Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen
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I Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Reformansätze zum Planungs- recht von Windenergieanla- gen Eine rechtliche Einordnung aktueller Reformvor- schläge und Handlungsoptionen des Gesetzge- bers # 26 | 11.02.2022 erstellt von Dr. Nils Wegner, LL.M. (Stockholm) ISSN 2365-7146
II Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen Zitiervorschlag: Wegner, Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 26 vom 11.02.2022. Der Verfasser dankt zahlreichen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern, insbesondere Monika Agatz (Kreis Borken), Dr. Ivo Gerhards (RP Gießen), Ralf Krüger (juwi AG), Prof. Dr. Marcel Raschke (HSP NRW), Urta Steinhäuser (Abo Wind), Ulrich Tasch (MILIG S-H), Franz-Josef Tigges (Engemann & Partner) sowie Hauke von Seht (Bezirksregierung Düsseldorf) für wertvolle Hinweise und praktische Einblicke. Entstanden im Rahmen des Vorhabens: „Rechtliche Analyse neuer Herausforderungen für das Planungs- und Genehmigungsrecht bei der Flächenbereitstellung und -realisierung für den Ausbau der Windenergie an Land (NeuPlan Wind)“ Stiftung Umweltenergierecht Friedrich-Ebert-Ring 9 Vorstand 97072 Würzburg Thorsten Müller und Fabian Pause, LL.M. Eur. Telefon Stiftungsrat +49 931 79 40 77-0 Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz Prof. Dr. Franz Reimer Telefax Prof. Dr. Monika Böhm +49 931 79 40 77-29 Prof. Dr. Markus Ludwigs Prof. Dr. Sabine Schlacke E-Mail wegner@stiftung-umweltenergierecht.de Spendenkonto Sparkasse Mainfranken Würzburg Internet IBAN: DE16 7905 0000 0046 7431 83 www.stiftung-umweltenergierecht.de BIC: BYLADEM1SWU
III Zusammenfassung Die erneuerbaren Energien sollen drastisch insbesondere die Gesichtspunkte der Ver- ausgebaut werden. Nach der „Eröffnungs- bindlichkeit gegenüber Ländern und Pla- bilanz Klimaschutz“ des BMWK ist bis zum nungsträgern einerseits sowie des notwen- Jahr 2030 für die Windenergie an Land eine digen Zeitbedarfs für ihre Implementierung installierte Leistung von 100 GW angepeilt. andererseits in den Blick nehmen. Wegen Neben den Zulassungsverfahren 1 ist die kompetenzrechtlicher Unsicherheiten der ausreichende Flächenbereitstellung für die verschiedenen Vorschläge sollte die Ver- Windenergie an Land ein Schlüsselbereich bindlichkeit der Mengenvorgaben durch für das Erreichen dieses Ausbauziels. In der ihre Verknüpfung mit der Ausschlusswir- vorliegenden Würzburger Studie, die unser kung der Konzentrationszonenplanungen im Oktober 2021 veröffentlichtes Hinter- abgesichert werden. Dies entspricht der im grundpapier vertieft 2, werden die aktuell Koalitionsvertrag angekündigten Umset- diskutierten Reformvorschläge sowie Hand- zung der Mengenvorgabe im Baugesetz- lungsoptionen des Bundesgesetzgebers buch. Wird die Verbindlichkeit auf diesem zur Weiterentwicklung des maßgeblichen Weg herbeigeführt, ist auch eine Adressie- planungsrechtlichen Rahmens umfassend rung der Vorgaben an Ebenen unterhalb beleuchtet und rechtlich eingeordnet. der Länder möglich. Dies kann die Imple- mentierung der Mengenvorgabe beschleu- Zentrale Maßnahmen, die der Gesetzgeber nigen. dringend angehen sollte, sind: Damit die Mengenvorgaben effektiv in kon- ▶ Die Implementierung einer bundesrecht- krete Flächenausweisungen umgesetzt lichen Mengenvorgabe zur Umsetzung werden, müssen auf Umsetzungsebene des im Koalitionsvertrag vereinbarten gleich mehrere Stellschrauben neu justiert Ziels, zwei Prozent der Landesflächen für werden: Die Einführung der Mengenvorga- die Windenergie auszuweisen sowie ben ist durch Überleitungsvorschriften zu ▶ die Reform der sog. Konzentrationszo- begleiten, um Fadenrisse bei der Flächen- nenplanung als zentralem Instrument bereitstellung zu vermeiden, die durch die der Flächenbereitstellung, um die Pla- angestoßene Neuaufstellung und Fort- nungsverfahren zu beschleunigen und schreibung von Plänen drohen. Zudem ist zugleich rechtssicherer zu machen. die Flächenausweisung selbst weiterzuent- wickeln. Dabei ist eine Reform der existie- Beide Bereiche sind dabei eng miteinander renden Konzentrationszonenplanungen ei- verknüpft. Sie müssen als stimmiges Ge- nem vollständigen Systemwechsel hin zu samtkonzept konzipiert werden. Eine Ver- einer fachplanerischen Zulassung mittels einfachung der Planungsverfahren ist um- Planfeststellungsentscheidungen genauso fänglich nur dann möglich, wenn diese zu- wie einer rein vorhabenbezogenen Zulas- gleich auf quantitativ bestimmte Mengen- sung auf Grundlage der Außenbereichspri- vorgaben hin ausgerichtet werden. Die iso- vilegierung (derzeit noch) vorzuziehen. lierte Umsetzung allein einzelner Maßnah- men droht dagegen neue Blockademög- Die Konzentrationszonenplanung kann lichkeiten zu schaffen. durch gesetzgeberische Modifikation in Richtung einer Positivplanung weiterentwi- Die aktuell diskutierten, teils im Raumord- ckelt werden. Dies erlaubt einen Verzicht nungsrecht, teils im Fachplanungsrecht auf die bislang erforderliche strenge Unter- wurzelnden Ansätze zur Konzeption von scheidung harter und weicher Tabuzonen Mengenvorgaben, weisen zahlreiche Unter- als Teil des bislang geforderten gesamt- schiede auf, haben sich jedoch in vielen räumlichen, schlüssigen Planungskonzepts. Punkten auch gegenseitig angenähert. Der Eine Fokussierung der Verfahren auf Gesetzgeber sollte bei ihrer Umsetzung 1 2 Hierzu siehe Schmidt/Sailer, Reformansätze zum Ge- Schmidt/Wegner/Sailer/Müller, Gesetzgeberische nehmigungsrecht von Windenergieanlagen, Würzbur- Handlungsmöglichkeiten zur Beschleunigung des ger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 25 vom Ausbaus der Windenergie an Land, Würzburger Be- 28.01.2022. richte zum Umweltenergierecht Nr. 53 vom 28.10.2021.
IV Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen diejenigen Flächen, die der Windenergie pauschal entzogene Flächentypen als regu- tatsächlich zu Verfügung gestellt werden, latorische Option des Bundes dar, die eine wird dadurch ermöglicht und die bislang unmittelbare bundesgesetzliche Regelung relevanteste Fehlerquelle von Konzentrati- erübrigen und landesrechtliche Spielräume onszonenplanungen beseitigt. Planungs- erhalten kann. Unter Beschleunigungsge- aufwand und Fehleranfälligkeit des Instru- sichtspunkten könnte die Beseitigung von ments können so deutlich reduziert wer- Hemmnissen unmittelbar durch den Bund den. Die zentralen Eigenschaften des bis- gleichwohl vorzugswürdig sein. herigen Planungssystems – namentlich die Bei allen Bemühungen um Vereinfachun- Funktion der allgemeinen Außenbe- gen bleiben Planungsverfahren für die Aus- reichsprivilegierung der Windenergie – weisung von Flächen für die Windenergie muss dabei unbedingt erhalten bleiben. an Land komplex. Eine ausreichende Flä- Auch dürfen keine zusätzlichen Anreize für chenbereitstellung wird deshalb nur dann Klagen geschaffen werden. gelingen, wenn hierfür auch die personel- Über diese grundsätzlichen Änderungen len und sonstigen außerrechtlichen Vo- hinaus kann und sollte der Gesetzgeber raussetzungen geschaffen werden. weitere planungsrechtliche Themen adres- sieren: Die Gerichtsfestigkeit der reformier- Kernergebnisse ten Konzentrationszonenplanungen kann zusätzlich durch die Anpassung vorhande- ▶ Der Gesetzgeber muss ein schlüssiges ner und die Schaffung einer neuen Fehler- Gesamtkonzept schaffen, das zum ei- folgenregelung erhöht werden. Wo Pläne nen das Zwei-Prozent-Flächenziel mit- gleichwohl aufgehoben werden, könnte tels Mengenvorgaben umsetzt und eine subsidiäre, befristete Rückfalloption zum anderen die Planungsverfahren geschaffen werden, um langwierige Flä- vereinfacht und beschleunigt. Beim chensperrungen im Rahmen von Planneu- Übergang zu einem reformierten Pla- aufstellungen zu vermeiden. Die effektive nungssystem sind Fadenrisse in der Adressierung landesrechtlicher Moratorien Flächenbereitstellung zu vermeiden. bleibt gleichwohl drängend. ▶ Die Verbindlichkeit der Mengenvorga- Hilfreich wäre zudem eine Klarstellung des ben sollte über ihre Verknüpfung mit Gesetzgebers zur Durchsetzungsfähigkeit der Ausschlusswirkung der reformier- von Konzentrationszonenplanungen ge- ten Konzentrationszonenplanungen genüber kommunalen Planungen. Verzö- (heute § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB) abgesi- gerungen bei der Umsetzung klarer plane- chert werden. rischer Vorgaben würden so in relevanten Fällen deutlich reduziert. ▶ Die Konzentrationszonenplanung kann in Richtung einer Positivplanung wei- Sofern die umfassenden Vereinfachungen terentwickelt und so Planungsaufwand des Planungssystems nicht ohnehin weiter und Fehleranfälligkeit dieses zentralen gehen, könnten zudem Möglichkeit und Instruments deutlich reduziert werden. Grenzen einer erleichterten Ausweisung Über flankierende Regelungen lassen zusätzlicher Flächen neben bereits vorhan- sich Gerichtsfestigkeit und Durchset- denen Konzentrationszonenplanungen zungsfähigkeit der Pläne weiter erhö- ausdrücklich sowohl für die Bauleitpla- hen. nungs- als auch die Raumordnungsebene geregelt werden. Zudem kann der Erhalt ▶ Die grundlegendere Reform der Flä- von Repoweringstandorten sowohl in be- chenbereitstellung kann durch weitere stehenden als vor allen Dingen auch in Regelungen flankiert werden, um Mög- künftigen Planungsverfahren zusätzlich ge- lichkeit und Grenzen der Ausweisung fördert werden. Die Einführung von Men- zusätzlicher Flächen für die Windener- genvorgaben würde allerdings ohnehin gie zu klären, Repoweringstandorte in den Druck erhöhen, vielfach akzeptierte bestehenden und zukünftigen Planun- und etablierte Standorte zu erhalten. Die gen zu fördern und weitere Flächenty- Einführung einer Mengenvorgabe stellt pen für die planerischen Suchprozesse sich hier, aber auch bei der Diskussion um zu öffnen. weitere, bislang den Planungsverfahren
V Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ____________________________________________________________ III A. Status quo und Anforderungen an ein System der Flächenbereitstellung ____ 1 I. Ausbau der Windenergie im Zielsystem des Klimaschutzes _____________________________ 1 II. Anforderungen an ein System der Flächenbereitstellung für die Windenergie _________ 2 III. Aktuelle Rechts- und Problemlage sowie Handlungsoptionen des Gesetzgebers im Überblick __________________________________________________________________________________ 4 1. Aktuelle Rechts- und Problemlage im Überblick _____________________________________ 4 2. Handlungsoptionen des Gesetzgebers im Überblick _________________________________ 7 B. Verbindliche bundesrechtliche Mengenvorgaben implementieren _________ 9 I. Status quo und Reformziele______________________________________________________________ 9 II. Konzeptionelle Ansätze für die Schaffung von Mengenvorgaben _______________________ 11 1. Raumordnerische Verankerung bundesrechtlicher Mengenvorgaben (Handlungsoptionen 1 und 2) __________________________________________________________ 11 2. Bedarfsplanerische Mengenvorgaben und fachplanerische Umsetzung (Handlungsoption 3) __________________________________________________________________ 14 3. Fachgesetzliche Anknüpfung an bedarfsplanerische „Windenergie-Beitragswerte“ (Handlungsoption 4) __________________________________________________________________ 14 4. Vergleichende Betrachtung ________________________________________________________ 15 a) Bindungswirkung gegenüber Ländern und Planungsträgern ______________________ 16 b) Prinzipien für die Zuweisung von Teilmengen______________________________________ 17 c) Zeitlicher Bedarf der Umsetzung __________________________________________________ 18 d) Bezugspunkt der Mengenvorgaben _______________________________________________ 20 e) Mengenvorgaben als neue Fehlerquelle ___________________________________________ 22 f) Kommunale Planungshoheit _______________________________________________________ 22 III. Übergang zu bundesweiten Mengenvorgaben gestalten _____________________________ 23 1. Zeitliche Staffelung der Umsetzungsfristen _________________________________________ 24 2. Antizipation zukünftiger Flächenausweisungen in Gebieten mit Altplänen _________ 25 3. Verhinderung von Flächensperrungen insbesondere in Gebieten ohne Bestandspläne _______________________________________________________________________________________ 26 C. Flächensicherung und -bereitstellung vereinfachen und beschleunigen ___ 29 I. Status quo und Reformziele ____________________________________________________________ 29 1. Wechsel zu fachplanerischer Zulassung? ___________________________________________ 30
VI Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen 2. Wechsel zu rein vorhabenbezogener Steuerung? __________________________________ 32 3. Beibehaltung reformierter Konzentrationszonenplanungen? ______________________ 33 II. Komplexität und Planungsaufwand bei Konzentrationszonenplanungen reduzieren _ 34 1. Status quo und Reformziele ________________________________________________________ 34 2. „Kleine Lösung“: Konkretisierung der Unterscheidung harter und weicher Tabuzonen _______________________________________________________________________________________ 35 3. „Große Lösung“: Verzicht auf die Unterscheidung harter und weicher Tabuzonen __ 37 a) Verzicht durch Umgestaltung der Privilegierung der Windenergie in Anlehnung an § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ________________________________________________________________ 37 b) Notwendigkeit einer Mengensteuerung bei Verzicht auf die Unterscheidung ______ 38 4. Alternative Lösung: „Reine Positivplanung“ mit bedingter Teilentprivilegierung ___ 39 5. Klärung von Maßstäben für Untersuchungs- und Abwägungstiefe _________________ 41 6. Klare Mengenvorgaben statt unklares „Substanziell Raum Schaffen“ ______________ 42 7. Klärung formeller Anforderungen __________________________________________________ 43 III. Umgang mit Planungsfehlern bei Konzentrationszonenplanungen – Vermeidung von Verzögerungen für die Flächenbereitstellung ___________________________________________ 44 1. Status quo und Reformziele ________________________________________________________ 44 2. Fehlerfolgen bei harten und weichen Tabuzonen __________________________________ 45 3. Zeitlich befristete Fortgeltung fehlerhafter Pläne __________________________________ 47 IV. Umgang mit Planaufhebungen und -anpassungen bei Konzentrationszonenplanungen – Vermeidung von Verzögerungen für die Flächenbereitstellungen _____________________ 48 1. Status quo und Reformziele ________________________________________________________ 48 2. Schaffung einer alternativen befristeten Rückfalloption ____________________________ 49 3. Durchsetzungskraft von Zielen der Raumordnung bis zur Anpassung von Bauleitplänen ________________________________________________________________________ 50 D. Ausweisung zusätzlicher Flächen vereinfachen ____________________________ 52 I. Status quo und Reformziele ____________________________________________________________ 52 II. Schaffung oder (ergänzende) Klärung gesetzlicher Grundlagen ______________________ 53 E. Repoweringstandorte erhalten _____________________________________________ 55 I. Status quo und Reformziele ____________________________________________________________ 55 II. Förderung des Repowerings in künftigen Planungsprozessen ________________________ 56 III. Erhalt von Repoweringstandorten entgegen momentaner Flächenausweisungen ___ 58 F. Hemmnisse bei bestimmten Flächentypen beseitigen______________________ 61 I. Status quo und Reformziele ____________________________________________________________ 61 II. Öffnung der Flächenkulisse auf Bundes- und Landesebene ___________________________ 61 1. Wohnumfeldschutz _________________________________________________________________61
VII a) Pauschale Mindestabstandsregelungen i. S. v. § 249 Abs. 3 BauGB __________________ 62 b) Pauschale Mindestabstandsregelungen i. S. v. landesplanerischer Festlegungen ____ 63 c) Abstandsvorgaben aufgrund „optisch bedrängender Wirkung“ _____________________ 64 2. Gewerbliche und anderweitig vorbelastete Flächen ________________________________ 65 3. Wind im Wald ______________________________________________________________________ 66 4. Wind in Landschaftsschutzgebieten________________________________________________ 66 5. Rotorblattspitzen innerhalb der Gebietsgrenzen ____________________________________ 67 III. Mengenvorgaben des Bundes als regulatorische Alternative bei landesrechtlichen Hemmnissen _____________________________________________________________________________ 68 G. Randbedingungen erfolgreicher Flächenbereitstellung verbessern _________ 71 I. Personalausstattung in den Planungsbehörden ________________________________________ 71 II. Datengrundlagen in den Ländern _____________________________________________________ 71 III. Akzeptanz _____________________________________________________________________________ 72 H. Fazit: Flächenbereitstellung konsistent reformieren _______________________ 73
1 A. Status quo und Anforderungen an ein System der Flächenbereitstellung Der Mangel an planerisch ausgewiesenen geeigneten Flächen ist bereits heute eine Ursache für den stockenden Windenergie- I. Ausbau der Windenergie im ausbau 3. Mittelfristig wird dieser Mangel Zielsystem des Klimaschutzes immer mehr zum Flaschenhals für die Um- setzung des Ausbaus im erforderlichen In § 3 Abs. 2 S. 1 des novellierten Bundes-Kli- Umfang 4 – erst recht im Lichte der durch maschutzgesetzes ist das Ziel der Netto- die neue Bundesregierung angekündigten Treibhausgasneutralität für das Jahr 2045 Ausbauziele 5. Wegen der Länge der Verfah- nunmehr ausdrücklich verankert. Bis zum ren zur Flächenbereitstellung von über fünf Jahr 2040 sollen die Treibhausgasemissio- Jahren 6 muss heute gehandelt werden, da- nen um mindestens 88 Prozent gegenüber mit die bestehenden Hemmnisse noch dem Basisjahr 1990 gesenkt werden 8. Als rechtzeitig beseitigt und der Windenergie- Beitrag der Energiewirtschaft müssen als ausbau zielgemäß stattfinden kann 7. Zwischenziel die zulässigen Jahresemissi- Die vorliegende Würzburger Studie stellt onsmengen in diesem Sektor von 280 Milli- aktuell diskutierte Reformvorschläge für onen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2020 das heutige planungsrechtliche System der auf 108 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent Flächenbereitstellung zusammen, ergänzt im Jahr 2030 absinken 9. sie, ordnet sie ein und bewertet sie insbe- Nach dem derzeitigen § 4 Nr. 1 e) Erneuer- sondere dort, wo Vorschläge sich nicht ge- bare-Energien-Gesetz 2021 (EEG 2021) soll genseitig ergänzen, sondern in einem Al- bis zum Jahr 2030 eine Steigerung der in- ternativitätsverhältnis zueinander stehen. stallierten Leistung von Windenergieanla- Die Reformvorschläge zielen darauf ab, die gen an Land auf 71 Gigawatt (GW) stattfin- Flächenbereitstellung zu beschleunigen, den. Laut verschiedener Szenarien dürfte die Planungen rechtssicherer zu machen dagegen für das Erreichen der Klima- und einen Umfang an Flächenausweisun- schutzziele ein Ausbau auf 80-120 GW in- gen zu gewährleisten, wie er erforderlich stallierte Leistung erforderlich sein 10. ist, um die Windausbauziele zu erreichen. Dadurch soll eine Stromerzeugung von 140- Für vertiefte Analysen einzelner Vorschläge 145 Terrawattstunden pro Jahr erreicht samt umfänglichen Nachweis der einschlä- gigen Literatur und Rechtsprechung wird auf vorhandene eigene Untersuchungen verwiesen. 3 6 SRU, Klimaschutz braucht Rückenwind: Für einen Aktuell ca. 5-7 Jahre im Falle von Gesamtfortschrei- konsequenten Ausbau der Windenergie an Land, Stel- bungen, 5,3 Jahre im Falle von sachlichen Teilfort- lungnahme, Februar 2022, S. 12. schreibungen, siehe BMI, Riedl/Materne/Hage, Pla- 4 Bons/Pape u.a., Analyse der kurz- und mittelfristigen nungsbeschleunigung, MORO Informationen Nr. 20/1, Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienut- 2021, S. 13, 17. 7 zung an Land, UBA, Climate Change 38/2019, S. 146 ff.; Vgl. BMWK, Eröffnungsbilanz Klimaschutz, 2022, siehe auch zu aktuellen Untersuchungsergebnissen Kernaussage Nr. 4 sowie S. 3. https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima- 8 Vgl. Scheuing/Müller, Die Koordination von Klima- energie/erneuerbare-energien/windenergie-an- schutzzielen: Analyse des Klimaschutzgesetzes und der land#flaeche. Maßnahmengesetze am Beispiel des EEG, UBA, Cli- 5 Danach sollen bei einem erwarteten Strombedarf im mate Change 64/2021, S. 20 f. Jahr 2030 von 680-750 TWh 80 % aus erneuerbaren 9 Anlage 2 zu § 4 KSG. Energien gewonnen werden. Idealerweise soll zudem 10 der Kohleausstieg bereits bis 2030 gelingen, vgl. Vgl. Prognos/Öko-Institut/Wuppertal Institut für SPD/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/FDP, Mehr Fortschritt Klima, Umwelt, Energie, Klimaneutrales Deutschland wagen, Koalitionsvertrag 2021 – 2025, 2021, im Weite- 2045, 2021, S. 31 f.; Fraunhofer ISE, Wege zu einem kli- ren: Koalitionsvertrag 2021, S. 56; BMWK, Eröffnungsbi- maneutralen Energiesystem 2050, Update unter einer lanz Klimaschutz, 2022, S. 14. Zielvorgabe von 65% CO2-Reduktion in 2030 und 100% in 2050, 2020, S. 5, 11 f.
2 Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen werden 11. In der Eröffnungsbilanz des Bun- 2030 mindestens eine Ziellücke von 600- desministeriums für Wirtschaft und Klima- 1000 km2 18. Damit bis zum Jahr 2030 die schutz (BMWK) wurde nunmehr ein Aus- notwendige Anzahl an Windenergieanla- bauziel für die Windenergie von 100 GW in- gen realisiert ist, müsste die Ausweisung stallierter Leistung aus dem Koalitionsver- zusätzlicher Flächen zeitnah auf Grundlage trag abgeleitet 12. Da zu dieser Zielformulie- eines reformierten Rechtsrahmens in An- rung die im EEG enthaltenen jährlichen griff genommen werden, da die notwendi- Ausschreibungsmengen im Zeitraum bis gen Planungs-, Projektierungs-, Genehmi- 2028 von durchschnittlich 3,9 GW noch gungs- und Realisierungsphasen andern- nicht passen, Studien vielmehr einen jährli- falls nicht rechtzeitig abgeschlossen wer- chen Zubau zwischen 4,5-8,4 GW für erfor- den können 19. Die neue Bundesregierung derlich halten 13, wurde eine Erhöhung der hat angekündigt, hierfür erforderliche Maß- Ausschreibungsmengen im EEG 2021 be- nahmen noch im ersten Halbjahr 2022 an- reits für Frühjahr 2022 durch die neue Bun- zustoßen 20. desregierung ins Auge gefasst 14. Aktuell ist der Windenergieausbau von die- sem Pfad jedoch deutlich entfernt. Wäh- II. Anforderungen an ein System der rend der Zubau in den Jahren 2014-2018 im Flächenbereitstellung für die Durchschnitt noch bei 4185 Megawatt (MW) brutto lag, ist er in den letzten Jahren auf Windenergie unter 1000 MW (2019) bzw. unter 1500 MW (2020) zurückgegangen 15, und erholt sich bislang nur langsam 16, ohne zu den Größen- Überblick ordnungen der Vergangenheit zurückzu- kehren. Als ein Grund für den gegenwärtig ▶ Planerische Untätigkeit darf auch stockenden Ausbau wird u. a. auch ein weiterhin keine Option zur Verhinde- Mangel an Flächen identifiziert, auf denen rung von Standorten sein. Windenergieanlagen planungsrechtlich zu- ▶ Klageanreize für Windenergiegegner lassungsfähig sind. Mittelfristig reichen die müssen weiterhin vermieden wer- gegenwärtig ausgewiesenen und in Plan- den. entwürfen vorhandenen Flächen für die Windenergie im Umfang von 0,9 Prozent ▶ Erforderliche Flächenmengen sind der Gesamtfläche Deutschlands nicht zur bereitzustellen. Umsetzung des notwendigen Zubaus aus 17. ▶ Eine ausreichende Flächeneignung Wegen Beschränkungen der Nutzbarkeit ist zu gewährleisten. auch der bereits ausgewiesenen Flächen und weiterer Gründe besteht für das Jahr 11 17 Zur Herleitung der Sektorenziele sowie das daraus Bons/Pape u.a., Analyse der kurz- und mittelfristigen abgeleitete Zielmodell für den Ausbau erneuerbarer Verfügbarkeit von Flächen für die Windenergienut- Energien, Scheuing/Müller, Die Koordination von Kli- zung an Land, UBA, Climate Change 38/2019, S. 146 ff.; maschutzzielen: Analyse des Klimaschutzgesetzes und siehe auch zu aktuellen Untersuchungsergebnissen der Maßnahmengesetze am Beispiel des EEG, UBA Cli- https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima- mate Change 64/2021, S. 24 f. energie/erneuerbare-energien/windenergie-an- 12 BMWK, Eröffnungsbilanz Klimaschutz, 2022, S. 14. land#flaeche sowie BMWK, Eröffnungsbilanz Klima- 13 schutz, 2022, S. 14. Von durchschnittlich 4,5 GW gehen aus Prog- 18 nos/Öko-Institut/Wuppertal Institut für Klima, Klima- Vgl. Bericht des Bund-Länder-Kooperationsausschus- neutrales Deutschland 2045, 2021, S. 31; von 7,4 – 8,4 ses zum Stand des Ausbaus der erneuerbaren Ener- GW geht aus Fraunhofer ISE, Wege zu einem klima- gien sowie zu Flächen, Planungen und Genehmigun- neutralen Energiesystem 2050 – Update unter einer gen für die Windenergie an Land an die Bundesregie- Zielvorgabe von 65 % CO2-Reduktion in 2030 und 100% rung gemäß § 98 EEG 2021, Berichtsjahr 2021, 22.10.2021, in 2050, S. 5, 12. S. 47. 19 14 BMWK, Eröffnungsbilanz Klimaschutz, 2022, S. 36. Zum zeitlichen Bedarf der Planungsphasen, siehe die 15 Aufschlüsselung in BMI, Riedl/Materne/Hage, Pla- FA-Wind, Quentin, Ausbausituation der Windenergie nungsbeschleunigung, MORO Informationen Nr. 20/1, an Land im Jahr 2020, 2021, S. 5. 2021, S. 13 ff.; zum zeitlichen Bedarf der Zulassung von 16 FA-Wind, Quentin, Ausbausituation der Windenergie Windenergieanlagen FA-Wind, Pietrowicz/Quentin, an Land im 1. Halbjahr 2021, 2021, S. 4; vgl. auch BMWK, Dauer und Kosten des Planungs- und Genehmigungs- Eröffnungsbilanz Klimaschutz, 2022, S. 13. prozesses von Windenergieanlagen an Land, 2015. 20 Koalitionsvertrag, 2021, S. 57.
3 ▶ Der hohe politische Steuerungsan- Ausgestaltung hat zugleich zur Folge, dass spruch muss erfüllt werden. auch erfolgreiche Klagen gegen Konzentra- tionszonenplanungen – jedenfalls für sich ▶ Komplexität und Planungsaufwand genommen 23 – nicht zu einer räumlichen sind zu minimieren. Beschränkung der Zulässigkeit von Wind- ▶ Die Gerichtsfestigkeit von Plänen energievorhaben, sondern zur Wiederher- muss gestärkt werden – Planungs- stellung der Privilegierungswirkung im ge- fehler dürfen möglichst nicht zu Las- samten Außenbereich führt. Ein Anreiz für ten des Windenergieausbaus gehen. Klagen gegen entsprechende Planungen mit dem Ziel, den Windenergieausbau zu verhindern, wird so vermieden. Ein System der planerischen Flächenbereit- stellung 21 muss verschiedenen Anforderun- In quantitativer Hinsicht muss das Pla- gen genügen. Bei einer Reform des gegen- nungssystem zudem einen ausreichenden wärtigen Rechtsrahmens geht es zunächst Umfang der ausgewiesenen Flächen ge- darum, positive Eigenschaften des beste- währleisten. Ausreichend ist der Umfang henden Systems zu bewahren und die Vo- der Flächen dann, wenn dieser – entspre- raussetzungen für eine quantitativ wie qua- chend der Zielvorgaben – die Realisierung litativ ausreichende sowie rechtzeitige Flä- von hinreichend vielen Windenergieanla- chenausweisung dort zu schaffen, wo bis- gen mit den erforderlichen Leistungsmerk- lang Defizite bestehen. malen zulässt. Für die Bestimmung der notwendigen Flächenmenge ist dabei nicht Unter den zu bewahrenden Eigenschaften allein darauf abzustellen, auf wie vielen Flä- des gegenwärtigen Systems ist insbeson- chen letztlich Windenergieanlagen betrie- dere der Umstand zu nennen, dass planeri- ben werden müssen. Vielmehr sind bereits sche Untätigkeit nach dem gegenwärtigen hier nie ganz zu vermeidende Mängel der Rechtsrahmen keine Option darstellt, um Flächeneignung einzupreisen. Demgegen- den Windenergieausbau zu blockieren. Er- über kann das Erfordernis, stets nicht nur reicht wird dies nach der geltenden Rechts- gerade genug, sondern so viele Flächen lage dadurch, dass der rechtliche „Normal- verfügbar zu haben, dass ein ausreichender fall“ die Privilegierung der Windenergie im Wettbewerb in den Ausschreibungsverfah- gesamten Außenbereich nach § 35 Abs. 1 ren nach dem Erneuerbare-Energien-Ge- Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) ist und sich setz gestaltet werden kann, allenfalls von diese Privilegierung nur unter Beachtung untergeordneter Bedeutung sein 24. Inso- hoher Anforderungen auf bestimmte Flä- weit erscheint schon fraglich, inwieweit al- chen konzentrieren lässt (sog. Konzentrati- lein zu diesem Zweck die Ausweisung wei- onszonenplanung) 22. Planungsträger sind terer Flächen gerechtfertigt werden kann. durch diese Konzeption gezwungen, kon- struktiv planerisch tätig zu werden, wenn Um das Maß notwendiger Flächen zu be- sie den Ausbau der Windenergie steuern grenzen, muss die Eignung der ausgewie- wollen. Unterbleibt dies, kann der Wind- senen Flächen so weit wie möglich sicher- energieausbau gleichwohl auf Grundlage gestellt werden. Untersuchungen zeigen, der allgemeinen Außenbereichsprivilegie- dass von den zuletzt ausgewiesenen Flä- rung im Rahmen der planersetzenden Re- chen ein größerer Anteil letztlich nicht ge- gelung des § 35 BauGB stattfinden. Diese nutzt werden konnte 25, was hier einen 21 24 Mit Flächenbereitstellung ist vorliegend das Herbei- Vgl. Mitteilung der Kommission vom 27.01.2022 führen der planungsrechtlichen Voraussetzungen für C(2022) 481 final, Leitlinien für staatliche Klima-, Um- die Zulassung von Windenergieanlagen gemeint. Dies weltschutz- und Energiebeihilfen 2022, Ziff. 107 a) zur geht über die bloße Flächensicherung hinaus, die al- Rechtfertigung von Ausnahmen von der Verpflichtung, lein verhindert, dass auf Flächen Nutzungen stattfin- die Beihilfen auf der Grundlage einer Ausschreibung den, die mit Windenergienutzungen nicht vereinbar zu gewähren. wären. 25 Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass ca. 30 % der 22 Hierzu sogleich ausführlicher unter A. III. 1. zwischen 2016 und 2020 auf Flächen geplanten Leis- 23 Im Einzelfall kann eine Beschränkung aber von ggf. tung nicht umgesetzt werden konnte, siehe UBA, vorhandenen Planungen auf Flächennutzungsplane- https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima- bene ausgehen. Zur Problematik von Ausbaumorato- energie/erneuerbare-energien/windenergie-an- rien und Plansicherungsinstrumenten siehe unten un- land#flaeche; Bericht des Bund-Länder-Kooperations- ter B. III. 3. sowie C. IV. ausschusses zum Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie zu Flächen, Planungen und
4 Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen Handlungsbedarf nahelegt. Zu beachten gleichzeitiger Steigerung der Rechtssicher- wird bei der Adressierung dessen allerdings heit und damit auch Gerichtsfestigkeit der nicht nur sein, dass dieses Problem in vie- Planungen zu erreichen. Hierfür ist es nicht len Fällen nur durch Veränderungen im Zu- nur nötig, deren Fehleranfälligkeit zu be- lassungsrecht – namentlich eine erhöhte schränken, sondern auch den Umgang mit Durchsetzungsfähigkeit von Windenergie- gleichwohl möglichen Fehlern so zu verän- nutzungen gegenüber anderen öffentli- dern, dass diese nicht zu langwierigen Be- chen Belangen – und nicht bereits auf Pla- schränkungen des Windenergieausbaus in nungsebene gelöst werden kann 26. Soweit den betroffenen Plangebieten führen. das Problem auf Planungsebene adressier- Wie diese verschiedenen Anforderungen bar ist, muss zudem berücksichtigt werden, miteinander in Einklang und in Ausgleich dass eine verstärkte Prüfung der Flächen- gebracht werden, stellt in erster Linie eine eignung auf Planungsebene fast zwingend politische Frage dar. Die nachfolgenden zu einer Erhöhung des Planungsaufwands Ausführungen gehen davon aus, dass der und damit letztlich auch zu einer Verlänge- bislang formulierte Steuerungsanspruch rung der Planungsverfahren führt, so dass aufrecht erhalten bleibt und weiterhin eine hier letztlich eine Optimierung gegenläufi- Konzentration des Windenergieausbaus in ger Ziele erforderlich ist. bestimmten Gebieten angestrebt wird. In qualitativer Hinsicht genügt es zudem Würde der Steuerungsanspruch ganz oder nicht, wenn die ausgewiesenen Flächen auch nur teilweise aufgegeben, eröffnete nur geeignet sind. Der mit den Konzentrati- dies zahlreiche Möglichkeiten, die Pla- onszonenplanungen verfolgte Steuerungs- nungsverfahren weitergehend als hier dar- anspruch geht vielmehr dahin, dass der gestellt zu vereinfachen und zu beschleuni- Ausbau auf den geeignetsten Flächen gen 27. stattfinden soll, das heißt auf denjenigen, auf denen Windenergienutzungen andere Raumnutzungen wie das Wohnen und die III. Aktuelle Rechts- und Landwirtschaft sowie Raumfunktionen wie die Erholungsfunktion oder die Bedeutung Problemlage sowie des Raums für Natur- und Artenschutz Handlungsoptionen des möglichst wenig beeinträchtigen und zu- dem aufgrund der Windverhältnisse eine Gesetzgebers im Überblick Nutzung auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Auch an diesem hohen Steuerungsan- spruch sind Planungen in der Vergangen- 1. Aktuelle Rechts- und Problemlage im heit vielfach gescheitert, da er mit entspre- Überblick chend hohen Rechtfertigungsanforderun- gen der Rechtsprechung an die Flächen- Das gegenwärtige System der Flächenbe- auswahl einherging. Es stellt eine erhebli- reitstellung für die Windenergie funktio- che Herausforderung dar, diesen Steue- niert im Wesentlichen über das sog. Au- rungsanspruch mit den quantitativen und ßenbereichsregime des § 35 BauGB. Der zeitlichen Anforderungen des Windener- Bebauungsplanung kommt demgegen- gieausbaus in Einklang zu bringen. über nur eine untergeordnete Bedeutung zu 28. In aller Regel vollzieht sich der Ausbau Gleichzeitig müssen neben der Erfüllung im planerischen Außenbereich. § 35 BauGB des vorgenannten Steuerungsanspruchs umfasst in Absatz 1 Nr. 5 sowie Absatz 3 S. 1 nämlich Komplexität und Aufwand der Ver- sowohl eine gesetzgeberische planerset- fahren zur Flächenausweisung erheblich zende Regelung, welche für sich stehen reduziert werden. Ziel muss es sein, eine kann und einen Ausbau der Windenergie Verkürzung der Verfahrensdauer bei 27 Genehmigungen für die Windenergie an Land an die Zu einem in diese Richtung gehenden Vorschlag Bundesregierung gemäß § 98 EEG 2021, Berichtsjahr siehe unter C. I. 2. 2021, 22.10.2021, S. 23. 28 FA-Wind, Pietrowicz/Quentin, Dauer und Kosten des 26 Vgl. zu Überlegungen in diese Richtung Schmidt/Sai- Planungs- und Genehmigungsprozesses von Wind- ler, Reformansätze im Genehmigungsrecht von Wind- energieanlagen an Land, 2015, S. 23. energieanlagen, Würzburger Studien zum Umwelte- nergierecht Nr. 25, Januar 2022, S. 18 ff.
5 ermöglicht. Daneben enthält sie aber mit Instrument der sog. Konzentrationszonen- dem Planvorbehalt des Absatz 3 Satz 3 zu- planung geschaffen 31. Mit deren Hilfe kann gleich die zentrale Regelung der sog. Kon- die Privilegierungswirkung des § 35 Abs. 1 zentrationszonenplanung, mittels derer Nr. 5 BauGB letztlich auf bestimmte Berei- sich die räumliche Wirkung der Privilegie- che im Plangebiet konzentriert und solche rung der Windenergie weitergehend steu- Vorhaben im übrigen Plangebiet gleichzei- ern und insbesondere räumlich konzentrie- tig ausgeschlossen werden. ren lässt. Diese Steuerung der Standorte mittels Kon- Aus der Privilegierung der Windenergie zentrationszonenplanungen kann von Ge- nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB folgt im Aus- setzes wegen gem. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB gangspunkt, dass jede Windenergieanlage sowohl auf Flächennutzungsplanebene im Außenbereich planungsrechtlich zulas- (Gemeindeebene) als auch auf Raumord- sungsfähig ist, sofern ihr nicht im Einzelfall nungsebene (Landes- und Regionalebene) ein öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 S. 1 vorgenommen werden. Wird sie auf Raum- BauGB (Naturschutz, Denkmalschutz etc.) ordnungsebene als abschließende Planung entgegensteht. Davon ist aber nicht schon betrieben 32, haben die Kommunen schon dann auszugehen, wenn einer der in § 35 heute nur sehr wenig bei den Fragen des Abs. 3 S. 1 BauGB genannten öffentlichen „Ob“, des „Wieviel“ oder auch des „Wo“ ei- Belange nur beeinträchtigt wird. Der be- ner Flächenausweisung im jeweiligen Plan- troffene Belang muss vielmehr in Abwä- gebiet mitzubestimmen. Während in den gung mit dem Realisierungsinteresse an Flächenbundesländern der Windenergieanlage im konkreten Fall ▶ Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklen- höher zu gewichten sein und dieser der Zu- burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- lassung der Windenergieanlage im so ver- Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen standenen Sinne entgegenstehen 29. und Teilen von Niedersachsen Bereits auf Grundlage dieser Regelung, die auf Ebene der Regionalplanung eine solche eine vorhabenbezogene Prüfung im Einzel- abschließende Steuerung mit Ausschluss- fall und damit eine primär kleinräumige wirkung stattfindet, werden auf dieser Koordinierung von Windenergievorhaben Ebene in mit öffentlichen Belangen ermöglicht 30, können Windenergievorhaben planerisch ▶ Baden-Württemberg, Teilen von Nord- zugelassen werden. Eine gewisse Steue- rhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem rungswirkung wird so durchaus erreicht, Saarland und den übrigen Teilen von Nie- eine Koordinierung des Windenergieaus- dersachsen baus bleibt jedoch unvollständig. Insbeson- nur bestimmte Mindestgebiete für die dere eine Konzentration der Vorhaben in Windenergienutzung ausgewiesen. In die- bestimmten Bereichen lässt sich auf der sen Ländern verbleibt die abschließende Grundlage der gegenwärtigen Privilegie- Steuerung bei den Kommunen Diese ent- rung nicht erreichen. scheiden mithin über die Ausweisung zu- Zur Wahrung der Steuerungsinteressen der sätzlicher Flächen für die Windenergie und Kommunen, aber auch der übergeordneten treffen die Entscheidung über das Herbei- Ebenen hat der Gesetzgeber deshalb be- führen einer Ausschlusswirkung jenseits reits 1996, gleichzeitig mit Einführung der der raumordnerisch vorgegebenen Min- Außenbereichsprivilegierung von Wind- destgebietsausweisungen. energievorhaben, den sog. Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und damit das 29 Siehe nur Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzber- Funktionswandel der Privilegierung und Perspektiven ger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 68. planerischer Steuerung, ZfBR 2015, S. 224 (228). 30 32 Vgl. Münkler, Ansiedlungssteuerung im Außenbe- Abschließend meint hier, dass das gesamte Plange- reich, VerwArch 2015, S. 475 (477, 492) sowie Bruns/Fut- biet einer „Schwarz-Weiß-Planung“ unterzogen und terlieb/Wenzel u. a., Instrumente für eine verbesserte vollständig in Bereiche eingeteilt wird, in denen Wind- räumliche Steuerung der Stromerzeugung aus erneu- energievorhaben vorgesehen werden (regelmäßig we- erbaren Energien, 2016, S. 42. niger als 2 % des Plangebietes) und solche, in denen sie 31 Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs vom ausgeschlossen sind (regelmäßig mehr als 98 % des 30.07.1996, BGBl I, S. 1189 sowie hierzu Kümper, Zur Pri- Plangebietes). vilegierung erneuerbarer Energien in § 35 Abs. 1 BauGB:
6 Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen Aus Gründen im Zusammenhang mit der auf die Bundesziele ausreichenden Flä- planerischen Abwägung und um zu verhin- chenausweisung hat dies jedoch bislang dern, dass Konzentrationszonenplanungen nicht geführt. als Instrument zur Verhinderung von Wind- Auch an die Eignung der ausgewiesenen energieanlagen genutzt werden, hat das Flächen werden bereits heute Anforderun- Bundesverwaltungsgericht an die Herbei- gen gestellt. Nach der Rechtsprechung führung der Ausschlusswirkung von Kon- muss gewährleistet werden, dass sich die zentrationszonenplanungen strenge Anfor- Windenergie auf diesen Flächen regelmä- derungen formuliert 33. Insbesondere muss ßig und nicht nur im Einzelfall durchsetzen danach ein schlüssiges gesamträumliches kann. Dies ist zugleich Voraussetzung für Planungskonzept aufgestellt werden, in die Rechtfertigung des Ausschlusses von dessen Rahmen nicht nur begründet wird, Windenergienutzungen im übrigen Plan- warum bestimmte Flächen für die Wind- gebiet 38. Eine Pflicht, die am besten geeig- energie ausgewiesen werden. Vielmehr neten Flächen für die Windenergie auszu- muss auch der Ausschluss aller anderen weisen, geht damit aber nicht einher 39. Un- Flächen, der sog. harten Tabuzonen sowie tersuchungen zeigen, dass trotz dieser An- letztlich nicht ausgewiesener Potenzialflä- forderungen ein nicht geringer Anteil der chen 34, gerechtfertigt werden. Dieser Aus- ausgewiesenen Flächen aus verschiedenen schluss ist zudem nur dann zulässig, wenn Gründen dauerhaft nicht genutzt werden der Windenergie insgesamt substanziell kann 40. Raum verschafft wird (sog. Substanzgebot). Eine Mengenvorgabe, die an die Ausbau- Die Verfahren von Konzentrationszonenpla- ziele für die Windenergie rückgekoppelt ist, nungen sind nicht zuletzt aufgrund der an liegt hierin jedoch nicht 35. Das Substanzge- sie gerichteten rechtlichen Anforderungen bot ist vielmehr stark von den jeweiligen äußerst zeitaufwändig. Die zumeist als sonstigen Nutzungen und Raumfunktionen sachliche Teilfortschreibungen zustande im Plangebiet abhängig und wurde in der kommenden Planungen dauern aktuell im Vergangenheit vielfach bereits dann als er- Durchschnitt 5,3 Jahre 41. Trotz des nicht nur füllt angesehen, wenn in Plangebieten ca. zeitlich hohen Planungsaufwands weisen ein Prozent der Fläche oder gar weniger für zahlreiche Pläne formelle und/oder inhaltli- die Windenergie ausgewiesen wurde 36. An- che Fehler auf 42. Insbesondere die Unter- derweitige quantitative Vorgaben für die scheidung harter und weicher Tabuzonen Flächenausweisung finden sich im Bundes- bereitet Schwierigkeiten. Die entspre- recht nicht. In einzelnen Ländern sind sol- chende Anforderung der in Teilen unein- che zwar vorhanden 37. Zu einer mit Blick heitlichen Rechtsprechung ist erheblicher Kritik ausgesetzt 43. Viele Pläne werden vor 33 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 – 4 C 15/01; Rn. 59; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.09.2010 – 2 A BVerwG, Beschl. v. 15.09.2009 – 4 BN 25/09; BVerwG, 5.10, juris Rn. 35; Gatz, Die planerische Steuerung der Urt. v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11. Windenergienutzung in der Regional- und Flächen- 34 Vgl. zur Unterscheidung harter Tabuzonen einerseits nutzungsplanung, DVBl 2017, S. 461 (467). 39 und Potenzialflächen andererseits Gatz, Die planeri- OVG Koblenz, Urt. v. 26.05.2021 – 8 C 11151/20, juris Rn. sche Steuerung der Windenergienutzung in der Regio- 146; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.03.2018 – 12 KN 38/17, juris nal- und Flächennutzungsplanung, DVBl 2017, S. 461 Rn. 76; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- (461 f.). und Gerichtspraxis, 3. Aufl. 2019, Rn. 105. 35 Siehe hierzu unten unter B. I. und ausführlich bei 40 Siehe bereits oben unter Fn. 25. Wegner, Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfällig- 41 Siehe bereits oben unter Fn. 6. keit und des Aufwands von Konzentrationszonenpla- 42 nungen, 2021, S. 20 f. Zu der Fehlerquelle der Unterscheidung harter und 36 weicher Tabuzonen siehe noch unten unter C. II. 3 a) Vgl. die Nachweise bei Bruns/Futterlieb/Wenzel u. a., und b).) siehe Wegner, Fehlerquellen von Windkon- Instrumente für eine verbesserte räumliche Steuerung zentrationszonenplanungen, Würzburger Berichte der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, 2016, zum Umweltenergierecht Nr. 14 vom 07.09.2015 sowie S. 54. das Update in Würzburger Berichte zum Umweltener- 37 Vgl. die Übersicht in der Stellungnahme der FA-Wind gierecht Nr. 37 vom 14.12.2018 und Wegner, Ansätze zur vom 25.01.2019 zum „Fragenkatalog der Koalitions-AG Begrenzung der Fehleranfälligkeit und des Aufwands Akzeptanz/Energiewende“, S. 3 f., abrufbar unter von Konzentrationszonenplanungen, Würzburger Stu- FA_Wind_Stellungnahme_AGAkzeptanz_25012019.pdf dien zum Umweltenergierecht Nr. 22 vom 04.08.2021 (fachagentur-windenergie.de). jeweils mit Verweis auf weitere Untersuchungen. 38 43 OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 06.2016 – 12 KN 64/14, juris Statt vieler Tyczewski, Konzentrationszonen für Rn. 85; OVG Schleswig, Urt. v. 20.01.2015 – 1 KN 7/13, juris Windenergieanlagen rechtssicher planen – Illusion
7 Gericht angegriffen und schließlich jeden- Bundesländern sind hier nur die augen- falls hinsichtlich ihrer Ausschlusswirkung scheinlichsten Beispiele. aufgehoben 44. Um einen Rückfall auf den rechtlichen Ausgangszustand der privile- gierten Zulässigkeit von Windenergieanla- 2. Handlungsoptionen des Gesetzgebers gen im gesamten Außenbereich zu verhin- im Überblick dern, werden von den Planungsträgern in solchen Fällen vielfach erneut Planungsver- In der fachlichen Diskussion zur Stärkung fahren begonnen. Zur zwischenzeitlichen der Flächenbereitstellung werden verschie- Sicherung der neuen Planung werden dene Handlungsoptionen des Gesetzgebers dann landesrechtlich sog. Windenergiemo- diskutiert, um die vorstehend skizzierten ratorien 45 erlassen oder es wird ein zwi- Hemmnisse für eine ausreichende Flächen- schenzeitlicher Ausbau außerhalb der künf- bereitstellung zu minimieren oder zu besei- tigen Flächenkulisse mittels der (auch) tigen und damit den oben beschriebenen bundesrechtlich geregelten sog. Plansiche- Anforderungen an ein System der Flächen- rungsinstrumente verhindert. Praktisch bereitstellung für die Windenergie 47 zu ent- kann dies in den betroffenen Plangebieten sprechen. Zur Gewährleistung einer ausrei- zu einem Jahre währenden Ausbaustopp chenden Flächenbereitstellung bei gleich- führen. zeitig verbesserter Koordination der Stand- orte liegen verschiedene Vorschläge für die Neben diesen grundlegenden Schwierig- Schaffung bundesrechtlicher Mengenvor- keiten bei der Handhabung des Instru- gaben vor (dazu unter B.). Wie diese Vorga- ments der Konzentrationszonenplanung ben in Zukunft in konkrete Flächenauswei- bestehen weitere Problemfelder 46: Recht- sungen umgesetzt werden sollen, wird lich umstritten ist nach wie vor, inwieweit ebenfalls kontrovers diskutiert (dazu unter der hohe Aufwand von Konzentrationszo- C.). nenplanungen dann verringert ist, insbe- sondere auf eine erneute Gesamtabwä- Hier stellt sich zunächst die Frage, ob das gung verzichtet werden kann, wenn neben Instrument der Konzentrationszonenpla- einer bereits bestehenden Planung allein nungen überhaupt noch genutzt und hier- zusätzliche Flächen für die Windenergie für lediglich reformiert werden sollte oder ausgewiesen werden sollen. Ungeklärt sind ob es eines Systemwechsels hin zu einer zudem Fragen im Konkurrenzverhältnis räumlichen Steuerung allein auf Grundlage zwischen Flächenausweisungen auf den der Außenbereichsprivilegierung der Wind- Ebenen der Raumordnung einerseits und energie oder einer fachplanerischen Steue- der Bauleitplanung andererseits. Auch ist rung bedarf (dazu unter C. I.). Hält man am die planerische Auswahl der geeignetsten Instrument der Konzentrationszonenpla- Flächen erheblich dadurch erschwert, dass nungen fest, so liegen verschiedene Vor- zahlreiche Flächentypen den Planungsver- schläge vor, wie deren Komplexität und der fahren von vorne herein entzogen, die erforderliche Planungsaufwand reduziert Suchräume der Planer damit erheblich ver- und ihre Gerichtsfestigkeit gesteigert wer- kleinert werden. Der generelle Ausschluss den kann (dazu unter C. II.). zahlreicher Repoweringstandorte aufgrund Selbst wenn die Fehleranfälligkeit von Kon- weitreichender Abstandsregelungen sowie zentrationszonenplanungen bedeutend ge- der vollständige Ausschluss von Windener- senkt wird, müssen Vorkehrungen auch für gienutzung im Wald in verschiedenen die Fälle geschaffen werden, in denen 45 oder Wirklichkeit?, BauR 2014, S. 934 (934); Hend- In Schleswig-Holstein galt ein solches Moratorium ler/Kerkmann, Harte und weiche Tabuzonen: Zur Mi- auf landesrechtlicher Grundlage zwischen 2016 und sere der planerischen Steuerung der Windenergienut- Ende 2020. Es ist dort nach mehrfacher Verlängerung zung, DVBl 2014, S. 1369 (1376). mit Inkrafttreten der neuen Regionalpläne ausgelau- 44 Siehe einerseits BVerwG, Urt. v. 13.12.2018 – 4 CN 3/18, fen. In Brandenburg gilt in Regionen ohne wirksame juris Rn. 29 und hierzu Kerkmann, NVwZ 2019, S. 494 ff. Konzentrationszonenplanung seit Mai 2019 ein ver- und Raschke, Die Reichweite der Statthaftigkeit der gleichbares Moratorium. 46 Normenkontrolle gegen Planungen mit Rechtswirkun- Zusammenfassend Kümper, Perspektiven einer gen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, ZfBR 2019, S. 329 ff. Fachplanung für Windenergieanlagen, DÖV 2021, S. sowie andererseits OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 1056 (1058 f.). 02.03.2021 – OVG 10 A 17.17. 47 Siehe oben unter A. II.
8 Reformansätze zum Planungsrecht von Windenergieanlagen Fehler gleichwohl passieren. Insoweit wer- den spezielle Fehlerfolgenregelungen dis- kutiert, die verhindern, dass gerade prak- tisch relevante Fehler zur Aufhebung ent- sprechender Pläne führen (dazu unter C. III.). Gesetzliche Änderungen werden zu- dem diskutiert um zu verhindern, dass in Fällen, in denen es trotzdem zu Planaufhe- bungen kommt, langwierige Neuaufstel- lungen begleitet von Moratorien und Plan- sicherungsinstrumenten zu erheblichen Verzögerungen des Windenergieausbaus führen (dazu unter C. IV.). Vorschläge existieren vor dem Hintergrund der Komplexität von Konzentrationszonen- planungen zudem für eine rechtssichere Ausgestaltung der Frage, in welchen Fällen unter erleichterten Voraussetzungen zu- sätzliche Flächen für die Windenergie aus- gewiesen werden können, ohne dass hier- für vorhandene Konzentrationszonenpla- nungen aufwendig geändert oder neu vor- genommen werden müssen (dazu unter D.). Schließlich werden Regelungsmöglich- keiten diskutiert, wie die Nutzung von Repoweringstandorten weitergehend als bislang gewährleistet werden kann (dazu unter E.). Da alle betrachteten Instrumente nur sol- che Flächen für die Windenergie ausweisen können, die nicht von Gesetzes wegen pla- nerischen Abwägungsprozessen entzogen sind, werden weiterhin Vorschläge aufge- griffen, wie bestimmte Flächen überhaupt wieder für Planungsprozesse geöffnet wer- den können (dazu unter F.). Abschließend wird zudem auf zentrale Randbedingungen einer erfolgreichen Flächenbereitstellung hingewiesen (dazu unter G) und ein Fazit gezogen (dazu unter H.).
9 B. Verbindliche bundesrechtliche Mengenvorgaben implementieren Zur Steigerung der Flächenbereitstellung ▷ sich in ihrem Umfang an den Aus- auf ein Niveau, das zum Erreichen der Aus- bau- bzw. Klimaschutzzielen von bauziele für die Windenergie geeignet ist, EEG bzw. KSG orientiert, wird vielfach die Einführung bundesrechtli- cher Mengenvorgaben gefordert 48. Im Koa- ▷ für eine stärkere Gleichverteilung litionsvertrag der Ampelparteien ist ihre der Flächenausweisungen zwi- Umsetzung nun ausdrücklich vorgesehen, schen den Ländern sorgt, ohne dass hiermit bereits eine Festlegung ▷ zeitlich abgestuft wird und bei in Detailfragen getroffen scheint 49. Ausbleiben der benötigten Wind- strommengen nachgesteuert wer- den kann, I. Status quo und Reformziele ▷ die Bundesländer und auch die Planungsträger bindet, Überblick ▷ eindeutige mengenmäßige Vorga- ben für die Planungsebene macht Status quo: und die unklare Anforderung des ▶ Fehlen einer echten quantitativen Substanziell-Raum-Schaffens inso- Steuerung der Flächenbereitstellung weit ablöst. im Bundesrecht. ▶ Geltung von Mengenvorgaben allein Der derzeitige bundesrechtliche Rahmen in einzelnen Ländern, die jedoch für die Ausweisung von Flächen für die nicht an die Ausbauziele des Bundes Windenergie umfasst keine bezifferten rückgekoppelt, sondern allein am je- quantitativen Vorgaben für die Länder. Ein- weiligen Ambitionsniveau des Lan- ziges quantitatives Element ist das Gebot, des beim Ausbau der Windenergie der Windenergie substanziell Raum zu orientiert sind. schaffen. Das Planungsergebnis von Kon- zentrationszonenplanungen wird hieran ▶ Erhebliche Unterschiede im Umfang gemessen. Seine Erfüllung ist Vorausset- der Flächenbereitstellung zwischen zung für die Ausschlusswirkung solcher den Ländern in Relation zu den je- Planungen. Das Substanzgebot lässt sich weils vorhandenen Flächenpotenzia- aber weder verallgemeinernd quantifizie- len. ren noch ist es seinem Umfang nach an die Ziele: bundesrechtlichen Ziele für den Windener- gieausbau oder die Klimaschutzziele ge- ▶ Schaffung einer bundesweiten Men- koppelt 50. Laut der Rechtsprechung stellt genvorgabe, die diese Voraussetzung für die Ausschlusswir- kung von Konzentrationszonenplanungen allein eine Grenze zu verbotenen Verhinde- rungsplanungen dar. Wo diese 48 Siehe unter anderem SRU, Klimaschutz braucht Rü- DNR/BUND/DUH/Germanwatch/NABU, Machbar. Er- ckenwind: Für einen konsequenten Ausbau der Wind- neuerbar. Die Energiewende jetzt voranbringen, Au- energie an Land, Stellungnahme, Februar 2022, S. 16 ff.; gust 2021; kritisch dagegen Stellungnahme des Präsidi- Stiftung Klimaneutralität, Wie kann die Verfügbarkeit ums der ARL zur Forderung nach einem Fachrecht für von Flächen für die Windenergie an Land schnell und Windenergieanlagen vom 06.10.2020, Ziff. 3. rechtssicher erhöht werden?, Januar 2021; Agora Ener- 49 Koalitionsvertrag 2021, S. 57. giewende/Agora Verkehrswende/Stiftung Klimaneut- 50 ralität, Das Klimaschutz-Sofortprogramm, August 2021, Wegner, Ansätze zur Begrenzung der Fehleranfällig- S. 15; bdew, Positionspapier, Energiewende ermögli- keit und des Aufwands von Konzentrationszonenpla- chen – 25 Vorschläge für mehr Tempo bei Planung und nungen, Würzburger Studien zum Umweltenergier- Genehmigung, August 2021, S. 16; echt Nr. 22 vom 04.08.2021, S. 20.
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