St.Moritz mit dem Fahrrad
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
St.Moritz mit dem Fahrrad St.Moritz in der Schweiz – das Paradies der Reichen und der Schönen mit Jubel, Trubel, Heiterkeit an 365 Tagen im Jahr mit dem Fahrrad? Geht das überhaupt so mitten in den Alpen? Es geht, denn Silvia und ich machten uns am Sonntag, den 07.09.2008 dorthin auf den Weg. Die Anfahrt erledigten wir umweltfreundlich mit dem Zug, wobei es von Bochum aus zwei mal am Tag eine Direktverbindung mit einmaligem Umsteigen gibt. Der Umstieg erfolgt in Chur, der Hauptstadt des Schweizer Kanton Graubünden, in die Fahrzeuge der Rhätischen Bahn, mit deren Hilfe die letzten zwei Stunden der insgesamt elf stündigen Fahrt gemeistert wurden. Zuvor ging es mit dem Eurocity-Tageszug mit Fahrradmitnahme entlang des Rheines und über Basel – Zürich in die Schweiz. Ab Chur fährt die „Kleine Rote“, wie die Rhätische Bahn wegen ihrer vorherrschenden Farbgebung und ihrer Spurweite von nur 1 Meter auch genannt wird, zunächst noch parallel zum Rhein. Sie überquert ihn letztmalig am Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein, um dann ihren Weg an der Via Mala vorbei über die Albulabahn Richtung Hochgebirge zu nehmen. Leider war es sehr nebelig, so dass wir nicht all zuviel von der atemberaubenden Streckenführung mitbekommen haben. In St.Moritz begaben wir uns sofort zur Jugendherberge, um uns dort einzuquartieren und zu Abend zu essen, denn auch das Reisen mit der Bahn macht müde und hungrig. Am nächsten Morgen der Blick aus dem Fenster: Alles in dichten Nebel gehüllt. Macht nichts, trösteten wir uns, denn der Wetterbericht versprach ab Vormittag wunderschönes Spätsommerwetter. Nach dem Frühstück ging es los in Richtung Maloja und der dortigen Passhöhe. Man folgt dabei in Richtung Westen auf 20 Kilometer dem Inn und einer Seenkette, denn das Inntal oder Engadin ist trotz seiner Höhe von 1800 Metern über dem Meer überraschend eben. Kaum Abbildung 1: Blick vom Malojapass auf das Bergell erschien die Sonne über den Bergen, als sich die Nebelbänke auflösten und die Sicht glasklar wurde. In Maloja an der Passhöhe ist die radfahrerfreundliche Topografie allerdings zu Ende, denn mit von einem Messer abgeschnitten bricht der Talgrund ab; die Gebirgsstufe ins benachbarte Bergell ist dabei über 300 Meter hoch und der Fußpunkt des Malojapasses setzt im italienischen Chiavenna in 30 Kilometer Entfernung bei etwa 350 Metern über dem Meer an. Die verlockende Abfahrt haben wir uns deshalb geschenkt, zumal die Serpentinen des Malojapasses gefürchtet sind wegen ihrer Enge. Die Aussicht auf die umgebenden Berge haben dennoch genossen, bevor es dann wieder entlang der Seen zurück ging. Für den Nachmittag haben wir uns dann die Zunge des Morteratschgletschers im Berninamassiv vorgenommen, vom Volumen her immerhin der größte Gletscher der Ostalpen. Obwohl der Gletscher seit 1850 nahezu die Hälfte seiner Masse verloren hatte und dabei von neun auf sieben Kilometer geschrumpft ist, präsentiert er sich dem Wanderer immer noch majestätisch.
Bis zur Station Morteratsch der Rhätischen Bahn konnten wir mit dem Rad fahren, ab dort war eine Weiterfahrt nicht mehr zulässig und wir liefen die letzten 2 Kilometer zu Fuß. Auf dem Weg zur Endzunge markierten immer wieder Tafeln den Stand der Zunge im 10-Jahres Rhythmus, so dass das Schrumpfen des Gletschers nachvollzogen werden konnte. Gleichzeitig wurde die umgebende Landschaft immer unwirklicher; standen zunächst auf dem mit Geröll übersäten Talgrund noch einzelne Büsche und niedrige Bäume, so verschwanden diese Abbildung 2: Die Zunge des Morteratschgletschers nach und nach und ließen eine Oberfläche zurück, die einer Mondlandschaft nicht unähnlich war. Die letzten 50 Meter zum Gletscher waren nicht mehr ausgebaut, statt dessen warnten Schilder vor dem Betreten des Gletschers. Aus den aufgetürmten Massen aus Felsbrocken und Eis kann sich bei sommerlichen Temperaturen jederzeit ein Klotz in der Größe eines Einfamilienhauses lösen, und wo so etwas hinfällt, da wächst bekanntlich kein Gras mehr. Für den nächsten Tag war ebenfalls schönes Wetter bei glasklarer Fernsicht angesagt. Mein erster Gedanke war: „Das müssen wir ausnützen!“ Mit dem Rad ging es das Berninatal hinauf, wobei wir abseits der doch recht stark befahrenen Passstraße einen alten Saumweg entdeckten. Teilweise fuhren, teilweise schoben wir unsere Fahrräder bis zur Station Bernina Diavolezza, wo wir die Räder stehen ließen und uns mit der Seilbahn in die Höhe auf 3000 Meter über Meeresspiegel auf den Grat der Diavolezza fahren ließen. Die Aussicht auf die Gletscher und Abbildung 3: Die Bergwelt der Diavolezza die Bergriesen war in der Tat atemberaubend, das galt auch was die Höhenlage und den Luftdruck anging. Ich selber halte mich für durchaus durchtrainiert, aber nach nur einem Tag der Anpassung an den niedrigen Luftdruck machen sich durchaus körperliche Symptome wie ein erhöhter Puls bemerkbar. Aber mit der passenden Atemtechnik konnte man sich dort oben schon bewegen, ohne dass der Kreislauf sofort Beifall klatschte. Meiner Begleiterin ging es auch nicht viel besser, trotzdem haben wir es dort oben ungefähr drei Stunden ausgehalten, bevor wir uns mit der Bahn wieder ins Tal fahren ließen. Am nächstem Tag haben wir uns eine Bergwanderung vorgenommen. Zunächst ging es mit dem Rad zur Talstation der Standseilbahn auf die Muottas Muragl, von dort aus starten mehrere Wanderwege in die Berge. Uns zog es in Richtung der Segantini-Hütte auf über 2700 Meter Höhe. Giovanni Segantini lebte im 19. Jahrhundert und war vor allem in seinen letzten Lebensjahren der Maler des Engadins. In Italien geboren und dort
aufgewachsen, zog es ihn in seiner wichtigsten Schaffensperiode immer wieder in diese Gegend. Sein Atelier hatte er zunächst in Maloja, da er aber für seine Arbeit die Ruhe und Abgeschiedenheit bevorzugte, verlegte er seine Werkstatt in die heute nach ihm benannte Hütte. Dort starb er im 41. Lebensjahr an einer Bauchfellentzündung. An der Hütte erinnert eine Gedenktafel in rhätoromanischer Sprache an ihn. Obwohl die Zivilisation mit einer Wanderzeit von zwei Stunden bis zur nächsten Bergbahnstation vergleichsweise weit entfernt war, betreibt der Hüttenwirt dort oben ein ziemlich gutes Geschäft. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass sämtliche Verbrauchsgüter (in Spitzenzeiten 1000 Kilogramm pro Woche) für die Gäste mit dem Hubschrauber herein geflogen werden Abbildung 4: Gedenktafel in rhätoromanischer Sprache müssen, denn ein Tragtier wie beispielsweise ein Muli kann bestenfalls 80 Kilogramm transportieren. Für Bergwanderer, die es nicht mehr bis zur Station der Bergbahn schaffen, werden auf der Hütte Nachtquartiere vorgehalten. Von der Hütte aus ging es weiter in die Bergwelt. Zunächst noch auf einer Höhe bleibend, wurde der Weg immer schroffer und schroffer. Wir querten einen Hang mit Lawinenverbauungen, bevor es in Traversen zu Tal ging. An manchen Stellen mussten wir schon die Hände zu Hilfe nehmen, aber bei dem schönem Wetter war das im Grunde genommen kein wirkliches Problem. Anders sieht die Welt natürlich aus, wenn ein Wettersturz im Gebirge droht. Genau das passierte auf dem Rückweg zur Bergstation, als sich das Wetter stetig verschlechterte und sich bei uns eine gewisse Erschöpfung breit machte. Gottseidank bekamen wir nur ein paar Regentropfen ab, während es im Tal und an den gegenüberliegenden Berghängen so richtig kübelte. Irgendwie schafften wir es nach dieser Anstrengung trotzdem mit dem Rad zur Jugendherberge, während um uns herum ein Abend in strahlender Schönheit anbrach als wäre eine Stunde zuvor nichts geschehen. Und weil diese Wanderung so anstrengend war, beschlossen wir tags darauf einen Ruhetag einzulegen und uns nur mit der Bahn fahren zu lassen. St.Moritz liegt in dieser Hinsicht sehr zentral; die Rhätische Bahn fährt vom Bahnhof aus in drei Richtungen ab. Für uns sollte es an diesem Tag über die höchstgelegene reguläre Schmalspurbahn Europas nach Italien gehen. Die Berninabahn schafft diesen Superlativ, in dem sie von den 2258 Metern über dem Meeresspiegel am Berninapass auf unter 500 Metern im italienischem Tirano in weniger als zwei Stunden fährt. Die klimatischen Zonen reichen dabei sozusagen von der Arktis bis an die Palmen im Vorfeld des Mittelmeeres. Machbar ist so etwas nur, wenn die Eisenbahn an die Grenzen der Physik herangeht. Im Falle der Berninabahn bedeutet dies, dass die Trasse dauerhaft mit Steigungen von 7 % angelegt sein muss mit allen Konsequenzen für das Verhalten beim Bremsen und beim Anfahren am Berg. Für den Reisenden bedeutet dies, dass wir uns über ein genüssliches Abgleiten in die Abgründe der südlichen Alpenhänge freuen durften, zumal die Berninabahn gerade auf diesem Streckenabschnitt kaum Tunnels besitzt. Statt dessen werden äußerst geschickt in offener Trassenführung die zur Verfügung stehenden Seitentäler ausgefahren, nach jeder Kurve lohnt es den Sitzplatz zu wechseln um ja nichts von den immer wieder überwältigenden Aussichten zu verpassen.
Tirano ist ein kleines Städtchen in Italien an der Grenze zur Schweiz. Ein gewisser Gegensatz zu den netten, adretten und aufgeräumten Städten der Schweiz ist unverkennbar, gammeln hier manche Gebäude doch recht stilvoll vor sich hin. Obwohl unser Zug mit Reisenden gefüllt in den Bahnhof der Stadt einfuhr, verliefen sich die Touristen doch recht schnell im Ort. Wir haben jedenfalls den südlichen Flair der Stadt genossen und zum Abschluss unseren letzten baren Abbildung 5: Unterwegs mit der Berninabahn Euro im Bahnhofscafe umgesetzt. Der letzte Tag sollte nochmals ganz in Zeichen des Fahrrades stehen. Wir hatten uns zunächst das Val Bever vorgenommen, ein Seitental des Engadins. Neben einer schmalen Fahrstraße liegt dort nur das Gleis der Albulabahn, somit ist das Tal autofrei. Wir folgten dem Tal bis zum Albulatunnel der Eisenbahn, kehrten dort aber um weil uns das Wetter zu unsicher erschien. Auf dem Rückweg entdeckten wir den dortigen Märchenpfad, dessen Konzept ganz einfach und trotzdem höchst effektiv ist: An den einzelnen Station des Märchenpfades waren in der Runde Sitzgruppen aus Baumstämmen angeordnet, eine Reihe kleiner für Kinder und einzelner großer für einen Erwachsenen. Unter dem Abbildung 6: Das Engadin kann ziemlich flach sein... Sitz für den erwachsen Teilnehmer befand sich ein Märchenbuch, aus dem der Erwachsene den Kindern vorlesen konnte. Ganz in der Nähe befindet sich eine zum Thema des jeweiligen Märchen passende Skulptur. Gestaltet wurde der Märchenpfad von Künstlerinnen und Künstlern aus der Umgebung. Nachdem wir das Val Bever verlassen hatten, folgten wir dem Inn weiter flussabwärts. Der Weg war zunächst flach, wandelte sich aber nach und nach in einen echten Abenteuerpfad mit viel rauf und runter, so dass wir des öfteren das Rad schieben mussten. Wirklich gefährliche Stellen gab es nicht, aber als „jedermanntauglich“ würde ich den Weg nicht bezeichnen.
Unser Tagesziel war Zernez, das Tor zum Schweizer Nationalpark am Fuß des Ofenpasses. Im Ort gibt es das Informationszentrum des Nationalparks, dessen Besuch trotz Eintrittspreis sehr lohnenswert ist. Man bekommt am Eingang einen Telefonhörer mit Tatstatur ausgehändigt, in der Ausstellung sind die einzelnen Exponate mit einem Zahlenkode versehen, die man auf der Tastatur eingibt und schon erhält man die notwendigen Abbildung 7: ... oder auch nicht. Beide Fotos entstanden im Abstand weniger Informationen über den Kilometer. eingebauten Lautsprecher. Begrüßt wird man in der Ausstellung übrigens von einem feuerspeienden und qualmenden Drachen, welcher der Meinung ist das man sich doch etwas näher kennen lernen sollte... Den Rückweg traten wir wegen der doch nicht ganz ungeringen Höhenunterschiede mit der Bahn an. Gerade weil die Schweiz ein weiten Bereichen ziemlich gebirgig ist, funktioniert die Fahrradmitnahme in den Zügen ganz hervorragend. Am nächsten Tag hieß es dann Abschied nehmen von den Bergen. Er fiel uns leicht, da es in Strömen regnete und auch für den folgenden Tag keine Besserung in Sicht war. Fazit von uns beiden: Es hat sich gelohnt, auch wenn die Schweiz kein wirklich billiges Reiseland ist. Speziell meine Begleiterin war von der Vielseitigkeit der Landschaft restlos begeistert. Aus diesem Grunde würde ich gerne eine ADFC-Tour für den September 2009 anbieten, die ebenfalls eine Woche lang dauern soll. Einzelheiten werde ich rechtzeitig auf dieser Internetseite oder in unserem „Frei Atmen!“ veröffentlichen. Markus Schweiß, Bochum
Sie können auch lesen