VERARBEITUNG UND CHARAKTERISIERUNG VON INDUSTRIELLEN PVC-BLENDS MIT SCHICHTSILIKAT-NANOFÜLLSTOFFEN

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VERARBEITUNG UND CHARAKTERISIERUNG VON INDUSTRIELLEN PVC-BLENDS MIT SCHICHTSILIKAT-NANOFÜLLSTOFFEN
Eingereicht von
 Philipp Aigner, BSc.

VERARBEITUNG UND
 Angefertigt am
 Institut für

CHARAKTERISIERUNG
 Polymerwissenschaften

VON INDUSTRIELLEN
 Beurteiler
 Assoz. Univ.-Prof. Dr.

PVC-BLENDS MIT
 Milan Kracalik

 Mai 2021

SCHICHTSILIKAT-
NANOFÜLLSTOFFEN

Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Diplom-Ingenieur
im Masterstudium
Management in Chemical Technologies

 JOHANNES KEPLER
 UNIVERSITÄT LINZ
 Altenberger Straße 69
 4040 Linz, Österreich
 jku.at
 DVR 0093696
VERARBEITUNG UND CHARAKTERISIERUNG VON INDUSTRIELLEN PVC-BLENDS MIT SCHICHTSILIKAT-NANOFÜLLSTOFFEN
DANKSAGUNG

Außerordentlicher Dank gebührt Herrn Assoz. Univ.-Prof. Dr. Milan Kracalik für den Aufbau dieses
Forschungsprojekts und der Betreuung dieser Arbeit. Seine Expertise und Erfahrung auf dem
Fachgebiet der Polymerverarbeitung und -charakterisierung waren der Grundstein für eine
erfolgreiche Absolvierung und eine große Hilfestellung bei allen Herausforderungen im Laufe der
praktischen Arbeit.

Für die Möglichkeit und das Vertrauen zur Durchführung dieses Forschungsprojekts gebührt Herrn
Ing. Engelbert König, stellvertretend für Internorm International GmbH, besonderer Dank. In
diesem Zusammenhang sind auch Herr Gerhard Stögmüller und Herr Daniel Jellinger zu
erwähnen, mit denen eine konstruktive und angenehme Zusammenarbeit gewährleistet war.

Allgemeiner Dank gilt Frau Univ.-Profin. Drin. Sabine Hild für die Aufnahme am Institut für
Polymerwissenschaften zur Durchführung dieser Masterarbeit.

Bei meinen Institutskolleginnen und -kollegen, angeführt von Frau DIin Ines Traxler, Frau DIin
Claudia Leimhofer, Frau Matin Kazemi, BSc. und Herrn DI Leonhard Buchriegler, möchte ich mich
für die Unterstützung, insbesondere für die Einschulung an arbeitsrelevanten Geräten, bedanken.
Ein angenehmer, fachlicher Austausch war stets gegeben und eine Hilfestellung bei jeglichen
Herausforderungen wurde umgehend angeboten.

Abschließend möchte ich mich bei meinen Eltern für ihre Unterstützung, sowie für das
Ermöglichen meines Studiums bedanken.

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 2/81
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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich
oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

____________________
Philipp Aigner

Rohrbach-Berg, 28.05.2021

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 3/81
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KURZFASSUNG

In Kooperation mit Internorm International GmbH wurden drei industrielle PVC-Rezepturen,
welche sich in Gehalt und Art des Stabilisators unterscheiden, verarbeitet und
grundcharakterisiert. Um PVC in der Praxis als Fensterkunststoff einsetzen zu können, ist die
Zugabe einer Vielzahl an Additiven von Bedarf. Meist werden anorganische Füllstoffe und
Stabilisatoren beigemengt, um eine adäquate Beständigkeit und Festigkeit für diverse
Anwendungsgebiete zu erreichen. Eine Additivierung mit Schichtsilikat-Nanofüllstoffen soll dabei
neue und vorteilhafte Erkenntnisse für die PVC-Fensterindustrie liefern. Demnach wurde versucht
die PVC-Rezepturen durch die Zugabe von verschiedenen Nanofüllstoffen des Typs Cloisite
nachhaltig zu verbessern.
Im ersten Versuchsteil wurde die Herstellung von PVC-Nanokompositen mithilfe eines Kneters im
Labormaßstab durchgeführt. Die Verarbeitungsparameter hinsichtlich Temperatur und Zeit
wurden im Sinne einer möglichst zersetzungsfreien Probenherstellung ausgewählt. Anhand des
aufgezeichneten Plastifizierungsverhaltens wurde beurteilt, welche Einstellungen die geringsten
thermischen und mechanischen Belastungen für die PVC-Schichtsilikat-Nanokomposite liefern.
Eine Erhöhung der Dimensionsstabilität konnte durch anschließende rheologische
Charakterisierung mittels Amplituden-, Zeit- und Frequenztest nachgewiesen werden. Mithilfe der
Durchführung eines Dehydrochlorierungstests, welcher Auskunft über die thermische
Reststabilität des jeweiligen Materials lieferte, wurden die Rezeptur und der Nanofüllstoff mit dem
höchsten Potenzial ausgewählt.
Die PVC-Rezeptur mit mittlerem Stabilisatorgehalt und Cloisite Natrium, ein natürliches
Schichtsilikat ohne organische Modifikation wurden für genauere Untersuchungen im zweiten
Versuchsteil herangezogen. Mittels Kneter wurde im Labormaßstab eine Konzentrationsreihe der
beiden Komponenten im Bereich einer Additivierung von 0,5 bis 5 w-% Nanofüllstoff hergestellt.
Das primäre Ziel war, die optimale Materialverbesserung bei geringster Agglomeratbildung,
ausgelöst durch Cloisite Natrium, feststellen zu können. Anhand rheologischer Amplitudentests
konnten Mikro- und Makrorisse im PVC-Material aufgrund der Schichtsilikat-Nanofüllstoff-Zugabe
zur Gänze ausgeschlossen werden. Die Charakterisierung der Konzentrationsreihe mittels
Frequenztests zeigte für sämtliche rheologische Kenngrößen erhöhte Messwerte im Vergleich zur
reinen PVC-Rezeptur. Je höher der Gehalt des Nanofüllstoffs, desto höhere Werte wurden für die
komplexe Viskosität, Speicher- und Verlustmodul gemessen. Zur Bestimmung des optimalen
Wirkungsgrads mussten Zeittests herangezogen werden. Hier wurde deutlich, dass ab einer
Zugabe von 3 w-% ein deutlich verstärkter Materialabbau eintritt. Demnach konnte das
Nanofüllstoffoptimum mit etwa 2,5 w-% Cloisite Natrium oder niedriger bestimmt werden.

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 4/81
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Für weitere Analysen wurde eine Charakterisierung mittels Atomkraftmikroskopie durchgeführt.
Die Auswirkung des Schichtsilikats auf die Materialstruktur wurde dabei untersucht. Eine
Strukturveränderung konnte mit der Aufnahme von 5 x 5 µm Höhenbildern deutlich nachgewiesen
werden. Für die Materialien mit einem Zusatz von 4,5 und 5 w-% Nanofüllstoff wurde eine
verstärkte Bildung von Agglomeraten gemessen. Dies lieferte eine Erklärung für die erhöhte
Tendenz zum Materialabbau. Bei einer Additivierung von 1,5 w-% konnte mithilfe der
Atomkraftmikroskopie eine homogene Verteilung beziehungsweise eine Exfolierung des
Schichtsilikat-Nanofüllstoff in der Polymermatrix gezeigt werden.
Im finalen großtechnischen Versuch im Werk von Internorm International GmbH wurden
Fensterprofile aus einer PVC-Rezeptur mit 2,5 w-% Cloisite Natrium komplikationslos hergestellt.
Ein Vergleich mit einem herkömmlich eingesetzten Extrusionsprofil zeigte sowohl optisch als auch
verarbeitungstechnisch Unterschiede. Die Herstellung mit einem industriellen Extruder inklusive
Heißmischvorgang zur Vorbereitung des PVC Dry-Blends lieferte veränderte Bedingungen und
Ergebnisse als im Labormaßstab. Werksinterne und rheologische Überprüfungen bestätigten
dies.

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 5/81
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ABSTRACT

In cooperation with Internorm International GmbH, three industrial polyvinyl chloride (PVC)
formulations, which differ in amount and type of the stabilizing agent, were processed and
characterised. To use PVC as a window plastic in practice, the addition of many additives is
necessary. In most cases, inorganic filling and stabilizing agents are added to reach adequate
resistance and strength for various applications. Additivation with layered silicate nano-fillers is
expected to provide new and beneficial insights for the PVC window industry. Thus, sustainable
improvements of PVC formulations were executed by adding different Cloisite nano-fillers.
In the first experimental part, the production of PVC nanocomposites was carried out using a
kneader on a laboratory scale. The processing parameters in terms of temperature and time were
selected with a view to producing samples with as little degradation as possible. Based on the
recorded plasticizing behaviour, it was assessed which settings provide the lowest thermal and
mechanical loads to the PVC nanocomposites. After subsequent rheological characterization via
amplitude, time and frequency sweeps, improvements of dimensional stability were detected. By
performing a dehydrochlorination test, which provided information on the residual thermal stability
of the respective material, the formulation and the nano-filler with the highest potential were
selected. The PVC formulation with medium concentration of stabilizing agent and Cloisite
Sodium, a layered silicate without organic modification, were used for a detailed investigation in
the second experimental part. Using a kneader, a concentration series of the two components in
the range of an additivation of 0.5 to 5 w-% nano-filler was manufactured on a laboratory scale.
The main target was to determine the optimum material improvement with the lowest formation of
agglomerates caused by Cloisite Sodium. By means of rheological amplitude sweeps micro- and
macro-cracks in the PVC material caused by the addition of the layered silicate could be
completely ruled out. The characterization of the concentration series via frequency sweeps
showed increased values for all relevant rheological quantities in comparison with the pure PVC
formulation. The higher the concentration of the nano-filler, the higher the values measured for
complex viscosity, storage, and loss modulus. Time sweeps had to be used to determine the
optimum efficiency. It became evident that from an addition of 3 w-%, a significantly enhanced
material degradation occurs. Thus, the ideal concentration could be defined around 2.5 w-%
Cloisite Sodium or lower. For additional analysis, a characterization by atomic force microscopy
(AFM) was performed. The effect of the layered silicate on the material structure was investigated.
Structural changes could be clearly detected with the recording of 5 x 5 µm height images. For the
materials with an addition of 4.5 and 5 w-% nano-filler, an enhanced formation of agglomerates
was measured. This provided an explanation for the increased tendency to material degradation.
For an addition of 1.5 w-%, homogeneous distribution and exfoliation of the layered silicate
nano-filler in the polymer matrix was shown using AFM.

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 6/81
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In the final large-scale trial at the plant of Internorm International GmbH, window profiles were
produced from a PVC formulation with 2.5 w-% Cloisite Sodium without any complications. A
comparison with a conventionally used extrusion profile showed differences both visually and in
terms of processing. The fabrication with an industrial extruder including a previous hot mixing
process for preparation of the PVC dry blend provided different conditions and results than in the
laboratory scale. This was confirmed by in-plant and rheological tests.

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Inhaltsverzeichnis

1. Ziele und Aufgabenstellung der Arbeit ...................................................... 10
2. Theoretischer Hintergrund .......................................................................... 11
 2.1. Polyvinylchlorid .............................................................................................. 11
 2.1.1. Allgemeines ...................................................................................................... 11
 2.1.2. Herstellung ....................................................................................................... 12
 2.1.3. Abbaureaktionen .............................................................................................. 13
 2.1.4. Additive ............................................................................................................ 16
 2.2. Nanofüllstoffe .................................................................................................. 17
 2.2.1. Schichtsilikate ................................................................................................... 18
 2.2.2. Montmorillonite ................................................................................................. 20
 2.3. Nanokomposite ............................................................................................... 20
 2.3.1. Herstellung ....................................................................................................... 21
 2.4. Extrusion ......................................................................................................... 22
 2.4.1. Einschneckenextruder ...................................................................................... 22
 2.4.2. Doppelschneckenextruder ................................................................................ 23
 2.4.3. Ko-Kneter ......................................................................................................... 24
 2.5. Rheologie......................................................................................................... 25
 2.5.1. Viskosität .......................................................................................................... 26
 2.5.2. Speicher- und Verlustmodul ............................................................................. 27
 2.6. Rheometrie ...................................................................................................... 27
 2.6.1. Rotationsrheometer .......................................................................................... 28
 2.6.2. Amplitudentest .................................................................................................. 30
 2.6.3. Frequenztest .................................................................................................... 31
 2.6.4. Zeittest ............................................................................................................. 35
 2.7. Atomkraftmikroskopie .................................................................................... 35
 2.7.1. Messaufbau ...................................................................................................... 36
 2.7.2. Messmodi ......................................................................................................... 36
3. Experimentelles ............................................................................................ 38
 3.1. Rohmaterialien ................................................................................................ 38
 3.1.1. PVC-Blends ...................................................................................................... 38
 3.1.2. Schichtsilikat-Nanofüllstoffe .............................................................................. 38
 3.2. Verarbeitung der Materialien am Kneter ....................................................... 39
 3.2.1. Vorversuchsteil 1 .............................................................................................. 39
 3.2.2. Vorversuchsteil 2 .............................................................................................. 40

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3.3. Rheologische Charakterisierung ................................................................... 42
 3.3.1. Vorversuchsteil 1 .............................................................................................. 42
 3.3.2. Vorversuchsteil 2 .............................................................................................. 43
 3.4. Dehydrochlorierungstest ............................................................................... 44
 3.5. Charakterisierung mittels AFM ...................................................................... 45
 3.5.1. Probenvorbereitung mit Ultramikrotom ............................................................. 45
 3.5.2. AFM-Messungen .............................................................................................. 46
 3.6. Werkversuch ................................................................................................... 47
 3.6.1. Rezepturvorbereitung ....................................................................................... 47
 3.6.2. Extrusion .......................................................................................................... 48
 3.6.3. Profil-Ausprüfung .............................................................................................. 50
4. Ergebnisse und Diskussion ........................................................................ 51
 4.1. Vorversuchsteil 1 ............................................................................................ 51
 4.1.1. Verarbeitung ..................................................................................................... 51
 4.1.2. Rheologische Charakterisierung ....................................................................... 52
 4.1.3. Dehydrochlorierungstest ................................................................................... 56
 4.2. Vorversuchsteil 2 ............................................................................................ 57
 4.2.1. Verarbeitung ..................................................................................................... 57
 4.2.2. Rheologische Charakterisierung ....................................................................... 57
 4.2.3. AFM-Charakterisierung..................................................................................... 64
 4.3. Werkversuch ................................................................................................... 69
 4.3.1. Extrusion .......................................................................................................... 69
 4.3.2. Werksinterne Charakterisierung ....................................................................... 70
 4.3.3. Rheologische Überprüfung ............................................................................... 71
5. Zusammenfassung und Fazit ...................................................................... 74
6. Anhang .......................................................................................................... 77
 6.1. Literaturverzeichnis ........................................................................................ 77
 6.2. Abbildungsverzeichnis ................................................................................... 79
 6.3. Tabellenverzeichnis ........................................................................................ 81

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1. Ziele und Aufgabenstellung der Arbeit

Das primäre Ziel dieser Masterarbeit ist die Implementierung von Schichtsilikat-Nanofüllstoffen in
die Rezeptur von Fensterkunststoffen. Mithilfe der Zugabe eines Cloisite-Füllstoffs zu einem
industriell angewandten Polyvinylchlorid-Blend soll eine Verbesserung der mechanischen
Eigenschaften und der Dimensionsstabilität möglich gemacht werden. Dies ist für Fensterprofile
von großem Interesse, da speziell in Sachen Beständigkeit und Festigkeit ein hohes
Anforderungsniveau an den thermoplastischen Kunststoff besteht. Im Allgemeinen wird für
Schichtsilikat-Nanofüllstoffe enormes Potenzial als Polymer-Additiv in der Kunststoffverarbeitung
prognostiziert. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Nachfrage, diese nachhaltige
Möglichkeit der Polymer-Additivierung großtechnisch umzusetzen, steigen wird.
Zu Beginn der praktischen Arbeit sollen drei unterschiedliche Reinrezepturen grundcharakterisiert
und die Auswirkung der Zugabe von mehreren Nanofüllstoffen untersucht werden. Nach
rheologischer Überprüfung soll eine PVC-Rezeptur und das Schichtsilikat mit dem höchsten
Verbesserungspotenzial ausgewählt werden. Anschließend soll im zweiten Versuchsteil der
optimale Füllstoffgehalt und Wirkungsgrad des Nanofüllstoffs im PVC-Blend sowohl durch
rheologische Bestimmungen als auch per Atomkraftmikroskopie eingestellt werden.
Nach Auswahl einer optimalen Mischung sollen Versuche im Industriemaßstab inklusive der
Herstellung eines Testfensterprofils im Werk von Internorm International GmbH durchgeführt
werden. Über die großtechnische Eignung und Auswirkung der Zugabe des ausgewählten
Nanofüllstoffs zur PVC-Rezeptur sollen danach richtungsweisende Aussagen getroffen werden
können. Bereits durch die Literatur erwiesene mechanische und physikalische
Verstärkungseffekte bedingt durch Nanopartikel in Kunststoffen sollen durch diese Masterarbeit
bestätigt werden.
Die Durchführung des praktischen Arbeitsteils erfolgte aufbauend auf eine ehemalige Masterarbeit
am Institut für Polymerwissenschaften [1]. Hier konnte im Kleinstmaßstab bereits gezeigt werden,
dass sowohl eine komplikationslose Verarbeitung als auch eine rheologische Charakterisierung
von PVC-Schichtsilikat-Nanokompositen möglich sind.
Im Theorieteil dieser Masterarbeit werden die dazugehörigen Themengrundlagen der
Polymerverarbeitung und -charakterisierung erläutert. Der Schwerpunkt wurde hier auf die
rheologische Bestimmung und Analyse von Polymer-Nanokompositen gelegt. Die thermische und
chemische Beständigkeit von PVC und Schichtsilikat-Nanofüllstoffen spielen ebenso eine zentrale
Rolle.

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2. Theoretischer Hintergrund

 2.1. Polyvinylchlorid

2.1.1. Allgemeines

Polyvinylchlorid (PVC) ist ein thermoplastischer Kunststoff, welcher seine Hauptanwendung in der
Fenster- und Bauindustrie findet. Die chemische Struktur der Wiederholungseinheit ist in
Abbildung 1 dargestellt. Strukturell ist besonders die Anordnung des Chlor-Rests interessant.
Demnach sind verschiedene Taktizitäten des Polymers möglich. Isotaktisch, ataktisch und
syndiotaktisch sind die drei Möglichkeiten der Anordnung der Chlor-Reste innerhalb der
Polymerkette. Ataktisches PVC ist die am häufigsten vorkommende Variante dieses Polymers. In
diesem Fall sind alle Chlor-Reste räumlich in dieselbe Richtung angeordnet [2].

 Abbildung 1: Wiederholungseinheit von PVC.

Weltweit ist PVC das am zweitmeisten eingesetzte Polymer. Verdrängt wird es lediglich von
Polyethylen (PE). Besonders in Anwendungsbereichen, wie Verpackung, Elektronik, Transport
und Architektur, hat PVC das Nachsehen gegenüber PE. Am häufigsten findet PVC in
Nordostasien Verwendung. Gefolgt von den Gebieten Nordamerika und Westeuropa [2].
Ähnlich anderen Polymeren, entstehen auch bei PVC hochtoxische Abbauprodukte durch
Verbrennung. Chlorwasserstoffe, polychlorierte Dibenzofurane oder Dibenzodioxine sind
beispielsweise bekannte Vertreter und als besonders gesundheitsgefährdend einzustufen. PVC
weist als Rohmaterial grundsätzlich eine schlechte Brennbarkeit wegen des hohen Chloranteils
auf. Die Zugabe von diversen organischen Stabilisatoren oder Weichmachern, welche für
bestimmte Anforderungen des Kunststoffs essenziell sind, erhöhen das Brandrisiko jedoch
drastisch. Demnach gilt es mögliche Alternativen an PVC-Additiven zu finden. Diese sollten sich
nicht nur positiv auf die Materialeigenschaften auswirken, sondern auch für eine flammhemmende
und rauchreduzierende Wirkung bei möglichen Bränden sorgen [3].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 11/81
2.1.2. Herstellung

Die Entdeckung der Herstellung von PVC geschah durch Zufall erstmals 1872. Der deutsche
Chemiker Eugen Baumann konnte beobachten, wie aus dem Monomer Vinylchlorid durch
Sonnenlicht ein weißer Feststoff entstand. Das dabei zufällig hergestellte, neuartige Polymer
konnte auf bis zu 130 °C erhitzt werden und wies hohe Beständigkeit und Härte auf.
Großtechnisch kann PVC auf drei verschiedene Arten synthetisiert werden. Die am häufigsten
angewandte Technik stellt die radikalische Suspensionspolymerisation dar. Weiters erzielen auch
die Emulsions- und die Massepolymerisation brauchbare Ergebnisse [2].

2.1.2.1. Radikalische Suspensionspolymerisation
Entscheidend für einen derartigen Polymerisationstyp sind sogenannte Initiatoren. Organische
Peroxide werden hier am häufigsten verwendet und dienen in erster Linie dazu die Reaktion per
Radikalbildung zu starten. Andererseits haben sie auch die Aufgabe als Schutzkolloide und
Suspensionsmittel zu fungieren. Zum flüssigen Monomer Vinylchlorid, welches in Wasser
homogen vorliegt, erfolgt die Zugabe eines Initiators. Der dadurch entstehende kugelförmige
Feststoff wird durch Filtration oder Zentrifugieren vom flüssigen Medium abgetrennt, um zum
Endprodukt PVC zu gelangen. Dieser diskontinuierlich durchgeführte Herstellungstyp deckt über
dreiviertel der gesamten PVC Synthetisierung ab [4].

2.1.2.2. Emulsionspolymerisation
Mithilfe von Emulgatoren wird das flüssige Monomer Vinylchlorid in Wasser verteilt. Auch bei
diesem Herstellungstyp werden Initiatoren benötigt, um die Polymerisation zu starten. Hier werden
allerdings in der Regel wasserlösliche Peroxide, wie beispielsweise Kaliumpersulfat, verwendet.
Nach Zugabe von Emulgator und Initiator zum Monomer entstehen aus den Vinylchloridtropfen
durch Umwandlung fertige Polymerkörnchen. Die entstandene PVC-Dispersion wird anschließend
vom nichtumgesetzten Monomer getrennt. Die PVC-Synthetisierung per Emulsion kann sowohl
kontinuierlich als auch diskontinuierlich betrieben werden [4].

2.1.2.3. Massepolymerisation
Die zweistufige Massepolymerisation benötigt ebenso wie die radikalische
Suspensionspolymerisation organische Peroxide als Initiator. Der erste Herstellungsschritt wird in
einem gerührten Autoklav bis zu einem Reaktionsumsatz von zirka 10 Prozent durchgeführt. In
der zweiten Stufe wird in einem zusätzlichen Autoklav bis zu einem Umsatz von etwa 80 Prozent
gearbeitet. Hier wird das vom ersten Schritt übrige, flüssige Gemisch bestehend aus PVC und
Vinylchlorid mit Initiator und weiterem Monomer umgesetzt und in weiterer Folge polymerisiert.
Mithilfe von Unterdruck wird das fertige PVC vom Gemisch entfernt. Die Massepolymerisation
bringt den Vorteil von hoher Reinheit des Polymers [4].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 12/81
2.1.3. Abbaureaktionen

Ein großes industrielles Problem stellt die Lichtempfindlichkeit und die geringe thermische
Stabilität von PVC bei der Verarbeitung dar. Bei ungünstigen Verarbeitungsparametern kann es
nicht nur zu einer Verfärbung des Materials, sondern auch zu einer deutlichen Verschlechterung
der mechanischen und physikalischen Eigenschaften kommen. Quervernetzungen im Polymer
oder sogar Kettenbrüche können auftreten und bewirken in weiterer Folge eine Abänderung des
Molekulargewichts. Eine der häufigsten Abbaureaktionen ist die Dehydrochlorierung, welche
autokatalytisch abläuft und speziell durch Licht oder Wärme ausgelöst werden kann [2].
Mehrere bedeutende Reaktionen, die einen Abbau des PVC auslösen, sind dabei bekannt. In den
folgenden Unterkapiteln sind diese beschrieben.

2.1.3.1. Dehydrochlorierung
Definiert wird eine Dehydrochlorierung als sogenannte Eliminierungsreaktion. Ein
Kettenmechanismus, ausgelöst von hohen Temperaturen oder Lichteinwirkung bewirkt eine
Abspaltung von Chlorwasserstoff. Begünstigt durch die Anwesenheit von Sauerstoff oder einer
basischen Substanz können sich im PVC durch die Abspaltung eines Chlor- und eines
Wasserstoffatoms mehrere Polyen-Sequenzen bilden. Abbildung 2 zeigt das Reaktionsschema
eines derartigen chemischen Abbaus [2].

 Abbildung 2: Dehydrochlorierung von PVC durch erhöhte Temperatur [2].

2.1.3.2. Photoabbau
Die Abbaureaktion des PVC wird hierbei durch das nahe UV-Licht ausgelöst und äußert sich in
Bindungsbrüchen. Sowohl mechanische als auch physikalische Eigenschaften leiden darunter.
Photoabbau bewirkt nicht nur eine Verfärbung des Polymers, sondern auch eine Veränderung des
Molekulargewichts aufgrund von Quervernetzungen oder Kettenbrüchen. In sauerstoffreicher
oder feuchter Umgebung kann die Einwirkung der UV-Strahlung sogar zu Peroxidierung führen
[2].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 13/81
2.1.3.3. Photo-oxidativer Abbau
Ähnlich dem Photoabbau wird auch hier der Kunststoff durch UV-Licht angegriffen und
Bindungsbrüche innerhalb des Polymers sind die Folge. Auf UV-Strahlung zwischen
253 und 310 nm reagiert PVC besonders empfindlich. Absorbiert der Kunststoff UV-Strahlung in
diesem Wellenlängenbereich kommt es zur Bildung von freien Radikalen aufgrund von
angeregten Photonen. Sauerstoffeinfluss kann anschließend zum Entstehen von Hydroperoxiden
führen, welche eine erhöhte Brüchigkeit des PVC verursachen [2].

2.1.3.4. Chemischer Abbau
Die erhöhte Empfindlichkeit des PVC auf äußere Bedingungen, wie Feuchtigkeit oder Temperatur,
kann zu strukturellen Schädigungen im Polymer führen. Besonders Sonneneinstrahlung hat einen
negativen Effekt auf den Kunststoff. Hier kommt es im Laufe der Zeit zu einer kontinuierlichen
Verschlechterung der mechanischen und physikalischen Eigenschaften. Wird PVC für
Außenanwendungen mit hohen Anforderungen bezüglich Witterungsbeständigkeit eingesetzt,
bedarf es Beschichtungen oder Modifizierungen des Materials [2].

2.1.3.5. Thermischer Abbau
Thermische Belastungen können in Polyvinylverbindungen zu Zersetzungsreaktionen in der
Polymerkette führen. Bezeichnet wird ein derartiges Verhalten als Seitengruppen-Eliminierung.
Bei PVC ist eine Abspaltung von Chlorwasserstoff die Folge, welcher in der Regel ab einer
Temperatur von 150 °C einsetzt. Die Bindung zwischen Kohlenstoffkette und Chlor-Atom als
sogenannte Seitengruppe wird aufgrund von thermischer Einwirkung eliminiert und in weiterer
Folge entstehen Polyen-Sequenzen. Derartige Spezies sind höchst reaktiv und verursachen
diverse Folgereaktionen. Die Bildung von aromatischen Verbindungen beziehungsweise
Zyklisierungen oder Vernetzungen mit anderen Ketten sind Beispiele von ungewünschten
Nebenreaktionen ausgelöst durch thermischen Abbau. Bei thermischen Bedingungen von etwa
300 °C kann von vollständiger Chlorwasserstoff-Abspaltung im PVC ausgegangen werden. In
Temperaturbereichen ab 350 °C kommt es im Kunststoff nicht nur zur Abbaureaktion, sondern
auch zu einer Zersetzung des Kohlenstoffgerüsts. Eine durch thermische Bedingungen
ausgelöste Dehydrochlorierung, bei der Polyen-Sequenzen entstehen, wird als
Zipper-Eliminierung definiert. In Abbildung 3 ist dieser PVC-Abbau schematisch dargestellt.
Optisch resultiert eine derartige Reaktion in einer Verfärbung des Materials. Begünstigt wird eine
Seitengruppen-Eliminierung durch Fehlstellen im Polymer, welche durch unzureichende
Polymerisation entstanden sein können [3].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 14/81
Abbildung 3: Zipper-Eliminierung als Beispiel für thermischen PVC-Abbau [3].

2.1.3.6. Thermo-oxidativer Abbau
Ein thermo-oxidativer PVC-Abbau erfolgt weniger häufig als ein rein thermischer
Zersetzungsprozess und ist lediglich unter Anwesenheit von Sauerstoff möglich. Zusätzliche
Reaktionen, wie beispielsweise eine Oxidation der Polyen-Sequenzen oder Kettenspaltungen
können auftreten und sind charakteristisch für einen derartigen Abbau. Sauerstoff-Atmosphäre
kann eine Bildung von Peroxy-Radikalen bewirken, welche in weiterer Folge radikalische
Kettenreaktionen auslösen können. In Abbildung 4 sind sowohl die Bildung von
Peroxy-Radikalen, als auch die Folgereaktion der Radikale schematisch dargestellt [3].

 Abbildung 4: PVC-Abbau verursacht durch thermo-oxidative Bedingungen [3].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 15/81
Eine Besonderheit der Sauerstoff-Anwesenheit ist der „Bleicheffekt“. Unter inerten Bedingungen
färbt sich PVC rasch gelb bis braun, während das Material unter Einfluss von Sauerstoff
vergleichsweise lange optisch ungefärbt und hell bleibt. Verantwortlich dafür ist die radikalische
Oxidation der Polyen-Sequenzen, welche eine Verkürzung bewirkt [3].

2.1.4. Additive

2.1.4.1. Weichmacher
Physikalische und mechanische Eigenschaften von Kunststoffen können mit der Zugabe von
Weichmachern erheblich verbessert werden. In PVC-Blends sind Weichmacher meist ein fixer
Bestandteil, um je nach Anforderung für optimale Elastizität und Viskosität zu sorgen. Derartige
Zusatzstoffe werden als dipolare Flüssigkeiten definiert. Durch eine Einlagerung zwischen die
Polymerketten erhöhen sie die Gleitfähigkeit und bewirken in weiterer Folge eine Auflockerung im
Kunststoff [5].
Zu einer externen Weichmachung von PVC werden vor allem Phthalsäureester eingesetzt. Die
bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind Di-Isononyl-Phthalat (DINP) und das in Abbildung 5
dargestellte Di-2-Ethylhexyl-Phthalat (DEHP). Weitere Beispiele sind Phosphorsäureester oder
Adipinsäureester, welche aber vergleichsweise eine geringere wirtschaftliche Bedeutung als die
Phthalatweichmacher aufweisen. Wichtiger als die Auswahl des geeigneten Additivs zur
Weichmachung ist die Zugabemenge. Je höher die Konzentration, desto weicher und flexibler der
Kunststoff. Ideale und bekannte Weichmacherkonzentrationen liegen bei etwa 20 Mol-% [6].

 Abbildung 5: Chemische Struktur des Weichmachers DEHP.

Externe Weichmacher können mittels Verdampfung oder bei Kontakt mit Flüssigkeiten oder Fetten
wieder aus dem Material entweichen. Dies kann zu unerwünschten Gefährdungen der Gesundheit
führen. Speziell DEHP wird verdächtigt eine fruchtbarkeitsschädigende und krebserregende
Wirkung aufzuweisen und ist deshalb seit 2015 in Europa nur noch mit spezifischer Zulassung
erlaubt [7].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 16/81
2.1.4.2. Stabilisatoren
Um mögliche Abbaureaktionen im PVC-Material stoppen oder zumindest verzögern zu können ist
der Einsatz von Stabilisatoren unumgänglich. Für ein breites und vielfältiges Einsatzgebiet von
PVC sind sowohl Licht-, als auch Thermostabilisatoren notwendig. Besonders bei der komplexen
Verarbeitung muss der Kunststoff vor Zersetzung, die bereits ab etwa 100 °C eintreten kann,
geschützt werden. Ebenso ist es das Ziel mithilfe derartiger Additive einen Schutz gegen
Chlorwasserstoffabspaltung und optische Materialverfärbung gewährleisten zu können. Gängige
und meistens eingesetzte Beispiele in PVC-Rezepturen sind Calcium-Zink-, Organozinn- und
Blei-Barium-Zink-Stabilisatoren. Cadmiumhaltige Additive finden in Europa seit 2001 keinen
Einsatz mehr. Weiters herrscht auch ein Bestreben bleibasierte Stabilisatoren durch
umweltfreundlichere Varianten zu ersetzen. Unterstützung bekommen Stabilisatoren oftmals von
Costabilisatoren. Diese haben die gezielte Aufgabe für eine Inertisierung defekter Stellen zu
sorgen oder spezifische Abbaureaktionen zu hemmen. Beispiele für Costabilisatoren sind
Epoxyverbindungen, Organo-Phosphite, Polyole oder ähnliche organische Substanzen [6].

2.1.4.3. Füllstoffe
PVC wird häufig mit Füllstoffen verstärkt, um in erster Linie für eine Erhöhung des
Mischungsvolumen zu sorgen. Im Allgemeinen werden Füllstoffe als feste, anorganische,
zerkleinerte, teilchenförmige Stoffe mit unterschiedlicher Korngröße definiert. Calciumcarbonat ist
im Falle von PVC der am meisten verwendete Füllstoff und wird häufig in der Form von Kreide
eingesetzt. Ungewünschte Verarbeitungseffekte bei der Extrusion sollen mithilfe von derartigen
Füllstoffen verhindert werden. Mengenmäßig werden beispielsweise bei PVC-Rohren bis zu
30 Teile und bei Fensterprofilen bis zu 10 Teile Calciumcarbonat hinzugefügt [6].

 2.2. Nanofüllstoffe

Nanofüllstoffe besitzen laut Definition eine Größe von unter 100 Nanometer und zeichnen sich
durch große spezifische Oberfläche, sowie durch starke Interaktionskraft mit Polymeren aus.
Bereits geringe Zusatzmengen zeigen erhebliche Effekte und haben Einfluss auf die
Materialeigenschaften. Entscheidendes Kriterium für Nanofüllstoffe ist das Verhältnis von Länge
zu Durchmesser, welches als Aspekt-Verhältnis bezeichnet wird. Form und Größe von
Nanofüllstoffen sind einzigartig und besonders charakteristisch. Kugelförmige Teilchen sind die
gängigste Form der Nanofüllstoffe, wobei auch die Existenz von Nadel-, Kristall-, Plättchen- und
Röhrchenform nachgewiesen ist [8].

28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 17/81
2.2.1. Schichtsilikate

Schichtsilikate sind die häufigsten verwendeten zweidimensionalen Füllstoffe in Nanokompositen.
Chemisch betrachtet werden Schichtsilikate als schichtförmige Polysilikate eingeordnet. Derartige
Füllstoffe sind hydrophil und bewegen sich in einer Größenordnung mit einem
Teilchendurchmesser von etwa 20 Nanometer und einer Schichtdicke von etwa 1 Nanometer.
Unterschieden werden diese Nanofüllstoffe anhand der in den Schichten eingelagerten Kationen.
Die allgemeine Kategorisierung erfolgt in zwei Gruppen: Magnesium- und Aluminiumsilikaten.
Bekannte Beispiele sind Minerale wie Kaolinit für ein Aluminiumsilikat und Serpentin, welches zur
Gruppe der Magnesiumsilikate zählt [9].

2.2.1.1. Struktur von Schichtsilikaten
Abbildung 6 zeigt die Tetraeder-Oktaeder-Tetraeder-Struktur (TOT-Struktur) von Schichtsilikaten.
Die einzelnen Schichten werden dabei mithilfe der eingelagerten Kationen verbunden
beziehungsweise zusammengehalten. Es handelt sich dabei um sogenannte Austauschkationen,
wie zum Beispiel Natrium, Lithium, Cäsium oder Rubidium [10].
Eine charakteristische Größe für Schichtsilikate ist die Kationenaustauschkapazität, welche je
nach Ionenart variiert. Angegeben wird damit welche Menge an Wassermoleküle in die
Zwischenschichten des Silikats eingelagert werden kann. Im Falle eines Natrium-Ions kann eine
Vielzahl an Wassermolekülen aufgenommen werden. Nach Definition besitzt die
Kationenaustauschkapazität die Einheit Milliäquivalente pro 100 Gramm Schichtsilikat. Die
einzelnen Schichten können für diverse Anwendungen organisch modifiziert werden. Die Kationen
werden dazu durch positiv geladene Tenside, wie beispielsweise quaternäre Ammoniumsalze,
ersetzt. Dies hat den Effekt, dass eine Umwandlung von hydrophil auf organophil stattfindet. Die
somit entstandenen oberflächenmodifizierten, organophilen Schichtsilikate sind besonders für den
Einsatz in der Kunststoffbranche vorteilhaft [11].

 Abbildung 6: TOT-Struktur eines Phyllosilikats [12].

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2.2.1.2. Abbau von Schichtsilikaten
Organisch modifizierte Schichtsilikate, beispielsweise basierend auf Ammoniumverbindungen,
reagieren sehr empfindlich auf gewisse Bedingungen und sind teils instabil in diversen
Verarbeitungsprozessen. Zwei Mechanismen einer Abbaureaktion eines Schichtsilikats mit
organischer Modifizierung sind bekannt, wobei die Hofmann-Eliminierung die häufigste darstellt.
Abbildung 7 zeigt eine grafische Darstellung eines derartigen Reaktionsschemas. Die
Eliminierung verläuft dabei über einen Mechanismus mit zwei Schritten. Zu Beginn wird ein
Wasserstoffatom von einem Hydroxid-Ion abstrahiert. In weiterer Folge kommt es zur Bildung
einer Doppelbindung am β-Kohlenstoff des quaternären Ammoniumsalzes. Der Abbau eines
Schichtsilikats durch Hofmann-Eliminierung führt demnach zu einem Olefin und zu einem tertiären
Amin [13].

 Abbildung 7: Abbau eines organisch modifizierten Schichtsilikats per Hofmann-Eliminierung [13].

Die zweite Möglichkeit für den Zerfall eines mit Ammoniumsalz modifizierten Schichtsilikats ist die
in Abbildung 8 dargestellte nukleophile Substitution. Im Allgemeinen ist diese Abbaureaktion
genau ein reversibler Vorgang der Synthese eines derartigen Schichtsilikats. Ein negativ
geladenes Chlorid-Ion abstrahiert hier eine Seitengruppe des quaternären Ammoniumsalzes und
es folgt wiederum eine Bildung eines tertiären Amins. Die Nukleophile Substitution wird durch die
Art der Seitengruppe der Ammoniumverbindung beeinflusst. Sterisch wenig gehinderte
Methylgruppen sind eher ungünstig für einen Abbau. Elektrophile und sterisch gehinderte
Benzyl-Reste begünstigen hingegen eine derartige Zersetzung [13].

 Abbildung 8: Abbaureaktion des Ammoniumsalzes durch nukleophile Substitution [13].

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2.2.2. Montmorillonite

Montmorillonite sind sehr häufig verwendete Phyllosilikate zur Erzeugung von Nanokompositen.
Gewonnen wird reiner Montmorillonit durch Aufarbeitung von natürlich vorkommenden Silikaten
wie Bentonit. Dieses Material besitzt beispielsweise einen Gehalt von etwa 80 % reinem
Montmorillonit. In der Natur findet man großteils Calcium-Montmorrillonite. Ein Vorkommen dieses
Nanofüllstoffs ist aber auch in Verbindung mit anderen Kationen, wie beispielsweise Natrium
möglich. Vertrieben werden derartige Materialien in Pulverform, um zusätzliche mechanische
Aufbereitungsschritte zur Zerkleinerung zu vermeiden. Der Farbton der Montmorillonite ist
abhängig von der Art der Kationen im Phyllosilikat [14].

 2.3. Nanokomposite

Als Komposite werden im Allgemeinen kombinierte Werkstoffe bezeichnet, die aus zwei oder
mehreren unmischbaren Stoffen bestehen. Durch die Vermischung entstehen verbesserte
Eigenschaften im Vergleich zu den jeweiligen Reinstoffen. Als Grundstruktur besitzen Komposite
einen Matrix-Werkstoff, wobei dies meist ein Polymer ist. Die Herstellung eines Komposits
funktioniert jedoch auch mit anderen Matrix-Materialien. Physikalische Eigenschaften, wie
thermische oder elektrische Leitfähigkeit und Energieabsorption, aber auch mechanische
Parameter wie Festigkeiten oder Steifigkeiten können durch die Zugabe verschiedenster Additive
beeinflusst werden [15].
Der Terminus Nanokomposit leitet sich davon ab, dass als Additive Nanofüllstoffe, wie
beispielsweise Schichtsilikate verwendet und zur Polymermatrix zugegeben werden. Kategorisiert
werden Nanokomposite aufgrund unterschiedlicher Herstellung und Struktur. Besonders
strukturell gibt es Unterschiede, da eine Vielzahl an Schichtsilikaten und Polymer-Matrizen
eingesetzt werden können. Die Interaktion und Vermischung der beiden Komponenten variieren
dabei auch. Kann sich das Polymer im Herstellungsprozess nicht in die Schichten des Füllstoffs
einlagern, spricht man lediglich von der Ausbildung eines zweiphasigen Mikrokomposits. Die
Verbesserung der Materialeigenschaften bleibt in diesem Fall zum größten Teil aus. Für die
Entstehung von Nanokompositen sind zwei Abläufe bekannt. Können eine oder mehrere
Polymerketten in die Zwischenräume des Nanofüllstoffs migrieren, wird dies als
zwischengelagertes Nanokomposit definiert. Eine vorteilhafte Morphologie ist die Folge, da
Füllstoff und Polymermatrix abwechselnd im Material vorliegen. Der Idealfall wird als exfoliertes
beziehungsweise abgeblättertes Nanokomposit bezeichnet. Hier liegen Schichten des
Nanofüllstoffs vollständig und homogen verteilt in der Polymermatrix vor. Besonders hohe
Dimensionsstabilität ist durch diese Anordnung gegeben [16].

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Die drei verschiedenen Ausbildungstypen eines Nanokomposits sind in Abbildung 9 grafisch
dargestellt und zusammengefasst.

 Abbildung 9: Bildung von Nanokompositen aus Polymer und Schichtsilikat [16].

2.3.1. Herstellung

Die Herstellung von Nanokompositen aus Polymer und Schichtsilikat kann auf vier verschiedene
Arten erfolgen.

2.3.1.1. Schmelzinterkalation
Bei dieser Technik werden die Polymermatrix und das Schichtsilikat vermischt und gemeinsam
aufgeschmolzen. Sind die einzelnen Schichten des Füllstoffs mit dem verwendeten Polymer
kompatibel, findet eine Verbindung der beiden Komponenten statt. Die Polymermatrix kann sich
in den Zwischenschichten des Silikats einlagern und es entsteht ein zwischengelagertes
Nanokomposit. Durch Verarbeitungsoptimierung ist sogar die Bildung eines exfolierten
Nanokomposits möglich. Eine Schmelzinterkalation erfolgt zur Gänze lösungsmittelfrei [16].

2.3.1.2. Exfolierung und Adsorption
Mithilfe eines Lösungsmittels wird hier das Schichtsilikat in einzelne Schichten transformiert.
Aufgrund schwacher Kräfte innerhalb des Füllstoffs ist eine Dispergierung in adäquaten flüssigen
Medien rasch möglich. Das anschließend zugegebene Polymer muss im verwendeten
Lösungsmittel ebenso löslich sein und kann in den freien Schichten problemlos adsorbieren. Nach
Verdampfung des Lösungsmittels oder Ausfällung des gewünschten Produkts, erfolgt eine
Rückordnung des Füllstoffs. Dies bewirkt den Einschluss des Polymers in das Schichtsilikat und
es kann im Optimalfall von der Bildung eines Mehrschichtpolymers gesprochen werden.
Besonders bei Emulsionspolymerisationen wird diese Technik angewandt [16].

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2.3.1.3. In-situ Polymerisation
Bei diesem Herstellungsprozess wird das Schichtsilikat zum Monomer zugegeben. In flüssigem
Medium wird der Füllstoff aufgequollen und es erfolgt ein Aufbau des Polymers in den
Zwischenschichten. Die Initiierung einer derartigen Polymerisation erfolgt durch Strahlung oder
Hitze. Ein Start ist auch mittels Katalysatoren oder organischen Initiatoren möglich [16].

2.3.1.4. Vorlagensynthese
Gemeinsam mit dem Polymer werden bei dieser Herstellung die Schichtsilikate in wässriger
Lösung in-situ synthetisiert. Das bekannteste Beispiel ist die Synthese von hydroxid-basierenden
Zweischichtnanokompositen. Für mehrschichtige Komposite wird diese Technik eher wenig
verwendet [16].

 2.4. Extrusion

Extrusion bedeutet eine kontinuierliche Aufschmelzung und Verarbeitung von Kunststoffen.
Anhand von unterschiedlichen Düsen am Ende eines Extruders können verschiedene
Materialgeometrien erhalten werden. Vor Abkühlung des Kunststoffs besteht die Möglichkeit
Halbzeuge, wie Platten, Folien, Rohre oder sonstige Profile herzustellen. Ein durchschnittlicher
Extruder kann bis zu 1000 kg Produkt pro Stunde schaffen. Die zwei relevantesten Extrudertypen
zur Polymerverarbeitung sind der Einschnecken- und der Doppelschneckenextruder [17].

2.4.1. Einschneckenextruder

Einschneckenextruder können beinahe für alle Kunststoffe zur Verarbeitung eingesetzt werden.
In Abbildung 10 ist der Aufbau eines derartigen Extruders schematisch dargestellt.

 Abbildung 10: Aufbau eines Einschneckenextruders [17].

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Der Durchmesser des Zylinders liegt in einem Bereich von 20 bis 400 mm, wobei hier die
Granulatgröße des Materials grenzbestimmend ist. Zu Beginn der Extrusion wird der
Maschinentrichter mit rieselfähigem Kunststoffgranulat und diversen Additiven befüllt. Mithilfe der
Schwerkraft gelangen die Rohstoffe in den Verarbeitungsbereich, wo Prozesse, wie
Aufschmelzung und Homogenisierung stattfinden. Das dadurch entstehende Extrusionsprodukt
aus Kunststoff ist meist hochviskos und steht auch aufgrund des Fließwiderstands unter einem
Druck von bis zu 500 bar. Zur Förderung des Materials gegen sämtliche Widerstände benutzt ein
derartiger Extruder eine sogenannte Förder- und Plastifizierungsschnecke. Die Maschine wird mit
einem Elektromotor betrieben und es können Drehzahlen von 50 bis 500 Umdrehungen pro
Minute erreicht werden. Der Zylinder des Extruders besitzt elektrische Heizbänder, welche
unterschiedliche Temperaturen in den Zylinderabschnitten ermöglichen [17].

2.4.2. Doppelschneckenextruder

Zur Verarbeitung von thermoplastischen Kunststoffen werden oftmals Doppelschneckenextruder
eingesetzt. Genauer betrachtet, wird von kämmenden gegenläufigen Zweischneckenmaschinen
gesprochen, welche besonders zur Extrusion pulverförmiger und thermisch empfindlicher
Materialien eingesetzt werden. Diese Technik ist industriell gesehen der Kunststoffverarbeitung
mit Granulat auf Einschneckenextrudern überlegen. Neben reibungsfreiem Einzugsverhalten des
Pulvers und guter Homogenisierung besticht ein gegenläufiger Doppelschneckenextruder auch
durch schonende Plastifizierung. Weitere positive Effekte sind eine enge Verweilzeitverteilung und
gutes Druckaufbauvermögen [17].
Neben einer gegen- existiert auch eine gleichläufige Betriebsweise. Abbildung 11 stellt den
Unterschied der beiden Geometrien grafisch dar. Eine kämmende Schneckenanordnung
bedeutet, dass die Stege und Gänge der beiden Schnecken ineinandergreifen [18].

 Abbildung 11: Geometrien von gegeneinander- und gleichläufigen Doppelschneckenextrudern [18].

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2.4.3. Ko-Kneter
Ein Ko-Kneter stellt eine Sonderform eines kontinuierlich arbeitenden Einwellenextruders dar und
findet Einsatz bei der Aufbereitung von temperatur- und scherempfindlichen Kunststoffen. Speziell
für thermoplastische oder hochviskose Kunststoffe, wie beispielsweise PVC, besticht diese
schonende Verarbeitungsform durch erhöhte Mischeffizienz und liefert erhebliche Vorteile
hinsichtlich Produktqualität. Eine enge Schergeschwindigkeitsverteilung und das Vermeiden eines
rasanten Temperaturanstiegs während der Verarbeitung garantieren verringerte
Materialschädigungen. Zusätzlich können derartige Knetprozesse aufgrund der
baugrößenunabhängigen Schergeschwindigkeit schnell und sicher auf unterschiedliche
Maschinengrößen adaptiert werden. Die Einzigartigkeit dieser Knettechnologie besteht darin,
dass die Schneckenwelle zugleich eine rotierende und axial oszillierende Hubbewegung
durchführt. Ein vollständiger Hubzyklus pro Verarbeitungsumdrehung, der sich vor und zurück
bewegt, ist die Folge. Nachteilige Effekte, wie eingeschränkte Vermischung oder eine verbreiterte
Verteilung der Schergeschwindigkeit, welche oftmals bei gewöhnlichen Extrudern auftreten,
können dadurch vermieden werden. In Abbildung 12 wird die besondere Arbeitsweise eines
Ko-Kneters schematisch dargestellt [19].

 Abbildung 12: Rotierende und oszillierende Arbeitsweise der Schneckenwelle eines Ko-Kneters [19].

 Abbildung 13: Materialgeometrie mit Knetflügel und Knetbolzen eines Ko-Kneters [19].

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Auf der Schneckenwelle eines Ko-Kneters befinden sich charakteristische Knetflügel, welche mit
feststehenden Knetbolzen im Gehäuse zusammenarbeiten. Daraus resultiert ein über den
gesamten Bereich konstanter Scherspalt, der sich proportional zum Schneckendurchmesser
verhält. Die benötigte Scherung, die zur Aufschmelzung und Dispergierung des Materials
notwendig ist, entsteht durch die einzigartige Knetflügelgeometrie in diesem Spalt. Abbildung 13
stellt das Ineinandergreifen von Flügel und Bolzen und den dadurch entstehenden Scherspalt
eines Ko-Kneters schematisch dar. Die Kunststoffaufbereitung mittels dieser Technik wurde
erstmals 1945 patentiert, wobei Heinz List und das Schweizer Unternehmen Buss AG als Erfinder
gelten. Demnach wird im Fachjargon meist von sogenannten Buss-Ko-Knetern gesprochen [19].

 2.5. Rheologie

Die Rheologie ist ein Teilgebiet der Physik und ist auch unter dem Terminus Fließkunde bekannt.
Der Name stammt ursprünglich aus dem Altgriechischen, wobei „rhei“ mit „fließen“ übersetzt
werden kann. Im Allgemeinen umfasst die Rheologie die Lehre des Fließ- und
Verformungsverhaltens von Materialien. Beispielsweise kann das Fließverhalten von
Flüssigkeiten, aber auch die Deformation von Festkörpern beschrieben werden. Das angestrebte
Modell in der Rheologie ist sowohl ideale Viskosität als auch ideale Elastizität. Demnach werden
Materialien, die sich bei Belastung ident deformieren, als idealelastisch definiert [20, 21].

Stahl ist bei geringer Krafteinwirkung dem idealelastischen Verhalten sehr nahe. Als idealviskose
Flüssigkeiten kategorisiert man hingegen Stoffe mit konstantem Fließwiderstand. Beispiele hierfür
sind Silikonöle oder Wasser. In der Praxis besitzen Polymerwerkstoffe allerdings sowohl
elastische als auch viskose Eigenschaften. Es kann daher nur in den seltensten Fällen von einem
idealen Verhalten eines Kunststoffs gesprochen werden. Rheologische Parameter können von
externen Faktoren erheblich beeinflusst werden. Demnach können Größen wie Zeit, Temperatur,
Geschwindigkeit, Druck und Stärke der auftretenden Belastung die viskoelastischen
Eigenschaften eines Werkstoffs immens verändern [21].

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2.5.1. Viskosität

Der Fließwiderstand, der aufgrund innerer Reibung zwischen den Molekülen eines Fluids bei
bestimmter Scherspannung entsteht, wird als Viskosität definiert. Eine Erklärung der Parameter
des Fließverhaltens liefert das sogenannte Zwei-Platten Modell, welches in Abbildung 14 grafisch
veranschaulicht wird. Ein Fluid ist zwischen zwei parallelen Platten in konstantem Abstand h
lokalisiert. Die untere Platte ist fixiert, während sich die obere Platte mit einer bestimmten
Geschwindigkeit v fortbewegt. Zwischen den Platten entsteht demnach eine laminare
Schichtströmung mit linearem Geschwindigkeitsprofil und Voraussetzung der Wandhaftung [21].

 Abbildung 14: Zwei-Platten-Model zur Veranschaulichung von Fließwiderstand und Viskosität [21].

Die Kraft F, die auf die obere Platte wirkt, liefert mit der Fläche A die Schubspannung , die auf
das Fluid wirkt:
 
 =
 
Anhand der Scherrate ̇ kann das Geschwindigkeitsgefälle definiert werden:
 
 ̇ =
 ℎ

Die Schubspannung und die Scherrate hängen über die dynamische Scherviskosität 
zusammen. Diese wird auch oft nur als Viskosität bezeichnet. Folgender Zusammenhang ist auch
als Newtonsches Gesetz bekannt:
 = ⋅ ̇

Findet man für die Viskosität einen konstanten Wert vor, besteht ein linearer Zusammenhang
zwischen den beiden Größen. In diesem Fall wird von einem Newtonschen Fluid gesprochen.
Neben der dynamischen Scherviskosität existiert auch die kinematische Viskosität . Die beiden
Größen hängen über die Dichte zusammen:
 
 =
 
28. Mai 2021 Philipp Aigner, BSc. 26/81
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