Dolmetschen bei der Polizei, vor Gericht und beim Migrationsamt - Schweizerisches Polizei-Institut
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DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT Dolmetschen bei der Polizei, vor Gericht und beim Migrationsamt Einblicke in das Lerndesign mit integrierten Praxistagen Christof Maag Leiter Fachstelle Integration, Caritas Schweiz Dolmetschen bei Behörden und Gerichten ist eine he- Luzern und St. Gallen findet die Durchführung in rausfordernde Tätigkeit, welche hohe Fachkompeten- enger Zusammenarbeit mit der Luzerner Polizei zen von Seiten der Dolmetschenden erfordert. Aber bzw. der Kantonspolizei St. Gallen statt. In beiden auch für Polizisten/-innen oder Richter/-innen stellt die Kantonen sind diese Behörden zuständig für die Zusammenarbeit mit Dolmetschern/-innen eine he- Vermittlung der Dolmetschenden in den Bereichen rausfordernde Situation dar. Caritas Schweiz bietet in «Polizei», «Justiz» und «Migration». Neu können sich Zusammenarbeit mit kantonalen Polizeikorps seit meh- seit Frühling 2018 erfolgreiche Absolventen/-innen reren Jahren ein Ausbildungsmodul für Behördendol- des Moduls prüfungsfrei um eine Aufnahme im metschende an. Dabei steht der praxisnahe Erwerb von Verzeichnis für Behördeneinsätze im Kanton Bern, beruflichen Handlungskompetenzen im Vordergrund, für welches die Kantonspolizei Bern verantwortlich damit die Dolmetschenden ihre anspruchsvolle Tätig- ist, bewerben. Die Dolmetschsprachen der Teilneh- keit bei den Behörden bestmöglich erfüllen können. menden spiegeln die Heterogenität der Gesellschaft Das Ausbildungsmodul kennt verschiedene Lehr-Lern- wider und reichen von Portugiesisch über Arabisch, Modalitäten sowie Präsenz- und E-Learning-Phasen, Somali, Tigrinja bis hin zu Kurmanci. Das Modul wodurch der Lernprozess entscheidend vertieft und die beinhaltet sieben Kurstage (45,5 Std.) sowie einen aufgewendeten Ressourcen optimal eingesetzt werden Prüfungstag und mindestens 51,5 Std. Selbstlernzeit. können. Der Praxistag mit und bei der Kantonspolizei In den nachfolgenden Ausführungen wird die Di- St. Gallen fördert den Transfer des Gelernten in den daktik aufgezeigt, die dem Lerndesign des Moduls beruflichen Alltag. Solche Lernsituationen, die auf dem zugrunde liegt (1), und darauf aufbauend der Aus- Fachwissen aus dem Unterricht aufbauen und von der bildungstag mit der St. Galler Kantonspolizei vorge- Praxis inspiriert sind, weisen einen hohen Nutzen auf. stellt (2). Schliesslich wird auf das geplante Quali- Im Sinne einer längerfristigen Sicherung der Qualität tätssicherungssystem für Behördendolmetschende beim Dolmetschen sind die Kantonspolizei St. Gallen im Kanton St. Gallen hingewiesen (3). und Caritas Schweiz dabei, ein Qualitätssicherungs- system zu erarbeiten, welches Handlungs- und Sprach- 1. Didaktische Eckpunkte des Lerndesigns kompetenzen definiert. Modul 42: Folgende vier Eckpunkte untermauern das Lernde- sign: Transfer der Theorie in die Praxis, Individuali- sierung des Lernens, Unterricht durch Fachpersonen (Polizei, Justiz, Migration, Dolmetschen) sowie Ver- Das Ausbildungsmodul 41 von Caritas Schweiz, längerung des Lernprozesses durch den Einsatz von welches vom Dachverband INTERPRET anerkannt digitalen Medien. ist, wurde bisher zwölf Mal durchgeführt und von rund 200 Dolmetschern/-innen abgeschlossen. Es 1 INTERPRET (2018), Aus- und Weiterbildungsmodule. Verfügbar wird an verschiedenen Standorten in der Deutsch- unter: https://www.inter-pret.ch/de/ausbildung-und-qualifizie- schweiz angeboten, so in Luzern, Zürich und rung_0/ausbildung-und-qualifizierung/aus-und-weiterbildungs- module-162.html (Zugriff am 26.11.2018). St. Gallen. Im 2019 sind zudem je ein Modul im 2 Der detaillierte Ausbildungsverlauf kann Abbildung 1 (S. 59) ent- Kanton Glarus und im Kanton Tessin geplant. In nommen werden. 58 format magazine no 8
DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT Erfolgreich dolmetschen bei Behörden und Gerichten – Infografik Bildungsbedarf Modulinformationen Strafgesetzbuch (StGB) Praxis Standortbestimmung Strafprozessordnung (StPO) Dolmetschen im Strafrecht Ziele formulieren Einführung Fallarbeit Strafgesetz Lerntagebuch in die Gesetzestexte Praxis Migration/Asyl Untersuchungsbehörden Praxis Zivilgesetzbuch (ZGB) Dolmetschen bei der Polizei, Einführung in die Themen Einführung in die Arbeit Dolmetschen Zivilprozessordnung (ZPO) auf dem Migrationsamt, Migration und Asyl der Polizei und der Staats- in einer fiktiven Gerichtsver- Einführung im Asylverfahren anwaltschaft handlung (Zivilrecht) in die Gesetzestexte Transfer des Gelernten in das Arbeitsfeld Praxistransfer Marktplatz Modulabschluss Rahmenbedingungen eines Einsatzes Präsentationen der Kompetenz- Kompetenznachweis mit Emotionale Abgrenzung nachweise und Austausch unter Abschlussprüfung Selbstlernaktivitäten (individuell und im den Lerntandems Besuch einer Gerichtsverhandlung Tandem) 5 Praxiseinsätze 90 % Anwesenheit Unterricht Abb. 1: Ausbildungsverlauf Modul 4 1.1. Transfer der Theorie in die Praxis 1.2. Individualisierung des Lernens Zwei Wochen nach der Vermittlung von Theorie- Das Motto des lebenslangen Lernens und der Indivi- inhalten, z. B. zum StGB3 und zur StPO4, folgt die dualisierung des Lernens ist heute breit anerkannt.6 Für praktische Anwendung des Gelernten. Als Vorbe- die Didaktik des Moduls bedeutet dies, dass in den reitung übertragen die Teilnehmenden jeweils die sieben Tagen zwar viele Inhalte gesetzt und diskutiert im Theorieunterricht besprochene Fachterminolo- sowie Fragen besprochen werden, vor allem aber, gie in die eigene Dolmetschsprache. Anschliessend dass die Teilnehmenden selbstgesteuert lernen und ihr folgen Dolmetschübungen, die eine ausgebildete persönliches Wissensmanagement betreiben. Die sehr Behördendolmetscherin für das behandelte Thema unterschiedlichen Berufsbiographien der Teilnehmen- vorbereitet, oder Praxisübungen, welche die Polizei den werden durch diesen Fokus ebenfalls begünstigt. selbst durchgeführt. Bei den praktischen Übungen In ihrem Berufsalltag sind die Dolmetschenden oft mit zum ZGB/ZP05 schliesslich simuliert eine Richterin neuen Fragen und Herausforderungen konfrontiert, zusammen mit der Behördendolmetscherin eine zi- auf die sie selbstständig Antworten finden müssen. vilgerichtliche Einvernahme im Familienrecht, in der alle Teilnehmenden dolmetschen müssen. Des Weiteren bilden die Kursteilnehmenden 3 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 [StGB], SR 311.0. Lerntandems, welche von der Kursleitung den Auf- 4 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO], trag erhalten, zwischen den Kurstagen verschiedene SR 312.0. 5 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 [ZGB], Dolmetschsprach- und Gedächtnisübungen auszu- SR 210 und Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezem- führen. Begleitend zur Ausbildung müssen zudem ber 2008 [ZPO], SR 272. fünf Dolmetscheinsätze erfolgen. Diese Übungen 6 Siehe u. a. Seufert, Sabine (2013), Bildungsmanagement: Einfüh- rung für Studium und Praxis, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel, S. 21 und die praktischen Einsätze unterstützen die Verar- oder Schweizerischer Verband für Weiterbildung [SVEB] (2018), «Berufsbildung 2030 – Vision und Wirklichkeit», Education Per- beitung des Lernstoffs und den Transfer des Gelern- manente – Zeitschrift für Weiterbildung, Nr. 3 (2018), Zürich: ten in den beruflichen Alltag. SVEB. format magazine no 8 59
DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT In diesem Kontext bietet das Modul folgende Lern- – Fragen stellen und sich mit ihnen austauschen zu felder an: Standortbestimmung, Ziele, Lerntagebuch, können. Durch die Praxiserfahrenheit der Dozieren- Kompetenznachweis und Glossar. Alle Teilnehmen- den wird so das Lernfeld mit dem beruflichen Ein- den müssen vor Kursbeginn Rechenschaft über ihre satzgebiet zusammengeführt. Lernsituationen mit Motivation sowie ihre Kompetenzen und Erfahrun- z. B. Polizisten/-innen fördern den Dialog der Akteure gen auf diesem Gebiet ablegen. Sodann stellen sie weiter und schaffen eine Art «professionelles Vertrau- ihre persönlichen Ziele für das Modul auf, welche en» in die Leistung der Beteiligten. «Die beschuldigte die allgemeinen Ziele des Veranstalters ergänzen Person muss das Vertrauen in den Dolmetscher spü- und jene Nuancierung und Gewichtung ermögli- ren und feststellen, dass man nicht über, sondern mit chen, die für das individuelle Lernen entscheidend ihr spricht. Auch der Polizist muss merken, dass auf sind. Mit dem Lerntagebuch reflektieren und verar- den Dolmetscher Verlass ist und dass seine Überset- beiten die Teilnehmenden nach jedem Ausbildungs- zungen kompetent und präzise sind.»7 Der Autor, aus tag den Unterricht und mit dem Kompetenznach- dessen Diplomarbeit dieses Zitat stammt, weist hier weis stellen sie wichtige Informationen zu einem darauf hin, dass der Faktor «Vertrauen» bei diesen Teilbereich des Behör- Einvernahmen von grundlegender Bedeutung ist. Der Wissensaufbau bei den den- und Justizwesens Lernsituationen im Unterricht stützen dies. Teilnehmenden erfolgt zu einem zusammen. Das Dossier grossen Teil jeweils schon in der soll übersichtlich, geord- 1.4. Verlängerung des Lernprozesses durch den Vorbereitungsphase. So wird in net und aktuell sein und Einsatz von digitalen Medien der wertvollen Präsenzphase der für sie zu einem ständig Die didaktische Reduktion8 ist Teil jedes Lerndesigns, Teil des reinen Wissensaufbaus wachsenden Arbeitsinst- weil aufgrund der Vielschichtigkeit des Berufsalltags im Unterricht immer nur eine Auswahl an Themen zugunsten von praktischen An- rument werden, in dem sie schnell die für einen behandelt werden kann. Das Blended-Learning-Mo- wendungsübungen verringert. Einsatz wichtigen Infor- dell dieses Moduls9 orientiert sich am Phasenmodell mationen finden. Es soll so aufgebaut sein, dass sie von SCIL10 und enthält Vorbereitungs-, Präsenz- und jederzeit veraltete Informationen herausnehmen und Transferphasen. Die Kombination von verschiede- neue hinzufügen können. Das Dossier wird mit ei- nen Lehr-Lern-Modalitäten sowie von Präsenz- und nem Glossar für den ausgewählten Themenbereich E-Learning-Phasen intensiviert den Lernprozess sig- ergänzt. Damit erarbeiten die Teilnehmenden einen nifikant. Alle Teilnehmenden erhalten zwei Wochen Fachwortschatz und verknüpfen diesen mit den be- vor Modulbeginn ein umfassendes digitales Arbeits- treffenden Begriffen in ihrer Dolmetschsprache. Das buch, welches alle Informationen und Handlungs- Glossar muss ausbaubar sein, sodass neue Begriffe anweisungen zum erfolgreichen Besuch des Moduls leicht eingebaut werden können. Beide Elemen- enthält. Das Arbeitsbuch ist interaktiv und wird z. B. te bilden einen Teil der Abschlussprüfung. Dieses auch für das Lerntagebuch genutzt. Auf der elektro- exemplarische Lernen an einem Thema bietet den nischen Plattform Educanet2 werden den Teilneh- Teilnehmenden eine Lernerfahrung, die sie später für menden vor und nach den jeweiligen Kurstagen um- die selbstständige Erarbeitung von weiteren Fachthe- fangreiche Materialien zur Verfügung gestellt. Der men und -glossaren nutzen können. Wissensaufbau bei den Teilnehmenden erfolgt zu einem grossen Teil jeweils schon in der Vorberei- 1.3. Unterricht durch Fachpersonen aus den Berei- chen «Polizei», «Justiz», «Migration» und «Dolmet- 7 Wymann, Andreas (2011), Dolmetschen bei der Luzerner Polizei: Richtlinien und Qualitätsstandards, Diplomarbeit für die eidg. Hö- schen» here Fachprüfung Polizist/Polizistin, Neuchâtel : SPI, S. 23. An den theoretischen Tagen bieten ausgewiesene 8 Arbowis (ohne Datum), Didaktische Analyse nach Klafki. Verfügbar unter: https://www.arbowis.ch/index.php/erwachsenenbildung/ Fachpersonen des jeweiligen Gebietes fundierte In- unterrichtsplanung/76-2014/erwachsenenbildung/unterrichtspla- puts an. Für die dolmetschende Person als Einzel- nung/inhaltsanalyse-und-didaktische-reduktion/41-didaktische- analyse-nach-klafki (Zugriff am 26.11.2018). kämpferin ist es ein nicht zu unterschätzender Ge- 9 Seufert, Sabine (2013), Bildungsmanagement: Einführung für Stu- winn, Staatsanwälten/-innen, Richtern/-innen oder dium und Praxis, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel. S. 239ff. 10 Universität St. Gallen (2018). Swiss Competence Centre for In- Polizisten/-innen in einem schulischen Umfeld zu be- novations in Learning (SCIL), scil-blog: Beiträge. Verfügbar unter: gegnen und ihnen – ohne den Druck des Berufsalltags www.scil-aktuell.ch (Zugriff am 26.11.2018). 60 format magazine no 8
DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT tungsphase. So wird in der wertvollen Präsenzphase das gegenseitige Vertrauen der Beteiligten durch die der Teil des reinen Wissensaufbaus zugunsten von «spielerische» Verarbeitung von Dolmetschsituatio- praktischen Anwendungsübungen verringert. Wie nen. sich dies konkret gestaltet, wird im folgenden Kapitel anhand des Beispiels in St. Gallen illustriert. 3. Qualitätssicherung Welche Prozesse sind für die Qualitätssicherung 2. Ausbildungstag mit der Kantonspolizei St. Gallen beim Dolmetschen notwendig? Welche formalen Der speziell konzipierte Ausbildungstag in St. Gallen Anforderungen an die Dolmetschenden gelten da- beginnt am Vormittag mit einer zweistündigen Ein- bei und mit welchen Mitteln möchte der Kanton führung durch einen Staatsanwalt, der die Arbeit der St. Gallen die Umsetzung sicherstellen? Sicherheitsbehörden schildert sowie mögliche Ein- Die dolmetschenden Personen werden von den sätze der Dolmetscher/-innen aufzeigt. Im Anschluss kantonalen Behörden in der Regel nicht fest ange- an diese kurze Einführung in die örtlichen Gegeben- stellt, sondern für einzelne Aufträge mandatiert.13 heiten organisiert ein interdisziplinäres Team der Für die Aufnahme in die Dolmetscher-Datenbank Kantonspolizei St. Gallen einen Parcours mit vier im Kanton St. Gallen14 waren bisher vor allem for- praxisnahen Stationen zur spontanen Verdolmet- male Zulassungsbedingungen wie z. B. sicherheits- schung: Besuchsüberwachung, Einvernahme eines relevante Überlegungen entscheidend. Kontrollen Verhafteten, Telefonüberwachung, Opfereinvernah- der Sprachkenntnisse me mit Dolmetschen im Nebenraum über Video. oder etwa der berufs- Damit nun aber in Zukunft Die Teilnehmenden werden in Gruppen auf- spezifischen Kompe- sichergestellt werden kann, dass geteilt, rotieren von einer Station zur anderen und tenzen erfolgten durch Verdolmetschungen kompetent müssen abwechslungsweise dolmetschen. Die ein- einen Zulassungskurs und auf einem qualitativ hohen zelnen Situationen werden alltagsnah nachgespielt. und ein persönliches Niveau ausgeführt werden, sind Ergänzt werden die Stationen mit dem Besuch einer Vorstellungsgespräch. verschiedene Zulassungs- und Gefängniszelle. Ob eine dolmetschen- Qualifizierungsschritte notwendig. Rückmeldungen von Seiten der Dolmetschen- de Person die vom den zeigen, wie sehr sie die direkten Einblicke in Auftraggeber gewünschten Kompetenzen mitbrach- die Polizeiinfrastruktur und den Austausch mit den te, hing sehr stark von deren persönlicher Berufs- Polizisten/-innen vor Ort schätzen11: «Sehr interes- biographie ab, weniger hingegen von den Anfor- sante, praxisnahe Übungen. Ich hatte schon Erfah- derungen und Ansprüchen des Auftrag gebenden rungen, aber es gab trotzdem viel Neues.», «Super Kantons.15 Damit nun aber in Zukunft sichergestellt Einblicke in die Arbeit der Polizei, konnte meinen Ho- werden kann, dass Verdolmetschungen kompetent rizont erweitern.», «In erster Linie ist es schön, dass und auf einem qualitativ hohen Niveau ausgeführt die Polizei Interesse an unserer Arbeit als Dolmet- werden, sind verschiedene Zulassungs- und Qua- scher zeigt und die Zusammenarbeit und die Qua- lifizierungsschritte notwendig. Die Kantonspolizei lität verbessern will.». Die Kantonspolizei erwähnte St. Gallen hat im Austausch mit der Fachstelle In- in ihrem Rückblick, dass die Arbeit bei der Polizei tegration von Caritas Schweiz im Wesentlichen für viele Personen eine aussergewöhnliche und her- folgende fünf Prozessschritte definiert: Zulassungs- ausfordernde Situation bedeute. Dennoch hätten die verfahren, Überprüfung Dolmetschsprache und meisten Teilnehmenden mit ihrem Können und ihrer Motivation voll überzeugt und würden in Zukunft für 11 Universität St. Gallen (2018), op. cit. die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte 12 Seufert, Sabine (2013), Bildungsmanagement: Einführung für Stu- dium und Praxis, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel, S. 236. wertvolle Aufgaben übernehmen können. 13 Kanton St. Gallen (2018), Dolmetscherwesen. Merkblätter und Der Kurstag fördert im Sinne eines deduktiven Formulare. Verfügbar https://www.sg.ch/home/sicherheit/dol- Lernprozesses den Transfer vom Lern- in das Berufs- metscherwesen/merkblaetter_und_formulare.html (Zugriff am 02.11.2018). feld. Diese Lernprozesse bauen auf dem Fachwissen 14 ibid. aus dem Unterricht auf und werden in realitätsnahen 15 Eine Situation, die in vielen Kantonen in der Schweiz anzutreffen ist und eine gängige Praxis darstellt. Die meisten Kantone kennen Lernsituationen erprobt.12 Der Praxistag in St. Gal- kürzere Zulassungskurse und/oder Infoveranstaltungen für neue len fördert somit das professionelle Verhalten und Dolmetschende. format magazine no 8 61
DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT Verfahrenssprache, Ausbildung mit Abschlussprü- wird. Damit sie dieses obligatorische Modul besu- fungen, Vermittlung. Die beiden Partner haben 2017 chen können, müssen sie ausserdem vor Kursbeginn und 2018 je ein Kursmodul gemeinsam durchgeführt eine vom Dachverband INTERPRET durchgeführte und planen nun die Umsetzung des neuen Zulas- Dolmetschsprachprüfung18 erfolgreich bestehen. sungs- und Qualifizierungssystems ab Frühling 2019. Der Kompetenznachweis sowie eine Prüfung zu Bewerbungen mit allen persönlichen Unterlagen juristischen Fragen sind weitere Prüfungselemente. für die Aufnahme im Dolmetscherpool werden wie Die vorgesehenen Praxiseinsätze absolvieren die bis anhin an die kantonale Behörde gerichtet, die im Teilnehmenden des Moduls als «Lernende». Damit sogenannten Zulassungsverfahren die Unterlagen wird sichergestellt, dass sie angepasste (leichtere) prüft und verschiede- Verdolmetschungen zugewiesen erhalten, sie aber Bewerber/-innen müssen im Zulas- ne sicherheitsrelevan- dennoch Praxiserfahrungen machen können. Erst sungsverfahren eine formale Sprach- te Checks vornimmt. wer alle Aufnahmeschritte erfolgreich bestanden qualifikation [...] auf dem Niveau Falls keine Einwände hat, wird künftig definitiv im Dolmetscherpool des C1 des europäischen Sprachenport- gegen die sich be- Kantons aufgenommen. folios vorweisen. werbende Person vorliegen, wird diese 16 Goethe-Institut (ohne Datum), Goethe Zertifikat C1. Verfügbar un- vorläufig aufgenommen. Bewerber/-innen müssen ter: https://www.goethe.de/de/spr/kup/prf/prf/gc1.html (Zugriff am 26.11.2018). im Zulassungsverfahren eine formale Sprachqualifi- 17 Kanton St. Gallen (ohne Datum), Europäisches Sprachenportfo- kation (z. B. Goethe Sprachzertifikat16 in Deutsch) lio – Raster zur Selbstbeurteilung [nach Europarat]. Verfügbar unter: https://www.integration-sg.ch/files/GER.pdf (Zugriff am auf dem Niveau C1 des europäischen Sprachen- 26.11.2018). portfolios17 vorweisen. Alle Dolmetschenden im 18 Überprüfung der Dolmetschsprache durch eine standardisierte Prüfung durch den Dachverband INTERPRET. Unseres Wissens Kanton müssen das Modul 4 besuchen, welches wird die Dolmetschsprache, zumindest in der deutschen Schweiz, regelmässig in Zürich und St. Gallen angeboten in keinem anderen Kanton überprüft. Literatur Arbowis (ohne Datum), Didaktische Analyse nach Klafki. Verfügbar Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 [ZPO], unter: https://www.arbowis.ch/index.php/erwachsenenbildung/ SR 272. unterrichtsplanung/76-2014/erwachsenenbildung/ Schweizerischer Verband für Weiterbildung [SVEB] (2018), unterrichtsplanung/inhaltsanalyse-und-didaktische-reduktion/41- «Berufsbildung 2030 – Vision und Wirklichkeit», Education didaktische-analyse-nach-klafki (Zugriff am 26.11.2018). Permanente – Zeitschrift für Weiterbildung, Nr. 3, Zürich: SVEB. Goethe-Institut (ohne Datum), Goethe Zertifikat C1. Verfügbar unter: Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 [StGB], https://www.goethe.de/de/spr/kup/prf/prf/gc1.html (Zugriff am SR 311.0. 26.11.2018). Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 [ZGB], INTERPRET, Aus- und Weiterbildungsmodule. Verfügbar unter: SR 210. https://www.inter-pret.ch/de/ausbildung-und-qualifizierung_0/ ausbildung-und-qualifizierung/aus-und-weiterbildungsmodule-162. Seufert, Sabine (2013), Bildungsmanagement: Einführung für html (Zugriff am 26.11.2018). Studium und Praxis, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel. Kanton St. Gallen (2018), Dolmetscherwesen. Merkblätter und Universität St. Gallen (2018). Swiss Competence Centre for Formulare. Verfügbar unter: https://www.sg.ch/home/sicherheit/ Innovations in Learning (SCIL), scil-blog: Beiträge. Verfügbar unter: dolmetscherwesen/merkblaetter_und_formulare.html (Zugriff am www.scil-aktuell.ch (Zugriff am 26.11.2018). 02.11.2018). Wymann, Andreas (2011), Dolmetschen bei der Luzerner Polizei: Kanton St. Gallen (ohne Datum), Europäisches Sprachenportfolio – Richtlinien und Qualitätsstandards, Diplomarbeit für die eidg. Höhere Raster zur Selbstbeurteilung [nach Europarat]. Verfügbar unter: https:// Fachprüfung Polizist/Polizistin, Neuchâtel: SPI. www.integration-sg.ch/files/GER.pdf (Zugriff am 26.11.2018). Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO], SR 312.0. 62 format magazine no 8
DOLMETSCHEN BEI DER POLIZEI, VOR GERICHT UND BEIM MIGRATIONSAMT Résumé L’interprétation auprès de la police, du tribunal et de phases de présentiel et de e-learning. Ces du service des migrations méthodes mixtes doivent permettre d’approfondir L’interprétation auprès des autorités et des tribunaux le processus d’apprentissage et de gérer les est une activité exigeante qui requiert d’importantes ressources de manière optimale. La journée de compétences métier de la part des interprètes. Pour formation pratique, réalisée en collaboration avec les policiers·ières ou les juges, la collaboration la Police cantonale de St-Gall et dans ses locaux, avec les interprètes est également liée à des défis favorise le transfert de l’apprentissage dans le majeurs. Depuis plusieurs années, Caritas Suisse quotidien professionnel. L’importante plus-value de propose, en collaboration avec différentes polices cette journée pratique est assurée par des situations cantonales, un module de formation destiné d’entraînement concrètes qui s’appuient tant sur les aux interprètes travaillant auprès des autorités. connaissances issues de la formation que sur les cas L’acquisition de compétences métier est placée au inspirés de la pratique. Afin d’assurer la qualité de centre de la démarche, car elle doit assurer que les l’interprétation à long terme, la Police cantonale de interprètes puissent effectuer cette activité exigeante St-Gall et Caritas Suisse développent un système auprès des autorités dans les meilleures conditions d’assurance-qualité qui définit les compétences des possibles. Le module de formation proposé se interprètes tant sur le plan métier que sur le plan caractérise par différentes modalités dans la relation linguistique. enseignant·e·s-apprenant·e·s et par l’alternance Riassunto Interpretare presso la polizia, il tribunale e l’uffi- e dall’alternanza tra fasi di formazione presenzia- cio della migrazione le e e-learning; questo mix di modalità permette Interpretare presso autorità e tribunali è un’attività di approfondire il processo di apprendimento e di esigente che richiede elevate competenze tecniche impiegare le risorse disponibili in maniera ottimale. da parte degli interpreti. Anche per gli agenti di po- La giornata di formazione pratica, svolta in collabo- lizia o i giudici, la collaborazione con gli interpreti razione con la Polizia cantonale SG presso la sua implica sfide considerevoli. Da molti anni, Caritas sede, promuove il transfer di conoscenze nella vita Svizzera propone, in collaborazione con i corpi di quotidiana professionale e ha il merito di attuare si- polizia cantonali, un modulo formativo destinato tuazioni di apprendimento concrete che poggiano agli interpreti che lavorano al servizio delle autorità. sulle conoscenze tecniche tratte dalla formazione Il corso pone l’accento sull’acquisizione a livello pra- e sui casi ispirati alla pratica. Al fine di assicurare tico di competenze operative professionali, affinché la qualità dell’interpretazione nel lungo termine, la gli interpreti possano svolgere questa importante at- Polizia cantonale SG e Caritas Svizzera elaborano tività presso le autorità nelle migliori condizioni pos- un sistema di assicurazione qualità che definisce le sibili. Il modulo formativo proposto si caratterizza da competenze operative e linguistiche degli interpreti. diverse modalità nella relazione insegnante-studente format magazine no 8 63
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