Der ANC im Umbruch Zumas schwieriges Erbe und Ramaphosas Neuanfang - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
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PERSPEKTIVE | FES SÜDAFRIKA Der ANC im Umbruch Zumas schwieriges Erbe und Ramaphosas Neuanfang MARKUS AWATER Mai 2018 n Die Jahre unter der Präsidentschaft Jacob Zumas haben dem African National Con- gress (ANC) aufgrund der vielen Korruptionsskandale schwer geschadet. In der Be- völkerung hat der ANC stark an Rückhalt verloren. Mit dem erzwungenen Rücktritt Zumas haben sich die Chancen jedoch deutlich erhöht, bei den nächsten Wahlen 2019 erneut die absolute Mehrheit zu erringen. n Die neu gewählte Parteispitze um Cyril Ramaphosa steht nun vor einem Balanceakt: Auf der einen Seite müssen Korruption und Vetternwirtschaft innerhalb des ANC zurückgedrängt und das Patronagesystem Zumas aufgebrochen werden, auf der an- deren Seite muss die Partei nach der Spaltung der vergangenen Jahre wieder geeint und auch die Anhängerschaft Zumas integriert werden. n Eine Entfernung korrupter Kader von den Schaltstellen der Partei kann nur ein erster Schritt sein. Um die Macht auch mittelfristig zu sichern, muss der ANC sein wirt- schafts- und sozialpolitisches Profil erneuern und der südafrikanischen Gesellschaft überzeugende Konzepte zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Arbeitslo- sigkeit anbieten.
MARKUS AWATER | DER ANC IM UMBRUCH Am Ende vollzog sich der Wechsel zwischen dem am- Gupta konnten sich unter dubiosen Umständen lukrative tierenden Präsidenten Südafrikas, Jacob Zuma, zu sei- Staatsaufträge und Schürfrechte sichern. Im Gegenzug nem Nachfolger, Cyril Ramaphosa, am 14. Februar 2018 flossen hohe Summen der Guptas in das Patronagenetz- geräuschloser als erwartet. Noch wenige Stunden vor werk Zumas. Im Sommer 2017 gelangten tausende ver- seinem Rücktritt hatte Zuma den Aufruf seiner Partei, trauliche E-Mails an die Öffentlichkeit (Gupta leaks), die des African National Congress (ANC), von seinem Amt belegten, dass die Guptas auch in die Benennung und zurückzutreten, rundheraus abgelehnt. Erst nach der Absetzung hochrangiger Minister_innen eingebunden Drohung der Parteispitze, dass man sich einem Misstrau- worden waren und eigene Kandidat_innen vorgeschla- ensantrag der oppositionellen Economic Freedom Fight- gen hatten. Schnell machte das Schlagwort state cap- ers (EFF) unter Julius Malema gegen den Präsidenten ture die Runde. anschließen werde, lenkte Zuma ein. Das Spiel war für Zuma verloren, das Präsidialamt musste er in jedem Fall Inmitten all dieser Skandale bewies Zuma jedoch einen räumen – entweder gesichtswahrend aus eigenen Stü- ausgeprägten Überlebensinstinkt. Er überstand insge- cken oder schmählich durch ein von seinem Intimfeind samt acht Misstrauensvoten im Parlament und der ANC Malema initiiertes Misstrauensvotum. Bereits am folgen- hielt ihm trotz der offensichtlichen Missstände die Treue. den Tag wurde der bisherige Vizepräsident Ramaphosa Neben der Verwicklung hochrangiger Politiker_innen in im Parlament zum neuen Staatsoberhaupt gewählt und illegale Machenschaften kam ihm hierbei die politische setzte somit einen vorläufigen Schlusspunkt hinter die Kultur innerhalb des ANC zugute, die stark auf Parteidis- Zuma-Jahre. ziplin ausgelegt ist. Nichtsdestotrotz verweigerten Zuma beim jüngsten Misstrauensvotum im August 2017 drei- Bereits vor seinem Amtsantritt 2009 gingen die Meinun- ßig ANC-Abgeordnete das Vertrauen – der Rückhalt für gen zu Zuma weit auseinander. Für seine Anhänger_in- Zuma im ANC begann zu schmelzen. nen war er ein Hoffnungsträger, der mit der neoliberalen Politik seines Vorgängers Thabo Mbeki aufräumen und Die Unzufriedenheit offenbarte sich beim ANC-Parteitag den ANC klar nach links rücken würde. Seine Gegner_in- in Johannesburg im Dezember 2017, bei der ein neu- nen warfen ihm hingegen bereits damals Bestechlichkeit er ANC-Präsident gewählt werden sollte. Dieser über- und Korruption vor: So verwiesen sie auf die 783 anhän- nimmt, im Falle eines Wahlerfolgs des ANC, traditionell gigen Korruptionsvorwürfe sowie auf zahlreiche weitere auch über kurz oder lang die Präsidentschaft des Lan- Affären um seine Person. des. Da Zuma nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, versuchten Zuma und seine Anhänger_innen Zu- Im Laufe seiner beiden Amtsperioden verstand es Zuma mas Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma, die bis vor Kur- meisterhaft, seine Macht durch ein Patronagenetz aus zem den Vorsitz der Afrikanischen Union innehatte, als Abhängigkeiten und materiellen Vorteilen zu sichern. Nachfolgerin zu installieren. Hiervon erhoffte sich Zuma Loyale Mitstreiter_innen belohnte er mit hohen Posten Schutz vor Strafverfolgung nach Ablauf seiner Amtszeit in Staat und staatseigenen Konzernen und sah bei deren als Staatspräsident. Als erfolgversprechendster Gegen- Selbstbereicherung weg. Kritiker_innen in der eigenen kandidat brachte sich der ANC-Vizepräsident Cyril Rama- Partei wurden hingegen mundtot gemacht. In seiner phosa in Stellung. Der ehemalige Gewerkschaftsführer zweiten Amtszeit wurde das Ausmaß der Korruption hatte es, nach seinem zeitweiligen Ausscheiden aus der innerhalb des ANC jedoch zunehmend offensichtlich. Politik, in den frühen 2000er-Jahren als Geschäftsmann So wurde ihm die Veruntreuung von 14 Millionen Euro zu einem Milliardenvermögen gebracht. Nach seiner an Steuergeldern bei der Renovierung seines privaten Rückkehr in die Politik übernahm er 2014 das Amt des Wohnsitzes Nkandla nachgewiesen. Zudem urteilten südafrikanischen Vizepräsidenten. In seiner Kandidatur südafrikanische Gerichte wiederholt, dass Zuma in sei- um den Parteivorsitz versprach er, den Kampf gegen ner Funktion als Staatspräsident die Verfassung gebro- Korruption und Misswirtschaft energisch voranzutrei- chen habe. Und schließlich gerieten seit 2013 die engen ben. Dlamini-Zuma propagierte hingegen ein äußerst Verbindungen des Präsidenten und seines Umfeldes zu linkes Programm, das unter dem Schlagwort radical der indischen Unternehmerfamilie Gupta in den Fokus economic transformation zu einer Umverteilung des ge- der Öffentlichkeit. Die drei Brüder Ajay, Atul und Rajesh sellschaftlichen Reichtums führen sollte. Im Zentrum des 1
MARKUS AWATER | DER ANC IM UMBRUCH Machtkampfes stand jedoch letztlich die Frage, ob sich Jahren von 24 auf 27 Prozent. Auch hier spiegelt sich das das Patronagesystem Zumas auch nach dessen Ausschei- Erbe der Rassentrennung wider: So sind unter Weißen den an der Macht halten oder der ANC aus eigener Kraft nur sieben Prozent von Arbeitslosigkeit betroffen, wäh- mit den Missständen der vergangenen Jahre aufräumen rend es unter den Schwarzen knapp ein Drittel sind. kann. Bei erster Option wäre ein erstmaliges Verfehlen der absoluten Mehrheit bei den kommenden nationa- Angesichts dieser Zahlen ist es wenig verwunderlich, len Wahlen äußerst wahrscheinlich gewesen, während dass sich viele Stammwähler_innen vom ANC abwen- die zweite Option die Mehrheit zumindest 2019 noch den. Konnte die Partei sich seit den ersten freien Wahlen sichern könnte. 1994 noch darauf verlassen, stabil über 60 Prozent der Stimmen zu erhalten, scheint sich das Bild nun zu wen- Nach einer hart umkämpften Wahlkampagne konnte den. Bei den landesweiten Kommunalwahlen im August sich Ramaphosa schließlich knapp mit 52 Prozent gegen 2016 rutschte der ANC um acht Prozent ab und kam seine Konkurrentin durchsetzen. Mit diesem Ergebnis nur noch auf 54 Prozent. Besonders schmerzhaft war war auch klar, dass sich Zuma nicht mehr lange in sei- der Verlust der Großstädte Pretoria, Nelson Mandela nem Amt würde halten können. Zu sehr hatte er dem Bay und Johannesburg an die Opposition. Im Gegen- Ansehen des ANC in den vergangenen Jahren gescha- zug konnten die wichtigsten Oppositionsparteien – die det und zu stark würde ein Verbleib des Präsidenten bis liberale Democratic Alliance (DA) und die linkspopulis- zum offiziellen Ende seiner Amtszeit die Chancen auf tischen EFF – erhebliche Stimmzuwächse verzeichnen. einen Wahlerfolg des ANC in 2019 gefährden. Die DA gewann knapp drei Prozentpunkte hinzu und erlangte 27 Prozent. Die EFF traten zum ersten Mal nach ihrer Gründung 2013 zu Kommunalwahlen an und ver- Schwindender Rückhalt für den ANC zeichneten aus dem Stand einen Stimmenanteil von über acht Prozent. Die Jahre unter Zuma haben zu einem immensen Ver- trauensverlust der Bevölkerung in die ehemalige Befrei- Insbesondere unter jungen Wähler_innen kann der ANC ungsbewegung ANC geführt. Die Reputation als Hort immer weniger Stimmen auf sich vereinen. Dies stellt für Misswirtschaft und Korruption ist hierbei nur eine mittelfristig ein großes Problem dar, da über zwei Drittel Seite der Medaille. Mindestens ebenso stark wiegt die der Bevölkerung jünger als 34 Jahre sind. Diese Wäh- Tatsache, dass das zentrale Versprechen des ANC, der lergruppe hat die Apartheid nicht aktiv erlebt, sodass politischen auch die wirtschaftliche Befreiung folgen der Nimbus des ANC als Befreiungsbewegung immer zu lassen, bisher nicht eingelöst wurde. In der Trias aus weniger greift. Stattdessen fordern die Jungen besse- Ungleichheit, Armut und Arbeitslosigkeit setzen sich bis re Perspektiven für sich im Hier und Jetzt – angesichts heute Strukturen der Apartheid fort. Noch immer gehört einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent nicht Südafrika zu den Ländern mit der höchsten Ungleich- verwunderlich. Auch der uneingeschränkte Zugang zu heit bei der Verteilung der Einkommen und Vermögen. Bildung, insbesondere zu den Universitäten, ist für diese Nach wie vor liegt ein Großteil des gesellschaftlichen Bevölkerungsgruppe ein wichtiges Anliegen. Angesichts Reichtums in den Händen der weißen Bevölkerungsgrup- der Versäumnisse des ANC wenden sie sich entweder pe. Obwohl sich in den zurückliegenden 24 Jahren eine den linkspopulistischen EFF zu oder bleiben den Wahlen schwarze Mittelschicht herausgebildet hat – je nach Erhe- komplett fern. So ließ sich vor den Kommunalwahlen bung bis zu sechs Millionen Südafrikaner_innen –, profi- 2016 nur ein Drittel der 18- und 19-Jährigen überhaupt tierte der überwiegende und insbesondere der schwarze als Wähler_innen registrieren. Anteil der Bevölkerung wirtschaftlich nicht vom Ende der Apartheid: Etwa ein Drittel der Südafrikaner_innen lebt Vom Potenzial her könnte der ANC immer noch Wahl- in relativer und ein weiteres Fünftel in absoluter Armut. ergebnisse über 60 Prozent erzielen. Zwar hat sich die Wählerschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten stär- Eines der größten Hindernisse bei der Überwindung der ker diversifiziert, doch bleibt der ANC die einzige Partei, Ungleichheit stellt die hohe Arbeitslosigkeit dar. War die Wähler_innen lagerübergreifend ansprechen kann. diese bereits zu Zeiten der Apartheid sehr hoch, stieg Die DA hat in den vergangenen Jahren zwar viel unter- sie seit 1994 sogar noch weiter an – allein in den Zuma- nommen, um auch Wähler_innen außerhalb der weißen 2
MARKUS AWATER | DER ANC IM UMBRUCH Bevölkerungsgruppe anzusprechen – zum Beispiel mit war die Rhetorik der Parteimitglieder in den vergange- der Wahl Mmusi Maimanes zum ersten schwarzen DA- nen Jahren, zu sehr hängt dem Vorsitzenden Malema Vorsitzenden 2015 –, dennoch haftet ihr der Eindruck der Ruf des Bürgerschrecks nach. Zudem erscheint das an, Politik vor allem für Besserverdienende zu betrei- Programm der Partei, das einen radikalen Umbau der ben – und das sind eben größtenteils Weiße. Unter der Wirtschaft und weitgehende Umverteilungen fordert, schwarzen Bevölkerung kann die DA bisher weniger als als wenig umsetzbar. Die EFF wird weiterhin vor allem als zehn Prozent für sich gewinnen. Zudem verliert die DA Protestpartei wahrgenommen; der erwartete Zuwachs mit dem Abgang Zumas ihr wichtigstes Mobilisierungs- an Stimmen für die EFF setzt den ANC jedoch unter star- instrument. Sollte der ANC unter Ramaphosa glaub- ken Zugzwang. würdig gegen Korruption in Staat und Partei vorgehen, würde es für die DA zunehmend schwieriger, dem ANC Für den ANC muss es bis zu den Parlamentswahlen 2019 enttäuschte Wähler_innen abzunehmen. In den vergan- darum gehen, verlorengegangenes Vertrauen wieder- genen Jahren versuchte sich die Partei, im Vergleich zum herzustellen, um die Mehrheit zu sichern. Hierfür sind ANC, als kompetenter in Wirtschaft, Transparenz und zwei Faktoren zentral: Zum einen muss der ANC einen Regierungsführung zu beweisen. Hierbei wurde vor al- glaubwürdigen Erneuerungsprozess durchlaufen und lem gerne auf die Provinz Western Cape verwiesen, wel- mit alten Korruptionspraktiken aufräumen, ohne die che die DA seit 2009 regiert. Angesichts der jüngsten Partei dabei zu zerreißen; zum anderen muss die neue Veruntreuungsvorwürfe gegen die DA-Bürgermeisterin Partei- und Staatsführung die schwächelnde Wirtschaft in Kapstadt, Patricia de Lille, zeigt dieses Bild jedoch wieder in Schwung bringen, ohne die Bekämpfung der mittlerweile tiefe Kratzer. Auch die Wasserknappheit Armut und der Arbeitslosigkeit zu vernachlässigen. in Western Cape und insbesondere in Kapstadt wider- spricht dem nach außen getragenen Bild, da die Krise zu einem großen Teil auf politische Verfehlungen und Einigung und Erneuerung verspätetes Handeln zurückzuführen ist. Die DA scheint mit den 27 Prozent aus den Kommunalwahlen 2016 ein Zuma hinterlässt eine geschwächte und zerrissene Par- Plateau erreicht zu haben, das sie nur wird halten kön- tei. Der Wahlkampf vor dem Parteitag im Dezember nen, wenn weiterhin viele ANC-Wähler_innen zuhause 2017 hat diese Spaltung weiter vertieft, da sowohl das bleiben. Zuma- als auch das Ramaphosa-Lager eine Marginali- sierung nach einer Niederlage zu fürchten hatten. Die Gefährlicher für den ANC sind hingegen die EFF, da Spaltung zeigt sich nicht nur in dem äußerst knappen sie bei weiteren Zugewinnen dauerhaft eine absolute Wahlsieg Ramaphosas, sondern auch in der Zusam- Mehrheit für den ANC verhindern könnten. Unter Julius mensetzung der übrigen neugewählten Parteispitze Malema als Abspaltung vom ANC entstanden, haben (top six). In dieser sitzen neben Ramaphosa auch David sie sich mittlerweile als radikalere Alternative zur Re- Mabuza als ANC-Vizepräsident, Gwede Mantashe als gierungspartei etabliert. Während die DA nur bedingt nationaler Vorsitzender, Ace Magashule als General- Stammwähler_innen des ANC anspricht, stammen die sekretär, Jessie Duarte als dessen Stellvertreterin sowie Zuwächse der EFF zu weiten Teilen aus der enttäuschten Paul Mashatile als Schatzmeister. Keiner dieser Kandi- Kernklientel des ANC, insbesondere aus den ärmeren dat_innen konnte mehr als 55 Prozent der Stimmen auf Bevölkerungsgruppen sowie der Jugend. Durch öffent- sich vereinigen. Während Mantashe und Mashatile be- lichkeitswirksame Aktionen – sei es der Aufruf, sich auch reits vor dem Parteitag dem Reformlager angehörten, ohne Zahlung der Studiengebühren an Universitäten waren Magashule und Duarte als prominente Zuma- einzuschreiben, oder die Verwüstung von H&M-Läden Unterstützer_innen bekannt, die dessen Fehlverhalten nach Rassismusvorwürfen – hat die Partei den Ruf er- wortreich verteidigten und selbst tief in das Patronage- worben, zu handeln statt nur zu reden. Allein durch die netzwerk verstrickt waren bzw. immer noch sind. Ma- Existenz der EFF werden die Wähler_innen an die unein- buza war als Premierminister der Provinz Mpumalanga gelösten ANC-Versprechen einer inklusiven Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls als Zuma- und einer Überwindung der Benachteiligung anhand Unterstützer bekannt, schlug sich jedoch auf dem Par- der Hautfarbe erinnert. Nichtsdestotrotz sind die EFF teitag kurz vor der entscheidenden Wahl mit seinen für weite Bevölkerungsteile bisher unwählbar. Zu radikal Gefolgsleuten auf Ramaphosas Seite, was diesem den 3
MARKUS AWATER | DER ANC IM UMBRUCH Sieg einbrachte. Im Gegenzug dafür erhielt Mabuza das In diesem Spannungsfeld wurden seit der Wahl Rama- zweitwichtigste Amt der Partei und wurde schließlich phosas erste Schritte unternommen, um das Image des auch zum Vizepräsidenten des Landes ernannt. Seine ANCs in der Öffentlichkeit aufzubessern. Auf parteiin- Ambitionen dürften aber langfristig über diese beiden ternen Druck gab Präsident Zuma Anfang des Jahres die Ämter hinausgehen. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum soge- nannten state capture um die Gupta-Familie bekannt – Die Pattsituation in den »Top Six« wird es Ramaphosa ein Schritt, dem er sich lange verweigert hatte. Auch die deutlich erschweren, den Umbau und die (personelle) National Prosecution Agency (NPA) nahm vor Kurzem Neuaufstellung der Partei voranzutreiben. Sein knapper ihre Ermittlungen gegen Zuma und sein Umfeld wieder Wahlsieg hat ihm zwar das höchste Amt eingebracht, auf. Und nicht zuletzt kann die Antikorruptionseinheit sein Rückhalt innerhalb der Partei ist jedoch noch labil. der Polizei – die »Hawks« – seit den jüngsten Machtver- Um eine dauerhafte Spaltung zu verhindern, muss das schiebungen freier agieren. So durchsuchten Spezialein- unterlegene Lager in die Neuausrichtung der Partei ein- heiten der Hawks am Morgen vor dem Rücktritt Zumas gebunden werden. Obwohl das Zuma-Lager geschwächt das Anwesen der Guptas in Johannesburg sowie weitere aus den vergangenen Wochen hervorgeht, verfügt es Immobilien in der Provinz Free State. Atul Gupta wurde immer noch über genügend Anhänger_innen, um die verhaftet, als er das Land verlassen wollte, sein Bruder Entscheidungen des Reformlagers zu untergraben. Der Ajay wurde offiziell zur Fahndung ausgeschrieben. Ein Öffentlichkeit würde sich der ANC als weiterhin zerris- solches Vorgehen gegen korrupte Praktiken wäre noch sen und zu einer Erneuerung aus eigener Kraft nicht wenige Tage zuvor undenkbar gewesen. fähig präsentieren. Ramaphosas sorgfältig aufgebautes Image als Macher nähme ernsthaften Schaden und der Das klarste Zeichen dafür, dass das Reformlager die Schwung des Neuanfangs wäre dahin. Hierdurch bliebe Gleichzeitigkeit von Kampf gegen die Korruption und die Mobilisierungsfähigkeit der Partei weit hinter ihren Einigung des ANC verstanden hat, ist die Ende Febru- Möglichkeiten zurück. Wie sich bei den vergangenen ar 2018 durchgeführte Kabinettsumbildung. Mit der Wahlen gezeigt hat, ist dies die Achillesferse der Par- Absetzung des Bergbauministers Mosebenzi Zwane, tei – die Zugewinne der Opposition sind weniger auf des Energieministers David Mahlobo, der Ministerin für ein mehr an Stimmen als auf ein Fernbleiben der ANC- öffentliche Unternehmen Lynne Brown und des Minis- Sympathisant_innen von den Urnen zurückzuführen. ters für kooperative Regierungsführung Des van Rooyen Somit wäre ein Verfehlen der absoluten Mehrheit bei mussten einige der umstrittensten ANC-Politiker_innen, den Wahlen 2019 keine Überraschung. allesamt Anhänger_innen des Zuma-Lagers, die Regie- rung verlassen. Zugleich wurden mit Pravin Gordhan Zugleich wird in der Öffentlichkeit jedoch vehement ge- als Minister für öffentliche Unternehmen und Nhlanhla fordert, dass der ANC mit den alten Korruptionsprak- Nene als Finanzminister zwei ANC-Politiker zurück ins tiken aufräumt. In den vergangenen Jahren verfestigte Kabinett geholt, die in der südafrikanischen Öffentlich- sich der Eindruck – und nicht nur bei der Kernklientel der keit einen exzellenten Ruf als Fachpolitiker besitzen. Bei- Opposition –, dass die Selbstbereicherung nicht auf Ein- de waren bereits Finanzminister unter Zuma und wurden zelpersonen, sondern auf die politische Kultur des ANC beide von diesem ihres Amtes enthoben, als sie sich dem als Ganzes zurückzuführen sei. Es wird nun ein hartes Zugriff seines Netzwerkes auf die Staatsfinanzen wider- und schnelles Durchgreifen Ramaphosas gegen das Pa- setzten. tronagesystem Zumas erwartet. Den Nutznießer_innen dieses Systems droht im Falle ihrer Abberufung nicht In den Augen der südafrikanischen Öffentlichkeit wur- nur der Verlust ihres privilegierten Zugangs zum Staat, den diese vielversprechenden Personalentscheidungen sondern schlimmstenfalls auch eine Verurteilung wegen aber merklich getrübt, da andere Minister_innen mit Betruges und Bestechlichkeit. Ramaphosa kann jedoch engen Verbindungen zu Zuma und den Guptas nicht nicht alle der Korruption bezichtigten ANC-Funktionär_ aus der Regierung gedrängt wurden. Hierzu zählen ins- innen gleichzeitig ihres Amtes entheben: Jeder für sich besondere Malusi Gigaba, der vom Finanz- ins Innen- genommen ist zwar zu schwach, um sich dem zu wider- ministerium wechselte, und Bathabile Dlamini, die das setzen, in ihrer Gesamtheit bilden sie jedoch immer noch Sozialressort zugunsten der Stelle als Frauenministerin eine starke Interessensgemeinschaft im ANC. im Präsidialamt aufgeben musste. Der Verbleib der bei- 4
MARKUS AWATER | DER ANC IM UMBRUCH den Minister_innen in der Regierung, wenn auch auf Der ANC hat anscheinend erkannt, dass die (personelle) weniger bedeutenden Posten, soll den Anhänger_in- Erneuerung nur den Grundstein dafür legen kann, die nen des unterlegenen Zuma-Lagers eine Brücke bauen Parteimitglieder sowie möglichst viele Südafrikaner_in- und ihnen zeigen, dass sie weiterhin eine Zukunft in nen hinter der Idee eines sozial gerechteren als auch der Partei haben. So ist auch die Berufung von Rama- wirtschaftlich erfolgreicheren Südafrika zu versammeln. phosas Konkurrentin Dlamini-Zuma auf den Posten der Ein erster Schritt war der Budgetentwurf, der Ende Fe- Planungs- und Evaluationsministerin im Präsidialamt zu bruar vorgestellt wurde. Angesichts einer desolaten verstehen. Haushaltslage soll zwar die Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent angehoben werden (was die untere Mittel- Natürlich sind die Altlasten der Zuma-Administration schicht besonders stark trifft), gleichzeitig wurde der durch diese Schritte noch lange nicht ausgeräumt, doch Steuersatz für Spitzeneinkommen jedoch von 41 auf 45 erste Zeichen, dass der ANC sich neu aufstellen kann Prozent angehoben und Sozialleistungen nicht nur von und will, wurden gesetzt. Der Balanceakt zwischen Kürzungen verschont, sondern zum Teil sogar angeho- Erneuerung und Einigung des ANC wird sich bis zum ben. Auch die Absichten der Partei, die Landumvertei- Wahltermin 2019 jedoch auch auf regionaler und lokaler lung voranzutreiben und Kindern aus armen und Mittel- Ebene fortsetzen müssen. schichtsfamilien freie Hochschulbildung zu ermöglichen, weisen darauf hin, dass der ANC eine sozial ausgewoge- nere Politik verfolgen möchte. Ausblick Sollte der ANC mit seiner personellen wie inhaltlichen Sollten die Erneuerung der Regierungspartei aufgrund Neuaufstellung Erfolg haben, winkt 2019 erneut die ab- innerparteilicher Machtkämpfe fehlschlagen und Teile solute Mehrheit – angesichts der tendenziell positiven des alten Patronagenetzwerkes überdauern, wird dies Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Wahl Ramapho- den ANC in der Öffentlichkeit weiter diskreditieren, da sas und die bisher vollzogenen Schritte wohl das wahr- nun die Schuld nicht mehr vorrangig bei der Symbolfigur scheinlichste Szenario. Auch der Zustand der Oppositi- Zuma gesucht werden kann. Die Opposition, allen voran on, die nach dem Abgang Zumas ihr stärkstes Feindbild DA und EFF, änderten bereits wenige Tage nach dem verloren hat und – im Falle der DA – mit internen Kon- Rücktritt Zumas ihre Strategie: Nicht einzelne Politiker_ flikten beschäftigt ist, deuten auf einen erneuten Wahl- innen seien der Grund für die ausufernde Korruption, erfolg des ANC hin. sondern der ANC als Ganzes – nur durch eine Abwahl der Regierungspartei könnte dem state capture ein Ende Sollte die Kehrtwende jedoch im kommenden Jahr nicht gesetzt werden. Diese offene Flanke muss der ANC nun konsequent verfolgt werden und der politische Schwung so schnell wie möglich schließen. der vergangenen Monate ins Leere laufen, droht der Ab- sturz unter die Fünfzig-Prozent-Marke. In diesem Fall Nichtsdestotrotz kann der Kampf gegen die Korruption müsste es zu einer Koalitionsbildung unter Führung des in Staat und Partei aber nur ein erster Schritt sein, um die ANC kommen. Mit dem Verlust der absoluten Mehrheit Verluste bei den kommenden Wahlen möglichst gering müsste sich der ANC dann von seinem Selbstverständnis zu halten. Die Wähler_innen werden der Partei ihre Stim- verabschieden, dass die Interessen der Partei deckungs- me nicht nur deswegen geben, weil weniger öffentliche gleich mit denen des Landes seien. Aus der Befreiungs- Gelder veruntreut werden, sondern weil sie überzeugen- bewegung würde eine normale Partei, welche die Wäh- de Lösungsvorschläge zur Überwindung der Trias aus ler_innen durch Inhalte und konkrete Verbesserungen Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit präsentiert. im Hier und Jetzt für sich gewinnen müsste, statt sich Der ANC muss hierfür sein wirtschafts- und sozialpoliti- auf der glorreichen Geschichte auszuruhen – nach den sches Profil schärfen sowie den Fokus der Öffentlichkeit Zuma-Jahren vielleicht nicht die schlechteste Entwick- möglichst bald wieder auf inhaltliche Debatten leiten. lung zur Stabilisierung der südafrikanischen Demokratie. 5
Über den Autor Impressum Markus Awater ist Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung im Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Afrika Auslandsbüro Südafrika in Johannesburg. Hiroshimastr. 17 | 10785 Berlin | Deutschland Verantwortlich: Dr. Manfred Öhm, Leiter, Referat Afrika Tel.: +49-30-269-35-7453 | Fax: +49-30-269-35-9217 http://www.fes.de/afrika Bestellungen / Kontakt: AnnaLena.Nickel@fes.de Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustim- mung durch die FES nicht gestattet. Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten ISBN sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung. 978-3-96250-142-6 Diese Publikation wird auf Papier aus nachhaltiger Forstwirt- schaft gedruckt.
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