Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 21.10.2020

 
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Deutscher Bundestag
     Ausschuss f. Gesundheit

    Ausschussdrucksache
       19(14)233(2)
  zur öAnh am 28.10.2020 -
    Covid-19 Teststrategie
         21.10.2020

                                          Stellungnahme
                      des GKV-Spitzenverbandes
                                        vom 21.10.2020

                                   zum Antrag der FDP-Fraktion
„Praxistaugliche und intelligente COVID-19-Strategie“,
                               Bundestagsdrucksache 19/22114,
                                                vom 08.09.2020

                                                    GKV-Spitzenverband
                                         Reinhardtstraße 28, 10117 Berlin
                                                  Telefon 030 206288-0
                                                     Fax 030 206288-88
                                          politik@gkv-spitzenverband.de
                                             www.gkv-spitzenverband.de
Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 21.10.2020
zum Antrag der FDP-Fraktion „Praxistaugliche und intelligente COVID-19-Strategie“,
Bundestagsdrucksache 19/22114
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Inhaltsverzeichnis
I.   Vorbemerkung .......................................................................................... 3

II. Stellungnahme zum Antrag......................................................................... 5
Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 21.10.2020
zum Antrag der FDP-Fraktion „Praxistaugliche und intelligente COVID-19-Strategie“,
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I. Vorbemerkung
    Eine angemessene Teststrategie in der Pandemiesituation muss auf einer klaren Ablei-
    tung und Begründung des Nutzens und der anzustrebenden Effekte der Testungen beru-
    hen. Hier sind grundsätzlich drei Aspekte maßgeblich.

    Zum Ersten sollen Personen getestet werden, bei denen aufgrund typischer Symptome
    einer Atemwegsinfektion das Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion geprüft werden
    sollte, da eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit von Covid-19 bei positivem Er-
    gebnis besteht. Dies ist eine essenzielle Funktion des medizinischen Versorgungssys-
    tems und hierfür müssen Testkapazitäten genutzt werden.

    Zweitens kann eine Testung von Personen dann sinnvoll sein, wenn ein vergleichsweise
    hohes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion vorliegt und somit ein Risiko für eine wei-
    tere Übertragung der Infektion besteht. Dies betrifft den Kernbereich der Infektionsprä-
    vention. Teilweise handelt es sich hier um die gleiche Personengruppe und dieselben
    Testanlässe wie beim Vorliegen von Symptomen. Allerdings ist es ein schon früh be-
    merktes und seitdem bestätigtes Charakteristikum der SARS-CoV-2-Infektion, dass auch
    eine Übertragung durch Personen möglich ist, die keine Symptomatik aufweisen, sodass
    eine Untersuchung solcher Personen sinnvoll ist. Dies gilt umso mehr, je höher die Vor-
    test-Wahrscheinlichkeit und je höher das Risiko einer Übertragung insbesondere für ge-
    fährdete Personen ist (z. B. für ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen).

    Drittens kann ein Testanlass bestehen, wenn z.B. enge Kontaktpersonen von Infizierten
    aufgrund dieses Risikos isoliert sind und durch hinreichend sichere negative Testergeb-
    nisse diese Isolation beendet werden kann oder wenn solche Testergebnisse z. B. ver-
    langt werden, damit weitere bedeutsame soziale Aktivitäten ausgeübt werden können.
    Solche Testungen können grundsätzlich gegenüber Testungen zur Abklärung von Symp-
    tomatik und zur Einleitung medizinischer Behandlungen sowie zur Infektionsprävention
    als nachrangig betrachtet werden. Es können allerdings auch besondere Situationen be-
    schrieben werden oder besondere Härten auftreten, die auch solchen Testanlässen einen
    höheren Rang zuweisen.
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    Insgesamt sollte gelten, dass die Festlegungen zu konkret angemessenen Indikationen
    für eine Testung auf das Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion auf den genannten
    Grundlagen stetig unter Einbeziehung neuerer Erkenntnisse überprüft und fortentwickelt
    werden. Wie die Entwicklung der jüngeren wissenschaftlichen Diskussionen und der ge-
    sellschaftlichen und politischen Diskussionen, die sich auf wissenschaftliche Ergebnisse
    und Einschätzungen beziehen, deutlich machen, wäre es eine zu vereinfachte Sichtweise,
    davon auszugehen, dass jeder wissenschaftliche Beitrag unmittelbar zu mehr Hand-
    lungsgewissheit führt. Zwar bildet die Gewinnung von Handlungssicherheit letztlich das
    Ziel, aber neue wissenschaftliche Erkenntnisse können zunächst immer auch den bis
    dato gültigen Stand der Erkenntnisse in Frage stellen. Die Dynamik der Pandemiesitua-
    tion macht dies sicherlich deutlich. Es ist gegenwärtig die Aufgabe der jeweils Verant-
    wortlichen, auch auf unsicheren Grundlagen zu entscheiden und getroffene Entschei-
    dungen ggf. wieder zu revidieren. Wesentlich ist dabei, dass angemessene wissenschaft-
    liche Studien durchgeführt werden, um offene Fragen klären zu können. Dies gilt auch
    für neuere Testverfahren, insbesondere „Point-of-Care“-Antigentests, die eine große
    Entlastung bei knappen Testkapazitäten bieten könnten, wenn deren diagnostische Leis-
    tungsfähigkeit bestätigt und Anwendungsszenarien beschrieben und in Studien unter-
    sucht werden.
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II. Stellungnahme zum Antrag

Nr. 1

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, die nationale Teststrategie an den Prinzipien der
     Zielgerichtetheit und des Risikogruppenschutzes auszurichten. Zielgerichtetes Testen
     verringert den Anteil falsch-positiver und falsch-negativer Testergebnisse und erhöht die
     Akzeptanz des Testens. Die Strategie sowie die Quarantäne- und Testempfehlungen
     müssen stetig anhand der wissenschaftlich aktualisierten Infektionsdynamik und Virus-
     last angepasst werden, denn die wissenschaftliche Datenbasis zu SARS-CoV-2 erweitert
     sich ständig. Bestandteile der Teststrategie sollen dabei sein,

     a. alle 14 Tage Altenpflegekräfte testen, um Risikogruppen zu schützen (7.930 der 9.276
        der Menschen, die an COVID-19 gestorben sind, waren über 70 Jahre alt (Stand 6.
        September 2020, 3.675 der Menschen, die an COVID-19 gestorben sind, waren in Ein-
        richtungen nach § 36 IfSG untergebracht, wozu u.a. auch Pflegeeinrichtungen zählen).
        Hierzu zählt auch entsprechendes Personal aus Krankenhäusern, Rehabilitationsein-
        richtungen, stationären Pflegeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen und sonstigen
        Einrichtungen für vulnerable Gruppen sowie in der ambulanten Pflege, um Ausbrüche
        in solchen Einrichtungen zu verhindern oder schnell einzudämmen. Bewohner von Be-
        treuungseinrichtungen und vulnerable Patienten sollten weiterhin regelmäßig unter-
        sucht werden;

     b. Patienten mit Symptomen weiterhin priorisiert testen. Diese müssen nach positiver Te-
        stung in sofortige Isolation. Da die Infektiosität in der Regel fünf Tage nach Symptom-
        beginn schwindet, kann die Isolationszeit entsprechend auf fünf Tage verkürzt werden,
        wenn ein Test zu diesem Zeitpunkt negativ ausgefallen ist. Die Symptome von COVID-
        19 gleichen denen der beginnenden Grippesaison, deshalb müssen ausreichende Test-
        kapazitäten für Influenza vorgehalten werden. Die Gefahr einer Tandem-Pandemie (In-
        fluenza-Welle und zweite COVID-19-Welle) muss minimiert werden. Es ist daher auch
        wichtig, dass möglichst viele Personen gegen die Grippe geimpft werden, um die ent-
        sprechende Zahl von Betroffenen, die teilweise auch intensivmedizinisch betreut wer-
        den müssen, gering zu halten;

     c. Kontaktpersonen ersten Grades weiterhin sofort in Quarantäne zu halten und umge-
        hend zu testen, um Infektionsketten zu vermeiden. Um Ressourcen effizient zu nutzen,
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        sollte bei einem erhöhten Infektionsgeschehen ein Test erst am letzten Tag der Qua-
        rantäne stattfinden. Sofern die Testkapazitäten ausreichen, kann primär früher und
        mehrfach getestet werden;

B)   Stellungnahme
     Der Schutz bestimmter Personengruppen, die ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit
     SARS-CoV-2 tragen oder bei denen das Risiko eines besonders schweren Verlaufs einer
     Covid-19-Erkrankung besteht, ist von besonderer Bedeutung. Es sei jedoch zusätzlich
     angemerkt, dass das RKI in seinem am 13. Oktober 2020 veröffentlichten Strategiepapier
     dargelegt hatte, dass z. B. ein ‚shielding approach‘ alleine nicht ausreiche, um besonders
     vulnerable Bevölkerungsgruppen effektiv zu schützen. Dieser Schutz könne nur durch
     Verantwortung der Gemeinschaft erreicht werden. Dies ist vor dem Hintergrund der Er-
     fahrungen in Bezug auf Ausbrüche insbesondere in Pflegeheimen nachvollziehbar.

     Der Auffassung, dass die jeweilige Strategie sowie die Quarantäne- und Testempfehlun-
     gen stetig anhand der wissenschaftlich aktualisierten Infektionsdynamik und der Ent-
     wicklung der wissenschaftlichen Datenbasis zu SARS-CoV-2 angepasst werden sollten,
     schließt sich der GKV-Spitzenverband uneingeschränkt an. Wie die Entwicklung der jün-
     geren wissenschaftlichen Diskussionen und der Diskussionen, die sich auf wissenschaft-
     liche Ergebnisse und Einschätzungen beziehen, deutlich machen, wäre es eine zu verein-
     fachte Sichtweise, davon auszugehen, dass jeder wissenschaftliche Beitrag unmittelbar
     zu mehr Handlungsgewissheit führt. Zwar bildet die Gewinnung von Handlungssicherheit
     letztlich das Ziel, aber neue wissenschaftliche Erkenntnisse können zunächst immer auch
     den bis dato gültigen Stand der Erkenntnisse in Frage stellen. Die Dynamik der Pande-
     miesituation macht dies sicherlich deutlich. Es ist gegenwärtig die Aufgabe der jeweils
     Verantwortlichen, auf auch unsicheren Grundlagen zu entscheiden und getroffene Ent-
     scheidungen ggf. auch zu revidieren. Wesentlich ist dabei zusätzlich, dass angemessene
     wissenschaftliche Studien durchgeführt werden, um offene Fragen klären zu können (die
     ggf. auch von vorangegangenen Studien aufgeworfen wurden.)

     Zu a.:
     Mit der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernach-
     weis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) vom 14. Okto-
     ber 2020 wurde insbesondere für die Testung von Personal, Patienten und Besuchern in
     Gesundheits- und Pflegeinrichtungen die Möglichkeit der Testung erweitert und flexibili-
     siert. Damit sind jedoch viele Fragen zur Testung nicht abschließend beantwortet. Im
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   Rahmen der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften
   (AWMF) hat eine Reihe von Fachgesellschaften unter Federführung der Deutschen Inter-
   disziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) inzwischen eine Leitlinie
   zur PCR-Testung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheitseinrichtungen in
   Bezug auf SARS-CoV-2 Infektionen publiziert (AWMF-Register Nr.040/015, Klasse: S1),
   die diesbezügliche Empfehlungen enthält. Dort wird angemerkt, dass die Empfehlungen
   aufgrund fehlender Studien nicht systematisch evidenzbasiert abgeleitet werden konn-
   ten, weitere Studien erforderlich sind und aufgrund der bestehenden Dynamik die Emp-
   fehlungen bei Bedarf überprüft werden sollen. Auch wenn im Regelfall Leitlinien keinen
   Richtliniencharakter haben, so erscheint dies doch aktuell als ein grundsätzlich nachvoll-
   ziehbarer Orientierungsmaßstab.

   Zu b.:
   Eine Testung von Personen mit typischen Symptomen einer Atemwegsinfektion auf das
   Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion kann als ein Kernelement jeder Teststrategie be-
   trachtet werden, zumal schon aufgrund ggf. vorliegender medizinischer Behandlungsbe-
   dürftigkeit eine Testung erfolgen muss. Aufgrund eines sich hier entwickelnden medizi-
   nischen Wissens wird auch zunehmend davon auszugehen sein, dass spezifischer auf
   Covid-19 ausgerichtete weitere Diagnostik und Therapie relevant ist. Es kann auch er-
   hofft werden, dass hierdurch eine Differenzialdiagnostik (z. B. in Bezug auf eine In-
   fluenza) besser möglich sein wird. Die Testung auf eine Infektion mit Influenza-Viren er-
   scheint demgegenüber aufgrund sehr begrenzter therapeutischer Relevanz nachrangig.

   Die Wichtigkeit der Grippeimpfung ist in der aktuellen Grippesaison sicherlich ganz be-
   sonders gegeben. Es kann auch unter Verweis auf Beobachtungen aus dem Frühjahr und
   daran anknüpfende wissenschaftlich-epidemiologische Überlegungen davon ausgegan-
   gen werden, dass sich die primär aufgrund der SARS-CoV-2 unternommene Infektions-
   prävention auch positiv auf den Verlauf der Grippesaison auswirken kann.

   Zur Frage der Quarantäne und ihrer angemessenen Dauer siehe im Folgenden.

   Zu c.:
   Quarantänemaßnahmen sind ein grundlegendes Instrument, das genutzt werden muss,
   wenn eine besondere Sicherheit bei der Prävention von Infektionen in Form der Ab-
   standswahrung und Kontaktreduzierung erforderlich ist. Quarantäne sollte grundsätzlich
   nur so lange wie notwendig einzuhalten sein. Hier ist auch insbesondere eine Abwägung
   auf der Grundlage einer sich ggf. noch weiter entwickelnden Erkenntnislage zur Dauer
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   der Quarantäne abhängig von infektionsepidemiologischen Größen nötig. Ggf. sind An-
   passungen auf dieser Grundlage sinnvoll. Dabei kann zu berücksichtigen sein, dass die
   Anordnung einer Quarantäne selbst bereits einen erheblichen Einschnitt für die Betroffe-
   nen darstellt, der teilweise auch unabhängig von der Dauer wahrgenommen werden
   kann.

   In Bezug auf die Frage der Durchführung von Testungen, die zu einer früheren Beendi-
   gung einer Quarantäne führen könnten, sind ggf. ähnliche Überlegungen anzustellen. Bei
   kritisch verknappten Testkapazitäten können solche Testzwecke ggf. als nachrangig be-
   trachtet werden.
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Nr. 2

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Ausbau di-
     gitaler Meldewege und dem 24/7-Betrieb von Laboren und Gesundheitsämtern es zu
     deutlich weniger Verzögerungen der Ergebnisübermittlungen und eventueller Maßnah-
     men kommt. Eine verpflichtende Übermittlung der Testergebnisse muss innerhalb von
     24h sowohl an das RKI als auch an die betroffene Person stattfinden. Es ist auch nicht
     ausreichend, dass die gemeinsame Kommunikationsplattform DEMIS (Deutsches Elektro-
     nisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz) erst bis Ende 2022 al-
     len Gesundheitsbehörden in Bund und Ländern zur Verfügung gestellt wird.

B)   Stellungnahme
     Es ist generell unbestritten, dass eine schnelle, digitalisierte Gestaltung der Meldewege
     und nicht unnötig verzögerte Ergebnisübermittlung höchst wünschenswert sind. Hierzu
     soll das DEMIS-System weiter ausgebaut und implementiert werden. Durch eine einheitli-
     che Erfassung und einheitliche Datenstrukturen sind auch relevante Auswertungen der
     Meldungen und der enthaltenen, wichtigen Informationen besser möglich. Ob eine wün-
     schenswerte weitere Beschleunigung der Meldewege und ein beschleunigter Rollout des
     DEMIS-Systems, auch angesichts der aktuellen Arbeitsbelastung des öffentlichen Ge-
     sundheitsdienstes und anderer Beteiligter, realisierbar sind, kann vom GKV-Spitzenver-
     band nicht beurteilt werden.
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Nr. 3

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, wissenschaftlich begleitete, regelmäßige und re-
     präsentative regionale Tests durchzuführen, um die Verbreitung der Infektionen frühzei-
     tig zu erfassen.

B)   Stellungnahme
     Um die Infektionsverbreitung in der Bevölkerung zu ermitteln, sind geeignete wissen-
     schaftliche Studien grundsätzlich sinnvoll, insbesondere wenn die Stichproben so ge-
     wählt sind, dass sie verallgemeinerbare Aussagen über bestimmte, relevante Populatio-
     nen ermöglichen. Es wird aktuell, teilweise unter Beteiligung des RKI, eine Reihe von Se-
     roprävalenz- bzw. Antikörper-Studien in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse kön-
     nen zur Erkenntnislage über das Infektionsgeschehen in der jüngeren Vergangenheit
     beitragen, wobei gegenwärtig noch Unsicherheit über die Wirksamkeit und Dauer der Im-
     munität bestehen. Solche wissenschaftlichen Ansätze und die hierbei genutzten Antikör-
     per-Tests sind von der Nutzung von Tests zum Zweck des direkten Virusnachweises im
     Rahmen der Detektion von akuten Infektionen und zur Infektionsbekämpfung in der Ver-
     sorgungspraxis zu unterscheiden, die Gegenstand von Teststrategien sind. In dem Maße,
     wie Unsicherheiten über Wirksamkeit und Dauer einer Immunität auf der Grundlage von
     Antikörpernachweisen als hinreichend geklärt angesehen werden, können die Ergebnisse
     solcher Studien generell in die Beurteilung der Lage einfließen.
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Nr. 4

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, den freien Personenverkehr aufrecht zu erhalten.
     Es ist deshalb ein EU-weites Testkonzept vorzulegen, um Grenzschließungen zu verhin-
     dern: Einreisende aus Nicht-Risikogebieten müssen nicht getestet werden. Einreisende
     aus Risikogebieten müssen für die Einreise einen negativen Test vorlegen, der nicht älter
     als 48 Stunden ist oder bei der Einreise einen Test vollziehen. Einreisende, die wissent-
     lich in ein Risikogebiet gereist sind, müssen diesen Test eigenständig finanzieren. Wer
     jedoch aus dringenden und nachvollziehbaren Gründen in ein Risikogebiet reisen muss,
     soll für den Test nicht zahlen müssen. Um alle Einreisenden aus Risikogebieten kontrol-
     lieren zu können, bedarf es einer einheitlichen Regelung innerhalb der EU. Deutschland
     muss im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit den anderen EU-Staaten
     ein Konzept vorlegen, wie Testungen an Grenzen von Risikogebieten stattfinden können.
     Dazu bedarf es neben einer gemeinsamen Teststrategie, einer gemeinsamen Definition
     von Risikogebieten.

B)   Stellungnahme
     Die Aufrechterhaltung des freien Personenverkehrs so weit wie möglich ist ein wichtiges
     Ziel, einerseits aus wirtschaftlichen Gründen, zum anderen aber auch, weil die sozialen
     und psychologischen Effekte der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ins Gewicht
     fallen. EU-weit einheitliche Regelungen zur Ausweisung von Risikogebieten, Testkonzep-
     ten und Quarantäneregelungen und anderen Regelungsgegenständen bezogen auf die
     Pandemiesituation sind generell sinnvoll. Die Realisierung setzt jedoch jeweils voraus,
     dass angemessene Regelungen EU-weit beschlossen werden können. Bestimmte Aspekte
     sind bereits adressiert worden („Koordinierung von Maßnahmen zur Einschränkung der
     Freizügigkeit in der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pande-
     mie“). Nach aktuellen Berichten bemüht sich Deutschland auch im Rahmen seiner Rats-
     präsidentschaft intensiv, einheitliche Regelungen zu vereinbaren. Auch auf nationaler
     Ebene wurden, mit der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direk-
     ten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV)
     vom 14. Oktober 2020 in § 4 Absatz 3 die Testung von Reiserückkehrern aufgenommen.
     Differenzierte Regelungen nach Reisegründen könnten sich als sehr schwer umsetzbar
     und konfliktträchtig erweisen.
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   Es sei ergänzend darauf verwiesen, dass Reisebeschränkungen möglicherweise nur einen
   beschränkten Einfluss auf die Entwicklung des Infektionsgeschehens haben, insbeson-
   dere wenn, wie gegenwärtig, in vielen Staaten und Regionen hohe Fallzahlen berichtet
   werden. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) weist darauf
   hin, dass nach einer bereits erfolgten Verbreitung von COVID-19 Maßnahmen an den
   Grenzen in der gegenwärtigen epidemiologischen Situation nicht als effektiv angesehen
   werden, um die Übertragung von COVID-19 zu unterbrechen. Diese Position könnte sich
   ändern, wenn sich in einigen Ländern die Fallzahlen dem Nullwert wieder annähern
   (https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/facts/questions-answers-travel).
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Nr. 5

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, gesetzgeberisch zu regeln, dass beim Erreichen
     der Laborkapazitätsgrenze auch alternative Tests und Labore außerhalb der Humanmedi-
     zin genutzt werden können. Wenn das Infektionsgeschehen steigt und die Laborkapazi-
     täten erreicht werden, dann sollten trotz eingeschränkter Aussagewertigkeit auch andere
     Testverfahren neben PCR-Tests angewendet werden. Diese sollten jedoch in umgekehr-
     ter Reihenfolge der vorher beschriebenen Punkte angewendet werden (lokal angeordnete
     Testungen zuerst durch alternative Tests ersetzen). Bei weiter eingeschränkten Testmög-
     lichkeiten können Laborkapazitäten - soweit Reagenzien und weitere Materialien in aus-
     reichender Menge vorhanden sind - außerhalb der Humanmedizin geschaffen werden;

B)   Stellungnahme
     In Bezug auf die Einbeziehung anderer als humanmedizinischer Einrichtungen kann an-
     gemerkt werden, dass im Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Be-
     völkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Einbeziehung von
     Tierärzten unter bestimmten Bedingungen vorgesehen ist. Inwiefern die Einbeziehung
     bisher nicht humanmedizinisch tätiger Labore sinnvoll wäre ist ggf. zu klären, wobei die
     Unerfahrenheit der tierärztlichen Labore mit Untersuchungen an menschlichem Körper-
     material unter Berücksichtigung prozeduraler und fachlicher Qualitätsanforderungen zu
     bedenken wäre.

     Eine eher im Vordergrund stehende Überlegung gilt der Verwendung anderer Tests und
     Testsysteme gegenüber der PCR-Testung, die gegenwärtig den allgemein anerkannten
     Referenzstandard darstellt. Hierzu hat der Bewertungsausschuss nach § 87 SGB V jüngst
     bereits eine Vergütungsvereinbarung in Bezug auf andere (Antigen-)Testsysteme im La-
     bor getroffen. Dagegen scheinen die Möglichkeiten des Poolings von Proben bisher noch
     nicht ausreichend bedacht, obwohl einzelne Kliniken oder Labore dies praktizieren. Die
     gezielte Nutzung des Testpoolings sollte, abhängig von Vortest-Wahrscheinlichkeiten in
     Testsettings, insbesondere dann weiter bedacht werden, wenn von knappen Testkapazi-
     täten ausgegangen werden muss.

     In Bezug auf Antigen-Schnelltests (Point-of-Care-Tests) sind in der Verordnung zum
     Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus
     SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) vom 14. Oktober 2020 Regelungen
     getroffen worden. Der Einsatz solcher Tests könnte grundsätzlich sehr hilfreich sein, weil
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   viele Tests relativ ortsunabhängig in kurzer Zeit durchgeführt werden können und die Er-
   gebnisse auch jeweils schnell zur Verfügung stehen. Das Bundeinstitut für Arzneimittel
   und Medizinprodukte (BfArm) hat auch bereits eine Anzahl von Tests auf Herstellerantrag
   aufgelistet, die Verwendung finden können. Wie auch die hierzu aktualisierten Darstel-
   lungen zur Teststrategie des RKI deutlich machen, sind Anwendungsszenarien aber noch
   nicht genügend klar bestimmt und die diagnostische Leistungsfähigkeit der Tests noch
   nicht gut gesichert. Hierzu wird in Deutschland aktuell zwar zumindest eine Studie
   durchgeführt. Es ist aber unsicher, ob auch Studien durchgeführt werden, die die Nut-
   zung in beschriebenen Anwendungsszenarien untersuchen. Solche Studien werden drin-
   gend benötigt.
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Nr. 6

A)   Vorschlag
     Die Bundesregierung wird aufgefordert, verstärkt flexible lokale Testungen zu ermögli-
     chen. Um eine lokale und flexible Testung zu ermöglichen, liegt die Verantwortung für
     alle weiteren Testungen bei den örtlichen Behörden und den Gesundheitsämtern. Diese
     können wie derzeit auch Testungen anordnen. Diese sollten jedoch vom Bund und nicht
     der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden. Vorrang haben vor allem Bedienstete im
     Gesundheitswesen und Personen in einem möglichen Infektionscluster;

B)   Stellungnahme
     Übergreifende Vorgaben im Rahmen einer Teststrategie und lokale Entscheidungen zu
     Testungen müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen und bei knapper Testkapa-
     zität Ansprüche in Bezug auf Testungen mit den Zielsetzungen und dem Nutzen der Tes-
     tungen abgewogen werden. Es sei darauf verwiesen, dass eine präzisere Festlegung in
     Bezug auf eine übergreifende Teststrategie mit einer Einschränkung lokaler und regiona-
     ler Entscheidungsspielräume einhergehen dürfte. In Bezug auf die Frage der Vergütung
     für Testungen wird auf die vorausgegangenen Stellungnahmen des GKV-Spitzenverban-
     des verwiesen. Entscheidend ist hier, dass notwendige Testungen nicht an Vergütungs-
     bzw. Finanzierungsfragen scheitern und letztlich auf gesamtstaatlicher Ebene die jeweils
     angemessene Finanzierungsverantwortung zum Tragen kommt.
Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 21.10.2020
zum Antrag der FDP-Fraktion „Praxistaugliche und intelligente COVID-19-Strategie“,
Bundestagsdrucksache 19/22114
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Nr. 7

A) Vorschlag
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Testlokalisationen
    regional und lokal vor Ort bekannt gemacht werden. Die alltägliche medizinische Versor-
    gung darf daher nicht beeinträchtigt oder Menschen und Personal gefährdet werden.

B) Stellungnahme
    Ein guter Bekanntheitsgrad von Testmöglichkeiten ist anzustreben und hierzu ist eine
    Kommunikation auch auf lokaler und regionaler Ebene sinnvoll. Es ist auch so weit wie
    möglich sicherzustellen, dass die medizinische Versorgung sowohl für Patientinnen und
    Patienten mit Covid-19 als auch für andere Patientinnen und Patienten angemessen zu-
    gänglich und qualitätsgesichert gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich sinnvoll sein, für
    Personen, die ausschließlich getestet werden sollen und die in vielen Fällen wahrschein-
    lich anschließend keiner medizinischen Behandlung bedürfen, eigene Anlaufstellen zu
    schaffen. In der o. g. Verordnung sind bereits Testzentren vorgesehen. Hier wird jedoch
    vieles von der konkreten Umsetzung abhängen.
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