Wein und Diabetes - etablierte Erkenntnisse und neuere Forschungen - CME-Kurs
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WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN ONLINE ERSCHIENEN AM 15.06.2019 Wein und Diabetes – etablierte Erkenntnisse und neuere Forschungen J.-H. Wiedemann Zusammenfassung flusst. Auch wurden erstmalig die Teilnahmemöglichkeiten Effekte von Rotwein und Weißwein Wein als Lebensstilfaktor begleitet Diese Fortbildung steht als animierter placebokontrolliert miteinander ver- Audiovortrag (eTutorial) bzw. zum die Menschheit seit vielen Tausend glichen. Download in Textform zur Verfügung. Jahren. Obwohl es ein breites Erfah- Am Ende dieser Fortbildung … Die Teilnahme ist kostenfrei. rungswissen zu den vielfältigen Die abschließende Lernerfolgskontrolle Wirkungen des Ethanols auf den • kennen Sie die Ergebnisse neu- kann nur online erfolgen. Bitte registrie- Stoffwechsel gibt, hielt die bisherige ester Studien zum moderaten ren Sie sich dazu kostenlos auf: Studienlage den Kriterien einer Weinkonsum bei Typ-2-Dia- www.cme-kurs.de modernen, evidenzbasierten Medi- betes, Zertifizierung zin nicht stand. • können Sie Studienergebnisse Diese Fortbildung wurde nach den Fort- In den vergangenen Jahren wurden im Hinblick auf deren Evidenz- bildungsrichtlinien der Landesärzte- neue Studien zum moderaten grad einordnen, kammer Rheinland-Pfalz von der Aka- Weinkonsum bei Menschen mit • kennen Sie die Auswirkungen demie für Ärztliche Fortbildung in RLP Diabetes veröffentlicht, die auf- des Ethanols auf den Stoffwech- mit 2 CME-Punkten zertifiziert (Katego- grund ihres prospektiven und rando- sel, rie D). Sie gilt für das Fortbildungszerti- fikat der Ärztekammern. misierten Studiendesigns Schluss- • kennen Sie den Einfluss von mo- folgerungen mit einem hohen Evi- Review deratem Weinkonsum als denzgrad zulassen. Prof. Dr. Kristian Rett, München Schlüsselkomponente einer me- Diese Untersuchungen zeigen, dass diterranen Ernährung auf die In- Redaktionelle Leitung/Realisation moderater Weingenuss im Rahmen zidenz kardiovaskulärer Ereignis- J.-H. Wiedemann einer mediterranen Ernährung im se und Mortalität bei Diabetes, CME-Verlag • haben Sie einen Einblick in die Siebengebirgsstr. 15 Vergleich zur Alkoholabstinenz bei 53572 Bruchhausen Patienten mit Typ-2-Diabetes nicht mediterrane Diät und können E-Mail: info@cme-verlag.de nur den Zucker- und Fettstoffwech- diese in den Gesamtzusammen- sel sowie den Blutdruck, sondern hang einer gesunden Ernährung Mit freundlicher Unterstützung von auch die Mortalität günstig beein- einordnen. Deutsche Weinakademie, Bodenheim © CME-VERLAG 2019 1
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN Einleitung von Alkohol auf Was bedeutet Evidenz und wo die Glykosurie. liegen die Limitationen vergange- Abbildung 1 zeigt ner Studien zum Thema Alkohol die Harnzucker- und Gesundheit? Folgt man dem ausscheidung ei- Sackett‘schen Ansatz, so ist evi- nes einzelnen Pro- denzbasierte Medizin der „gewis- banden mit und senhafte, ausdrückliche und ver- ohne Alkohol zur nünftige Gebrauch der gegenwär- Mahlzeit. Der Pa- tig besten Evidenz für Entschei- tient folgte zwei dungen in der Versorgung indivi- unterschiedlich dueller Patienten.“ [1,2] strengen Diäten, einmal mit (graue Abbildung 1: Alkoholeffekt auf Glykosurie Etablierte Erkenntnisse Säulen) und ein- mal ohne Alkoholkonsum (gelbe zu Acetat, also Essigsäure, oxi- Bereits Ende des 19. Jahrhunderts Säulen). diert. Die Essigsäure wiederum beschäftigte sich der berühmte wird in Acetyl-CoA überführt und Frankfurter Diabetologe Carl von Unter beiden Diätformen wurde geht so in den Zitrat-Zyklus ein. Noorden mit der Zuckerkrankheit. durch die zusätzliche Alkoholauf- Damit war er einer der ersten Wis- nahme die Zuckerausscheidung im Acetat ist ein zusätzliches oxidier- senschaftler, die sich für dieses Urin jeweils fast halbiert: von bares Substrat. Ins System einge- Krankheitsbild interessierten. Sein knapp 79 Gramm auf etwa 41 speist wird es insbesondere an der Ernährungskonzept sah unter dem Gramm. [3] Muskulatur zum bevorzugten Sub- Motto „durch Enthaltung zur Er- strat. Dies hat zur Folge, dass die Der Evidenzgrad dieser Beobach- haltung“ eine strikte Kohlenhy- Fettgewebslipolyse deutlich redu- tung ist auch nach heutigen Krite- dratreduktion vor. [3] ziert wird. Zudem nimmt die Mus- rien vergleichsweise hoch (gut kulatur statt der freien Fettsäuren Insulin wurde erst im Jahr 1923 angelegte, kontrollierte Studie; nun das Acetat auf. Auch Insulin verfügbar, orale Antidiabetika IIa). hat eine antilipolytische Wirkung. noch später. [4] Ethanolstoffwechsel Ein typischer damaliger Ernäh- rungsplan sah den Konsum von Folgende kurze Wiederholung des Metabolische Ethanolfolgen 3.500 Kalorien pro Tag vor und Ethanolstoffwechsels hilft, die Tabelle 1 stellt die metabolischen enthielt lediglich 36 Gramm Koh- vorgestellten Studienergebnisse Prozesse bei der Zufuhr von Koh- lehydrate. Dafür aber 224 Gramm besser zu verstehen. Ethanol wird lehydraten (mittlere Spalte) bzw. Fett. Dies entspricht dem vierfa- in zwei Oxidationsschritten abge- Alkohol gegenüber (rechte Spal- chen dessen, was heutzutage baut. Zunächst findet eine Oxida- te). Nach Alkoholkonsum steigt empfohlen wird und stellt eine tion zu Acetaldehyd statt. An- der Acetatspiegel an. Die Metabo- hochkalorische, nahezu Kohlen- schließend wird das Acetaldehyd hydratfreie Ernährung dar. Konkrete Speiseempfehlungen umfassten rohen Schinken, Hüh- nerei und Butter zum Frühstück, ohne Brot oder Vergleichbares. Zum zweiten Frühstück ebenfalls Hühnerei und Speck, sowie ein Achtel Rotwein. Zum Mittagessen folgten dann die nächsten beiden Achtel Rotwein. Alkoholeffekt auf Glykosurie Die Empfehlungen des Carl von Noorden beruhten auf experimen- Tabelle 1: Metabolische Ethanolfolgen tellen Beobachtungen des Effekts © CME-VERLAG 2019 2
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN lisierung erfolgt insulinarm. Bei Nachweis geführt, dass man mit Reduktion (in der Studie als „peak Kohlenhydratzufuhr werden zu- Ethanol in einer physiologischen risk reduction“ bezeichnet) be- nächst die Glykogenspeicher der Konzentration einen Insulineffekt trägt bei Wein 20 Prozent, bei Bier Leber befüllt, bevor die Glukose- in vitro simulieren kann. Es wur- neun Prozent. [8] produktion post-absorptiv an- den der Transport von Glukose Der Evidenzgrad dieser auf nicht- steigt. Dieser Stoffwechselprozess und die Translokation der Gluko- interventionellen Studien basie- geht mit einem erhöhten Insulin- setransporter GLUT-4 analysiert. renden Meta-Analyse ist allerdings bedarf einher. Mit einer ungefähr physiologi- gering. schen Alkoholkonzentration wer- Auf der Organebene findet ein den beide Prozesse angeregt, ADVANCE Studie Substrat-Shift statt: Bei Kohlen- während ohne Alkohol so gut wie hydrataufnahme verläuft der Sub- In der ADVANCE-Studie, einer der nichts passiert. Dieser Alkoholef- strat-Shift von den freien Fettsäu- größten randomisierten, kontrol- fekt ist mit demjenigen unter Insu- ren hin zu den Kohlenhydraten lierten Diabetes-Studien der ver- lin vergleichbar, fällt aber etwas und bei Ethanolzufuhr von freien gangenen 10 Jahre, wurden 11.140 schwächer aus. [6] Fettsäuren hin zum Acetat. Teilnehmer aus 20 Ländern, über Welcher Zusammenhang besteht einen Zeitraum von fünf Jahren Abbildung 2 zeigt den zeitlichen zwischen Alkoholkonsum und beobachtet. Von 30 Prozent der Verlauf von Plasmaglukosespie- Typ-2 Diabetes? Hierzu wurden in Studienteilnehmer lagen bei Ein- geln von Typ-1-Diabetikern. Die einer aktuellen Meta-Analyse ins- schluss anamnestische Daten zum Kurve mit den transparenten Krei- gesamt 15 prospektive Beobach- Alkoholkonsum vor. Eine kürzlich sen bezieht sich auf den Verlauf tungsstudien mit fast 370.000 Pa- veröffentlichte post-hoc Subgrup- bei Konsum einer Standardmahl- tienten, davon knapp 12.000 Typ-2 penanalyse untersuchte den Ein- zeit mit Wasser als Getränk. Die Diabetikern, ausgewertet. Das fluss des Alkoholkonsums auf die blau eingefärbten Kreise bezeich- relative Risiko einen Typ-2-Dia- Inzidenz kardiovaskulärer Ereig- nen den Verlauf unter derselben betes zu entwickeln ist für absti- nisse. Bei den Patienten mit mo- Standardmahlzeit, jedoch mit nente Menschen höher als für deratem Alkoholkonsum zeigte Wein als Getränk. [5] Menschen mit sich gegenüber der Kontrollgrup- einem moderaten pe – abstinente Teilnehmer – eine Alkoholkonsum. um 17 Prozent niedrigere Rate Erst ab einem kardiovaskulärer Ereignisse. Mik- Konsum von ca. rovaskuläre Komplikationen lagen 50 g Alkohol pro um 15 Prozent und die Gesamt- Tag kehrt sich mortalität um 13 Prozent unter dieser Vorteil in den Raten der Abstinenten. [9] einen Nachteil um. [7] Bei Patienten, die überwiegend Abbildung 2:Plasmaglukosespiegel von Typ-1-Diabetikern Wein konsumiert hatten, waren Eine aktuelle Me- die Vorteile noch deutlicher aus- ta-Analyse untersuchte das relati- geprägt. Ab der zweiten Nachthälfte liegt ve Risiko einen Typ-2-Diabetes zu der Blutzucker der Probanden mit entwickeln in Abhängigkeit von Das Studiendesign der ADVANCE- abendlicher Alkoholaufnahme der Art des alkoholischen Ge- Studie als prospektive und rando- deutlich unter dem der Kontroll- tränks. Dazu wurde der Konsum misierte Studie entspricht zwar gruppe. Am frühen Vormittag von Wein dem von Bier und Spiri- den höchsten Evidenzgrad, die besteht sogar ein erhöhtes Hy- tuosen gegenübergestellt. Danach Daten unterliegen dennoch einer poglykämie-Risiko. geht der Genuss von Wein mit Reihe von Limitationen: Ein Drittel Dieser Sachverhalt (mit seiner einem relativen Risiko von etwa der Studienteilnehmer stammte positiven und seiner negativen 0,85 – dies entspricht einem um 15 aus China, Indien, Malaysia und Seite) muss jedem Typ-1-Diabe- Prozent geringeren Diabetesrisiko Philippinen. Der Alkoholkonsum in tiker geläufig sein und ist daher einher, als ohne Alkohol. Bei Bier diesen Ländern unterscheidet sich Bestandteil jedes Schulungspro- trinkenden Menschen liegt nur stark von demjenigen in der west- gramms. eine fünf prozentige, und bei Spiri- lichen Welt. Des Weiteren besteht In einer präklinischen Studie wur- tuosen nur eine vier prozentige bei Menschen asiatischen Ur- de an isolierten Muskelfasern der Risikoreduktion vor. Die stärkste sprungs nicht selten Alkoholintole- © CME-VERLAG 2019 3
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN Abbildung 3:Genotyp-Varianten der Alkohol-Dehydrogenase ranz, auch als „Asian flush syn- im Rahmen einer mediterranen Die Ergebnisse zeigen einen signi- drome“ bezeichnet. Ernährung auf das kardiometabo- fikanten HDL-Anstieg in der Grup- lische Risiko von Typ-2-Diabe- pe der Rotweintrinker. Beim Beim „Asian flush syndrome“ han- tikern. Zusätzlich wurden Wir- Weißwein war der Effekt ebenfalls delt es sich um die häufigste mo- kungsunterschiede zwischen Rot- sichtbar, aber weniger stark aus- nogentische Erkrankung in der wein und Weißwein ermittelt. geprägt. Sowohl Rotwein als auch westlichen Pazifikregion. Zu dieser Weißwein hatten einen signifikan- Region gehören beispielsweise die Es wurden 224 Patienten einge- ten positiven Einfluss auf die Tri- Halbinsel Korea, China, Taiwan schlossen, die bis zum Studienbe- glyceride. Die Plasmaglukose- und Japan. Man schätzt, dass es ginn alkoholabstinent gelebt hat- Wer-te waren weitgehend gleich. 560 Millionen Allel-Träger mit dem ten. Das mittlere Patientenalter „Asian flush syndrome“ gibt. lag bei 60 Jahren, der HbA1c-Wert Im Rahmen der CASCADE-Studie [10,11] war mit 6,9 Prozent vergleichswei- wurden zudem Genotyp-Varianten se gut eingestellt. Der Body-Mass- der Alkohol-Dehydrogenase ana- 30 Prozent der ADVANCE-Stu- Index lag bei 30 kg/m2 an der lysiert. Es ist seit langem bekannt dienteilnehmer stammen aus die- Schwelle zur Fettleibigkeit – mitt- bekannt, dass einige Menschen ser Region. Daher sind Die Ergeb- lerweile üblich bei Typ-2- Ethanol schneller metabolisieren nisse der oben dargestellten Ana- Diabetes-Stu-dien. [12] als andere. In Abbildung 3 sind die lysen vermutlich nur einge- Daten der schnellen Ethanol- schränkt auf die Bevölkerung in Die Studie wurde randomisiert, Verstoffwechsler als graue Käst- anderen Erdteilen übertragbar. kontrolliert und prospektiv durch- chen und die der langsamen als geführt: Die Patienten erhielten Vor diesem Hintergrund und we- gelbe Kästchen dargestellt. über einen Zeitraum von zwei gen des retrospektiven Designs Für den Glukosestoffwechsel ist es Jahren zu jedem Abendessen ent- haben die ADVANCE-Daten zwar demnach besser, wenn man ein weder 150 Milliliter Mineralwasser, formal einen hohen Evidenzgrad, langsamer Metabolisierer ist. Auf Rotwein oder Weißwein und wur- aber keinen Empfehlungsgrad. der anderen Seite hat der schnelle den ernährungsmedizinisch be- Metabolisierer den niedrigeren gleitet, hatten aber keine Kalori- CASCADE Studie Blutdruck. enreduktion. Eine neue Dimension der Evidenz- Eine weitere Veröffentlichung zur Die primären Endpunkte waren basis des Lebensstilfaktors Wein CASCADE-Studie untersuchte das das Lipidprofil und glykämische eröffnet die CASCADE-Studie aus 24-Stunden-Blutdruckprofil von Laborwerte, d.h. HbA1c, Nüch- dem Jahr 2015. Die israelischen Menschen mit verschiedenen Al- tern-Plasmaglukose und der Forscher untersuchten den Ein- kohol-Dehydrogenase-Genoty- HOMA-IR-Index. fluss von moderatem Weingenuss pen. [13] Die Autoren konnten © CME-VERLAG 2019 4
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN eindrucksvoll zeigen, dass Mediterrane Ernährungsweise sumiert. Vergleichsweise neu ist „Schnell-Metabolisierer“ im 24- Grundlage der Adhärenzmessung die Erkenntnis, dass auch eine Stunden-Profil 8 mm Hg niedrige- in MOLI-SANI war der Tricho- Alkoholabstinenz mit einer redu- re Blutdruckwerte aufweisen. Nur poulou-Score, der im Jahr 2003 zierten Lebenserwartung einher- wenige pharmakologische Thera- anhand von griechischen Daten geht. pien erreichen Verbesserungen veröffentlicht wurde (Tabelle 2). Die Arbeitsgruppe von Dariush dieses Ausmaßes. Allerdings ken- [15] Mozaffarian und Kollegen aus nen die wenigsten Patienten ihren In diesem System sind Adhärenz- Boston hat den Zusammenhang Alkohol-Dehydrogenase-Genotyp. punkte für den reichlichen Kon- und den zeitlichen Verlauf von Lebensgewohnheiten und Risiko- MOLI-SANI Studie sum von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Nüssen, Getreide und Fisch faktoren auf die Entstehung chro- Eine weitere prospektive Studie nischer Zivilisationserkrankungen wegen der niedrig angesetzten mit hoher Evidenz wurde im italie- bis hin zum Tod charakterisiert. Untergrenze recht einfach zu er- nischen Molise durchgeführt. Die [16] Die Basis bilden Lebensstilfak- reichen, während das angesichts Studie untersucht den Zusam- toren wie schlechte Ernährungs- der eher strengen Obergrenzen menhang zwischen der Adhärenz gewohnheiten, Bewegungsman- bei Fleisch und Milchprodukten – zur mediterranen Ernährung und gel und Rauchen. pro Woche sind maximal ein der Mortalität von Patienten mit Schnitzel und ein Glas Milch oder Auf Basis der oben vorgestellten Typ-2-Diabetes. Die Forscher ein Joghurt erlaubt – deutlich neuen Evidenz lässt sich der Le- quantifizierten Adhärenz anhand schwieriger ist. bensstilfaktor Ernährung nun ge- des Trichopoulou-Scores und konnten zeigen, dass mit steigen- Für den Weinkonsum gibt es kei- nauer differenzieren. Der über- der Adhärenz die Mortalität ab- nen fixen Grenzwert, sondern ei- mäßige Konsum von Fleisch- und nimmt, und zwar je zwei Adhä- nen Ethanol-Zielbereich zwischen Milchprodukten sowie von Alkohol 5 und 25 g pro Tag für Frauen und zählt zu den ungesunden Ernäh- renz-Punkte um 37 Prozent. [14] 10 bis 50 g pro Tag für Männer. rungsgewohnheiten. Neu ist, dass Betrachtet man die Einzelbestand- Wer mehr oder auch weniger zu neben zu wenig Gemüse, Hülsen- teile der mediterranen Diät und sich nimmt, erhält keinen Adhä- früchten, Obst, Nüssen, Getreide deren jeweiligen Einfluss auf das renzpunkt. und Fisch, auch zu wenig Wein zur Mortalitätsrisiko zeigt sich, dass Mahlzeit die Definition einer un- moderater Weingenuss der Ernäh- Gesundheitsschäden treten nur gesunden Ernährung erfüllt. rungsbestandteil mit dem höchs- auf, wenn man Alkoholmengen jenseits dieses Zielkorridors kon- Die vielfältigen Wirkungen des ten Risikoreduktionspotential war. Ethanols auf den Stoffwechsel Tabelle 2:Definition der traditionellen Mediterranen Ernährung nach Trichopoulou © CME-VERLAG 2019 5
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN sind heute zum Teil bis auf die • Eine Neudefinition des Begriffs 14. Bonaccio L et al. 2015Eur J molekulare Ebene bekannt: „ungesunde Ernährung“ um- Prevent Cardiol 388:465 ff. fasst sowohl ein Übermaß als 15. Trichopoulou A et al. 2003 • Ethanol schleust mit der Essig- auch die Abstinenz von Alko- NEJM 348:2599-2608 säure ein insulinsparend oxi- hol. 16. Mozaffarian D et al. 2008 Cir- dierbares Substrat in den Stoff- • Beim Thema Adhärenz zur culation 117:3031-3038. 117:3031- wechsel ein. mediterranen Ernährung geht 3038. • Ethanol hat einen verzögert es im Kern um das rechte Maß. wirksamen blutzuckersenken- Ungesunde Ernährung kann in Bildnachweis: den Effekt. diesem Sinne zu viel sein © davit85- Fotolia.com • Sowohl in der Leber als auch an (Fleisch und Milchprodukte), zu der Muskulatur sind günstige wenig (Gemüse, Nüsse, Getrei- Stoffwechseleffekte von Etha- Transparenzinformation: de, Fisch) oder beides (zu viel nol beschrieben. oder zu wenig Alkohol in Form Ausführliche Informationen zu • Epidemiologischen Studien von Wein). Interessenkonflikten und Sponso- zeigen, dass moderater Alko- ring sind online einsehbar unter- holgenuss das Diabetesrisiko Literatur: halb des jeweiligen Kursmoduls. reduzieren kann. 1. Sackett DL et al. BMJ. 1996 Jan • Das neue Evidenzniveau resul- 13;312(7023):71-72 Mit freundlicher Unterstützung tiert aus drei prospektiven, 2. Scottish Intercollegiate Guide- von: Deutsche Weinakademie randomisierten Studien. lines Network. SIGN Guidelines. • In der ADVANCE-Studie ist An introduction to SIGN method- moderater Weingenuss mit re- ology for the development of evi- duzierter Morbidität und Mor- dence-based clinical guidelines. talität assoziiert. Der Evidenz- Edinburgh: SIGN; 1999. (SIGN grad dieser Subgruppenana- Publications; 39). lyse ist jedoch aus methodi- 3. Carl von Noorden. Die Zucker- schen Gründen limitiert. krankheit und ihre Behandlung. 3. Auflage 1901, 4. Kapitel S. 83; Au- • Die MOLI-SANI-Studie zeigt gust Hirschwald, Berlin auf hohem Evidenz- (1b) und 4. Siler SQ et al. Am J Clin Nutr. Empfehlungsgrad (B), dass Al- 1999 Nov;70(5):928-936 kohol als Hauptbestandteil ei- 5. Turner BC et al. Diabetes Care. ner mediterranen Ernährung 2001 Nov;24(11):1888-1893 die Mortalität reduziert. 6. Yu B et al. 2000 Am J Physiol • Im der CASCADE-Studie wurde Endocrinol Metab 279: E1358- nachgewiesen, dass moderater E1365 Weingenuss im Rahmen tradi- 7. Koppes LL et al. 2005 Diabetes tioneller mediterraner Ernäh- Care 28: 719-725 rung die Parameter der glykä- 8. Huang J et al. 2017 J Diabetes mischen Kontrolle verbessert Investig. 8:56-68. und sich positiv auf den Blut- 9. Blomster JI et al 2014 Diabetes druck auswirkt – abhängig von Care 37:1353-1359 der Genetik des Alkoholab- 10. Chen CH et al 2014 Physiol baus. Rev. 94:1-34. • Die Patienten der CASCADE- 10. Li H et al 2009 Ann Hum Ge- Studie wurden einer genotypi- net. 73:335–345 schen Analyse der Alkohol- 12. Gepner Y et al. 2015, Ann In- Dehydrogenase zur Identifizie- tern Med.163:569-579. rung schneller und langsamer 13. Gepner Y et al. 2016 American Alkohol-Metabolisierer unter- Journal of Hypertension 29:476- zogen. 483. © CME-VERLAG 2019 6
ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG www.cme-kurs.de Bitte beachten Sie: Fragebogen • Die Teilnahme am nachfolgenden CME-Test ist nur online möglich unter: www.cme-kurs.de • Diese Fortbildung ist mit 2 CME-Punkten zertifiziert. • Es ist immer nur eine Antwortmöglichkeit richtig (keine Mehrfachnennungen). Welche ernährungstherapeutische Maßnahme bei Dia- In der gesamten Beobachtungszeit ist kein Unter- betes wurde bereits vor über 100 Jahren vom Frankfur- schied der Plasmaglukose nach Konsum von Wasser ter Diabetologen Carl von Noorden propagiert? gegenüber Alkohol zu erwarten Infolge der Wasseraufnahme sinkt der Plasmagluko- Verzicht auf Alkohol sespiegel in der zweiten Nachthälfte deutlich ab Kohlenhydratarme Diät Welche Aussage über den Zusammenhang zwi- Gabe besonders kleiner Mengen an Insulin schen Alkoholkonsum und Typ-2 Diabetes ist Gabe besonders hoher Mengen an Insulin falsch? Fettarme Diät Unter Alkoholabstinenz besteht ein höheres Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln als bei modera- Welche Aussage zur Metabolisierung von Alkohol ist tem Alkoholkonsum. richtig? Bei hohem Alkoholkonsum besteht ein höheres Risi- Ethanol wird in zwei Oxidationsschritten in Acetat (Essig- ko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln als bei mo- säure) umgewandelt deratem Alkoholkonsum. Ethanol geht ohne weitere Metabolisierung in den Zitro- Bei moderatem Alkoholkonsum besteht ein geringe- nensäurezyklus ein res Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln als Ethanol wird in der Leber vollständig zu CO2 und H2O oxi- bei Alkoholabstinenz. diert Bei moderatem Alkoholkonsum besteht ein höheres Ethanol wird in den Nieren vollständig zu CO2 und H2O Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln als unter oxidiert Alkoholabstinenz. Ethanol wird direkt zur Energiegewinnung in Muskeln ver- Es besteht kein Zusammenhang zwischen Alkohol- wendet konsum und dem Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Welche Aussagen über die metabolischen Konsequenzen der Zufuhr von Alkohol sind richtig? Welche Aussage über das Risiko, einen Typ-2- Diabetes zu entwickeln in Abhängigkeit vom 1. Nach dem Konsum von Alkohol steigt die Konzentration von Acetat. Konsum verschiedener Arten alkoholhaltiger Getränke ist richtig? 2. Nach dem Konsum von Alkohol wird vermehrt Insulin ausge- schüttet. Das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln ist für den 3. Nach dem Konsum von Alkohol werden die Glykogenspeicher Konsum von Wein, Bier und Spirituosen gleichermaßen der Leber befüllt. höher als für Wasser. 4. Nach dem Konsum von Alkohol werden vermehrt freie Fett- Das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln ist für den säuren in der Leber in Kohlehydrate umgewandelt. Konsum von Wein, Bier und Spirituosen gleichermaßen 5. Nach dem Konsum von Alkohol nimmt die Fettgewebs- niedriger als für Wasser. lipolyse ab. Das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln ist Keine der aufgeführten Aussagen ist richtig für den Konsum von Wein niedriger als für Bier und Spirituosen. Nur Aussagen 2 und 5 sind richtig Das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln ist Nur Aussagen 3 und 4 sind richtig für den Konsum von Bier höher als für Spirituosen. Nur Aussagen 1 und 5 sind richtig Das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln ist für den Alle aufgeführten Aussagen sind richtig Konsum von Spirituosen niedriger als für Wein. Welche Aussage über den Verlauf des Plasmaglukosespiegels von Typ-1-Diabetikern nach abendlicher Einnahme einer Standardmahlzeit mit Wein bzw. mit Wasser ist richtig? Bereits unmittelbar nach der Alkoholaufnahme sinkt der Plasmaglukosespiegel dramatisch ab Infolge der Wasseraufnahme sinkt der Plasmaglukosespie- gel bereits während des Essens deutlich ab. Infolge des abendlichen Alkoholkonsums ist die Plas- maglukosekonzentration am nachfolgenden Vormittag niedriger. © CME-Verlag 2018
WEIN UND DIABETES – ETABLIERTE ERKENNTNISSE UND NEUERE FORSCHUNGEN Welche Aussagen über die Inzidenz kardiovaskulärer Welche Aussagen zur mediterranen Ernährung Ereignisse können aus der post-hoc Subgruppen- sind richtig? analyse der ADVANCE-Studie abgeleitet werden? 1. Wichtige Bestandteile der traditionellen mediterranen Ernäh- 1. Alkoholabstinente Patienten zeigen eine höhere Inzidenz kar- rung sind reichlich Hülsenfrüchte, Obst, Nüsse, Getreide und diovaskulärer Ereignisse als Patienten mit moderatem Alkohol- Fisch konsum. 2. Die traditionelle mediterrane Ernährung beinhaltet den re- 2. Patienten mit moderatem Alkoholkonsum zeigen eine höhere gelmäßigen Konsum von reichlich rotem Fleisch Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse als alkoholabstinente Pati- 3. Die traditionelle mediterrane Ernährung bevorzugt den Kon- enten. sum von Milchprodukten gegenüber Gemüse 3. Patienten mit moderatem Alkoholkonsum zeigen eine gerin- 4. Die traditionelle mediterrane Ernährung beinhaltet moderate gere Inzidenz mikrovaskulärer Ereignisse als alkoholabstinenten Mengen an Wein zu den Hauptmahlzeiten Patienten. 4. Patienten mit moderatem Alkoholkonsum zeigen eine gerin- 5. Die traditionelle mediterrane Ernährung schreibt einen völli- gere Mortalität als alkoholabstinenten Patienten. gen Verzicht von Alkohol vor 5. Schon geringe Alkoholmengen erhöhen die Mortalität. Keine der aufgeführten Aussagen ist richtig Keine der aufgeführten Aussagen ist richtig Nur Aussagen 1 und 3 sind richtig Nur Aussagen 1 und 5 sind richtig Nur Aussagen 1 und 4 sind richtig Nur Aussagen 4 und 5 sind richtig Nur Aussagen 1 und 5 sind richtig Nur Aussagen 1, 3 und 4 sind richtig Alle aufgeführten Aussagen sind richtig Nur Aussagen 2, 3, 4 und 5 sind richtig Unter dem „Asian flush syndrome“ versteht man... eine verringerte Alkoholtoleranz bei Menschen aus der westlichen Pazifikregion eine erhöhte Alkoholtoleranz bei Menschen aus der westli- chen Pazifikregion eine erhöhte Alkoholtoleranz bei Menschen aus Europa eine verringerte Alkoholtoleranz bei Menschen aus Europa die seltenste monogenetische Erkrankung in der westli- chen Pazifikregion Welche Aussage über die verschiedenen Alkohol- Dehydrogenase-Genotypen ist falsch? Bei Menschen mit schnellem Alkohol-Metabolismus liegen im Allgemeinen höhere Nüchtern-Plasmaglukosewerte im Blut vor als bei Menschen mit langsamem Alkohol- Metabolismus. Bei Menschen mit schnellem Alkohol-Metabolismus sind die HbA1c-Werte höher als bei Menschen mit langsamem Alkohol-Metabolismus. Menschen mit schnellem Alkohol-Metabolismus haben im Allgemeinen niedrigere Blutdruckwerte als Menschen mit langsamem Alkohol-Metabolismus. Menschen mit schnellem Alkohol-Metabolismus haben hö- here Insulinspiegel als Menschen mit langsamem Alkohol- Metabolismus. Menschen mit schnellem Alkohol-Metabolismus haben im Allgemeinen einen höheren Blutdruck. © CME-VERLAG 2019 8
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