Autismus-Spektrum-Störungen - autismus deutsche schweiz hilft, vermittelt und verbindet
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Autismus-Spektrum-Störungen hilft, vermittelt und verbindet autismus deutsche schweiz Verein für Angehörige, Betroffene und Fachleute
Der Umgang mit Autismus-Spektrum- Autismus-Spektrum- Autismus-Spektrum- Störungen Störungen erkennen Störungen Autismus-Spektrum- Die Diagnose Seite 14 Mögliche Hilfe Störungen (ASS) und und Behandlungs- die dafür typischen ansätze Seite 20 Autismus-Spektrum- Symptome Seite 61 Störungen zeigen sich sehr unterschiedlich Seite 16 Was können Formen des Autismus- Angehörige oder Spektrums Seite 81 das Umfeld tun? Seite 22 Die andere Seite Als Betroffene/r des Autismus Seite 11 brauche ich… Seite 24
«Autismus ist Segen UND Fluch. Ich bemerke wunderschöne Dinge, wie den Krabbelkäfer im Gras, aber nicht, dass die Wiese, auf der das Gras wächst, ein Fussballfeld ist.» Andreas, Jugendlicher mit Autismus 3
Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und die dafür typischen Symptome Der Begriff «Autismus» kommt aus dem Griechischen und bedeutet «sehr auf sich be- Menschen mit einer Störung aus dem zogen sein». Von Leo Kanner und Hans Asperger wurde der Begriff erstmals für Kinder Autismus-Spektrum nehmen ihre Um- mit einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung verwendet. Autistische Störungen können welt anders wahr (autistische Wahrneh- sich ganz unterschiedlich zeigen. Heute spricht man von Autismus-Spektrum-Störungen mung). Sie können sich nur mit M ühe in (ASS). andere Menschen einfühlen und adäquat mit ihnen kommunizieren. Sie können die Stimmung ihres Gegenübers aus dessen Ge- sicht schlecht erkennen. Kontakte werden eher vermieden. Gerne befassen sie sich mit einem Spezialgebiet. Sie haben Schwierig- keiten, sich auf Neues einzustellen und den Wunsch, Alltags abläufe immer gleich zu «Manche Geräusche gestalten (Rituale). Oft orientieren sie sich schmerzen meine an Details und haben Mühe, eine Situation Ohren so, wie wenn ganzheitlich zu erfassen. In vielen Fällen sind der Bohrer beim Zahn- die Betroffenen in ihren Bewegungen eher arzt einen Nerv trifft.» ungeschickt. Temple Grandin Über- oder Unterempfindlichkeiten auf Licht, Gerüche, Geräusche oder Berührun 6
gen sind häufig. Sie zeigen sich z. B. als dern sich in ihrer Ausprägung im Laufe der Faszination für Licht oder glänzende Ober- Entwicklung. flächen, als Angstreaktionen bei speziellen Geräuschen, als Vorliebe für intensive Kör- Allgemein gilt: perkontakte oder als auffälliges Beriechen Die Ursachen von Autismus-Spektrum-Stö- Bis etwa 1980 wurden nur oder Ertasten von Oberflächen und Gegen- rungen sind bis heute nicht vollständig schwer betroffene Kinder mit ständen. Diese Über- oder Unterempfind- geklärt. Bei der Entstehung spielen mit frühkindlichem Autismus als lichkeiten (die autistische Wahrnehmung) Sicherheit mehrere Faktoren eine Rolle. Ge- «autistisch» diagnostiziert. führen dazu, dass Kinder oder Erwachsene netische Einflüsse und biologische Abläufe aus dem Autismus- Spektrum grosse Pro- vor, während und nach der Geburt können Mit dem K onzept der Autismus- bleme haben, ihre Umwelt als sinnvolles die Entwicklung des Gehirns beeinträchti- Spektrum-Störungen wurde Ganzes zu verstehen. Das Erreichen von gen und die Autismus-Spektrum-Störung die D iagnose h äufiger gestellt. Lernerfolgen wird dadurch erschwert. auslösen. Sie entsteht nicht durch Erzie- Diese autistischen Merkmale können sehr hungsfehler oder familiäre Konflikte. Mit Neuere Untersuchungen zeigen, ausgeprägt sein, was die Entwicklung eines gezielter Förderung und Unterstützung dass ca. 1% der Schweizer Kindes massgeblich behindert. Die Merk- können Menschen mit Autismus ihre Fä- Bevölkerung von einer male treten meistens bereits in den ersten higkeiten entwickeln und dadurch besser in Autismus-Spektrum-Störung drei Lebensjahren auf. die Gesellschaft integriert werden. Sind die Merkmale weniger deutlich er- betroffen ist (Knaben oder kennbar, fallen sie dem Umfeld der Betrof- Männer häufiger als Mädchen fenen oder auch der Person selbst oft erst und Frauen). später auf. Die dann gestellte Diagnose ist auch unter dem Namen Asperger-Syndrom bekannt. Die Symptome sind von Person zu Person sehr unterschiedlich und verän- 7
Formen des Autismus-Spektrums Frühkindlicher Autismus Formen der Kontaktaufnahme, fehlen- Atypischer Autismus des Verständnis für Abläufe innerhalb Die vom amerikanischen Kinderpsychia- von Gruppen. Sind bei Kindern mit einer autistischen ter Leo Kanner 1943 beschriebenen Kin- Störung die Symptome nicht in allen drei der erhielten die Diagnose frühkindlicher • Eingeschränkte, repetitive und stereo- genannten Bereichen vorhanden, sind sie Autismus. Man kennt deshalb auch den type Verhaltensmuster, Interessen und erst später deutlich geworden oder nicht Namen Kanner-Autismus. Kanners Be- Aktivitäten: sehr ausgeprägt, spricht man von atypi- schreibung und Definition hat lange das z. B. Drehen an Rädern von Spielzeug schem Autismus. Bild des frühkindlichen Autismus geprägt. autos, Aufreihen von Gegenständen, auffällige Hand- oder Körperbewegun Bei Kindern mit frühkindlichem oder aty- Bei den betroffenen Kindern sind Auffällig- pischem Autismus ist auch der allgemeine gen, Festhalten an Gewohnheiten, M ühe keiten in drei Bereichen vorhanden: Entwicklungsstand und ihr Funktionsni- mit Programmänderungen. • In der Sprache und der Kommunikation: veau im Alltag von grosser Bedeutung. Erste Hinweise sind oft ab einem Alter von z. B. verspätete oder fehlende Sprach- Man unterscheidet deshalb «high» und 12 Monaten vorhanden. Mit 2–21/2 Jahren entwicklung oder Verlust von vorhan- «low» functioning Autismus, die Grenze kann in der Regel eine zuverlässige Diag- dener Sprache, häufiges Wiederholen liegt bei einem IQ von etwa 70. nose gestellt werden. Kinder mit frühkind- von Wörtern oder Sätzen. lichem Autismus zeigen oft einen allge- • Auffälligkeiten der sozialen Interaktionen: meinen Entwicklungsrückstand. z.B. Besonderheiten im Blickkontakt, Mimik und Gestik, wenig Interesse an anderen Personen oder ungeschickte 8
Asperger-Syndrom • Beeinträchtigung des sozialen Verhaltens: Daneben gibt es häufig Schwierigkeiten, z. B. eingeschränktes Interesse an Gleich sich auf Neues einzustellen und den Der Wiener Kinderarzt Hans Asperger hat Wunsch, Alltagsabläufe immer gleich zu altrigen, Schwierigkeiten, sich in Andere über Kinder geschrieben, die vor allem gestalten ( Rituale). In vielen Fällen sind die hineinzuversetzen, oft ungeschickter so- grosse Probleme hatten, sich in Gruppen Betroffenen in ihren Bewegungen unge- zialer Umgang mit anderen Menschen. zurecht zu finden. schickt. Sie reagieren oft überempfindlich • Sprach- und Sprechauffälligkeiten: auf grelles Licht, spezielle Geräusche, Ge- Kinder mit Asperger-Syndrom zeigen in z.B. eine altkluge, pedantische Ausdrucks rüche oder Berührungen. den ersten Lebensjahren eine normale weise oder eine besondere Sprachme sprachliche und kognitive Entwicklung. Im Gegensatz zu den anderen autistischen lodie, wörtliches Verständnis und dadurch Ihre Probleme werden oft erst deutlich, Formen werden die Probleme der betrof- Mühe mit Ironie oder Wortspielen. wenn sie mehr Zeit mit anderen Kindern fenen Kindern oder Jugendlichen oft erst im verbringen. Auch sie zeigen Auffällig- Kindergarten oder in der Schule deutlich – • Auffälligkeiten in der nonverbalen Kom- keiten in verschiedenen Bereichen: manchmal sogar erst im Erwachsenenalter. munikation: z. B. im Blickkontakt oder im Einsatz von Die Wahrnehmung und das Denken von Mimik und Gestik. Menschen mit Asperger-Syndrom unter- scheidet sich stark von dem der «neuro- • Ausgeprägte Interessen, typischen» Menschen. Diese sind in der die viel Zeit beanspruchen, repetitiv Lage, sich in einer neuen Situation schnell ausgeübt werden und oft einen eher einen Überblick zu verschaffen, während technischen Charakter haben, z. B. Vor «Aspies» (so nennen sich Menschen mit liebe für Formeln, Fahrpläne, technische Asperger-Syndrom selber) oft viele Details Details, historische Daten oder Ähnliches; wahrnehmen und dann versuchen, ein Mädchen und Frauen interessieren sich oft System dahinter zu erkennen. Sie haben oft auch für Leute mit speziellen Begabungen auch ein sehr gutes Gedächtnis für diese oder für einzelne Tierarten. Details. 9
Der Begriff «Autismus-Spektrum-Störung» Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Fach- leute in der Regel einig sind, wann eine Autismus- Diagnose gestellt wird, bezüglich der U nterdiagnose (z.B. frühkindlich, atypisch, Asperger) aber oft unterschiedlicher Meinung waren. Die amerikanischen Autismus-Spezialisten haben deshalb entschieden, in ihrem Diagnose-System DSM-5 nur noch die D iagnose «Autismus-Spektrum-Störung» (ASS) zu v erwenden. Um die betroffenen Personen noch genauer zu beschreiben, wird festgehalten, ob eine ASS mit oder ohne Sprachstörung, geistiger Beeinträchtigung oder zum Beispiel Epilepsie vorliegt. Der Schweregrad der autistischen Störung wird über den Unterstützungs- bedarf des Betroffenen beschrieben (tief, mittel oder hoch). Das von der Weltgesundheitsorganisation und in der Schweiz verwendete D iagnose-System ICD-10 wird vermutlich 2019 durch das ICD-11 abgelöst. Darin wird es ebenfalls nur noch die Hauptdiagnose Autis- mus-Spektrum-Störung geben. 10
Die andere Seite des Autismus Bisher war die Rede mehrheitlich von Schwierigkeiten und Pro- blemen, mit denen autistische Menschen im Alltag zu kämpfen haben. Sie haben aber auch viele Stärken. Menschen aus dem autistischen Spektrum sind in der Regel ehr- lich und in ihrer Kommunikation offen und direkt. Hintergedanken und Lügen sind ihnen fremd. Wenn sie sich für ein Thema oder e ine Tätigkeit interessieren, können sie sich mit grosser Begeisterung und Ausdauer darin vertiefen und sich viel Wissen und Fertigkeiten an- eignen. Damit verbundene Tätigkeiten führen sie gewissenhaft und konzentriert durch. Bei Arbeiten, bei denen Genauigkeit und Sinn für Details gefragt sind, haben Menschen aus dem Autismus-Spektrum gute Chancen, sich weiter zu entwickeln. Erfolgsversprechend ist die Verknüpfung des Spezialinteressens mit Ausbildung und B eruf. 11
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Autismus-Spektrum- Störungen erkennen 13
Die Diagnose Meist sind es die Eltern, die sich we- beruht auf genauen Angaben zur bisherigen gen der Entwicklung ihres Kindes oder Entwicklung, dem aktuellen Befinden und Jugendlichen Sorgen machen und den Ein- Verhalten der Person. Bei Kindern werden druck haben, dass «etwas nicht stimmt». dazu in erster Linie die Eltern befragt, oft Es kommt aber auch vor, dass Fachper- aber auch Fachpersonen, die das Kind aus sonen, die das Kind in einer Gruppe se- Krippe, Schule oder aus Therapien ken- hen, als erste einen Verdacht äussern. nen. Auch bei erwachsenen Personen Jugendliche und Erwachsene vermuten sollten die Eltern, wenn möglich, zur Ent- manchmal zuerst selbst, dass eine autisti- wicklung befragt werden. Die betroffene sche Störung vorhanden sein könnte, z.B. Person muss selbst ausführlich über ihr frü- wenn sie entsprechende Informationen heres und aktuelles Leben Auskunft geben. oder Fragebögen im Internet gefunden Falls vorhanden können enge Freunde oder haben. Wenn ein Kind mit dem Verdacht Lebenspartner/innen einbezogen werden. auf Autismus untersucht wird, entdecken Eltern manchmal bei sich oder dem Part- Bei Kindern ergänzen strukturierte Spiel ner/der Partnerin Ähnlichkeiten. beobachtungen die Untersuchung. Es ist oft hilfreich, das Kind in einer Gruppensituation Es gibt keinen spezifischen Test, mit dem zu erleben. Bei Jugendlichen und Erwach- die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Stö- senen werden neben den inhaltlichen Aus- rung gestellt werden kann. Die Diagnose sagen vor allem Aspekte der nonverbalen 14
Auch bei einer Verdachtsdiagnose sollte nicht unnötig Zeit verstreichen und gezielte Fördermassnahmen für die Betroffenen so früh wie möglich beginnen. Kommunikation, der Gegenseitigkeit im Gespräch und des sozialen Verständnisses beurteilt. Um eine zuverlässige Diagnose stellen zu können, müssen sich Fach- personen spezifisch weitergebildet haben und solche Untersuchun gen regelmässig durchführen. Bei Kindern mit frühkindlichem Autismus kann die Diagnose in der Regel im Alter von 2–21/2 Jah- ren gestellt werden. Bei Kindern mit Asperger-Syndrom werden die Probleme meist erst im Kindergarten- oder Schulalter deutlich. Bei Erwachsenen sind die autistischen Symptome manchmal durch De- pressionen, Ängste oder Zwänge überlagert, was die Diagnose er- schwert. Die richtige Diagnose ist Voraussetzung für eine Autismus-spezi- fische Unterstützung und Förderung. Jugendlichen und Erwachse- nen kann sie helfen, ihre Probleme im Alltag besser zu verstehen und nach neuen Wegen zu suchen. Eltern, Freunde und Lebenspart- ner, aber auch Lehrpersonen oder Arbeitgeber können sich Infor- mationen zu ASS beschaffen und dadurch besser auf Menschen mit Autismus eingehen. 15
Autismus-Spektrum-Störungen zeigen sich sehr unterschiedlich Personen mit autistischer Wahrnehmung haben gewisse Gemeinsamkeiten. Trotzdem ist jeder Mensch (ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener) anders und auch die typischen Symptome können sich, wie in den folgenden Beispielen, ganz unterschiedlich äussern. Kommunizieren und sprechen kann sich nicht aktiv beteiligen. Marie weiss Timo kann gar nicht sprechen. Clara redet nicht, wie sie jemanden ansprechen oder ohne Unterbruch über ihr Lieblingsthema ein Gespräch mit jemand Fremdem begin- und wiederholt sich oft – sie merkt nicht, nen soll. Fynn scheint oft abwesend oder dass sie ihre Mitmenschen damit langweilt. unaufmerksam zu sein. Eric redet gerne über die Themen, von Überempfindlichkeiten denen er viel weiss – er wirkt altklug und Kontakt aufnehmen Sarah ist sehr geräuschempfindlich – das andere finden ihn oft belehrend. Simone Mia fällt es schwer, jemandem in die Augen Brummen eines Staubsaugers versetzt sie braucht immer sehr lange, bis sie eine Frage zu sehen – sie beobachtet lieber aus dem in Panik. Bestimmte Gerüche irritieren Leon beantworten kann. Augenwinkel. Jonas hat keine Hemmungen, sehr, sie sind für ihn unangenehm. Einkau- stellt indiskrete Fragen, geht auch auf frem- fen zu gehen ist für Peter sehr anstrengend. Soziale Interaktionen de Menschen zu und merkt nicht, dass man Er kann die vielen Eindrücke im Supermarkt Céline will immer und überall dabei sein, sie nicht einfach anfassen darf. Sonja weiss nicht verarbeiten. Viele Berührungen, vor damit sie nichts verpasst. Sandro versteht nicht, wie sie mit jemanden in Kontakt tre- allem unerwartete, sind für Martin sehr un- die Regeln der Gruppenspiele nicht und ten soll, Smalltalk ist für sie nicht möglich. angenehm und stressen ihn. 16
«Ein Gespräch kann manchmal so klingen, als liefen mehrere Sendungen gleichzeitig.» Temple Grandin Probleme mit Veränderungen stellen oder Umleitungen sind ein grosser lang damit. Hat ein Schulfach mit seinem umzugehen Stress. Spezialthema zu tun, kann Dominique sehr Jeden Morgen etwas Neues anzuziehen, ist gute Leistungen erbringen. Tim sitzt am für Joël eine Überforderung. Dass Schul- Ausgeprägte Interessen liebsten stundenlang vor dem Computer, stunden spontan umgestellt werden, ist für Felix hat beim Spielen wenig Phantasie und spielt Games oder findet Informationen zu Anna sehr schwierig; sie reagiert stark und dreht lieber an den Rädern seines Spiel- seinem Spezialgebiet. Paul kennt alle Arten unerwartet für ihr Umfeld. Luis möchte am zeugautos. Sandra hat eine Vorliebe für von Standuhren. liebsten immer das Gleiche essen. Peter komplizierte Puzzles und Geduldspiele. nimmt immer wieder genau den gleichen Luca interessiert sich für alles, was mit Zü- Weg, um an sein Ziel zu gelangen – Bau- gen zu tun hat. Er beschäftigt sich stunden- 17
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Der Umgang mit Autismus-Spektrum- Störungen 19
Mögliche Hilfe und Behandlungsansätze «Wie kann meinem Kind optimal geholfen lien unterstützt. Bei vielen Kindern steht Die Menschen in ihrem Umfeld müssen sich werden?» ist für Eltern die wichtigste und deshalb die heilpädagogische Früher- Autismus-Wissen aneignen, um die Welt gleichzeitig die schwierigste Frage. ziehung im Vordergrund. Hinzu kommen, der Betroffenen zu Hause, in der Schule je nach Problemen des Kindes, Logopädie, oder am Arbeitsplatz Autismus-freundlicher Die Wahl der richtigen Fördermassnahmen Ergotherapie oder Psychomotoriktherapie. zu gestalten. So können die Menschen mit ist immer vom Alter und Entwicklungsstand Ältere Kinder, Jugendliche und Erwach- ASS ihre Stärken besser einsetzen und wer- des Kindes und der Schwere der autistischen sene wollen in erster Linie ihre sozialen Symptome abhängig. Bei jungen Kindern Kompetenzen verbessern. Das soll ihnen mit frühkindlichem Autismus sind intensive helfen, das Denken und Fühlen ihrer Mit- verhaltenstherapeutische Programme am menschen besser zu verstehen und sich besten untersucht. Andere intensive Frühför- in Gruppen besser zurechtzufinden. Aus- derungen sind eher spieltherapeutisch orien- serdem können sie lernen, Strategien zur tiert. Alle Programme haben eine klare Struk- Bewältigung schwieriger Alltagssituationen tur, es wird täglich mehrere Stunden mit dem zu ent wickeln. Viele dieser Ziele können Kind in einer 1:1 Situation gearbeitet. Damit am besten in Gruppen erlernt werden. Dort soll die Entwicklung des Kindes möglichst erleben Betroffene auch, dass sie mit ihren breit gefördert werden. Problemen nicht allein sind. Da die Finanzierung solcher Programme in Es kann aber nicht nur darum gehen, der Schweiz bisher nicht gesichert ist, wird betroffene Kinder, Jugendliche oder Er- leider nur ein Teil der betroffenen Fami- wachsene «fit für ihre Umwelt» zu machen. 20
den durch ihre Schwächen weniger beein- trächtigt. Für betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen Autismus Während der Aus- und Weiterbildung ha- spezifische und auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Unter- ben autistische Kinder, Jugendliche und Er- stützungs- und/oder Förderungsmassnahmen durchgeführt werden. wachsene in Form eines Nachteilsausgleichs Von gezielten Programmen profitieren nicht nur Kinder mit Autismus; Anspruch auf Anpassungen. In der Berufs- auch Jugendliche und erwachsene Menschen mit Autismus können ausbildung oder am Arbeitsplatz bietet die grossen Nutzen aus S ozialtrainings oder Belastbarkeitstrainings ziehen. IV berufliche Eingliederung und Unterstüt- Der Verein autismus deutsche schweiz hilft, berät und vermittelt bei zungsmassnahmen an, so zum Beispiel in allen Fragen zu Autismus. Form von Coaches, die Betroffene unter- stützen und Arbeitgeber beraten. «Das Leben im Autismus ist eine miserable Vorbereitung auf das Leben in einer Welt ohne Autismus. Die Höflich- keit hat viele Näpfchen aufgestellt, in die man treten kann. Autisten sind Meister darin, keines auszulassen.» Axel Brauns 21
Was können Angehörige oder das Umfeld tun? • sich bei Fachpersonen Rat und Unterstützung holen • eine Schule und später einen Ausbildungsplatz finden, wo die • Kontakt zu anderen betroffenen Familien suchen Betroffenen gezielt unterstützt werden • die Stärken der Betroffenen erkennen, wertschätzen und fördern • dafür sorgen, dass Betreuungspersonen, Lehrkräfte, Fachleute, • Therapien, Sozialtrainings und Unterstützungsmassnahmen Behörden und andere Beteiligte möglichst gut informiert sind suchen, die auf die Bedürfnisse der Betroffenen zugeschnitten und zusammenarbeiten sind • Berufsberater/innen suchen, die über Autismus Bescheid wissen • ruhige «Zonen» schaffen, in die sich die Betroffenen zurück • dabei helfen, eine den speziellen Interessen und ziehen können Begabungen angepasste Arbeit zu finden • Geduld haben, weil die Betroffenen mehr Zeit benötigen, um • für den Arbeitsplatz eine Bezugsperson suchen, welche die sich auszudrücken Eigenheiten der Person mit ASS kennt und ihn/sie bei Entschei- • versuchen, die eigenwilligen Denkvorgänge und Reaktionen zu dungen und Schwierigkeiten unterstützt verstehen und einfühlsam damit umzugehen • eine Wohnform finden, die Selbstständigkeit ermöglicht und in • die Betroffenen zum Mitmachen und Mitkommen bewegen, der Hilfestellung angeboten wird auch wenn diese vielleicht lieber zu Hause bleiben würden • dabei helfen, Freizeitbeschäftigungen zu finden, die den • da Übergänge für die Betroffenen eine grosse Herausforderung Spezialbegabungen der Selbstbetroffenen entsprechen und die sind, muss das Umfeld sich lange vorher damit auseinander sie regelmässig mit anderen Menschen zusammenbringen setzen und die nötigen Massnahmen rechtzeitig planen 22
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Als Betroffene/r brauche ich … 10 Dinge, die sich Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung wünschen Ich bin auch ein Mensch wie Hört mir zu, ich versuche versucht sie zu erkennen und zu verste- jeder andere zu kommunizieren hen. Autismus ist zwar ein Teil von mir, es ist Es ist schwierig für mich zu sagen, was ich aber nicht alles, was ich bin. Wenn ich spü- brauche, wenn ich meine Gefühle nicht Verwendet Zeichnungen, re, dass man mir etwas nicht zutraut, kann beschreiben kann. Ich bin hungrig, traurig zeigt mir Beispiele – ich bin ein ich es auch nicht versuchen. oder verängstigt und kann die richtigen visueller Mensch Worte dafür nicht finden. Zeigt mir, wie ich etwas machen soll, an- Unterscheidet zwischen «ich Achtet auf meine Körpersprache – die Zei- statt es zu beschreiben. Visuelle Unterstüt- will nicht» und «ich kann nicht» chen, was mit mir los ist, sind oft sichtbar, zung hilft mir weiter. Es ist nicht so, dass ich nicht auf An weisungen hören will – ich kann sie oft nicht verstehen. Kommt zu mir und sagt klar, was ihr wollt. Nur so kann ich euch verstehen. Ich interpretiere Aussagen wörtlich Smalltalk, Sprichwörter, Wortspiele, Anspie- lungen oder Ironie verstehe ich nicht. 24
Konzentriert euch auf das, kann ausrasten. Findet mit mir zusammen was ich kann – und nicht auf heraus, was die Ursachen sind und wie man das, was ich nicht kann solche Situationen vermeiden kann. Weil Wenn ich ständig das Gefühl habe, dass ich ich mich nicht ausdrücken kann, reagiere nicht gut genug bin, vermeide ich es, etwas ich einfach. Lebensmittelallergien oder Ma- Neues zu lernen. Sucht meine Stärken und gen-Darm-Probleme, bestimmte Geräusche denkt daran: Es gibt mehr als einen Weg, oder Gerüche oder auch Berührungen etwas zu machen. können mich zum Beispiel überempfindlich machen. Helft mir bei sozialen Interaktionen Akzeptiert und mögt mich so, Erklärt mir, wie ich mit anderen Kindern wie ich bin spielen kann oder wie man als Jugendlicher Denkt daran, dass ich nicht gewählt habe, oder Erwachsener ein Gespräch beginnt. Autismus zu haben. Es ist mir passiert und Ermutigt mich, auf Andere zuzugehen. nicht euch. Ohne eure Unterstützung sind meine Chancen auf ein erfolgreiches Leben Bitte habt Geduld kleiner. Mit eurer Hilfe sind meine Chancen Begleitet mich durch mein Leben und auf ein unabhängiges, erfolgreiches Leben entdeckt mit mir zusammen, wie weit ich viel grösser, als ihr vielleicht jemals gedacht kommen kann. habt. Findet heraus, was meine «Ausraster» verursacht Wenn die Belastungen für mich zu gross wer- (übernommen von Ellen Notbohm, 10 things den, habe ich einen Zusammenbruch oder a child with autism wishes you knew, 2012) 25
Autismus verstehen, mit Autismus leben können Obwohl in der Schweiz rund 80 000 Men- schen betroffen sind, ist das V erständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus in Politik und Gesellschaft nicht ausreichend. «Eltern sind häufig auf sich selbst gestellt, Betroffenen mangelt es an Betreuung und Akzeptanz.» autismus deutsche schweiz: vereint Eltern, Betroffene und Fachleute, damit alle bes- ser mit Autismus umgehen können. Wer- den auch Sie Mitglied! Verein autismus deutsche schweiz Reto Odermatt, Präsident 26
Als Elternvereinigung gegründet, ist autismus deutsche schweiz heute die offizielle vom Bundesamt für Sozialversicherungen Menschen mit anerkannte Autismus-Organisation. Der Verein ist ein Netz- Autismus brauchen werk für Eltern, Angehörige, Betroffene und Fachleute. Er bietet unmittelbare, unbürokratische Unterstützung und Beratung an. Unterstützung Der Verein organisiert Tagungen und Workshops, Informations- und Engagement. veranstaltungen und Autismus-freundliche Events. Zudem enga- giert sich autismus deutsche schweiz in Politik und Gesellschaft und hilft Betroffenen, A ngehörigen und Fachleuten weiter. Wer Mitglied wird oder spendet, ermöglicht Menschen mit Autismus ein besseres Leben. Spendenkonto PC 80-52832-2 www.facebook.com/autismus.ch, www.autismus.ch 27
Impressum: 3. Auflage, Januar 2019, ©autismus deutsche schweiz Beratung und Unterstützung telefonisch: 044 341 13 13 per E-Mail: info@autismus.ch hilft, vermittelt und verbindet autismus deutsche schweiz Riedhofstrasse 354 Spendenkonto PC 80-52832-2 www.facebook.com/autismus.ch autismus deutsche schweiz CH-8049 Zürich www.autismus.ch Verein für Angehörige, Betroffene und Fachleute
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