Die Grenzen unserer Welt - Ebene -4 museum moderner kunst stiftung ludwig wien - Mumok

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Die Grenzen unserer Welt - Ebene -4 museum moderner kunst stiftung ludwig wien - Mumok
Die Grenzen unserer Welt
Ebene –4

museum moderner kunst stiftung ludwig wien
Ebene

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Die Grenzen unserer Welt

Die Ebene -4 des mumok ist zur Gänze der Gegenwartskunst gewidmet. Im
Mittelpunkt stehen die politischen, ökonomischen und kulturellen Grenzen unserer
Welt sowie die Möglichkeiten, in künstlerischer Form auf diese Bezug zu nehmen.
Im Eingangsbereich des Ausstellungsraums treffen die Besucher*innen auf Fareed
Armalys Installation The (re)Orient, die im Dialog mit Fotografien von Yto Barrada
und Lisl Ponger sowie mit Mark Dions Installation The Ethnographer at Home
gleichsam programmatisch das westliche Bild vom „Rest der Welt“ hinterfragt.

The (re)Orient (1) entstand 1989 in Paris vor dem Hintergrund einer Diskussion
über Orientalismus, insbesondere die abendländische Darstellung des Nahen
Ostens. Zugleich steht sie in Zusammenhang mit dem damaligen libanesischen
Bürgerkrieg und seiner medialen Repräsentation. Mit Stellwänden, Vitrinen
und Monitoren gestaltet Fareed Armaly ein Museum im Museum, in dem er
Fundobjekte, Filmfragmente und eigens hergestellte Artefakte ausstellt. Den
Weg durch The (re)Orient weist ein von ihm verfasster Ausstellungsfolder. Der
Text ermöglicht im Zusammenspiel mit den Exponaten und deren Anordnung im
Raum eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Formen
musealer und medialer Repräsentation, im Rahmen derer der Nahe Osten als
Objekt imperialistischer Vereinnahmung, als Ort touristischer Reiselust und als
Kriegsschauplatz erscheint.

Wie durch den Sucher einer Kamera blicken die Besucher*innen zunächst durch
eine kleine Öffnung in einer Galeriefassade. Auf einem Monitor im Inneren sehen
sie von einem bestimmten Standpunkt aus eine Szene aus Jean-Luc Godards
Film Bande à part von 1964: Zwei Männer und eine Frau, die durch den Louvre
rennen. Sich mit dem Orient zu befassen, wird, noch bevor man The (re)Orient
betritt, zur Konfrontation mit dem eigenen Blickpunkt, mit dem eigenen Verhalten
und mit der eigenen Orientierung im Museum. Nach Betreten der Installation
wird Armalys Institutionskritik im Hinblick auf unser Bild des Orients durch die
pointierte Inszenierung diverser Fund- und Kunstobjekte und deren textuelle
Kontextualisierung ausdifferenziert. So präsentiert er beispielsweise ein Kartenspiel
mit Darstellungen von Gebäuden und Kriegshandlungen in Beirut, dessen Karten
sich zwar unterschiedlich kombinieren, letztlich aber doch immer das gleiche
Stadtbild entstehen lassen, oder einen Tisch, auf dem Fotografien von Schutzhüllen
französischer Reiseführer, von Kriegsplänen und Beschreibungen des Libanon im
Kreis angeordnet sind. Hier wird unter anderem die unter Mitarbeit von Dominique-
Vivant Denon entstandene illustrierte Description de l’Egype, 1809–1822, gezeigt.
Der von Napoleon ernannte erste Direktor des Louvre hatte den Heerführer
auf seinem Ägyptenfeldzug begleitet. Bei Armaly wird das Buch mit der 1989
fertiggestellten Glaspyramide, die heute den Haupteingang zum Musée du Louvre
bildet, in Zusammenhang gebracht.
Im Zuge der (Re-)Präsentation von The (re)Orient im mumok hat Fareed Armaly seine
ursprüngliche Installation um ein Seitenkabinett erweitert, in dem Künstlerbücher
und eine Fotografie des libanesischen Filmemachers und Künstlers Akram Zaatari
ausgestellt werden (2). Zaatari ist Mitbegründer der Arab Image Foundation, zu
deren Mitgliedern auch Walid Raad zählte. 1997 in Beirut gegründet, ist sie eine der
wichtigsten Fotosammlungen im Nahen Osten. Die drei gezeigten Künstlerbücher
dokumentieren und kontextualisieren das Bild von Beirut und nutzen dafür unter
anderem Bildmaterial der Arab Image Foundation.

The Atlas Group wurde 1989 in Beirut gegründet. In Fotoserien, Dokumentationen
und Filmen beschäftigte sich dieses Kollektiv – eine lose Gruppe mit teilweise
fiktionalen Mitgliedern um den Künstler Walid Raad – mit der Geschichte des
Libanon. My Neck Is Thinner Than A Hair: Engines, 2000–2003, (3) zeigt die
Vorder- und Rückseiten historischer Fotografien von Motoren, Überreste der
Explosionen von Autobomben, die während der Bürgerkriege im Libanon zwischen
1975 und 1990 detoniert sind. Der dokumentarische Charakter, unterstützt durch
die genauen Angaben zu Zeit und Ort der Aufnahme, soll die Beweiskraft der
Bilder unterstreichen. Gleichzeitig hinterfragen sie Autorität und Authentizität
zeitgenössischer Geschichtsschreibung. Wie bei jeder Berichterstattung stellt
sich die Frage: Welchen Bildern kann man trauen? Die Atlas Group setzt immer
wieder nichtauthentisches Material strategisch ein, um sichtbar zu machen,
dass Geschichte auch konstruierbar ist.

Das Warten auf politische und gesellschaftliche Veränderung inszeniert der
palästinensische Filmemacher Rashid Masharawi in seiner Videoarbeit Waiting von
2002 (4). Der Künstler spielt darin einen Regisseur, der im Rahmen eines Castings
von Schauspieler*innen die Darstellung des Wartens verlangt. Die Kandidat*innen
wissen unterschiedlich viel mit dem Thema anzufangen. Manche „spielen“ Lange­
weile oder Nervosität, manche fordern genauere Anweisungen vom Regisseur.
Ihre Reaktionen spiegeln damit die unterschiedlichen Formen, die das Warten der
Palästinenser*innen auf bessere Lebensbedingungen und rechtliche Anerkennung
annehmen kann, sowie deren teilweise verzweifelten Versuche, diesem auf die eine
oder andere Weise ein Ende zu bereiten.

Das Warten spielt auch in Yto Barradas Fotografien eine zentrale Rolle. Barradas
Arbeiten aus der Serie A Life Full of Holes: the Strait Project, 1998–2003, (5)
kreisen um die Lebenssituation der Menschen in ihrer Heimatstadt Tanger. An der
Nordspitze Marokkos liegt Tanger direkt an der schmalen Meerenge der Straße
von Gibraltar, die Afrika von Europa trennt. Sie ist ein Symbol für die gefährliche
Odyssee von Migrant*innen und wird für tausende von Menschen, die den Sprung in
ein besseres Leben wagen, zur Herausforderung. Seit dem Entstehen von Barradas
Fotoserie hat sich der gesamte Mittelmeerraum in dramatischer Weise zu einem
Brennpunkt der Migration entwickelt, hier kommt die Differenz von Nord- und
Südhalbkugel verschärft zum Ausdruck. Barradas Fotoserie zeigt Situationen, die
mit dem Wunsch nach einem besseren Leben verknüpft sind: Den sehnsuchtsvollen
Blick aus dem Fenster, die unmittelbare Hektik kurz vor dem Besteigen eines
Bootes oder den stolzen Erwerb eines Bildes von einer idealen Alpenlandschaft.
Ohne Dramatik und Anklage spürt die Künstlerin einem Alltag nach, der von einer
Situation des „Dazwischen“ geprägt ist: Bilder des Wartens, Orte, die Ausgangspunkt
für die Flucht sind, Übergangslager in den tristen Vorstädten und die in Tanger
allgegenwärtigen klischeehaften, teils kitschigen Wunschbilder einer besseren Welt.

Aktuelle politische und ökonomische Verhältnisse, die sich als Resultat kolonialer
Geschichte verstehen lassen, führen in den Arbeiten von Lisl Ponger zur Frage
nach den historischen Etappen der Aneignung fremder Kulturen: Wild Places,
2000, (6) zeigt eine junge Frau mit fantasievollen Tattoos, darunter ein geflügeltes
Einhorn, die eine Art Checklist auf den Unterarm einer Frau tätowiert, welche die
verschiedenen Rollen und Akteur*innen dieses Eroberungsprozesses auflistetet –
von der Annährung über die Unterwerfung und Ausbeutung bis hin zur kulturellen
Aneignung, die auch in den elaborierten Drachenmotiven auf dem T-Shirt anklingt.
Geschichte, so könnte man sagen, geht hier buchstäblich unter die Haut. Sie lässt
sich nicht auslöschen, ihre Spuren bleiben in der Gegenwart sichtbar. Pongers
Genealogie der Aneignung kultureller Identität beginnt mit den Missionar*innen und
setzt die Künstler*innen bezeichnenderweise als Endpunkt.

Künstlerische Tätigkeit als Reproduktion kolonialer Verhältnisse inszeniert Mark Dion
als den Blick auf das Fremde aus einem sicheren, bequemen Setting mit kolonialem
Flair: The Ethnographer at Home, 2012, (7) besteht aus einem Korbsessel, einem
Bambustischchen mit einer Flasche Bombay Dry Gin und einem Fläschchen Chinin.
Eine Staffelei, ein Koffer, eine Truhe mit Fotografien indigener Einwohner*innen, ein
improvisierter Sonnenschirm und eine Palme sind Anspielungen auf Lebensstil und
Selbstverständnis des prototypischen Ethnologen der Kolonialzeit – oder vielmehr
auf unsere heutige Vorstellung davon. Im Ausstellungsraum wird Dions Setting
zur Projektionsfläche unser aller Imaginationen von fernen, exotischen Natur- und
Kulturräumen. Zugleich wird damit auch angedeutet, dass diese behaglichen
Traumwelten im Kunst- und Kulturbereich durchaus munter weiterleben.

Kulturelle Austausch- und Aneignungsprozesse werden in der Ausstellung
ebenso beleuchtet wie Migrationsfragen oder räumliche und ökonomische
Abgrenzungen. So zeigen beispielsweise die Fotografien von Christopher Williams
die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lesarten der Moderne in Form von
pointierten Konfrontationen westlicher und afrikanischer Motive und Traditionen.
In Supplement 05, 2005, (8) zeigt Williams auf drei Monitoren Hände, die durch
Bücher und Zeitschriften aus den Jahren 1960 bis 1981 blättern: ein Buch über
Schwarzwälder Tracht, eine Ausgabe des Magazins Der Spiegel und mit Blende auf
für Guinea ein Fotobuch aus der ehemaligen DDR. Im Nebeneinander werden die
verschiedenen Strategien, die auf den Eindruck einer sachlichen Dokumentation
kultureller Eigenheiten und Traditionen abzielen, sichtbar. Die verschiedenen
Verwendungsweisen von Fotografien in Büchern und Zeitschriften sowie ihre
ideologische Funktionalisierung treten deutlich hervor, auch die ästhetischen
Konventionen der jeweiligen Zeit werden klar erkennbar. Indem Christopher Williams
zeigt, welch unterschiedliche Ergebnisse trotz vermeintlicher „Objektivität“ möglich
sind, führt er die Vorstellung eines neutralen Blicks auf die Welt ebenso ad absurdum
wie die Behauptung, Fotografie sei ein Werkzeug zur objektiven Abbildung der
Realität. Für seine Kommentare zu politischen, ökonomischen und historischen
Entwickl­ungen bedient sich Williams der Darstellungsformen der Werbe- und
Produktfotografie. For Example: Die Welt ist schön, TAI Afrique, Transport aeriens
intercontinenteaux, Paris, ca. 1960, 1997, (9) ist das Foto von einem Werbeplakat mit
einer jungen Frau vor einem modernen Gebäude, einen Korb auf dem Kopf tragend.
Die französische Fluglinie TAI warb so für ihre Afrikaflüge: Sie zeigte das exotisierte
Fremde vor einer westlich anmutenden Kulisse. So werden auch im Verkehrswesen
koloniale Strukturen sichtbar. Zu diesen gehört auch der Export einer westlich-
modernistischen Formensprache in die ehemaligen Kolonien.

Die sukzessive Erweiterung der Verkehrswege in fremde Welten hat Felix Gonzalez-
Torres 1993 mit der Geschichte der Austrian Airlines zusammengeführt: Sein für
die Ausstellungsserie Das Plakat des museum in progress entstandenes Werk
listet die damaligen Destinationen der österreichischen Fluglinie in alphabetischer
Reihenfolge auf (10). Die Namen der Städte ergänzt Gonzalez-Torres mit der
Jahreszahl des ersten Anflugs durch die AUA. Die Plakatserie wurde ursprünglich für
zwei Monate auf öffentlichen Plakatflächen in ganz Wien anstelle konventioneller
Werbung gezeigt und ist auch während der aktuellen Ausstellung auf Wiener
Litfaßsäulen zu sehen. Sie führt den Betrachter*innen im öffentlichen Raum ihre
eigenen Erinnerungen, Vorstellungen oder Sehnsüchte vor Augen, „Reisen im
Kopf“, wie der Künstler es nannte. Mit seinem Porträt der österreichischen
Fluggesellschaft dokumentiert Gonzalez-Torres sowohl die ökonomischen und
politischen Verflechtungen Österreichs als auch die touristischen Interessen
seiner Bevölkerung.

Die Grenzen unserer Welt sind nicht nur durch kulturelle und wirtschaftliche
Schranken markiert, sondern auch als geografische Trennungslinien zwischen
politischen Gebilden zu verstehen; als solche gehen sie oft mit Übertretungs­
verboten einher. Der in Österreich beheimatete japanische Künstler Seiichi Furuya
beleuchtet Österreichs östliche Grenzregion vor dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Heute sind diese Grenzen meist unsichtbar, aber während des Kalten Krieges
bestimmten sie die Lebensrealität von Generationen: Staatsgrenze Teil 1, 1981/1983,
(11) zeigt ehemalige Grenzstreifen als verlassene Landstriche mit scheinbar
unberührter Natur. Die anonymen und auf den ersten Blick geschichtslosen
Ansichten werden durch Kommentare von Zeitzeug*innen und Anrainer*innen
als Orte der Trennung, der Vertreibung und des Verlusts von Heimat und Identität
erkennbar.

Der Natur als Träger von Identitätsbildung widmet sich Christian Philipp Müller
mit Illegale Grenzüberquerungen, Grüne Grenze, 1993/2005, (12) nicht zuletzt im
Hinblick auf die damals erst kurz zurückliegende Öffnung des Eisernen Vorhangs.
Die Arbeit besteht aus acht Reproduktionen von historischen Grafiken aus der
Zeit des Habsburgerreichs. Sie zeigen Landstriche, die heute im Grenzgebiet
zwischen Österreich und seinen Nachbarstaaten liegen. Müller hat diese Orte selbst
erwandert und die heutigen Landesgrenzen illegal überschritten. Die Begleittexte
sind Anleitungen für diese Grenzübertritte in der Art eines Wanderführers. Der
Gartentisch, 1993, (13) zeigt ergänzend zur Naturerfahrung die wirtschaftlichen
Aspekte dieser Grenzregionen: eine Art drehbares Tortendiagramm der heimischen
(Nutz-)Hölzer.

Shoes for Europe, 2002, (14) ein Film des moldawischen Künstlers Pavel Brăila,
zeigt, wie Züge beim Grenzübertritt auf eine breitere Spurbreite gehoben werden,
um den Personen- und Warenverkehr zwischen Ost und West aufrechtzuerhalten.
Verschiedene Spurweiten der Gleise in Europa sind ein Relikt unterschiedlicher
Expansionspolitiken und technischer Entwicklungen, aber auch des Kalten Krieges:
Sie sollten Grenzüberschreitungen erschweren beziehungsweise Invasionen
verunmöglichen.

La Mappa del Mondo, 1972, (15) von Alighiero Boetti ist ein historisches Artefakt
kriege­rischer Grenzüberschreitung: Sie zeigt die Staaten in den Farben und
Symbolen ihrer Nationalflagge, darunter die ehemalige Sowjetunion in den Grenzen
von 1972 als ein riesiges rotes Konglomerat mit Hammer und Sichel in gelber Farbe.
Boetti arbeitete in den 1970er-Jahren von Kabul aus mit lokalen Handwerkerinnen
zusammen. Sie stickten Landkarten und brachten damit eine Tradition textiler
Techniken ein, die dem Leitbild westlicher Kunst widersprach. Boettis Serie
der Mappe del Mondo zeigt die Machtverteilung der Welt als eine historische
Momentaufnahme und ist zugleich selbst ein Dokument politischer Veränderungen:
Mit Beginn des Bürgerkriegs und der sowjetischen Intervention in Afghanistan
1979 brach die grenz- und kulturübergreifende Kooperation zunächst ab, bis Boetti
die Stickerinnen in Flüchtlingscamps in Pakistan ausfindig machte, von wo aus sie
ihre Arbeit an den Mappe wiederaufnehmen und so ihr wirtschaftliches Überleben
sichern konnten.

In einem Film hat Yto Barrada die Reise ihrer Mutter in die USA aufgearbeitet: In
Tree Identification for Beginners, 2017, (16) tanzen bunte geometrische Formen,
Lernspielzeug der Montessoripädagogik, über die Leinwand. Zur Animation
erzählt ihre Mutter, wie sie als linke Aktivistin 1966 im Rahmen einer vom US-
Außenministerium organisierten Young-African-Leaders-Reise den Klassenfeind
Amerika besuchte. Im Vorfeld der Proteste gegen den Vietnamkrieg erhielt sie
Einblick in die amerikanische Gesellschaft. So wie diese von offizieller Seite
gesteuerte Zusammenkunft von Afrika und Amerika, die die westliche Erzählung
einer Verschmelzung von Kapitali­smus und Demokratie propagierte, ist auch
Barradas Film eine Inszenierung: Während dieser sich auf der Tonebene als
Dokumentation tarnt, ist auf der Bildebene immer wieder zu sehen, wie die Künstlerin
in das vermeintlich autonome Geschehen eingreift, es animiert und gemeinsam mit
einem professionellen Soundspezialisten Geräuscheffekte beisteuert.
Während Barradas Film die Reise im Jahr 1966 als außerordentliches und wider­
sprüchliches Ereignis der Annäherung verschiedener Kulturen beschreibt, ist in Dorit
Margreiters Installation Short Hills, 2000, (17) die globale Migration längst zu einem
Massenphänomen geworden. In einem einfachen Holzgerüst, das auf Friedrich
Kieslers Leger- und Trägersystem basiert, ist eine Modelllandschaft aufgebaut,
dazu ein Fernseher, eine Videoprojektion, ein Foto und ein Architekturplan, wie
in einer Art Versuchsanordnung. Die Displays zeigen Interviews und Ausschnitte
aus amerikanischen und chinesischen Fernsehserien. Alle Teile der Installation
verweisen auf die Lebensumstände einer Familie: Die österreichische Künstlerin
Dorit Margreiter hat ihre chinesischstämmigen Verwandten in Short Hills, einer
Vorstadt in New Jersey, USA, besucht und interviewt: Wir erfahren, dass die Tante
besonders gern Fernsehserien aus ihrer Heimat sieht, um ihre chinesischen
Wurzeln zu bewahren; von den pubertären Fantasien der Cousinen und ihrem
Erwachsenwerden in einer modernen, von Unterhaltungsmedien geprägten Welt.
An der Wand hängt ein Foto mit der Skyline von Hongkong. Alle Teile der Installation
sind auf mehreren Bedeutungsebenen miteinander verwoben: Die Modelllandschaft
zitiert sowohl eine Szene aus Dawson’s Creek – die jungen Frauen sind Fans
der US-Fernsehserie – als auch den Wohnort der Familie in New Jersey. Der
Architekturplan an der Wand ist der des neu angebauten „Entertainment Rooms“,
des Unterhaltungszimmers der Familie, welches das Setting für den Medienkonsum
bildet, der einen wesentlichen Teil der „Grenzen unserer Welt“ ausmacht.
Impressum                            Ausstellung                                Begleitheft

mumok                                Enjoy                                      Die Grenzen unserer Welt
Museum moderner Kunst                Die mumok Sammlung im Wandel
Stiftung Ludwig Wien                                                            Herausgegeben von Jörg Wolfert
                                     Die Grenzen unserer Welt                   für die Kunstvermittlung mumok
MuseumsQuartier                      Kurator: Matthias Michalka                 Text: Matthias Michalka, Jörg Wolfert
Museumsplatz 1                                                                  Redaktion: Jörg Wolfert
A-1070 Wien                          19. Juni 2021 bis 15. Mai 2022             Lektorat: Eva Luise Kühn
www.mumok.at                                                                    Grafische Gestaltung: Olaf Osten
                                     Gefördert durch die Peter und Irene
Generaldirektorin: Karola Kraus      Ludwig Stiftung                            Umschlag: Yto Barrada, Advertisement
Wirtschaftliche Geschäftsführerin:                                              lightbox - Tangier, from the series:
Cornelia Lamprechter                 Kurator*innen: Manuela Ammer,              A Life Full of Holes: the Strait Project,
                                     Heike Eipeldauer, Rainer Fuchs,            2003 © Yto Barrada
                                     Naoko Kaltschmidt, Matthias Michalka
                                     Ausstellungsorganisation: Claudia Dohr,    © mumok 2021
                                     Lisa Schwarz, Dagmar Steyrer
                                     Restauratorische Betreuung: Christina
                                     Hierl, Kathrine Ruppen, Karin Steiner
                                     Ausstellungsaufbau: Tina Fabijanic,
                                     Wolfgang Moser, Valerian Moucka,
                                     Gregor Neuwirth, Andreas Petz, Helmut
                                     Raidl, Lovis Zimmer, museum standards
                                     Audiovisuelle Technik: Wolfgang Konrad,
                                     Michael Krupica, museum standards
                                     Presse: Marie-Claire Gagnon, Katja
                                     Kulidzhanova, Katharina Murschetz
                                     Marketing: Maria Fillafer, Anna Weiss
                                     Sponsoring, Fundraising und
                                     Veranstaltungen: Katharina Grünbichler,
                                     Karin Kirste, Cornelia Stellwag-Carion
                                     Kunstvermittlung: Mercede Ameri,
                                     Stefanie Fischer, Astrid Frieser,
                                     Stefanie Gersch, Helene Heiß, Benedikt
                                     Hochwartner, Maria Huber, Ivan Jurica,
                                     Ümit Mares-Altinok, Mikki Muhr, Stefan
                                     Müller, Patrick Puls, Christine Schelle,
                                     Jörg Wolfert
Die mumok Sammlung im Wandel
                  19. Juni 2021 bis 18. April 2022

          Ebene 4 Revue Moderne
               3 Gegenwart der Geschichte
               2 Figur und Skulptur
               0 (Anti-)Pop
              –2 Abstraktion. Natur. Körper
              –2 Re/Aktionen
              –4 Die Grenzen unserer Welt
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