Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction

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Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
Sortenrein
oder gemischt?
Zur Hybridität
im Holzbau
Monomaterial or Mixed Varieties?
On Hybridity in Timber Construction
Anne Isopp

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Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
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    Wohnbau Esmarchstraße 3 in Berlin | Residential building at Esmarchstraße 3 in Berlin. Planung | Planning:
Kaden Klingbeil Architekten, Statik | Statics: Julius Natterer mit | with Tobias Linse, Berlin, 2008 © Photo: Bernd Borchardt
Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
Angedockte Holzkonstruktion | Timber construction system attached to the core
                                                                                           Holz-Beton-Verbunddecken | Timber-concrete composite ceilings
            In ländlichen Bereichen hat man schon immer mit
Holz gebaut, nun hält der Holzbau auch vermehrt in den
Städten Einzug. Hier wird naturgemäß höher und größer ge-
baut, deshalb bedienen sich ArchitektInnen vermehrt einer
hybriden Bauweise, meist einer Kombination von Holz und
Beton. In vielen Fällen lassen die Brandschutzverordnungen
auch gar nichts anderes zu. Die Frage, ob man diese Hybrid-
bauten überhaupt als Holzbau bezeichnen kann, wird in Fach-
kreisen unterschiedlich beantwortet. Dabei hat die Kombina-
tion mit anderen Materialien das mehrgeschossige Bauen mit
Holz erst salonfähig gemacht. Was heißt es eigentlich, sorten-
rein mit Holz zu bauen und welche Mischungsverhältnisse
sind üblich?
            Was ist ein Holzbau? Oder anders gefragt: ab wann         Betonkern | Concrete core
                                                                  			 Timber construction system attached to the core
                                                                                                                              Holzkonstruktion angedockt |

ist ein Haus ein Holzhaus? Diese Frage ist nicht leicht zu be-
                                                                                                             2
antworten und erhitzt in Diskussionen immer wieder die Ge-
müter. Ein Gebäude, an dem sich diese Diskussion gerne ent-       Tragwerkskonzept des HoHo Wien | Load-bearing concept for HoHo Wien.
                                                                        Planung | Planning: RLP Rüdiger Lainer + Partner Architekten,
zündet, ist das „HoHo Wien“, das derzeit mit seinen 84 Metern                      Statik | Statics: Woschitz Group, 2019 © RLP
als höchstes Holzhaus Österreichs gelistet wird. Die einen sagen:
„Das ist ja kein richtiger Holzbau!“ und argumentieren mit
dem Erschließungskern aus Stahlbeton, den Randträgern aus
Beton und den Holz-Beton-Verbunddecken. Die anderen sagen:
„Ohne eine hybride Bauweise gäbe es dieses Hochhaus nicht!“                     Monomaterialität – Hybrid. Der Tragwerksplaner
und führen an, dass es im Hinblick auf die Erfüllung der Brand-   Konrad Merz stellt sich unserer Frage, ab wann ein Bau ein
und Schallschutzanforderungen durchaus Sinn mache, unter-         Holzbau ist, pragmatisch: „Es gibt eigentlich keinen reinen
schiedliche Materialien miteinander zu kombinieren und dabei      Holzbau. Jedes Gebäude ist ein Hybridbau.“2 Im Grunde gibt
materialimmanente Nachteile zu kompensieren.                      es immer einen mineralischen Keller oder zumindest eine mi-
            Eine Vielzahl an Kriterien wie Ort, Budget, Funk-     neralische Bodenplatte. In dieselbe Kerbe schlägt auch Richard
tion, die individuelle Architektursprache, Gewohnheit und         Woschitz, der mit seinem Team für die Tragwerksplanung des
auch Überzeugung bestimmen, welche Materialien ArchitektIn-       „HoHo Wien“ (Abb. 2) verantwortlich war: „Ich kenne keinen
nen für Konstruktion und Ausbau auswählen. Gewöhnlich             reinen Holzbau. Ich glaube, dass es ideologische Vorurteile sind,
bauen sie im mehrgeschossigen Segment mit Stahlbeton und          die dazu führen, so viel wie möglich in Holz zu machen, auch
Ziegel, der Holzbauanteil ist noch relativ gering, dennoch stei-  in Bereichen, wo andere Baustoffe logischer wären.“3
gend, da die Nachfrage nach nachhaltigem und ressourcenscho-                    Beide sind der Meinung, dass man die Materialen
nendem Bauen zunimmt. Vielleicht gerade wegen dieser öko-         doch dort einsetzen solle, wo sie ihre Stärken haben. Die
logischen Überlegenheit des Holzes als nachwachsender und         Schweizer Holzbauingenieure von Timbatec hingegen versu-
CO2 speichernder Baustoff scheint es, dass für den Holzbau        chen in ihren Bauwerken, soviel Holz wie möglich und nur so-
höhere Maßstäbe angelegt werden als für andere Bauweisen.         viel Stahlbeton wie nötig einzusetzen. Sind die einen nun Prag-
            Ein echtes Holzhaus müsse doch auch von außen als     matiker, die anderen Idealisten? Gerade der Holzbau bietet
solches erkennbar sein, heißt es immer wieder, sprich, es muss    eine große Bandbreite an Bauweisen und Detaillösungen an,
eine Holzfassade haben. Für den Vorarlberger Architekten          dass es nur logisch ist, dass sich darin auch unterschiedliche
Hermann Kaufmann ist diese Forderung nicht nachvollziehbar:       Denkweisen widerspiegeln.
„Für Holz gilt das Gleiche wie für alle anderen Materialien. Ein                Nähern wir uns der Eingangsfrage daher wissen-
Gebäude zeigt in der Regel nicht, aus welchen Materialien es      schaftlich: In der Studie „Holzbauanteil in Österreich“, die
gebaut ist. So hat ein Haus, das konstruktiv aus Beton besteht,   Alfred Teischinger, Robert Stingl und Marie Louise Zukal von
in der Regel auch keine Sichtbetonfassade oder ein Ziegelbau      der Universität für Bodenkultur in Wien für proholz Austria
keine Sichtziegelfassade. Es gibt Situationen, in denen naturbe-  erstellten, schreiben sie, dass der Begriff des Holzbaus in den
lassenes Holz als Haut die einzige richtige Antwort ist. Ebenso
gibt es Umgebungen, in die das nicht passen würde.“1 Es geht
					                                                                    1 Isopp, Anne: ‚Gespräch mit Architekt Hermann Kaufmann“, in: B&O
aber  auch anders herum. Soll einem Stahlbetonhaus ein wär-
    					Gruppe                                                                       (Hg.): Wie wir heute für die Welt von morgen bauen,
    					 Bad Aibling 2020, 20–21.
meres   und nachhaltigeres Erscheinungsbild gegeben werden,
wird es gerne mit einer Holzfassade verkleidet. Was hinter
					                                                                    2 Merz, Konrad im persönlichen Gespräch, September 2020.
der
					Fassade liegt, ist oft schwer zu erkennen.                          3 Kaiser, Gabriele: ‚Gespräch mit Richard Woschitz über das Konstruk-
   					 tionsprinzip des HoHo Wien“, in: Cetus Baudevelopment GmbH (Hg.):
   					HoHo Wien, Wien 2019, 73.

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Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
Wood has always served as a building material in
rural areas, but timber construction is now starting to make in-
roads into cities. In this setting, structures are naturally built              from the Vorarlberg region of Austria, however, finds this as-
bigger and higher, which is why architects are increasingly us-                 sumption illogical: “Wood is no different than any other mate-
ing hybrid construction methods, often a combination of wood                    rial. A building rarely shows its structural materials. For in-
and concrete. In many cases, fire codes permit no other op-                     stance, a house with a structural core of concrete will not usu-
tions. The question of whether such hybrid designs can even                     ally have an exposed concrete façade, nor will a brick building
be deemed timber construction is addressed by specialists in                    have an exposed brick façade. There are situations in which a
different ways. In fact, combining wood with other materials                    skin of natural wood is the only right answer, but there are also
has made multistory timber construction acceptable in the first                 environs where this would not be appropriate.”1 Indeed, it also
place. What does all-timber construction actually involve? And                  works the other way around. If a reinforced-concrete building
which blending ratios are common?                                               is to be given a warmer and more sustainable appearance, then
             What is a timber construction? Or to phrase it dif-                it is often clad with a wood façade. It really is hard to determine
ferently: When does a structure become a timber building? This                  what lies behind a façade.
question is not easy to answer, and it never fails to cause heated
discussions. A building that frequently ignites such discourse is                           Monomateriality: The Hybrid. The structural engi-
HoHo Wien, which at a height of 84 meters is currently listed as                neer Konrad Merz has taken a pragmatic approach to address-
the tallest timber structure in Austria. Some say: “That’s not re-              ing our question of when a building is a timber construction:
ally a timber building!” They pursue this line of argumentation                 “There is really no such thing as an all-timber construction.
due to the building core of reinforced concrete, the edge beams                 Every building is a hybrid.”2 Basically, there is always a mineral
of concrete, and the timber-concrete composite ceilings. Others                 basement or at least always mineral slab foundation. Richard
say: “This high-rise wouldn’t exist without hybrid construction!”               Woschitz, who with his team was responsible for the structural
They argue that, in view of fire safety and sound insulation                    design of HoHo Vienna (fig. 2), also takes the same view: “I have
regulations, it makes perfect sense to combine different mate-                  never encountered an all-timber construction. It seems that
rials in order to compensate for the disadvantages inherent to                  ideological prejudices lead people to use as much wood as
each individual material.                                                       possible, even in areas where other materials would be more
             A variety of criteria—including location, budget,                  logical.”3
function, individual architectural language, habits, and also                               Both are of the opinion that one should employ ma-
beliefs—determine which materials architects choose for con-                    terials in ways that underpin their strengths. The Swiss timber
struction and development. They usually build multistory ar-                    engineers at the company Timbatec, in contrast, try to use as
chitecture, using reinforced concrete and brick; the share of                   much wood as possible in their buildings and only as little re-
timber construction is still relatively low, yet it is rising, as de-           inforced concrete as absolutely necessary. Are the first ones
mand for sustainable and resource-friendly building increases.                  pragmatists and the others idealists? Timber construction in
It seems that higher standards are applied to timber construc-                  particular offers a wide range of building methods and detail
tion than to other building methods, perhaps precisely because                  solutions, so it is only logical that it also reflects different
of this ecological superiority of wood as a renewable and CO2-                  mentalities.
retaining building material.                                                                Let’s take a scientific approach to our initial question.
             A real timber building, it is widely believed, really              In the study “Holzbauanteil in Österreich” (Share of Timber
should be identifiable as such from the outside, meaning that                   Construction in Austria), conducted by Alfred Teischinger,
it must have a wood façade. Hermann Kaufmann, an architect                      Robert Stingl, and Marie Louise Zukal from the University
                                                                                of Natural Resources and Life Sciences in Vienna for proholz
                                                                                Austria, the researchers write that, in most cases, the concept
                                                                                of timber construction is very broadly defined. For example:

					 1 Anne Isopp, “Gespräch mit Architekt Hermann Kaufmann,” in
 					Wie wir heute für die Welt von morgen bauen, ed. B&O Gruppe
 					 (Bad Aibling, 2020), 20–21.

					                                                                                 2   Merz, Konrad in a personal conversation, September 2020.
                                                             Holz | Timber
					   3                                                    Beton | Concrete             Gabriele Kaiser, “Gespräch mit Richard Woschitz über das
 					3                                                                                   Konstruktionsprinzip des HoHo Wien,” in HoHo Wien, ed. Cetus
 					                                                                                    Baudevelopment GmbH (Vienna, 2019), 73.
     Holzhybrid-Variationen | Timber hybrid variations © Anne Isopp

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Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
meisten Fällen sehr allgemein formuliert wird. Zum Beispiel:
„Holzbau = Verwendung von Holz als Baustoff für tragende
Konstruktionen.“ Deshalb konkretisieren sie für ihre Studie                ein siebengeschossiges Holzhaus wie folgt: „Der erste Trag-
die Definition wie folgt: „Gebäude mit einem Holzanteil ab                 werksentwurf ging davon aus, dass das Treppenhaus aus Stahl-
50 Prozent gelten als Holzbauten, wobei nur die statisch tra-              beton und das Wohnhaus aus Holz in einem Gesamtsystem zu-
genden Teile (Wand, Decke, Dach) zur Beurteilung herange-                  sammenwirken. Es zeigte sich jedoch, dass ein Zusammenspiel
zogen wurden. Fundamente und Kellerwände hat man für                       der zwei Konstruktionen nur schwer zu verwirklichen ist.“5
diese Berechnung gleich ausgeschlossen, da diese größtenteils                         Es war in Deutschland der erste höhere Wohnbau
aus Beton und Stahlbeton sind.“4                                           aus Holz, den die Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil
                                                                           für eine Berliner Baulücke entwickelten (Abb. 1). Hinter der
            Welche Formen von Hybridbauten gibt es? Folgen                 weißen Putzfassade versteckt sich ein Holzskelettbau mit Holz-
wir also der Definition, dass nur statisch relevante Bauteile für          Beton-Verbunddecken. Davon etwas abgerückt steht das Trep-
die Definition eines Holzhauses zählen und konzentrieren uns               penhaus in Sichtbeton. Dazwischen eine präzise gesetzte Fuge.
auf die Verbindung von Holz und Beton. Dann gibt es im                     „Die unterschiedlichen Verformungsverhalten der beheizten
Grunde genommen vier unterschiedliche Kombinationsarten,                   Holzkonstruktion und der unbeheizten Stahlbetonkonstruk-
die von einem sehr hohen Holzanteil bis zu einem geringen                  tion […] stellten eine Herausforderung dar. Daher wurden das
reichen. Noch einigermaßen sortenrein geht es zu, wenn ein                 Treppenhaus und das Wohnhaus komplett voneinander ge-
Holzbau auf einem Fundament oder einem Kellergeschoss aus                  trennt. Dies erwies sich als wirtschaftlicher, ‚konstruktiv saube-
Beton errichtet wird. Öfters wird der Holzbau hingegen um                  rer‘ und einfacher in der Ausführung.“6 Im Nachhinein stellen
einen zentralen Treppenhaus- und Liftkern aus Stahlbeton an-               die beiden Tragwerksplaner die Ausgliederung vom Treppen-
geordnet. Im dritten Fall wird der Stahlbetonbau mit Außen-                haus aus Kostengründen aber selbst wieder zur Diskussion.
wänden aus Holz ummantelt, meist mit vorgefertigten Holz-                  Zum damaligen Zeitpunkt war die Trennung für die Lösung
rahmenbauwänden. Bei der vierten Variante gehen die Materia-               der Brandschutzproblematik von zentraler Bedeutung. Zum
lien dann schon eine engere Bindung ein. Neben einem Stahl-                Errichtungszeitpunkt waren hier nur Gebäude mit einem
betonkern wird hier mit hybriden Bauteilen, den Holz-Beton-                Fluchtniveau von maximal 13 Metern in Holzbauweise erlaubt.
Verbunddecken gearbeitet. Die Varianten unterscheiden sich                 Da das Gebäude mit einer Fußbodenhöhe von 19,4 Metern er-
zum einen in ihrem Anteil an Holz und Beton, und zum zwei-                 heblich über der maximal zulässigen Höhe lag, musste ein ge-
ten, wie eng die beiden Materialien miteinander verbunden                  nehmigungsfähiges Brandschutzkonzept mit Zustimmungen
sind. Bei der vierten Variante (Holz-Beton-Verbunddecken) ist              im Einzelfall ausgearbeitet werden. Durch die Trennung von
die Verbindung zwischen den beiden Materialien am engsten.                 Wohnhaus und Treppenhaus ist im Brandfall ein gut belüfte-
Das hat im Hinblick auf Schallschutz und Brandschutz seinen                ter und kurzer Fluchtweg sichergestellt. Etwa zeitgleich mit
Vorteil. Einen späteren Rückbau und die damit verbundene                   Kaden Klingbeil bauten auch Waugh Thistleton Architects
notwendige Trennung der Materialien erschwert diese Variante               in London sogar ein fast 30 Meter hohes Holzhaus. Da die
aber im Vergleich zu den anderen. Für jedes Projekt muss den               Brandschutzbestimmungen in Großbritannien liberaler
jeweiligen Rahmenbedingungen entsprechend ein adäquates                    waren als in Deutschland, errichteten sie über dem Sockel-
Konstruktionssystem und die richtige Materialkombination                   geschoss aus Stahlbeton einen reinen Holzbau, bei dem
gefunden werden. Eine eher ungewöhnliche Kombination                       sogar Treppenhaus und Liftschacht aus Holz sind.
haben Architektur Lischer Partner gemeinsam mit dem Holz-
bauingenieur Pirmin Jung bei einem Ferienhaus im schweizeri-                   Die Holz-Beton-Verbunddecke. Ein hybrides Bau-
schen Vitznau gewählt. Um einen reinen Holzbau herum wur-         teil. „Sieht man von den aus der Römerzeit überlieferten Ver-
de eine Schale aus Ortbeton erstellt, die wie ein schützender     suchen zu zusammengesetzten Holz-Verbundbauteilen ab, so
Vorhang den weichen Kern umschließt.                              wurden die ersten Untersuchungen an Holz-Beton-Verbund-
            Ein Hybrid ist laut Wörterbuch etwas zwitterhaftes,   konstruktionen in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhun-
etwas von zweierlei Herkunft. Betrachtet man den Holz- und        derts durchgeführt“,7 so Stefan Winter, Heinrich Kreuzinger
den Stahlbetonbau näher, erkennt man, dass sich diese nicht
nur in ihrer Materialität unterscheiden, sondern auch in ihren
					                                                                    4 Teischinger, Alfred/Stingl, Robert/Zukal, Marie Louise: ‚Holzbauanteil
Bau-  und Planungsweisen. Der Holzbau zeichnet sich durch
   					                                                                    in Österreich. Statistische Erhebung von Holzbauvorhaben“, in: proholz
   					Austria
seine trockene Bauweise und seinen hohen Vorfertigungsgrad                          (Hg.): att Zuschnitt, Wien 2011, o.S.

aus.
					Wird   bei einer Kombination  mit Beton  vor Ort betoniert,         5 Linse, Tobias/Natterer, Julius: ‚Ein 7-Geschosser (fast) ganz aus Holz.

erhöht  sich durch die Trocknungszeiten und Schalungsarbeiten               Konstruktive Details eines Pilotprojekts“, Bauingenieur 83 (2008), 532.

die Bauzeit. Außerdem ist das Bauen mit Holz wesentlich prä-
					                                                                    6 Ebd.
ziser

      als das Bauen   mit Beton und das jeweilige Setzungsverhal-        7 Winter, Stefan/Kreuzinger, Heinrich/Mestek, Peter: ‚Flächen aus Brett-
ten
    unterschiedlich. So beschreiben die Tragwerksplaner Julius              stapeln, Brettsperrholz und Verbundkonstruktionen“, in: TU München,
   					 Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion (Hg.): Holzbau der Zukunft,
Natterer   und  Tobias Linse den damaligen
   					 Teilprojekt 15, München 2009, 182. Entwurfsprozess   für

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Sortenrein oder gemischt? Zur Hybridität im Holzbau - Monomaterial or Mixed Varieties? On Hybridity in Timber Construction
“timber construction = use of wood as a building material for
load-bearing structures.” Hence, they phrase the definition in
more specific terms for their study: “Buildings with a wood
share of 50 percent or more are considered timber constructions,         period increases due to drying time and formwork. Also, build-
whereby only the statically load-bearing parts (walls, ceiling,          ing with wood is much more precise than building with con-
roof) were considered in this assessment. Foundations and base-          crete, and the respective setting properties are different. The
ment walls were excluded from this calculation, as they are              structural engineers Julius Natterer and Tobias Linse describe
largely made of concrete and reinforced concrete.”4                      their process of having designed a seven-story timber building
                                                                         as follows: “The initial structural design assumed that the stair-
            What Kinds of Hybrid Buildings Exist? So let’s               well made of reinforced concrete and the residential building
concentrate on combining timber and concrete, adhering to the            made of timber would interact in an overall system. As it
definition that only statically relevant structural elements per-        turned out, however, interplay of the two structures is very
tain to the definition of a timber building. There are basically         difficult to achieve.”5
four different types of combinations, ranging from a very high                       The first residential timber building of considerable
share of wood to a low one. First, using a single material still         height in Germany was developed by the architects Tom Kaden
reasonably applies when a timber construction is erected on a            and Tom Klingbeil for a vacant lot in Berlin (fig. 1). Hidden
concrete foundation or basement. Second, more often than not             behind the white plaster façade is a timber-frame construction
the timber construction is arranged around a central reinforced-         with timber-concrete composite ceilings. Somewhat removed
concrete core that houses the stairwell and elevator. In the third       from this is the exposed-concrete stairwell, and there is a pre-
instance, a reinforced-concrete structure is encased in exterior         cisely positioned gap in between. “The deviant deformation
walls made of wood, usually in prefabricated timber-frame walls.         behavior of the heated timber construction and the unheated
In the fourth case, the materials are more closely combined,             reinforced-concrete structure … posed a challenge. It was for
featuring, aside from a reinforced-concrete core, hybrid struc-          this reason that the stairwell and the residential building were
tural elements and timber-concrete composite ceilings. The               erected completely separate from each other. This proved to
variants differ firstly in their share of timber and concrete, and       be more economical, ‘structurally cleaner,’ and easier to carry
secondly in how closely the two materials are connected. In the          out.”6 In retrospect, however, the two structural engineers re-
fourth version (timber-concrete composite ceilings), the connec-         examined their idea of separating the stairwell from the rest of
tion between the two materials is the closest. This has advan-           the building with an eye to cost considerations. During the
tages when it comes to fire safety and sound insulation. How-            planning period, the separation of the two had been of central
ever, this version makes any later dismantling, as well as the un-       importance in addressing fire safety issues. But later, during the
avoidable separation of materials, more difficult as compared to         building period, only structures with a maximum escape level
the others. For each project, the appropriate construction sys-          of 13 meters were permitted in timber constructions. Since the
tem and the right combination of materials must be found and             building, at a floor height of 19.4 meters, was considerably
tailored to the respective framework conditions. The architec-           taller than the maximum permissible height, an approvable fire
tural firm Lischer Partner, together with the timber engineering         safety concept had to be drawn up subject to approval on a
firm Pirmin Jung, arrived at a rather unusual combination for a          case-by-case basis. Separating the stairwell from the residential
vacation home in the Swiss village of Vitznau. A shell of in-situ        building ensures a well-ventilated and short escape route in
concrete was built around an all-timber construction, enclosing          case of fire. Around the same time as Kaden Klingbeil were
the soft core like a protective curtain.                                 developing this building, Waugh Thistleton Architects in
            According to the dictionary, a hybrid is something           London erected an even taller timber structure, nearly 30 meters
hermaphroditic, something of dual origin. If we take a closer            high. Because fire safety regulations in Great Britain were more
look at timber and reinforced-concrete construction, it is clear         liberal than in Germany, they built an all-timber construction
that they differ not only in their materiality, but also in their
					                                                              4 Alfred Teischinger, Robert Stingl, and Marie Louise Zukal, “Holzbauanteil
building  and planning methods. Timber construction is charac-
    					 in Österreich: Statistische Erhebung von Holzbauvorhaben,” in
terized  by its dry building method and its high degree of pre-
    					att                                                             Zuschnitt, ed. proholz Austria (Vienna, 2011), n.p.

fabrication. If the two materials are combined on site, which
					                                                              5 Tobias Linse and Julius Natterer, “Ein 7-Geschosser (fast) ganz aus Holz:
    					 Konstruktive Details eines Pilotprojekts,” Bauingenieur 83 (2008), 532.
involves the pouring of concrete, then the actual construction
					                                                                           6   Ibid.

                                                                  69
und Peter Mestek von der TU München. „Vor allem bedingt
durch den Mangel an Bewehrungsstahl zur Zeit des Zweiten
Weltkrieges wurden alternative Tragkonstruktionen erforscht.    Verbindungen eingeht. Die Kombination unterschiedlicher
So meldete Otto Schaub im Jahre 1939 ein Patent auf Verbund-    Materialien ermöglicht es, auf intelligente Weise materialimma-
decken aus Holzrippen und einer Deckschicht aus Beton an.       nente Nachteile des Holzbaus zu kompensieren. Inzwischen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges rückte das Interesse      gibt es zahlreiche Arten an Verbindungsmitteln und Berech-
an Holz-Beton-Verbundkonstruktionen zunächst wieder in          nungsmethoden. Und nach wie vor ist die Holz-Beton-Ver-
den Hintergrund.“8 In den 1980er-Jahren begann man ver-         bunddecke Thema laufender Forschungsprojekte. So erforscht
schiedene Schubverbindungen und Berechnungsmethoden             zum Beispiel die Woschitz Group gemeinsam mit Wood K plus
zu entwickeln. Bauingenieur Julius Natterer, der von 1978 bis   derzeit unterschiedliche Verbindungstechniken sowie das Ver-
2004 Professor an der Eidgenössisch Technischen Hochschule      halten von einzelnen Klebern und die dazugehörigen Simula-
Lausanne (EPFL) war und dort das Institut für Holzkonstruk-     tionen von Holz-Hybridelementen, um ein reales Verhalten
tionen (Ibois) leitete, trug wesentlich zur Weiterentwicklung   zukünftig schneller vorherzusagen können.
und Verbreitung der Holz-Beton-Verbundkonstruktionen bei.                   Während die einen daran interessiert sind, das Bauen
           Heute ist die Holz-Beton-Verbunddecke aus dem        mit Holz effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten, tendie-
mehrgeschossigen Bauen mit Holz nicht mehr wegzudenken.         ren andere zum sortenreinen, weil noch ökologischerem Bauen:
Dennoch war zu Beginn die Verwunderung groß: „Warum bitte       Das Holzbauingenieurbüro Timbatec, mit drei Standorten in
soll man auf ein trockenes Holz einen nassen Beton geben und    der Schweiz und einem in Wien, hat seine eigene Definition von
damit die Vorteile des Holzbaus, der trockenen Bauweise und     Holzbau: “Ein Holzbau ist erst dann ein richtiger Holzbau,
des hohen Vorfertigungsgrades zunichte machen?“9 Ein ande-      wenn er ohne Beton auskommt.“11 Auf ihrer Webseite ist zu
res Gegenargument lautete: „Warum sollte man zusätzliches       lesen, dass sie seit 2013 konsequent auf Holz-Beton-Verbund-
Gewicht aufbringen, der Holzbau kann das auch alleine – vom     decken verzichten. Sie verwenden stattdessen auf den Holz-
Schallschutz bis hin zum Brandschutz.“10 Inzwischen hat sich    decken elastisch gebundene Splittschüttungen. Begründet
die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Holzdecke, genauso wie    wird dies mit dem ökologischen Vorteil, so wenig Beton wie
die Betondecke, die Anforderungen alleine erfüllen kann, dass   möglich zu verbauen und der Gewichtseinsparung von bis zu
beide in der Kombination aber noch besser sind.                 50 Prozent gegenüber Beton. Ebenso würden sie gerne auch
           Bei einer Holz-Beton-Verbunddecke wird eine Holz-    Treppenhäuser und Liftschächte möglichst ohne Stahl und Be-
platte oder Holzbalken mit einer dünnen Betonplatte kraft-      ton bauen. Deshalb haben sie bei dem erst kürzlich fertiggestell-
schlüssig verbunden. Hierbei übernimmt das Holz die Zug-        ten Wohnbau in Winterthur die gängige Bauweise – erst den
kräfte und der Beton die Druckkräfte. Für den Beton ist weni-   Stahlbetonkern zu errichten und dann den Holzbau – umge-
ger Bewehrung notwendig, im Vergleich zu einer reinen Holz-     dreht. Das Wohnhaus mit 254 Wohnungen, das sich „Krokodil“
decke kommt man mit einer geringeren Konstruktionshöhe aus      nennt, wurde von den Architekten Baumberger & Stegmeier
und die Anforderungen an den Schallschutz und den Brand-        und KilgaPopp gemeinsam mit den Holzbauingenieuren von
schutz sind leichter zu erfüllen. Die Kombination ermöglicht    Timbatec geplant. Dafür wurde auf einem Sockel zuerst der
eine Gewichtseinsparung gegenüber einer reinen Betondecke       Holzbau errichtet und dann die Erschließungskerne betoniert,
und hat den Mehrwert einer sichtbaren Holzdeckenuntersicht.     wobei das Holz als verlorene Schalung diente. Diese Vorgehens-
Vorfertigung und Schnelligkeit wie beim Holzbau können je       weise beschleunigte den Bauprozesses, reduzierte den Material-
nach gewähltem Vorfertigungsgrad trotzdem gegeben sein.         verbrauch und folgte im Grunde der Logik des Holzbaus, der
Nicht zu vergessen ist die vertrauensbildende Funktion, die     präzise die Form des zu gießenden Betons bestimmte (Abb. 4–6).
der Beton in Bezug auf den Brandschutz einbringt. Der Ent-
wurf der Architekten Kaden Klingbeil eines Siebengeschossers                Wie geht es weiter? In Bayern hat man den nächsten
in Berlin wäre zum Beispiel ohne Holz-Beton-Verbunddecken       Schritt bereits gewagt und Wohnhäuser aus nur einem Material
nie genehmigt worden. Auch der achtgeschossige Holzturm in      gebaut. ArchitektInnen und IngenieurInnen hatten sich an der
Dornbirn wäre ohne die Kombination mit Beton nicht denk-        TU München zusammengefunden, um über Forschung und
bar gewesen. Der sogenannte Life Cycle Tower von Hermann        Lehre eine neue Entwicklung in Richtung einer einfacheren
Kaufmann Architekten besteht aus einem Betonkern mit Stiegen-
haus
					 und Lift und einem angrenzenden hölzernen Skelettbau.            8 Ebd.
Die Holz-Beton-Verbunddecken waren dabei der Schlüssel
					                                                                  9 Isopp, Anne: ‚Editorial“, in: Zuschnitt 45 (2012), 3.
dafür, dass hier nicht – wie damals erforderlich – die gesamte

Holzkonstruktion hinter Gipskartonschichten versteckt wer-             10 Ebd.

den musste. Die tragenden Holzstützen sowie die Untersichten
					                                                                  11 o.A.: ‚Trockene Schüttung statt HBV“, Timbatec. Timber and Technology,
der
     Holzdecken   konnten   sichtbar belassen werden. Natürlich
    					 2020-03-31-Gebundene-Schuetteung.php (Stand: 20. Januar 2021).
                                                                          online unter: www.timbatec.com/at/Innovation-Lab/referenzen/

ist Beton nicht das einzige Material, mit dem Holz gelungene

                                                                         70
4–6

  Beim Wohnbauprojekt ‚Krokodil“ in Winterthur drehte man den üblichen Bauablauf um: Erst wurde der Holzbau errichtet, danach die Treppenhäuser betoniert. |
In the case of the Krokodil residential building in Winterthur, the conventional sequence was reversed: first the timber construction was erected and then the stairwells
        were cast in concrete. Planung | Planning: Baumberger & Stegmeier Architekten und KilgaPopp Architekten, Statik | Statics: Timbatec, Winterthur, 2020
                                                                     © Baumberger & Stegmeier AG
7

                  Forschungshäuser in Bad Aibling: drei Häuser aus Beton, Holz und Ziegel |
Research architecture in Bad Aibling: three residential buildings made of concrete, wood, and masonry respectively.
                    Planung | Planning: Florian Nagler Architekten, 2020 © Sebastian Schels

                                                      72
on a reinforced-concrete base floor, in which even the stairwell
and elevator shaft are made of wood.

             Timber-Concrete Composite Ceilings: A Hybrid
Structural Element. “If we disregard the experiments with              chosen. It is also important to remember the confidence-build-
composite timber elements handed down from Roman times,                ing function that concrete brings to the table in terms of fire
the first investigations involving timber-concrete composite           safety. The design of a seven-story building in Berlin by the ar-
structures were carried out in the twenties and thirties of the        chitects Kaden Klingbeil, for example, would never have been
twentieth century,” as Stefan Winter, Heinrich Kreuzinger,             approved without timber-concrete composite ceilings. The
and Peter Mestek from the Technical University of Munich               eight-story timber tower in Dornbirn would likewise have been
explain. “Mainly due to a lack of reinforcing steel around the
          7
                                                                       inconceivable without a concrete composite. The Life Cycle
Second World War, alternative load-bearing structures were             Tower by Hermann Kaufmann Architekten has a concrete core
researched. In 1939, for example, Otto Schaub applied for a            with stairwell and elevator, and an adjacent timber-frame con-
patent on composite ceilings made of wooden ribs and a con-            struction. Indeed, timber-concrete composite ceilings were the
crete surface layer. After the Second World War, interest in           key to ensuring that the whole timber construction did not
timber-concrete composite structures initially receded into the        have to be hidden behind layers of plasterboard, as was neces-
background again.” The 1980s saw the advent of various shear
                        8
                                                                       sary at the time. The load-bearing timber supports could re-
connections and calculation methods. The civil engineer Julius         main in view, as could the wood ceilings visible from below.
Natterer, a professor at the Swiss Federal Institute of Technol-       Of course, concrete is not the only material that can enter into
ogy Lausanne (EPFL) from 1978 to 2004 who headed the Lab-              successful combinations with timber. Bringing together differ-
oratory for Timber Constructions (Ibois) there, made an essen-         ent materials makes it possible to intelligently compensate for
tial contribution to the further development and dissemination         the disadvantages of timber construction inherent to this par-
of timber-concrete composite structures.                               ticular material. Meanwhile, there are numerous calculation
             Today, multistory timber buildings are inconceivable      methods and types of joining. And timber-concrete composite
without timber-concrete composite ceilings. Yet they seemed            ceilings still remain the subject of ongoing research projects. For
quite amazing at the outset: “Why on earth should we put wet           example, the Woschitz Group has teamed up with Wood K plus
concrete on top of dry wood, thus negating the advantages of           to investigate different joining techniques, along with the be-
timber construction, dry building methods, and the high degree         havior of individual adhesives and the associated simulations
of prefabrication?” Another counterargument wondered: “Why
                      9
                                                                       of wood hybrid elements, in order to be able to predict actual
add extra weight unnecessarily when timber construction itself         behavior more quickly in the future.
is perfectly capable—from sound insulation to fire safety.”     10
                                                                                    While some are interested in making it more efficient
Meanwhile, it is widely acknowledged that timber ceilings alone        and economical to build with wood, others tend more toward
can meet the same demands as concrete ceilings, but that a com-        timber-only architecture for ecological reasons. The timber
bination of both is even more favorable.                               engineering firm Timbatec, with three offices in Switzerland
             In the case of a ceiling made of a timber-concrete        and one in Vienna, has developed its own definition of timber
composite, a wooden panel or beam is force-fitted to a thin con-       construction: “A timber construction is only a real timber con-
crete slab. Here, the wood takes over the tensile forces and the       struction if it can do without concrete.”11 On their website,
concrete the compressive forces. Less reinforcement is needed
for

     the concrete, a lower construction height is possible as com-            7 Stefan Winter, Heinrich Kreuzinger, and Peter Mestek, “Flächen aus
pared   to an all-timber ceiling, and the requirements for sound
    					                                                                         Brettstapeln, Brettsperrholz und Verbundkonstruktionen,” in Holzbau
    					der Zukunft, Teilprojekt 15, ed. TU München, Lehrstuhl für Holzbau und
insulation
    					    and fire safety are easier to meet. The combination                  Baukonstruktion (Munich, 2009), 182.
saves
					  weight  as  compared   to a concrete-only  ceiling and has  the        8 Ibid.
added

         value of a wood   ceiling visible from below.  The advan-            9 Anne Isopp, “Editorial,” Zuschnitt 45 (2012), 3.
tages of prefabrication and speed are, in fact, comparable to
					                                                                         10 Ibid.
timber construction depending on the degree of prefabrication
					 11 Anon., “Trockene Schüttung statt HBV,” Timbatec: Timber and Technology,
 					 availlable online at: www.timbatec.com/at/Innovation-Lab/referenzen/
 					 2020-03-31-Gebundene-Schuetteung.php (accessed January 23, 2021).

                                                                     73
und zugleich robusteren Architektur anzustoßen und damit
eine Gegenbewegung zu den immer komplexeren und zugleich
fehleranfälligeren Baupraktiken, mit denen PlanerInnen und
BauherrInnen tagtäglich konfrontiert sind. Doch wie kann man
langlebiger und weniger fehleranfällig bauen? Ihre Hypothese
lautete: Nur wer einschichtig baut, kann robuster bauen. So
können Wohngebäude mit einer hochwerti­gen und zugleich
suffizienten Architektur, einer robusten Baukonstruktion und
einer reduzierten Gebäudetechnik errichtet werden, die dann
über einen Lebenszeitraum von 100 Jahren hin­sichtlich Ökobi-
lanz und Lebenszykluskos­ten der Standardbauweise überlegen
sind. Auf Grundlage dieses Forschungsprojektes setzte Archi-
tekt Florian Nagler in diesem Jahr die Strategien des einfachen             Während auf der einen Seite eine Etablierung des
Bauens erstmals um und errichtete auf dem Firmengelände         Holzbaus im mehrgeschossigen Wohnbau stattfindet, einherge-
der B&O-Gruppe in Bad Aibling drei Wohnhäuser (Abb. 7).         hend mit einer immer effizienteren Verzahnung von Holz und
            Die drei Häuser mit Satteldach und niedrigem An-    Betonbau, gibt es auf der anderen Seite das Bestreben, einfacher
bau schauen nur auf den ersten Blick identisch aus. Auf den     und sortenreiner zu bauen. So vielfältig der Holzbau ist, so un-
zweiten erkennt man die Unterschiede in ihrer Materialität      terschiedlich sind auch die Richtungen, den Holzbau weiterzu-
und ihrem Fassadenbild. Alle drei Häuser wurden konsequent      entwickeln. Will der Holzbau sich weiter als gleichberechtigter
monomateriell, einmal aus Beton, aus Holz und aus Mauerwerk     Baustoff neben den gängigen mineralischen Baustoffen etablie-
errichtet. Alle Außenwände sind einschalig und erzielen durch   ren, wird die pragmatische Sichtweise, die Materialien dort ein-
Einkapselung von Luft eine hohe Dämmleistung. Der Beton ist     zusetzen, wo sie ihre Stärken haben, fürs erste obsiegen. Und
ein Dämmbeton, das Mauerwerk sind Hochlochziegeln und           doch eröffnet jede Produktentwicklung, neue Bau- und Kon-
das Massivholz hat eingefräste Lufteinschlüsse. Auf die Frage,  struktionsweisen ungeahnte Möglichkeiten. ■
ob diese Bauweisen das Potenzial zum Standard haben, antwor-
tet Florian Nagler: „Der Dämmbeton ist noch zu experimentell
					                                                                 12 Isopp, Anne: ‚Gespräch mit Architekt Florian Nagler“,
   					 in: B&O Gruppe (Hg.): Wie wir heute für die Welt von morgen bauen,
     damit sehr teuer. Das Mauerwerk bietet sich hervorragend
und					                                                                 Bad Aibling 2020, 14–15.
für eine Standardbauweise an. Die Massivholzplatte mit den
Lufteinschlüssen halte ich für ein gutes Produkt. Mit 30 Zenti-
metern Wanddicke ist die Holzwand sogar etwas überdimen-
sioniert im Hinblick auf die Anforderungen der deutschen
Energieeinsparverordnung. Dieses Produkt ist schon jetzt sehr
konkurrenzfähig, da es einen geringen Flächenbedarf hat.“12

                                                                 74
they claim to have been building totally without timber-con-
crete composite ceilings since 2013. Instead, they use elastical-
ly bonded chippings on the timber ceilings. This is justified by
the ecological advantage of using as little concrete as possible                   The three buildings with gabled roofs and low
during the building process and by a weight savings of up to          extensions seem identical only at first glance. When looking
50 percent as compared to concrete. The company also aims             twice, we see differences in materiality and façade appearance.
to build stairwells and elevator shafts without steel and con-        All three buildings were constructed with a consistent, mono-
crete wherever possible. This is why, in the case of the recently     material approach: concrete, timber, and masonry respectively.
completed residential building in Winterthur, they reversed the       All exterior walls feature a single skin and achieve high insula-
usual construction method of erecting the reinforced-concrete         tion performance by encapsulating air. The concrete is an in-
core before implementing the timber construction. The residen-        sulating concrete, the masonry consists of vertically perforated
tial building with 254 apartments, called Krokodil (Crocodile),       bricks, and the solid timber has milled-in air pockets. When
was designed by the architects Baumberger & Stegmeier and             asked if these construction methods have the potential to be-
KilgaPopp together with timber engineers from Timbatec.               come the norm, Florian Nagler replied: “The insulating con-
First, a timber construction was erected on a base and then the       crete is still rather experimental and therefore very expensive.
building cores cast in concrete, with the wood serving as the         The masonry is excellently suited to normed construction.
missing formwork. This approach accelerated the building pro-         The solid timber slab with air pockets is a good product, in
cess, reduced material consumption, and basically followed            my opinion. At a thickness of 30 centimeters, the timber wall
the logic of timber construction, which precisely determined          is even slightly oversized with regard to Germany’s energy-
the shape of the concrete to be poured (figs. 4–6).                   saving regulations. This product is already very competitive
                                                                      because it has a low space requirement.”12
            How Bright Is the Future? In Bavaria, the next                         Although timber construction is becoming well
step has already been taken, with residential buildings con-          established in the context of multistory housing on the one
structed from a single material only. Architects and engineers        hand, accompanied by an ever-efficient dovetailing of timber
at the Technical University of Munich have come together to           and concrete construction, there is, on the other hand, an evi-
develop, through research and teaching, simpler yet more ro-          dent desire to build more simply, with just a single material.
bust architecture, and thus to initiate a countermovement to          Timber construction is extremely diverse, as are all the ways
the increasingly complex and also error-prone building prac-          in which it can be developed further. If timber construction
tices with which planners and clients are confronted on a daily       is to continue to establish itself as a building material on an
basis. But how can we build in a way that is more durable and         equal footing with conventional mineral building materials,
less fault-prone? Their hypothesis is: Only those who build           then the pragmatic view of implementing materials according
with a single layer can build more robustly. This enables resi-       to their strengths will prevail for the time being. Yet any new
dential buildings to be erected that have high-quality and suf-       product design or building and construction methods open up
ficiency-oriented architecture, solid structural design, and re-      unimagined possibilities. ■
duced building technology—buildings that are superior to
standard construction methods in terms of ecological footprint    Translation: Dawn Michelle d’Atri
and life-cycle costs over a life span of 100 years. Based on this
research
					     project, the architect Florian Nagler implemented, in            12 Anne Isopp, “Gespräch mit Architekt Florian Nagler,”
    					in Wie wir heute für die Welt von morgen bauen, ed. B&O Gruppe
2020,  the strategies of simple construction
    					 (Bad Aibling, 2020), 14–15.
                                              for the first time
and built three residential buildings on the premises of the
B&O Group in Bad Aibling (fig. 7).

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