Soziale Ungleichheit und COVID-19 in Deutschland Wo stehen wir in der vierten Pandemiewelle? - RKI
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Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 3 Soziale Ungleichheit und COVID-19 in Deutschland Wo stehen wir in der vierten Pandemiewelle? falls Hinweise darauf, dass diese nicht alle Bevölke- Kernaussagen rungsgruppen gleich häufig und gleich schwer be- ▶▶ Das Infektions- und Sterbegeschehen verla- treffen, insbesondere in Pandemiezeiten. So haben gerte sich ab der zweiten Pandemiewelle zu- Analysen der Influenza-Pandemien 1918 und 2009 nehmend in sozioökonomisch benachteiligte gezeigt, dass sozioökonomisch benachteiligte Bevöl- Regionen. Auch in der vierten Pandemie kerungsgruppen besonders stark von der Influenza welle zeigt sich ein besonders starker Anstieg beziehungsweise von tödlichen Krankheitsverläu- von COVID-19-Fällen in sozioökonomisch fen betroffen waren.6–8 Diese sozialepidemiologi- stark benachteiligten Regionen. schen Muster können in verschiedenen Phasen ei- ▶▶ Bundesweite Studiendaten auf Einzelfall ner Pandemie allerdings unterschiedlich zum Aus- ebene zeigen, dass Menschen mit niedriger druck kommen. Bildung ein doppelt so hohes Infektionsrisi- ko haben wie Menschen mit hoher Bildung. Für das Severe Acute Respiratory Syndrome Corona ▶▶ Personen aus sozioökonomisch benachtei- virus Type 2 (SARS-CoV-2) und die dadurch ausge- ligten Gruppen und deprivierten Regionen löste Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) sind die werden weniger getestet, sodass Infektionen Ausbreitungsmuster über verschiedene soziale häufiger unerkannt bleiben. Gruppen seit Pandemiebeginn international unter- ▶▶ Potenziale zur Steigerung der Impfbeteili- sucht worden. Die ersten Befunde aus den Anfangs- gung unter Erwachsenen liegen insbesonde- monaten der COVID-19-Pandemie zu Beginn des re bei den unter 60-Jährigen mit niedriger Jahres 2020 stammen vor allem aus den USA und und mittlerer Bildung. Großbritannien.9,10 Sie weisen auf höhere Risiken ▶▶ Um dem erhöhten Infektions- und Sterbe für eine SARS-CoV-2-Infektion und schwere bis risiko sozioökonomisch benachteiligter Be- tödliche COVID-19-Verläufe in sozioökonomisch völkerungsgruppen in der Pandemie entge- benachteiligten Bevölkerungsgruppen hin. Das genzuwirken, bedarf es niedrigschwelliger Robert Koch-Institut (RKI) hat diese frühen sozial und lebensweltnaher Infektionsschutz-, Test- epidemiologischen Befunde aus der Pandemie in und Impfangebote, die aufsuchende Ansätze Übersichtsarbeiten zusammengefasst9,11 und parallel beinhalten. dazu verschiedene Studien und Datenanalysen be- gonnen, um soziale Unterschiede im Pandemiege- schehen bundesweit zu untersuchen sowie über Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen den Verlauf der Pandemie zu monitoren.12,13 Zentra- Status haben durchschnittlich deutlich höhere le Ergebnisse zum aktuellen Stand werden im Fol- Krankheits- und Sterberisiken als Personen mit ei- genden zusammengefasst und um aktuelle Daten nem mittleren und hohen sozioökonomischen Sta- aus der dritten und vierten Pandemiewelle ergänzt. tus. Dieser enge Zusammenhang zwischen der so- zioökonomischen und gesundheitlichen Lage ist für eine Vielzahl von Erkrankungen und Todesursa- Soziale Unterschiede im Inzidenz- und chen nachgewiesen, insbesondere für nichtüber- Sterbegeschehen tragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf- und chro- Das anfängliche Ausbruchsgeschehen in Deutsch- nische Atemwegserkrankungen, aber auch für be- land zu Beginn der ersten Pandemiewelle (März stimmte Infektionskrankheiten.1–5 Zudem gibt es und April 2020) war zunächst durch höhere Infek- bei akuten viralen Atemwegserkrankungen eben- tionszahlen in wohlhabenderen Regionen gekenn-
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 4 zeichnet, was mit Reiseaktivitäten von Personen aus denz in den sozioökonomisch stark benachteiligten sozioökonomisch bessergestellten Gruppen wie Ge- Regionen über alle Altersgruppen hinweg festzu- schäfts- oder Skireisende in Zusammenhang ge- stellen.15 Auch während der dritten Welle im Früh- bracht wird.12 Danach verlagerte sich das Infektions- jahr 2021 setzte sich das Muster höherer Inzidenzen geschehen zunehmend in sozioökonomisch be- in sozioökonomisch benachteiligten Regionen fort nachteiligte (deprivierte)I Regionen Deutschlands. (Abb. 1). Ergänzende Auswertungen mit diesem re- Diese Verlagerung war während der ersten Pande- gionalisierten Analyseansatz weisen darauf hin, miewelle bereits innerhalb Süddeutschlands zu be- dass Personen aus sozioökonomisch benachteilig- obachten, also in dem Teil Deutschlands, der in die- ten Bevölkerungsgruppen ihre Mobilität berufsbe- ser Phase der Pandemie insgesamt am stärksten dingt weniger einschränken konnten, da sie weni- vom Infektionsgeschehen betroffen war.12 Während ger Möglichkeiten zur Arbeit im Home-Office hat- der zweiten Pandemiewelle im Herbst und Winter ten, was zu dieser regionalen Dynamik beigetragen 2020/21 wurden zunächst erneut etwas höhere In- haben kann.16 Erste Analysen dieser Art für die ak- fektionszahlen in sozioökonomisch bessergestellten tuelle vierte Welle im Herbst 2021 zeigen, dass sich Regionen verzeichnet. Ab Dezember war dann auch trotz der Impfkampagne eine ähnliche Dynamik an- deutschlandweit eine zunehmende Verlagerung des deutet wie ein Jahr zuvor während der zweiten Wel- Infektionsgeschehens hin zu einer höheren Inzi- le (Abb. 1). So stieg die Inzidenz während der vierten Welle in hoch deprivierten Regionen Deutschlands durchschnittlich besonders stark an und lag dort ab I Regionale soziale Benachteiligung (Deprivation) wurde in den Analysen mit dem German Index of Socioeconomic Meldewoche 46 erneut am höchsten. Deprivation (GISD) auf Ebene der 401 Landkreise und kreisfreien Städte erfasst. Der GISD misst das Ausmaß Soziale Unterschiede im COVID-19-Geschehen sozioökonomischer Deprivation der Kreisbevölkerungen und ist ein mehrdimensionaler Index aus regionalen kommen besonders deutlich bei schweren Krank- Bildungs-, Beschäftigungs- und Einkommensindikatoren.14 heitsverläufen und Todesfällen zum Ausdruck – ein Inzidenz pro 100.000 (altersstandardisiert) Meldewoche 2020/21 Abb. 1 | Altersstandardisierte wöchentliche Inzidenz der an das RKI übermittelten COVID-19-Fälle in Deutschland nach regionaler sozioökonomischer Benachteiligung (Deprivation) und Meldewoche in 2020/21. Datenbasis: Meldedaten gemäß Infektions- schutzgesetz (Stand: 06.01.2021, 0:00 Uhr)
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 5 Kumulative Todesfälle pro 100.000 (altersstandardisiert) Sterbewoche 2020/21 Abb. 2 | Kumulative Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 (altersstandardisiert) in Deutschland nach regionaler sozioökonomischer Benachteiligung (Deprivation) und Kalenderwoche des Sterbedatums in 2020/21. Datenbasis: Meldedaten gemäß Infektionsschutzgesetz (Stand: 06.01.2021, 0:00 Uhr) Muster, das international berichtet und unter ande- vierte Welle deutet sich bislang keine Änderung die- rem im Zusammenhang mit der stärkeren Verbrei- ses Musters an. tung von Vorerkrankungen sowie einem erschwer- ten Zugang zu Gesundheitsversorgung in sozioöko- Die oben beschriebenen regionalisierten Analysen nomisch benachteiligten Gruppen gesehen wird.17–20 der COVID-19-Meldedaten haben den Vorteil, dass Auch in Deutschland sind beträchtliche soziale Un- damit soziale Unterschiede im Infektions- und Ster- terschiede in der Häufigkeit von Todesfällen im Zu- begeschehen auf sozialräumlicher Ebene engma- sammenhang mit COVID-19 zu beobachten. Insbe- schig über den Pandemieverlauf verfolgt werden sondere während der zweiten Pandemiewelle stieg können, sie erlauben aber keinen direkten Rück- die COVID-19-assoziierte Sterblichkeit in sozioöko- schluss auf Infektionsrisiken von Einzelpersonen. nomisch benachteiligten Regionen stark an. Da- Aus diesem Grund sowie zur Abschätzung der Un- durch übersteigt die Zahl der COVID-19-Todesfälle tererfassung im Meldesystem führt das RKI ge- in sozioökonomisch hoch deprivierten, also sozial meinsam mit dem Sozio-oekonomischen Panel benachteiligten Regionen seit etwa Mitte der zwei- (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsfor- ten Welle jene in wenig deprivierten, also wohlha- schung die deutschlandweite Antikörper-Studie benden Regionen (Abb. 2). Eine weiterführende „CORONA-MONITORING bundesweit“ (RKI-SOEP- Analyse zeigt, dass die COVID-19-assoziierte Sterb- Studie) durch, in der sowohl zurückliegende als lichkeit in den hoch deprivierten Regionen während auch aktuelle Infektionen auf Einzelfallbasis in ei- der zweiten Pandemiewelle bis zu 1,5-mal so hoch ner Stichprobe der erwachsenen Allgemeinbevölke- lag wie in den wohlhabenden Regionen, wobei Ein- rung ermittelt werden.13 Durch die Probennahmen flüsse weiterer Faktoren wie die regionale Alters- und Laboranalysen können in dieser Studie auch struktur, Siedlungsstruktur und Bevölkerungsdich- bislang unerkannte Infektionen erfasst werden. Die te bereits statistisch herausgerechnet sind.21 Wie in Ergebnisse der ersten Erhebung der RKI-SOEP- Abbildung 2 zu erkennen ist, haben sich die regio- Studie im Oktober 2020 bis Februar 2021 zeigen, nalen sozialen Unterschiede in der COVID-19-asso- dass Personen mit niedrigem Bildungsstatus ein ziierten Sterblichkeit über die dritte Welle ab Melde- etwa doppelt so hohes Risiko hatten, sich während woche 9/2021 weiter ausgeweitet. Für die aktuelle der ersten beiden Pandemiewellen mit SARS-CoV-2
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 6 Abb. 3 | Adjustiertes Odds Ratio (OR) mit 95 %-Konfidenzintervall für eine SARS-CoV-2-Infektion nach Bildungsstatus (adjustiert für Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße, Migrationshintergrund, Urbanität, Wohnregion und Datum der Studienteilnahme). Datenbasis: RKI-SOEP-Studie22 zu infizieren, im Vergleich zu jenen mit hohem Bil- nen mit geringer Deprivation. Ein Abgleich der in dungsstatus (Abb. 3).22 der Studie festgestellten Infektionshäufigkeiten mit den an das RKI übermittelten Meldedaten weist da- rauf hin, dass die Untererfassung von Fällen im Soziale Unterschiede im Testen, Meldewesen in hoch deprivierten Regionen deutlich Erkennen von Infektionen und Impfen höher liegt als in weniger deprivierten Regionen.23 Weitere Ergebnisse der ersten Erhebung der RKI- Dementsprechend deutet sich auch ein höherer An- SOEP-Studie zeigen, dass auch die Häufigkeit von teil unerkannter Infektionsfälle in hoch deprivierten PCR-Testungen auf eine SARS-CoV-2-Infektion mit Regionen an (Tab. 1). Differenziert nach Bildungs- der sozioökonomischen Lage variiert. So fand sich gruppen zeigte sich in der RKI-SOEP-Studie, dass die höchste Testprävalenz in der oberen Bildungs- für Personen mit hohem Bildungsstatus nach statis- gruppe und die niedrigste Testprävalenz in der un- tischer Kontrolle anderer soziodemografischer Vari- teren Bildungsgruppe.23 Auch auf regionaler Ebene ablen das Risiko einer unerkannten SARS-CoV-2- war diese soziale Differenzierung festzustellen. Infektion im Vergleich zu Personen mit mittlerem Demnach lag die Testprävalenz in hoch deprivierten und niedrigem Bildungsstatus halbiert ist.22 Ange- Regionen durchschnittlich niedriger als in Regio- sichts dieser Befunde muss angenommen werden, Jemals getestet Untererfassung Anteil (PCR-Labortest) im Meldewesen unerkannter Fälle % (95 %-KI) Faktor (95 %-KI) % (95 %-KI) Hohe Deprivation 18 (16–21) 4,3 (1,8–8,7) 77 (46–89) Mittlere Deprivation 22 (21–24) 1,6 (0,9–2,7) 38 (–12–63) Geringe Deprivation 29 (27–32) 1,7 (1,0–2,6) 40 (–1–62) Tab. 1 | Testprävalenz, Untererfassung im Meldewesen und unerkannte Fälle bis November 2020 in Deutschland nach regionaler sozioökonomischer Benachteiligung (Deprivation). Datenbasis: RKI-SOEP-Studie und Meldedaten gemäß Infektionsschutzgesetz23 KI = Konfidenzintervall
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 7 dass die sozialen Unterschiede in der Inzidenz, die penspezifische Potenziale zur Steigerung der Impf- in der oben dargestellten regionalisierten Analyse beteiligung. der Meldedaten beobachtet wurden, in ihrem Aus- maß noch unterschätzt sind. Maßnahmen Soziale Unterschiede in der Bereitschaft, sich gegen Aus den dargestellten Befunden ergeben sich Hin- COVID-19 impfen zu lassen, wurden in Deutsch- weise auf Möglichkeiten, die Lücken im Infektions- land in verschiedenen Befragungsstudien unter- schutz zu schließen, was gerade auch angesichts der sucht. In unterschiedlichen Phasen der Pandemie fünften Welle unabdingbar für eine effektive Pande- wurde jeweils eine geringere Impfbereitschaft bei miekontrolle ist. Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status gefunden.24 – 26 Das RKI führt seit Anfang 1) Um dem erhöhten Infektionsrisiko in sozioöko- 2021 regelmäßig das „COVID-19 Impfquoten-Moni- nomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen toring in Deutschland“ (COVIMO) als bundesweite entgegenzuwirken, bedarf es zielgerichteter telefonische Befragungsstudie unter Erwachsenen Präventions- und Infektionsschutzmaßnah- ab 18 Jahren durch. Bisher findet die Befragung mit men, die auf die Lebens- und Arbeitsbedingun- Ausnahme der neunten Erhebung ausschließlich in gen der Menschen abgestimmt sind. Das bein- deutscher Sprache statt. In der aktuellsten abge- haltet die dauerhafte, niedrigschwellige und schlossenen Erhebungswelle vom 15. September bis kostenlose Verfügbarkeit von Mund-Nasen- 18. Oktober 2021 zeigten sich vor allem bei den unter Schutz und Hygieneartikeln an leicht zugäng 60-Jährigen deutliche soziale Unterschiede in der lichen Orten, wie Apotheken, öffentlicher Nah- Impfbeteiligung. In dieser Altersgruppe lag der An- verkehr, Supermarkteingang, Arbeitsstelle oder teil derer, die mindestens einmal gegen COVID-19 Hausarzt. Zudem bedarf es, sollte kein Home- geimpft waren, sowohl in der niedrigen als auch in Office möglich sein, eines effektiven Hygiene- der mittleren Bildungsgruppe deutlich niedriger als und Testkonzepts, besonders in prekären Ar- in der hohen Bildungsgruppe (Abb. 4). Auch wenn beitsbereichen. die Impfquoten in dieser Befragung aus verschiede- 2) Auch ist ein verbesserter und zielgruppenorien- nen methodischen Gründen insgesamt überschätzt tierter Informationszugang für alle Bevölke- werden, liefern die gefundenen Bildungsunter- rungsgruppen essenziell. Ergänzend zu beste- schiede wichtige Hinweise auf bevölkerungsgrup- henden Angeboten bedeutet dies die Erweite- % (95 %-KI) Abb. 4 | Impfbeteiligung (mindestens einmal gegen COVID-19 Geimpfte) nach Bildungsstatus und Altersgruppe. Datenbasis: COVIMO 8. Befragung (15.09.–18.10.2021) KI = Konfidenzintervall
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 8 rung von aufsuchender Arbeit in sozioökono- mehrsprachige Mediatorinnen und Mediato- misch benachteiligten Regionen und Quartieren ren, die die Regionen kennen und lokal vernetzt durch erfahrene Mediatorinnen und Mediato- sind, durchgeführt werden. Sie können über ren, Schlüsselpersonen und Peers in der Le- das Angebot informieren und bei Bedenken benswelt der Menschen. Der Einsatz von mehr- ggf. direkt mit Informationen zur Verfügung sprachigem Personal ist hier empfehlenswert, stehen. Die Einbeziehung von Vertrauens- und um auch Menschen zu erreichen, die nicht oder Schlüsselpersonen aus den jeweiligen Commu- wenig Deutsch sprechen. nities ist hier wichtig, um die Akzeptanz von 3) Um der erhöhten Untererfassung von Infektio- Impfungen zu erhöhen. nen in sozioökonomisch benachteiligten Grup- 5) Um Maßnahmen und Interventionen zielge- pen und Regionen zu begegnen, bedarf es eines richteter planen zu können, ist ein besseres zielgerichteten niedrigschwelligen Testange- Verständnis der Lebenswelten, Motivationen, bots in deprivierten Wohngegenden und Ar- Vorbehalte und Risikowahrnehmung sozioöko- beitsbereichen mit erhöhtem Infektionsrisiko. nomisch benachteiligter Bevölkerungsgruppen Ebenso sollte die möglichst kostenlose Verfüg- notwendig. Hierfür bedarf es explorativer qua- barkeit von Schnelltests sichergestellt sein, so- litativer Studien, die unter Beteiligung der ent- dass diese arbeitsort- und wohnortnah leicht sprechenden Bevölkerungsgruppen durchge- zugänglich sind (z. B. über Schulen, Arbeitsstät- führt werden. te, Supermarkt, Apotheke, Drogerie). 6) Um gesundheitliche Ungleichheiten langfristig 4) Um die Impfbeteiligung unter sozial Benach- und über diese Pandemie hinaus zu reduzie- teiligten zu erhöhen, sind niedrigschwellige, ren, bedarf es neben medizinischer Prävention flexible und wohnortnahe Impfangebote in den und Früherkennung vor allem verhältnisprä- jeweiligen Regionen und Wohngegenden be- ventiver Maßnahmen und politikbereichsüber- sonders vielversprechend, wie z. B. der Einsatz greifender Anstrengungen zur Verbesserung von Impfbussen. Diese Angebote sollten proak- der Lebens- und Arbeitsbedingungen in sozio tiv mit aufsuchenden Angeboten begleitet wer- ökonomisch benachteiligten Gruppen. den. Analog zu Punkt 2 sollten diese durch Literatur des Bundes, gemeinsam getragen von RKI und 1 Mackenbach JP (2019) Health Inequalities: Persis- Destatis. Robert Koch-Institut, Berlin tence and change in European Welfare States. 4 Lampert T, Hoebel J, Kroll LE (2019) Social diffe Oxford University Press, Oxford rences in mortality and life expectancy in Germany: 2 Marmot M, Allen J, Goldblatt P, Boyce T, McNeish current situation and trends. Journal of Health D, Grady M, Geddes I (2010) Fair society, healthy Monitoring 4(1):3-14 lives. The Marmot Review. Strategic review of 5 Álvarez JL, Kunst AE, Leinsalu M, Bopp M, Strand health inequalities in England post-2010. University BH, Menvielle G, Lundberg O, Martikainen P, College London, London Deboosere P, Kalediene R, Artnik B, Mackenbach 3 Lampert T, Hoebel J, Kuntz B, Müters S, Kroll LE JP, Richardus JH (2011) Educational inequalities in (2017) Gesundheitliche Ungleichheit in verschiede- tuberculosis mortality in sixteen European popula- nen Lebensphasen. Gesundheitsberichterstattung tions. Int J Tuberc Lung Dis 15(11):1461-i
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 9 6 Rutter PD, Mytton OT, Mak M, Donaldson LJ (2012) 14 Kroll LE, Schumann M, Hoebel J, Lampert T (2017) Socio-economic disparities in mortality due to Regionale Unterschiede in der Gesundheit: pandemic influenza in England. Int J Public Health Entwicklung eines sozioökonomischen Depriva 57(4):745-750 tionsindex für Deutschland. Journal of Health Monitoring 2(2):103-120 7 Quinn SC, Kumar S (2014) Health inequalities and infectious disease epidemics: a challenge for global 15 Hoebel J, Michalski N, Wachtler B, Diercke M, health security. Biosecur Bioterror 12(5):263-273 Neuhauser H, Wieler LH, Hövener C (2021) Socio 8 Mamelund S-E, Shelley-Egan C, Rogeberg O (2021) economic differences in the risk of infection during The association between socioeconomic status and the second SARS-CoV-2 wave in Germany. Dtsch pandemic influenza: Systematic review and meta- Arztebl Int 118:269–270 analysis. PloS One 16(9):e0244346-e0244346 16 Dragano N, Hoebel J, Wachtler B, Diercke M, 9 Wachtler B, Hoebel J (2020) Soziale Ungleichheit Lunau T, Wahrendorf M (2021) Soziale Ungleichheit und COVID-19: Sozialepidemiologische Perspek in der regionalen Ausbreitung von SARS-CoV-2. tiven auf die Pandemie. Gesundheitswesen Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – 82(08/09):670-675 Gesundheitsschutz 64(9):1116-1124 10 Wahrendorf M, A K, von dem Knesebeck O, 17 Drefahl S, Wallace M, Mussino E, Aradhya S, Kolk Vonneilich N, Bolte G, Lehmann F, Schmidt MJ, M, Brandén M, Malmberg B, Andersson G (2020) Butler J, Schmidt F, Böhm C, Lunau T, Dragano N A population-based cohort study of socio-demogra- (2020) Verschärfen COVID-19 Pandemie und phic risk factors for COVID-19 deaths in Sweden. Infektionsschutz-maßnahmen die gesundheitlichen Nat Commun 11(1):5097 Ungleichheiten? Hintergrundpapier des 18 Bambra C, Riordan R, Ford J, Matthews F (2020) Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19. The COVID-19 pandemic and health inequalities. https://www.public-health-covid19.de/images/ J Epidemiol Community Health 74(11):964-968 2020/Ergebnisse/Hintergrundpapier_SozUngl_ COVID19_final.pdf (Stand: 09.12.2021) 19 Wahrendorf M, Rupprecht CJ, Dortmann O, Scheider M, Dragano N (2021) Erhöhtes Risiko 11 Wachtler B, Michalski N, Nowossadeck E, Diercke eines COVID-19-bedingten Krankenhausaufent M, Wahrendorf M, Santos-Hövener C, Lampert T, haltes für Arbeitslose: Eine Analyse von Kranken- Hoebel J (2020) Socioeconomic inequalities and kassendaten von 1,28 Mio. Versicherten in Deutsch- COVID-19: a review of the current international land. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsfor- literature. Journal of Health Monitoring 5(S7):3-17 schung, Gesundheitsschutz 64(3):314–321 12 Wachtler B, Michalski N, Nowossadeck E, Diercke 20 Marmot M, Allen J, Goldblatt P, Herd E, Morrison J M, Wahrendorf M, Santos-Hövener C, Lampert T, (2020) Build Back Fairer: The COVID-19 Marmot Hoebel J (2020) Socioeconomic inequalities in the Review – The Pandemic, Socioeconomic and He- risk of SARS-CoV-2 infection – First results from an alth Inequalities in England. Institute of Health analysis of surveillance data from Germany. Journal Equity, London of Health Monitoring 5(S7):18-29 21 Hoebel J, Michalski N, Diercke M, Hamouda O, 13 Hoebel J, Busch M, Grabka MM, Zinn S, Allen J, Wahrendorf M, Dragano N, Nowossadeck E (2021) Gößwald A, Wernitz J, Goebel J, Steinhauer H, Emerging socio-economic disparities in COVID-19- Siegers R, Schröder C, Kuttig T, Butschalowsky H, related deaths during the second pandemic wave Schlaud M, Schaffrath Rosario A, Brix J, Rysina A, in Germany. International Journal of Infectious Glemser A, Neuhauser H, Stahlberg S, Kneuer A, Diseases 113:344-346 Hey I, Schaarschmidt J, Fiebig J, Buttmann- Schweiger N, Wilking H, Michel J, Nitsche A, 22 Hoebel J, Grabka MM, Schröder C, Haller S, Wieler L, Schaade L, Ziese T, Liebig S, Lampert T Neuhauser H, Wachtler B, Schaade L, Liebig S, (2021) Seroepidemiologische Studie zur bundes- Hövener C, Zinn S (2021) Socioeconomic position weiten Verbreitung von SARS-CoV-2 in Deutsch- and SARS-CoV-2 infections: seroepidemiological land: Studienprotokoll von CORONA-MONITO- findings from a German nationwide dynamic RING bundesweit (RKI-SOEP-Studie). Journal of cohort. J Epidemiol Community Health. Health Monitoring 6(S1):2-17 DOI: 10.1136/jech-2021-21765
Epidemiologisches Bulletin 5 | 2022 3. Februar 2022 10 23 Neuhauser H, Rosario AS, Butschalowsky H, Haller Vorgeschlagene Zitierweise S, Hoebel J, Michel J, Nitsche A, Poethko-Müller C, Hoebel J, Haller S, Bartig S, Michalski N, Marquis A, Prütz F, Schlaud M, Steinhauer HW, Wilking H, Diercke M, Schmid-Küpke N, Wichmann O, Sarma N, Wieler LH, Schaade L, Liebig S, Gößwald A, Grabka Schaade L, Hövener C: Soziale Ungleichheit und MM, Zinn S, Ziese T (2021) Germany’s low SARS- COVID-19 in Deutschland – Wo stehen wir in der CoV-2 seroprevalence confirms effective contain- vierten Pandemiewelle? ment in 2020: Results of the nationwide RKI-SOEP Epid Bull 2022;5:3-10 | DOI 10.25646/9555 study. medRxiv. DOI: https://doi. org/10.1101/2021.11.22.21266711 Interessenkonflikt 24 Hettich N, Krakau L, Rückert K, Brähler E, Zahn D, Die Autorinnen und Autoren erklären, dass keine Yilmaz S, Münzel T, Gianicolo E, Schmidtmann I, Interessenkonflikte vorliegen. Schulz A, Wild PS, Lackner KJ, Schuster AK, Beutel ME (2021) Willingness to be vaccinated against SARS-CoV-2 in the German population during the Förderhinweis second wave of the pandemic. Dtsch Arztebl Int Die dargestellten Datenanalysen wurden teils mit 118:720 – 721 Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (Referenznummer: ZMVI1-2520COR402) und der 25 Haug S, Schnell R, Weber K (2021) Impfbereitschaft Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einem COVID-19-Vakzin und Einflussfaktoren. (Projektnummer: 458531028) gefördert. Ergebnisse einer telefonischen Bevölkerungsbefra- gung. Gesundheitswesen 83(10):789-796 26 Huebener M, Wagner GG (2021) Unterschiede in Covid-19-Impfquoten und in den Gründen einer Nichtimpfung nach Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen. DIW Discussion Papers 1968 Autorinnen und Autoren a) Dr. Jens Hoebel | d) Dr. Sebastian Haller | a) Susanne Bartig | a) Dr. Niels Michalski | b) Dr. Adine Marquis | b) Michaela Diercke | c) Nora Schmid-Küpke | c) PD Dr. Ole Wichmann | e) Navina Sarma | f) Prof. Dr. Lars Schaade | a) Dr. Claudia Hövener a) Robert Koch-Institut, Abt. 2 Epidemiologie und Ge- sundheitsmonitoring, FG 28 Soziale Determinanten der Gesundheit b) Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, FG 32 Surveillance c) Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, FG 33 Impfprävention d) Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, FG 37 Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch, Ausbrüche e) Robert Koch-Institut, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, FG 38 Infektionsepidemiologisches Krisenmanage- ment, Ausbruchsuntersuchungen und Trainings programme f ) Robert Koch-Institut, Institutsleitung, ZBS Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene Korrespondenz: j.hoebel@rki.de
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