Stimmen und Stimmungen im Park - Zum ästhetischen Umgang mit einem Bilderbuch in der vierten Klasse

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Stimmen und Stimmungen im Park - Zum ästhetischen Umgang mit einem Bilderbuch in der vierten Klasse
Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

Alexandra Ritter

Stimmen und Stimmungen im Park
Zum ästhetischen Umgang mit einem Bilderbuch in der vierten Klasse

                                  Bilderbücher scheinen auf den ersten Blick wenig
                                  Berührungspunkte mit der Grundschule zu haben, sondern
                                  eher der literarischen Vorschulbildung vorbehalten zu sein
                                  und wenn überhaupt ihren Platz im Anfangsunterricht zu
                                  finden.
                                  Dass es neue Tendenzen im Genre ‚Bilderbuch’ gibt, die
                                  das Medium verändert haben und es so zum vielfältigen
                                  Einsatz in der Grundschule, gerade für die ästhetische
                                  Bildung der Kinder, gewinnbringend erscheinen lassen, soll
                                  in diesem Beitrag anhand des Bilderbuches „Stimmen im
                                  Park“ von Anthony Browne deutlich gemacht werden.

Das Bilderbuch „Stimmen im Park“ entdecken
Die Geschichte, die das Buch erzählt, ist einfach. Zwei Erwachsene und zwei Kinder treffen
bei einem Spaziergang im Park zufällig aufeinander. Die Frau ist wohlhabend, hochmütig
und sie kontrolliert ihren Sohn Charles in extremem Maße. Der Mann ist ein arbeitsloser
Vater mit seiner aufgeweckten und immer fröhlichen Tochter „Sonnenschein“. Die
Protagonisten und im besonderen Maße die Kinder sind starke Identifikationsfiguren für die
Leser. Die erste Irritation, die dabei ins Auge fällt ist, dass die Figuren zwar mit menschlichen
Körpern dargestellt sind, aber die Köpfe von Affen haben. Dies mildert wiederum eine zu
starke Identifikation und schafft eine gewisse Distanz.
Die nur scheinbar banale Geschichte erhält ihren besonderen Reiz aus der dramaturgischen
Gestaltung des Buches. So wird die Geschichte vier Mal erzählt, jedoch immer aus der
Perspektive einer anderen der vier Hauptpersonen. Während die Erwachsenen kaum Notiz
von einander nehmen, freunden sich die Kinder allmählich an und spielen gemeinsam.
Stimmen im Park handelt jedoch nicht nur davon, was im Park geschieht, sondern lebt
davon, wie die Geschichte erzählt wird.
Browne setzt Schauplätze, Sprache und bildnerische Gestaltung in einzigartiger Weise so
ein, dass sie ein Ganzes ergeben. Hier wird nicht nur mithilfe des Textes erzählt. Schon
allein durch die unterschiedliche Gestaltung der Schrifttypen, die er jeder Person zuweist,
bekommt man einen Einblick in das Wesen der einzelnen Figuren, sei es nun die klassische,

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Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

serifenbetonte Antiquaschrift der Mutter oder die einfache und nüchterne Groteskschrift des
Vaters.
Begleitet werden die Einheiten des Textes von einer Sequenz von Bildern, die einen jeweils
spezifischen Stil haben. 1 In diesen Bildern wird nicht nur die Handlung bildlich umgesetzt,
sondern es werden symbolisch verarbeitete Elemente der Gefühlswelt der Protagonisten
dargestellt. So erscheint die Geschichte aus der Sicht des Mädchens Sonnenschein ganz
bunt, die Bäume sind Früchte oder Tiere und alles wirkt verspielt und fröhlich.
Jede Person im Buch nimmt den Spaziergang anders wahr, was symbolisch dadurch
ausgedrückt wird, dass der Park zu unterschiedlichen Jahreszeiten dargestellt wird. Bei der
Mutter ist Herbst. Der Vater und Charles befinden sich im Winter, wobei sich nach der
Begegnung mit Sonnenschein bei Charles der Frühling einstellt und Sonnenschein erlebt
den Park im Sommer.
Gerade in dieser vieldimensionalen Darstellung der Figuren liegt der besondere Reiz und
ästhetische Anspruch des Buches. Durch die verschiedenen Ebenen von Schrift, Bild und
Inhalt wird für den Leser ein ganzheitliches Charakterbild der Figuren entwickelt und somit
komplexes ästhetisches Wahrnehmen möglich.
Durch die Diskontinuität in der Abfolge von Erzählung und Bildern bleibt viel Raum für den
Rezipienten, eigene Vorstellungen zu entwickeln und die Bruchstücke der Geschichte zu
einem Gesamtbild zusammen zu fügen.
Ästhetische Erfahrungen regt Browne auch durch die Häufung der Kunst- oder Selbstzitate
im Buch an, vor allen Dingen, indem er bekannte Werke des Malers René Magritte aufgreift.
„Mit dem genauen Blick auf den Alltag und dem fremden Blick auf das Vertraute hat er
[Anthony Browne; A.R.] Zwischenwelten geschaffen, die sich zwischen realen und
imaginierten Orten, zwischen Innen- und Außenwelten ansiedeln, in denen sich realistische
und surrealistische Blicke kreuzen und in denen sich Kind und Kunst berühren.“ 2
Das Buch bietet dadurch sowohl Kindern, als auch Erwachsenen unendlich viel zu
entdecken und wahrzunehmen. Man kann das Buch zwanzig Mal gelesen und betrachtet
haben und entdeckt trotzdem beim erneuten Hinschauen ein anderes Detail, das Browne in
seinem Spiel mit den Möglichkeiten der Geschichte versteckt hat. Gerade deshalb scheint
sich dieses Buch besonders gut dafür zu eignen, die Wahrnehmung der Kinder zu
sensibilisieren und ihnen ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen.

1
    Vgl. Kretschmer 2003, S. 59; Doonan 2003, S. 144
2
    Thiele 2000; zit. n.: Kretschmer 2003, S. 58

                                                                                                      2
Stimmen und Stimmungen im Park - Zum ästhetischen Umgang mit einem Bilderbuch in der vierten Klasse
Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

           Die dritte Stimme – Charles                                       Die vierte Stimme - Sonnenschein

Didaktisch-methodische Bausteine zum Umgang mit dem Bilderbuch „Stimmen im
Park“
Das Bilderbuch als ästhetisches Produkt kann Ausgangspunkt zu vielfältiger handlungs- und
produktionsorientierter Arbeit 3 werden. An dieser Stelle sollen vor allem ästhetische und
rational-analytische Zugangsweisen zum Unterrichtsgegenstand in Form von Bausteinen
vorgestellt werden, die aber unbedingt miteinander verknüpft werden sollten, um den Kindern
so vielfältige Lernprozesse zu ermöglichen. Es soll ein Raum für die Entwicklung von
Phantasien vor dem Hintergrund der individuellen Gefühls- und Erlebniswelt der Kinder
eröffnet werden in dem sich die Kinder schließlich in unterschiedlichen produktiven
Tätigkeiten artikulieren können.

Baustein 1 – Erstbegegnung mit „Stimmen im Park“ 4
Auf einem Spaziergang im Park können Gegenstände gesammelt werden die von den
Kindern dann im Kreis ertastet werden sollen. So kommt man über den sinnlichen Einstieg
leicht ins Gespräch über individuelle Erlebnisse bei Parkspaziergängen mit Eltern oder
Freunden. Im Folgenden wird als eine Möglichkeit der Erstbegegnung mit dem Buch die
erste Stimme (der Mutter) vorgelesen, ohne dabei jedoch die Bilder zu zeigen. Allein anhand
des Ausdrucks der Sprache können die Kinder antizipieren und charakterisieren, um was für
eine Person es sich handeln könnte. Im Anschluss daran bietet sich die Betrachtung des
Buches als Partner- oder Einzelarbeit an. An dieser Stelle sollte die Lehrkraft genug Zeit für

3
 vgl. Haas u.a. 1994
4
 Vorgestellt werden im Folgenden didaktisch-methodische Anregungen, die ich im Rahmen einer Unterrichtseinheit zu dem
Bilderbuch konkret durchgeführt und erprobt habe.

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die Entdeckung des Bilderbuchs einplanen. Die wiederholende Struktur des Buches und die
vielen Details machen dies notwendig. Gleichzeitig können aber von den Kindern Fragen
und erste Eindrücke zum Buch notiert werden. Beschäftigt sich eine Klasse über mehrere
Stunden mit dem Bilderbuch, so hat sich das Führen eines Lesetagebuchs 5 als
gewinnbringend           herausgestellt.         Ergebnisse         und      Eindrücke        sollten      anschließend
ausgetauscht und besprochen werden.

Baustein 2 – Was die Stimmen verraten – Analyse der Stimmen
Eine wichtige Voraussetzung für die weiterführende und vertiefende Bearbeitung des Buches
ist, dass die SchülerInnen die Charaktere und Eigenarten der einzelnen Stimmen
herausfinden und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sequenzen erfassen
können. Die Sozialform der Gruppenarbeit erscheint hierfür besonders geeignet, da der
Austausch mit Anderen und die Diskussion über das Dargestellte zu tieferen Einsichten
führen kann. Jeweils eine Gruppe beschäftigt sich über einen längeren Zeitraum, z.B. eine
Unterrichtsstunde, mit einer Stimme. Sie untersucht die Stimmen unter verschiedenen
Gesichtspunkten. Der erste Eindruck zu der jeweiligen Stimme kann als Cluster festgehalten
werden. Anschließend wird diskutiert, wie die Person dargestellt wird. Differenziert für
leistungsstarke SchülerInnen kann nach den einzelnen bildnerischen und sprachlichen
Darstellungsebenen gefragt werden. Durch anregende Fragen können die SchülerInnen
weiterhin für die Gefühle anderer sensibilisiert werden. 6 Wie fühlt die Figur sich während der
Geschichte? Was denkt sie? Was wünscht sie sich?
Stellt die Lehrkraft die Bilder des Buches als Kopien zur Verfügung, so können Plakate in
den Gruppen erstellt und präsentiert werden. Dieser Austausch über die einzelnen Stimmen
ist sehr wichtig zur Verständigung über die Metazusammenhänge des Buches.

Baustein 3 – Mit Schrift gestalten
Ausgangspunkt dieses Bausteins ist die Typographie des Buches, die zum Anlass für eigene
Gestaltungen von Schrift benutzt wird. Die SchülerInnen sollen den Zusammenhang der
Schriftgestaltung mit den Charakteren der Personen erkennen können. Fragen wie: „Habt ihr
etwas Besonderes am Gebrauch der Sprache bemerkt?“, „Sind euch Formulierungen oder
Wörter aufgefallen?“ und „Ist euch irgendein Unterschied aufgefallen in der Art und Weise,
wie der Text gedruckt ist?“ können das einleitende Unterrichtsgespräch anregen. Es wird
konstatiert, dass jeder Figur eine eigene Schriftart zugeordnet ist, die etwas über ihren
Charakter aussagt. Wort- und Schriftgestaltungen können demnach schon Charaktere und
Stimmungen deutlich machen, so die hier gemachte Beobachtung. Von diesem Gedanken

5
  vgl. Block 2004: Das Lesetagebuch wird hier als Buch mit leeren z.T. linierten Seiten verstanden, das während der gesamten
Bearbeitung des Bilderbuches von den Kindern mit eigenen Gedanken oder Gruppenarbeitsergebnissen ergänzt wird.
6
  vgl. Kultusministerium Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Deutsch 2007, S. 7

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ausgehend können die Kinder nach dem Sammeln verschiedener Adjektive, die Gefühle
beschreiben, eigene Wortbilder gestalten. Auf Karten schreiben und gestalten sie das Wort
entsprechend des Gefühls, das es benennt. Bei abstrakteren Wörter wie „mutig“ oder
„aufgeregt“ erscheint das nicht immer einfach. Diese Tätigkeiten sind ästhetisch
anspruchsvoll und anregend. Die SchülerInnen können eigene Ideen entwickeln,
ausprobieren, abwägen und annehmen oder auch wieder verwerfen. Die Wortkarten können
abschließend an der Tafel oder in der Kreismitte präsentiert und in einer Wörterkiste für
„Gefühlswörter“ gesammelt und aufgehoben werden. Auf die Gefühlswörter können die
SchülerInnen auch zu späteren Zeitpunkten noch zurückgreifen.

Baustein 4 – Gefühle zeigen – Schreiben eines Gefühlsgedichts
Gerade die Gestaltung der Gefühlswörter kann eine wichtige Vorarbeit für das Schreiben
eines Gefühlsgedichtes sein. Die Kinder sollen durch diese Gedichte die Möglichkeit
bekommen für ihre Gefühle eigene Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. „Wer eine Sprache für
seine Gefühle hat, kann sich und andere einschätzen, kann sich dem anderen erklären;

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eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen und zu benennen ist die Bedingung dafür, nicht
jeden Streit in Gewalt münden zu lassen. Ein bewusster Umgang mit den eigenen Gefühlen
ist die Bedingung für Selbstbewusstsein, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit.“ 7
Zum Schreiben dient an dieser Stelle ein Baumuster für Gefühlsgedichte 8 , das als
„Geschichtengrammatik“ 9 oder hier als „Gedichtgrammatik“ den Kindern einen Rahmen
vorgibt, der offen für eigene Gedanken ist und hilft über eigene Gefühle nachzudenken und
diese zum Ausdruck zu bringen.

                                        Beschreibe dein Gefühl als:
                                                 Farbe
                                                 Geschmack
                                                 Geruch
                                                 Aussehen oder Form
                                                 Ton oder Klang
                                                 Erlebnis

Hier bietet sich eine geeignete Form, Gefühle als Gedicht zum Ausdruck zu bringen. Der
ganzheitliche Anspruch des Baumusters entspricht wiederum der Ganzheitlichkeit des
Bilderbuches. Stellt man den Kindern ein Gedichtbeispiel vor, so sind sie durchaus in der
Lage das Baumuster selbst zu erkennen. Anschließend können sie die Wörter aus der
Gefühlswörterkiste nutzen (vgl. Baustein 3) um eigene Gefühlsgedichte zu schreiben. Diese
sollten nach dem Schreiben auch durch eine Lesung oder Ausstellung gewürdigt werden.

Glücklich
                                                                                    Wütend
Gelb wie die Sonne
                                                                                    Feuerrot wie der Teufel,
Süß wie Obstsalat
                                                                                    Scharf wie Pfeffer,
Riecht nach Frühlingsblumen
                                                                                    Riecht nach Feuer,
Bunt wie der Sommer
                                                                                    Wütend wie ein Bär
Klingt nach Vogelstimmen
                                                                                    Laut wie ein Gewitter.
Es ist einfach schön.
                                                                                    Ich bin wütend.
               Lara 10
                                                                                                  Justin

Diese Gedichte von Kindern der vierten Klasse zeigen, dass sie in der Lage sind vielfältige
Sprachbilder für Gefühle zu finden. Interessant wirkt der letzte Satz der beiden Gedichte.
Während im ersten Gedicht das Mädchen als Betrachter und passiver Teilnehmer seiner
Umwelt auftritt, enthält der zweite Text stärker subjektive Färbungen. Mit dem Satz „Ich bin
wütend.“ versetzt sich der Junge selbst in eine Situation, in der er wütend war und reflektiert
dabei unbewusst über sein Verhalten.

7
  Czisch 2005, S. 107
8
  vgl. Kaul 2001, S. 20
9
  Kohl 2007
10
   Die Namen der Kinder wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen verändert.

                                                                                                                     6
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Sehr interessant wirken auch die nachfolgenden Texte eines Jungen, der in seiner Klasse
als Außenseiter Schwierigkeiten hatte. Er konnte sich schlecht in Gruppen eingliedern, wollte
dort durch sein Verhalten auffallen und im Mittelpunkt stehen, wurde aber von seinen
Mitschülern ausgegrenzt. Hinzu kamen feinmotorische und orthografische Schwierigkeiten
beim Schreiben und eine mangelnde Aufmerksamkeitsfähigkeit. Ungewöhnlich war aber,
dass er sich stark von den ästhetischen Tätigkeiten zum Bilderbuch ansprechen ließ und so
diese Texte verfasste.

                                                 Traurig
                                                 Schwarz wie die Nacht,
                                                 ein Sauregen prasselt gegens Fenster
                                                 ich bin allein
                                                 keine Menschenseele ist draußen
                                                 ich bin traurig

                                                 Traurig
                                                 Schwarz, wie die Nacht,
                                                 bitter, wie Kaffee,
                                                 riecht nach Einsamkeit,
                                                 sieht aus, als ob jemand Menschen
                                                 gefangen hält,
                                                 ich höre, dass der Regen gegen das
                                                 Fenster prasselt,
                                                 meine Eltern sind nicht da.
                                                                                              Max

Max hat sich zwar formal nicht an das Baumuster gehalten, aber in seinen Gedichten eine
tiefe Empfindung des Gefühls ‚Traurigkeit’ verarbeitet. Er benutzt das literarische Muster des
Buches, indem er eine ähnliche Situation beschreibt, wie die Einführung von Charles in die
Geschichte. Er steht allein am Fenster und schaut hinaus. Der Wechsel der Zeichenstile im
Buch vom farbig-flächenhaften zum eher graphischen und schraffierten Zeichnen könnte z.B.
auch die Assoziation des Regens ausgelöst haben. Aber Max geht noch weiter. Er verweilt
nicht bei der literarischen Vorlage, sondern bringt sich als lyrisches Ich mit in das Gedicht
ein. Dabei tritt das eigentliche Baumuster des Gedichtes in den Hintergrund. Er benötigt es
nicht zum Schreiben.
Der zweite Text geht stärker vom Baumuster aus. Aber auch hier zeigt sich wieder die
eigene Verarbeitung von Gefühlen, indem er in der drittletzten Zeile wieder das lyrische Ich
einbringt und dieses mit einem konkreten Erlebnis aus seiner Erfahrungswelt, dem Alleinsein
ohne Eltern, verbindet. In den Texten als Schnittstellen zwischen Buch und Leser werden
zum einen die Anregungen durch das Buch als Gegenstand des literarischen Lernens und
zum anderen die persönlich bedeutsamen Ausdrucksformen, die zeigen, dass das Kind die

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Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

literarischen Angebote aufgegriffen und mit eigenen Erfahrungen in Verbindung gebracht
hat, deutlich.

Baustein 5 – Stimmungsbilder gestalten
Es sind in Brownes Buch vor allem die Bilder, die die Leser fesseln. Sie strotzen nur so vor
Anspielungen, Bildzitaten und spielerischen Verfremdungen. Die Bilder bieten ausreichend
Stoff für ein anregendes Unterrichtsgespräch. Leitfragen können dabei sein: Kannst du ein
Bild zeigen, in dem mehr erzählt wird, als im Text steht? Gibt es Bilder in denen etwas
anderes ausgedrückt wird, als der Text beschreibt? Welche Wirkung hat das? Warum
benutzt Anthony Browne Affen als Hauptpersonen?
                                                 Die SchülerInnen lieben diese Art der
                                                 Arbeit mit dem Buch. Sie fühlen sich
                                                 herausgefordert durch die Fragen und
                                                 können            gut           Bild-           und
                                                 Textzusammenhänge erkennen. Es zeigt
                                                 sich, dass die Bilder viel mehr erzählen,
                                                 als der Text. Sie machen auch die
                                                 Stimmungen der Protagonisten deutlich.
                                                 Anschaulich wird das bei der ersten
                                                 Stimme, der Mutter. Sie ist wütend auf
                                                 ihren    Sohn,     der    mit    einem     kleinen
                                                 „schmuddeligen“ Mädchen gespielt hat.
                                                 Als letztes Bild sieht man die Mutter mit
                                                 strengem Gesicht und ihren Sohn den
                                                 Park verlassen. Im Hintergrund brennt
                                                 noch ein Baum, der die Stimmung der
                                                 Mutter, die äußerlich so beherrscht wirkt
                                                 zum Ausdruck bringt.
Diese eher analytische Betrachtung der Bilder stellt die Vorbereitung für das eigene
Gestalten eines Stimmungsbildes dar. Ausgangspunkt sollte allerdings ein Unterrichtsgang in
einen angrenzenden Park darstellen. Die SchülerInnen sollten sich Zeit nehmen, den Park
mit allen Sinnen zu erleben. Sie können, angeregt durch die Lehrkraft, bewusst auf die
Geräusche hören, Dinge erfühlen, Personen im Park beobachten. Ihre Lesetagebücher
eignen sich hervorragend zur Dokumentation dieser Parkerlebnisse. Die Kinder können sich
auch Skizzen vom Park machen, um diese dann als Vorlage für ihr Stimmungsbild zu
verwenden. Wieder in der Klasse überlegen sich die SchülerInnen ein Gefühl, das sie
entweder mit dem eigenen Spaziergang im Park verbunden oder aus der Gefühlswörterkiste

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Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

gezogen haben. Sie sollen nun ihre Parkskizze so verfremden, dass die gefühlte Stimmung
zum Ausdruck kommt. Zum besseren Verständnis kann sich gegebenenfalls noch einmal
über   die   Möglichkeiten   der   Verfremdung    im   Buch     ausgetauscht        werden.      Eine
Zusammenarbeit mit dem Fach Gestalten zur Umsetzung des Stimmungsbildes mit
Wasserfarben bietet sich hier an. Sollte dies nicht möglich sein, kann alternativ, wie im
Beispiel von Leon, auch mit Buntstiften gearbeitet werden. Zur Zwischenbilanzierung können
auch gelungene Verfremdungen der Kinder vorgestellt werden, die für die anderen
SchülerInnen noch einmal neue Impulse zur Gestaltung geben können. Nach der Gestaltung
sollten die Bilder ausgestellt und gegebenenfalls von den Kindern dokumentiert werden.

                Das Stimmungsbild von Leon

Baustein 6 – Eine Stimme darstellen
Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Buch können abschließend die
einzelnen Stimmen mit ihrer ganz besonderen Sichtweise des Spaziergangs im Park als
szenisches Spiel dargestellt werden. Vier Gruppen beschäftigen sich jeweils mit einer
Stimme. Je nach zeitlichem Rahmen können die SchülerInnen die Dialoge selbst sprechen
oder eine ErzählerIn wählen, die vorliest, während die anderen Gruppenmitglieder die Szene
darstellen. Sollten viele Kinder in einer Gruppe sein, besteht auch die Möglichkeit die Szenen
mittels Orffinstrumenten noch zu untermalen. Die Klasse kann gemeinsam überlegen,
welche Punkte notwendig für die szenische Darstellung einer Figur sind. Hinweise wie „sich
den Ablauf überlegen, Spieler auswählen, musikalische Gestaltung bedenken, Szene
mehrmals durchspielen und ggf. Kulissen und Kostüme gestalten“ können helfen die
Gruppenarbeit zu strukturieren. Eine öffentliche Aufführung der Szenen, zu der auch Eltern
und Freunde eingeladen werden können, wäre als Abschluss einer ganzen Einheit zu
diesem Bilderbuch denkbar. Vorher sollten die Szenen aber schon der Klasse gezeigt

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Alexandra Ritter: Stimmen und Stimmungen im Park

worden sein. Die SchülerInnen können gegenseitig einschätzen, ob die Stimmung der
einzelnen Personen richtig vermittelt wurde und ggf. noch Tipps für die weitere Arbeit geben.

Fazit
Das Bilderbuch „Stimmen im Park“ hat mehr zu bieten, als die bloße Vermittlung einer
Handlung           in   Texten       und     Bildern.     Es     herrscht   ein    spannungsreicher          Bild-Text-
Zusammenhang 11 , der eine gesonderte Betrachtung der Bilder oder des Textes nicht
möglich macht. Beide sind miteinander verwoben. Dadurch wird das Bilderbuch zu einem
anspruchsvollen, ganzheitlich erfahrbaren literarischen Werk, das die imaginäre Grenze des
Genre ‚Bilderbuch’ als Erstlesemedium überschritten hat. Es bietet viele Anknüpfungspunkte,
die für eine dritte oder vierte Klasse interessant und anregend sein können.
Dabei lohnt es sich den Kindern unterschiedliche Zugänge zum Bilderbuch anzubieten. Es
sollten rational-analysierende und ästhetische Umgangsformen eine Rolle spielen. Auch im
neuen Lehrplan Deutsch der Grundschule in Sachsen-Anhalt wird in den prozessbezogenen
Kompetenzen des Fachlehrplans Deutsch dieser Anspruch deutlich. Dort finden sich die
Kompetenzen des ‚Reflektierens’ des ‚Vorstellungen bildens’ 12 . Im ‚Reflektieren’, welches
immer mit dem Analysieren einhergeht, sollen die Kinder Begründungen finden. Sie fragen
nach dem Warum. Im ‚Vorstellungen bilden’ wiederum sollen die Schüler die ästhetisch-
ganzheitliche Seite der Sprache entdecken. Sie sollen sinnlich wahrnehmen, sich kreativ
entfalten und sich in andere hineinversetzen. Genau diese beiden Zugriffsweisen der Kinder
werden in den vorgestellten Bausteinen aufgegriffen und können, wie z.B. am Text von Max
deutlich geworden, auch zu persönlich bedeutsamen Schrift- und Leseerfahrungen werden.

Literatur:
Block, Iris: Lesetagebücher im 2. Schuljahr. Beobachtungen zur Leseförderung und zum frühen literarischen Lernen. In:
Grundschulunterricht 2004, H. 11, S. 27-34
Browne, Anthony: Stimmen im Park, übersetzt von Peter Baumann. Oldenburg: Lappan Verlag, 1998
Doonan, Jane: Stimmen im Park und Stimmen im Schulzimmer. Rezeptionsbezogene Analyse von Anthony Brownes „Stimmen
im Park“ (1998). In: Thiele, Jens: Das Bilderbuch. Ästhetik – Theorie – Analyse – Didaktik – Rezeption. 2. erw. Aufl.,
Oldenburg: Isensee, 2003, S. 142-156
Haas, Gerhard; Menzel Wolfgang; Spinner, Kaspar H.: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht.
Basisartikel. In: Praxis Deutsch, 1994, H. 123, S. 17-25
Kaul, Maria: Unser Seelenvogel möchte unser Begleiter und Helfer sein. Wie ein Kinderbuch das freie Schreiben anregte. In:
Grundschulunterricht 2001, H. 7-8, S. 17-21
Kohl, Eva-Maria: Geschichtengrammatik. Oder: Wenn Geschichten über sich selbst sprechen. In: Die Grundschulzeitschrift
204/2007, S. 22-25
Kretschmer, Christine: Bilderbücher in der Grundschule. Berlin: Volk und Wissen Verlag, 2003
Kultusministerium Sachsen-Anhalt: Lehrplan Grundschule. Fachlehrplan Deutsch 2007
Thiele, Jens: Das Bilderbuch. Ästhetik – Theorie – Analyse – Didaktik – Rezeption. 2. erw. Aufl., Oldenburg: Isensee, 2003

     Quelle: Stimmen und Stimmungen im Park. Zum ästhetischen Umgang mit einem Bilderbuch
     in der vierten Klasse. In: Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und
     Unterrichtsforschung in Sachsen-Anhalt LISA: Lesefutter 2008. Literatur aus Sachsen-Anhalt.
     Halle/Saale: 2008

11
     vgl. Thiele 2003, S. 42 ff.
12
     vgl. Kultusministerium Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Deutsch, S. 7

                                                                                                                       10
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