raum in        Handlung geschaffen, weil leichter an
            tisch-vollständige Erfassung einer be-         den Medien vermittelt, präsentiert       subjektiven Erfahrungs- und Erlebnis-
            stimmten Region i. S. des „Containers          und produziert wird. Die Hauptfragen     welten angeknüpft und persönliche
            Eifel“ zum Thema gemacht wurde.                sind: Was wird beobachtet, wann, von     Sinnstiftungen und Bedeutungszu-
            Wer kann schon eine ganze Region               wem und wie? Lernende entdecken          weisungen in den Blick genommen
            auf einen gemeinsamen „objektiven              so die hinter Informationen verbor-      werden können. Kurz: Ohne Subjekt-
            Nenner“ bringen, die räumlichen und            genen Intentionen. Sie sollen auch zu    orientierung keine Beurteilungskom-
            sozialen Wirklichkeiten „objektiv“             der Einsicht gelangen, dass nicht die    petenz!
            ordnen? Der Mehrwert einer viel-               Räume an sich einen gewissen Ein-        Als weitere lernwirksame didak-
            perspektivischen Raumanalyse liegt             fluss auf die Menschen haben, son-       tische Leitmotive einer solch mehr-
            darin begründet, „dass man nach der            dern die Bedeutungen, die Menschen       dimensionalen Raumanalyse können
            Schule nicht naiv in die Welt geht. Ein        ihnen geben und daraufhin in ihre        genannt werden: Perspektivität der
            vierfacher Blick hilft mir viel mehr zu        Entscheidungen und Handlungen            Beobachtung, Hinterfragen der Se-
            sehen“, lautete eine Schülerantwort            einbeziehen. Ein Vorteil dieser multi-   miotik, Erfassen der Intentionalität,
            am Ende der Raumanalyse. Einerseits            perspektivischen Raumanalyse ist,        Unterschiedlichkeit der Maßstäbe,
            zeigen Gespräche mit Kollegien und             dass geographische Sachverhalte und      Konfliktlinien, Spannung, Neugier,
            Referendaren, dass die ersten drei             Probleme aus verschiedenen Blick-        kognitive Dissonanz, Enthüllen der
            Raumkonzepte auf wenige Verständ-              winkeln betrachtet werden und somit      verschiedenen Wahrheiten in medi-
            nis- und Umsetzungsprobleme stoßen.            ein komplexeres Verständnis der          alen Vermittlungen.
            Andererseits wird betont, dass subjek-         Welt angebahnt werden kann. Raum-        Fest steht, dass reines raumbezogenes
            torientierte Raumanalysen das Sub-             Bilder müssen im Unterricht nach         Fachwissen alleine nicht ausreicht für
            jekt, die jeweils einzelne Lebensge-           allen Seiten gedreht und gespiegelt      umweltverantwortliches Handeln.
            schichte, den Akteur in das Zentrum            werden, um mit den dabei ausgelösten     Kompetente Lebensraumgestaltung
            des Unterrichts rücken. Geographie-            Denkprozessen eine kritische Beo-        braucht Wissen und Können und Hal-
            unterricht wird anregender, lebens-            bachtungshaltung als Kern einer          tung und Handlung. Das Potenzial der
            weltlicher, weil eine makromaßstäb-            raumanalytischen Kompetenz bei           sechs Kompetenzbereiche gilt es auch
            liche Außenbetrachtung zu Gunsten              Schülerinnen und Schülern aufbauen       bei Raumanalysen zu aktivieren, um
            einer mikromaßstäblichen Innensicht            und fördern zu können.                   mit Geographie die Welt (zu) enthül-
            überwunden wird. Für Schüler ent-              Lohnende Fragestellungen können so       len und mit offenen Augen sich orien-
            steht so ein Sinnzuwachs, da sie über          im Kontext der vier Raumkonzepte         tieren (zu) können.
            die unscheinbare Frage nach dem                analysiert, in hohem Maße differen-
            Klima am Nürburgring erkennen                  ziert und konkret in die Unterrichts-                     Weiter im Netz
            lernen, wie verschiedene Wahrheiten            planung eingebunden werden. Damit                         Literaturverzeichnis
            entstehen und zu bewerten sind.                wird eine grundlegende (Planungs-)                        999195-0003

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           Wie analysiere ich einen Raum nach vier Raumkonzepten?

                                 1. Schritt: Der Raum im                                                                      2. Schritt: Der Raum als System
                                 realistischen Sinn / Raumkonzept                                                             von Lagebeziehungen /
                                 „Realraum“                                                                                   Raumkonzept „Beziehungsraum“

                Untersuche die Merkmale des Raumes in Bezug auf                                    Analysiere für diesen Raum

                – seine Lage im Gradnetz                                                           – die Erreichbarkeit und Verkehrsanbindung
                – sein Naturpotenzial (Geofaktoren Klima, Relief,                                  – die Lage in einem übergeordneten Bezugsraum
                  Böden, Bodenschätze, natürliche Vegetation)                                        (Bundesland, Staat, Kontinent, Welt, andere
                – seine Wirtschafts- und Erwerbsstruktur:                                            gleichartige Räume)
                  Landwirtschaft, Bergbau und Industrie,                                           – die Lage in und zu Aktiv- und Passivräumen
                  Dienstleistungen                                                                 – die Zentralität
                – seine Wirtschaftskraft (BIP, Arbeitslosigkeit)                                   – Einzugsbereiche (z.B. von Pendlern, Touristen)
                – seine Bevölkerung (Verteilung, Dichte,                                           – Abhängigkeiten (z.B. von Rohstoffanlieferung,
                  Altersaufbau, Entwicklung, Geburten- und                                           Subventionen etc.)
                  Sterberate, Zu- und Abwanderung)
                – seine Siedlungsstrukturen und -prozesse                                          Berücksichtige dabei verschiedene
                – seine historische Entwicklung                                                    Maßstabsebenen (lokal, regional, global) und
                – aktuelle Planungen.                                                              stelle Zusammenhänge her!

                Stelle die charakteristischen Merkmale für diesen                                  Tipp: Nutze auch hierfür deinen Atlas!
                Raum heraus und Zusammenhänge her!
                Nutze auch die entsprechenden Karten in deinem
                Atlas!

                                 3. Schritt: Der Raum in der                                                                  4. Schritt: Der Raum in der
                                 Wahrnehmung verschiedener                                                                    Darstellung durch Medien,
                                 Personen / Raumkonzept                                                                       Institutionen und gesellschaftliche
                                 „wahrgenommener Raum“                                                                        Institutionen/ Raumkonzept
                                                                                                                              „gemachter Raum“

                Untersuche, wie verschiedene Akteure und                                           Werte Dokumente wie Internetauftritte, Prospekte,
                Akteursgruppen den Raum wahrnehmen.                                                Filme und Filmankündigungen, Flyer, Plakate etc.
                Unterscheide dabei zwischen                                                        darauf hin aus,

                – Generationen/Alter und Geschlecht                                                – wer, welche Institution oder welche
                – Familienstand (z.B. Single)                                                        gesellschaftliche Gruppierung das Dokument
                – „Fremden“ und Einheimischen                                                        verfasst und gestaltet hat
                – Reisenden/Touristen und „Bereisten“                                              – wie der Raum und der dafür bedeutsame
                – Befürwortern und Gegnern                                                           Sachverhalt in diesen Dokumenten unterschiedlich
                – Vertreter der Wirtschaft und Vertreter                                             in Text und Bild dargestellt und kommuniziert wird
                  unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen                                     – und so der Raum „gemacht“, konstruiert und
                – Politiker und Umweltschützer                                                       inszeniert wird.
                – Opfer/Betroffene einer Katastrophe in einer
                  Problemregion                                                                    Überprüfe die mediale Vermittlung kritisch
                                                                                                   mithilfe deiner Kenntnisse aus den drei
                Arbeite Widersprüche und Gemeinsamkeiten                                           vorausgehenden Schritten der Raumanalyse!
                heraus! Stelle dabei auch Zusammenhänge zu                                         Hinterfrage abschließend, mit welcher Absicht
                deinen Kenntnissen aus der objektiven                                              der Raum auf diese Weise medial vermittelt wird.
                Raumanalyse her!

               Name:                                                                                                                          Datum:
                            © Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2011 | www.klett.de | Erstellt für: TERRA Geographie 3 Gym Rheinland Pfalz und Saarland | ISBN: 978-3-12-104006-3
                            Alle Rechte vorbehalten. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
                            Für Veränderungen durch Dritte übernimmt der Verlag keine Verantwortung.

Arbeitsblatt

                                                                                                                                                                                           Klett-Magazin Geographie | 7
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