Vielfalt im Sportunterricht - Eine Untersuchung des finnischen Kerncurriculums zum Thema Diversität

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Vielfalt im Sportunterricht - Eine Untersuchung des finnischen Kerncurriculums zum Thema Diversität
Hauptbeitrag

Ger J Exerc Sport Res                        Christopher Mihajlovic
https://doi.org/10.1007/s12662-021-00743-5   Institut für Sportwissenschaft, Zentrum für Lehrer*innenbildung, Sportpädagogik/-didaktik &
Eingegangen: 9. Februar 2021                 Sportgeschichte, Universität Wien, Wien, Österreich
Angenommen: 22. Juli 2021

© Der/die Autor(en) 2021
                                             Vielfalt im Sportunterricht
                                             Eine Untersuchung des finnischen
                                             Kerncurriculums zum Thema Diversität

In der Sportpädagogik hat die Diskus-        sität verwendet werden, da er im Ver-                tensiv erforscht worden sind (Rischke,
sion um Inklusion in den vergangenen         gleich zum Inklusionsbegriff weniger dif-             Heim, & Gröben, 2017; Hutzler et al.,
Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen,        fus und normativ aufgeladen ist (Rühle,              2019; Reuker et al., 2016; Tant & Wa-
was sich an der Vielfalt von Veröffentli-     2015). Im Kontext des inklusiven Sport-              telain, 2016). Die inklusionsbezogenen
chungen zu diesem Thema zeigt. Im Zuge       unterrichts ist diversitätssensibles Unter-          Einstellungen der Lehrkräfte werden da-
des Inklusionsdiskurses ist auch der Di-     richten besonders relevant, wobei sich               bei recht häufig durch bestimmte Aspek-
versitätsbegriff wieder vermehrt in den       die methodisch-didaktischen Entschei-                te, wie die Wahrnehmung der eigenen
Fokus der wissenschaftlichen Diskussion      dungen stets an den individuellen Vor-               Unterrichtskompetenz (u. a. Tripp & Riz-
geraten. Häufig werden die Begriffe auf-       aussetzungen der jeweiligen Lerngrup-                zo, 2006), private und berufliche Vorer-
grund ihrer inhaltlichen Überschneidun-      pe orientieren sollten (Tiemann, 2015,               fahrungen (Rischke et al., 2017; Hutz-
gen und ihrer ähnlichen Entstehungsge-       2016).                                               ler et al., 2019), die Art und Schwere
schichte als Synonym aufgefasst (Alle-                                                            der Beeinträchtigung der Schüler*innen
mann-Ghionda, 2013). Der größte Un-          Diversität und Inklusion im                          (Meegan & MacPhail, 2006; Obrusniko-
terschied liegt dabei in der fachlichen      Kontext sportpädagogischer                           va, 2008), die inhaltliche Ausrichtung des
Verortung (Keuchel, 2016; Georgi, 2015):     Forschung                                            Curriculums (Haycock & Smith, 2010;
Während der Begriff Diversität eher dem                                                            Smith & Green, 2004) und institutionel-
kultursoziologischen Diskurs zuzuord-        Nach zögerlichem Start der Sportpädago-              le bzw. schulorganisatorische Bedingun-
nen ist und sich historisch betrachtet auf   gik in den Inklusionsdiskurs wird eine               gen des Unterrichts (Braksiek, Rischke,
Ethnien bzw. die soziale Herkunft be-        grundsätzliche Anerkennung und Wert-                 Gröben, & Heim, 2018) beeinflusst. Eine
zieht, ist der Begriff Inklusion eher dem     schätzung von Diversität im Sinne der                wertschätzende und anerkennende Hal-
pädagogischen Diskus zuzuordnen mit          UN-Behindertenrechtskonvention (UN-                  tung gegenüber Diversität kann insge-
einer Fokussierung auf Menschen mit Be-      BRK; UN, 2006)mittlerweile auchfürden                samt als Grundvoraussetzung betrachtet
hinderung. Auch wenn keine einheitliche      Schulsport eingefordert (Block, Giese, &             werden, damit inklusiver Sportunterricht
Definition des Begriffs vorliegt, besteht      Ruin, 2017). Die bisherigen empirischen              gelingen kann (Tiemann, 2016).
ein breiter Konsens im globalen Inklusi-     Erkenntnisse zeigen allerdings auf, dass                 Insgesamt ist der deutschsprachige
onsdiskurs darin, dass Inklusion als Men-    der Sportunterricht als ein besonders her-           Diskurs um Inklusion und Sport im Ver-
schenrecht betrachtet wird, welches sich     ausforderndes Fach im Kontext inklusi-               gleich zu den internationalen Ansätzen
nicht allein auf Menschen mit Behinde-       ver Schulsettings betrachtet wird (Giese,            mehr an generelle Fragen geknüpft, die
rungen beschränkt, sondern grundsätz-        Greisbach, Meier, Neusser, & Wetekam,                sich beispielsweise auf schulstrukturelle
lich alle Diversitätsdimensionen umfasst     2021; Ruin, Giese, & Haegele, 2021). Zu-             Aspekte und mögliche Ziele und Inhalte
(Köpfer, Powell, & Zahnd, 2021; Katzen-      dem wird aufgrund der segregierenden                 eines (inklusiven) Sportunterrichts be-
bach, 2015; Hinz, 2008). Die Gegenüber-      Tradition des Schulsystems in Deutsch-               ziehen (Block et al., 2017). Außerdem
stellung dieser beiden zentralen Begrif-     land „heftiger als in anderen europäi-               stehen grundlegende Aspekte wie Leis-
fe ist für diesen Beitrag von Bedeutung,     schen Ländern darüber gestritten, wie                tung bzw. Leistungsbewertung (Meier,
da beide Ansätze Vielfalt grundsätzlich      die UN-BRK auszulegen ist“ (Ahrbeck,                 Haut, & Ruin, 2016; Jordan, 2017), Kör-
als wertvolle Ressource betrachten und       Badar, Kauffman, Felder, & Schneiders,                perlichkeit (Giese & Ruin, 2018) oder
die Individualität des Menschen in den       2018, S. 219).                                       auch bildungstheoretische Hintergründe
Mittelpunktrücken(Keuchel, 2016). Auf-           Eine zentrale Rolle im Inklusionsdis-            (Giese, 2015) in der deutschsprachigen
grund der bereits erwähnten inhaltlichen     kurs spielen die Einstellungen und Hal-              Fachdiskussion im Fokus.
Überschneidungen und aus forschungs-         tungen der (angehenden) Sportlehrkräf-                   Bei dieser gesellschaftlichen und bil-
pragmatischen Gründen soll im Rahmen         te, die sowohl im nationalen als auch                dungspolitischen Relevanz des Inklu-
dieses Beitrags primär der Begriff Diver-     im internationalen Kontext besonders in-             sionsdiskurses sei anzunehmen, dass

                                                                                                 German Journal of Exercise and Sport Research
Hauptbeitrag

die Diversitätsthematik auch in aktuel-          Lehrplananalyse konnte aufzeigen, dass      Vorgehens dieser Studie liegt der Fo-
len Sportlehrplänen Berücksichtigung             die kompetenzorientierten Lehrpläne in      kus dann auf der Untersuchung der
findet. Die Analyse der Sportlehrpläne            Finnland kaum mit normierten Leis-          Thematisierung von Diversität in den
ausgewählter Bundesländer von Ruin               tungserwartungen und einer Orientie-        aktuell gültigen Sportlehrplänen des
and Giese (2018) zeigt auf, dass die             rung an normativen (Bewegungs-)Fer-         finnischen Kerncurriculums. Ein beson-
Vielfalt der Lernenden auf curricularer          tigkeiten einhergehen (Mihajlovic, 2019).   deres Forschungsinteresse liegt dabei in
Ebene zwar grundsätzlich akzeptiert, al-         Dieser exemplarische Blick auf das The-     der Fragestellung, welche verbindlichen
lerdings auf der Inhaltsebene nicht weiter       ma Leistung zeigt bereits eine andere       Vorgaben Lehrkräften im Fach Sport
konkretisiert wird. In diesem Kontext            Perspektive auf den Umgang mit Di-          als Orientierungsrahmen im Umgang
muss jedoch relativierend darauf hinge-          versität: Das finnische Kerncurriculum       mit Diversität in der schulischen Praxis
wiesen werden, dass sich die erwähnten           geht grundsätzlich von einer heteroge-      dienen.
Studienergebnisse ausschließlich auf die         nen Schülerschaft aus, während sich die
Lehrpläne der traditionell eher diversi-         curricularen Vorgaben in Deutschland        Finnland als Fallbeispiel
tätskritischen Gymnasien beziehen und            aufgrund des dreigliedrigen Schulsys-
vermutlich nicht in gleichem Maße                tems an eine relativ homogene Schü-         In struktureller Hinsicht bietet das finni-
auf die Lehrpläne anderer Schulformen            lerschaft richten (Giese & Ruin, 2018).     sche Bildungssystem günstige Vorausset-
zutreffen. Zudem zeigt die mit dem                Eine thematische Auseinandersetzung         zungen für einen produktiven Umgang
theoretischen Konzept des „Ableism“              mit den curricularen Rahmenbedingun-        mit Diversität. Die PISA-Studien zeigen,
verbundene Perspektive auf Sportlehr-            gen anderer Länder erscheint insofern       dass es Finnland als einem der weni-
pläne, dass viele curriculare Vorgaben           lohnenswert, da jedes Land eine eige-       gen Länder gelingt, den Einfluss der so-
natürlich erscheinende Fähigkeitserwar-          ne kulturelle Identität und ein eigenes     zialen und kulturellen Herkunft auf die
tungen in Bezug auf einen „fitten und             Wertesystem besitzt, welches sich auch      Bildungschancen gering zu halten. Dies
gesunden Körper“ (Giese & Ruin, 2018;            in den Lehrplänen widerspiegeln sollte      ist auf verschiedene Einflussfaktoren, wie
Ruin & Meier, 2017) oder die Reflexi-             (Vitikka, Krokfors, & Hurmerinta, 2012;     beispielsweise die kostenlose vorschuli-
onsfähigkeit aller Lernenden (Giese &            Englund & Quennerstedt, 2008).              sche Bildung und das sonderpädagogi-
Buchner, 2019) unhinterfragt voraus-                 Ein Blick auf den aktuellen For-        schen Fördersystem als Bestandteil der
setzen, obwohl diese Ansprüche nicht             schungsstand zeigt, dass die bildungs-      allgemeinbildenden Schulen zurückzu-
von allen Lernenden erfüllt werden kön-          politischen Rahmenbedingungen des           führen (Kansanen & Meri, 2006).
nen. Das Spannungsfeld von normierten            finnischen Schulsystems aus der Per-             Obwohl in Finnland genderspezifi-
Leistungserwartungen und einer hetero-           spektive der Sportpädagogik bisher          sche Aspekte (Berg & Lahelma, 2010;
genitätssensiblen Unterrichtsgestaltung          noch kaum untersucht worden sind.           Kavoura & Kokkonen, 2020) und inter-
wird auch im internationalen Inklusi-            Die Zugänge in den bisherigen Pub-          kulturelle Fragen (u. a. Anttila, Siljamäki,
onsdiskurs diskutiert (Haycock & Smith,          likationen beziehen sich insbesondere       & Rowe, 2018) im Kontext der inklusi-
2010; Obrusnikova & Schoo, 2017) und             auf den US-amerikanischen und den           ven Schulsportforschung zentral disku-
soll im Rahmen der vorliegenden Un-              britischen Raum (Block et al., 2017). Die   tierte Themen sind, bestimmt die Katego-
tersuchung zu einem späteren Zeitpunkt           internationalen Fachdiskurse im Kon-        rie „sonderpädagogischer Förderbedarf “
vertiefend berücksichtigt werden (siehe          text von „adapted physical education“       in Finnland weitgehend den Inklusions-
Ergebnisvorstellung und Diskussion).             (APE) gehen mit einem reichhaltigen         diskurs und das Verständnis inklusiver
   Obwohl normierte Bewertungsmaß-               Erfahrungsschatz zum inklusiven Sport-      Beschulung (Malinen, Väisänen, & Savo-
stäbe im Sportunterricht noch weit ver-          unterricht einher, in denen spezifische      lainen, 2012). Dies zeigt sich auch in der
breitet sind, ergeben sich in der schuli-        didaktische (Unterrichts-)Konzepte und      Vielzahl von Veröffentlichungen zu die-
schen Praxis Spielräume bei der Leis-            APE-Ausbildungsgänge für Lehrkräfte         ser Diversitätsdimension im Kontext von
tungsbewertung, die auf der subjekti-            eine besondere Rolle spielen (Dillon,       Inklusion und besonders in Bezug auf das
ven Einschätzung der erbrachten Leis-            Giese, & Teigland, 2017; Mihajlovic,        sonderpädagogische Fördersystem, wel-
tung durch die Lehrkräfte beruhen (Hay-          2017). Forschungslücken bestehen vor        ches in mehreren finnischen Fachbeiträ-
cock & Smith, 2010) und sich an indivi-          allem in curricularen und schulorgani-      gen als einer der Hauptgründe für den
dualisierenden Formen der Leistungsbe-           satorischen Aspekten der gemeinsamen        Erfolg des finnischenSchulsystems inden
wertung orientieren (Jordan, 2017; Feth,         Beschulung und im Bereich der (inklusi-     PISA-Studien angeführt wird (Hausstät-
2018). Wie empirische Studien aufzei-            ven) Lehrkräfteausbildung (Block et al.,    ter & Takala, 2011; Kivirauma & Ruoho,
gen konnten, handeln die Lehrkräfte so-          2017; Köpfer et al., 2021). An dieser       2007). Das integrierte dreistufige Förder-
mit häufig im Widerspruch zu den auf              Forschungslücke anknüpfend werden in        system ist seit der Reform im Jahre 2011
curricularer Ebene verankerten Bewer-            diesem Beitrag zunächst die Besonder-       ein Kernelement im finnischen Schulsys-
tungskriterien (Haycock & Smith, 2010).          heiten des finnischen Bildungssystems        tem (Mero & Meri, 2017). Die Förder-
   Diese Problematik scheint dagegen in          und bereits vorliegende Lehrplananaly-      maßnahmen werden je Förderstufe in-
Finnland auf bildungspolitischer Ebene           sen zum Umgang mit Diversität skizziert.    tensiver und kontinuierlicher. Die ers-
keine große Rolle zu spielen: Eine erste         Nach der Vorstellung des methodischen       ten beiden Förderstufen („general sup-

 German Journal of Exercise and Sport Research
Zusammenfassung · Abstract

port“ und „intensified support“) stellen        Ger J Exerc Sport Res https://doi.org/10.1007/s12662-021-00743-5
eine sehr flexible Form der schulischen         © Der/die Autor(en) 2021
Förderung dar und richten sich grund-
sätzlich an alle Schüler*innen. Diagnosti-     C. Mihajlovic
sche (Test-)Verfahren finden erst ab der        Vielfalt im Sportunterricht. Eine Untersuchung des finnischen
dritten Förderstufe („special support“)        Kerncurriculums zum Thema Diversität
Anwendung. Es geht bei der Förderung
grundsätzlich darum, zu erreichen, dass        Zusammenfassung
möglichst alle Kinder und Jugendlichen         Der Inklusionsdiskurs bestimmt derzeit              Vorgaben den soziokulturellen Kontext
                                               nicht nur in Deutschland, sondern auch in           sowie die spezifischen pädagogischen
mit entsprechenden allgemeinen Förder-
                                               vielen anderen Ländern die schulische und           und fachdidaktischen Traditionen für den
maßnahmen den Bildungsstandards des            fachdidaktische Diskussion. Die internatio-         deutschsprachigen sportpädagogischen
nationalen Lehrplans folgen können und         nalen Ansätze im Kontext des inklusiven             Diskurs erschließen können. Die Analyse zeigt
gemeinsam beschult werden. Statistisch         Sportunterrichts wurden bisher allerdings           auf, dass die Wertschätzung von Diversität
gesehen liegt der Inklusionsanteil von         nur ansatzweise im deutschsprachigen                auch für den Schulsport eingefordert
                                               Raum erschlossen. Dieser Beitrag nimmt              wird, allerdings bleibt an vielen Stellen
Kindern und Jugendlichen mit beson-
                                               an dieser Forschungslücke anknüpfend                offen, wie der konkrete Umgang mit den
derem Förderbedarf („special support“)         das finnische Schulsystem in den Blick und           untersuchten Diversitätsdimensionen auf der
in allgemeinen Schulen in Finnland bei         analysiert, welche Rolle das Thema Diversität       Unterrichtsebene erfolgen kann. Der Beitrag
fast 90 % (Official Statistics of Finland,       im aktuell gültigen Kerncurriculum für das          plädiert für die Notwendigkeit weiterer
OSF, 2016), während der durchschnittli-        Fach Sport spielt. Dabei liegt der Fokus            Forschungsvorhaben, die eine internationale
                                               auf den Diversitätsdimensionen „Gender“,            Perspektive auf den Inklusionsdiskurs legen
che Anteil in Deutschland bei der letzten
                                               „Interkulturalität“ und „sonderpädagogischer        und länderspezifische Rahmenbedingungen
Erhebung bei lediglich 43,1 % liegt (Hol-      Förderbedarf“. Die Einnahme der finnischen           vermehrt berücksichtigen.
lenbach-Biele & Klemm, 2020).                  Perspektive erscheint insofern lohnend, da
   Inklusive Beschulung wird allerdings        Finnland bereits über einen reichhaltigen           Schlüsselwörter
zunächst als räumliche Integration ver-        Erfahrungsschatz in der inklusiven Beschu-          Inklusion · Finnland · Gender · Interkulturalität ·
                                               lung verfügt und die Analyse der curricularen       Sonderpädagogischer Förderbedarf
standen, indem Lernende mit beson-
derem Förderbedarf einer bestimmten
Klasse in einer allgemeinbildenden Schu-
le zugewiesen werden (Mero & Meri,
                                               Responding to diversity in physical education. An analysis of the
2017). Dies heißtallerdings nichtzwangs-
                                               Finnish national curriculum
läufig, dass der Unterricht ausschließlich      Abstract
gemeinsam im Klassenverband erfolgt.           The discourses of inclusion are currently           analysis of the curricular guidelines could
In der Regel nehmen Kinder und Ju-             dominating the educational and subject-             help to contribute to the research gap
gendliche mit sonderpädagogischem              specific discussion in Germany and many              in the subject-didactic traditions of the
                                               other countries. However, international             German-speaking scientific community.
Förderbedarf sowohl am gemeinsamen
                                               perspectives and research activities are            The analysis shows that diversity issues
Unterricht als auch an Fördermaßnah-           hardly visible in the context of inclusive          are addressed intensively in the general
men in separaten Fördergruppen teil            physical education in German-speaking               guidelines of the curriculum, however, little
(Finnish National Board of Education,          countries. Therefore, this article draws            information is provided in the PE curricula
FNBE, 2016; OSF, 2016; Mero & Meri,            attention to the Finnish school system and          that informs and structures (inclusive)
                                               analyses to what extent diversity issues are        teaching on a practical level. Further research
2017). Außerdem haben sich in Finn-
                                               addressed in the current national curriculum        is needed to systematically examine current
land in der schulischen Praxis besondere       of physical education (PE). The analysis of the     inclusive approaches from an international
Strukturen des Umgangs mit geschlechts-        documents focuses on how the PE curriculum          or comparative perspective taking country-
spezifischen Unterschieden etabliert. So        is responding to student diversity in general,      specific conditions into account to establish
werden Jungen und Mädchen in der Re-           and specifically, considers three dimensions         a stronger link to international discourses.
                                               of diversity: Gender, interculturality, and
gel ab der Sekundarstufe I geschlechtlich
                                               special educational needs. Taking the Finnish       Keywords
getrennt unterrichtet, wobei die Jungen        perspective into account seems promising            Inclusion · Finland · Gender · Interculturality ·
von einer männlichen Lehrkraft und die         because Finland has created educational             Special educational needs
Mädchen von einer weiblichen Lehrkraft         structures that prevent exclusion, and the
unterrichtet werden (Berg & Lahelma,
2010; Yli-Piipari, 2014).
   Ein Blick auf das finnische Kerncurri-
culum erscheint für den deutschsprachi-      richt verfügt (Graham & Jahnukainen,                 Beschulung von Menschen mit Behin-
gen Diskurs insofern gewinnbringend, da      2011), der auch die deutsche sportpäd-               derungen von Interesse, wie der in Finn-
Finnland über einen Wissens- und Erfah-      agogische Diskussion bereichern könn-                land verbindliche „Individual Education
rungsvorsprung bezüglich des gemeinsa-       te. Für den deutschsprachigen Diskurs                Plan“ (IEP), der dazu beiträgt, dass der
men Lernens von Schüler*innen mit und        sind in diesem Kontext auch schulorga-               (Sport-)Unterricht den individuellen Fä-
ohne Behinderungen im (Sport-)Unter-         nisatorische Aspekte zur gemeinsamen

                                                                                                 German Journal of Exercise and Sport Research
Hauptbeitrag

higkeiten und Bedürfnissen aller Schü-           mäki, 2019). Dabei spiegeln sich die ge-     Diversität. Dabei kommt sie – basierend
ler*innen gerecht wird.                          sellschafts- und bildungspolitischen Ent-    auf zwei Fallstudien in Deutschland und
    Die gesellschaftlichen und bildungs-         scheidungen in den allgemein formulier-      Finnland – zu dem Ergebnis, dass die
politischen Rahmenbedingungen un-                ten Bildungs- und Erziehungszielen so-       Bildungsstrukturen in Finnland den Um-
terscheiden sich in Finnland allerdings          wie den fachspezifischen Unterrichtszie-      gang mit Diversität besonders begüns-
grundlegend von denen in Deutschland:            len- und Inhalten wider. Diese curricula-    tigen, was sich insbesondere hinsicht-
Neben dem Aufbau des Schulsystems                ren Vorgaben werden in den schulinter-       lich der Diversitätsaspekte Geschlecht,
gilt dies besonders für die Bevölkerungs-        nen Lehrplänen auf lokaler Ebene wei-        kulturelle Identität und sprachlicher
struktur sowie die spezifischen Theorie-          ter konkretisiert, wobei die (Sport-)Lehr-   Hintergrund zeigt.
konzepte und Forschungstraditionen               kräfte in Finnland traditionell eine wich-       Bereits vorliegende Lehrplananalysen
(Vitikka et al., 2012; Kansanen & Meri,          tige Rolle in der Entwicklung und Imple-     zur konzeptionellen Ausrichtung des
2006). Angenommen wird, dass sich                mentierung der schulspezifischen Lehr-        finnischen Sportunterrichts beziehen
diese landesspezifischen Rahmenbedin-             pläne einnehmen (Richter, 2004; Yli-Pii-     sich in erster Linie auf das Curricu-
gungen auch in der Thematisierung von            pari, 2014). Aus der Perspektive der Lehr-   lum aus dem Jahr 2004 (Yli-Piipari,
Diversität in den aktuellen curricularen         kräfte dienen die curricularen Vorgaben      2014; Heikinaro-Johansson & Telama,
Vorgaben widerspiegeln. Andererseits             in Finnland als verbindliche und hand-       2005; Richter, 2004). Richter (2004) ge-
muss auch die mögliche Übertragbarkeit           lungsleitende Richtlinien für die schu-      hört zu den wenigen deutschsprachigen
der finnischen Ansätze auf die spezifi-            lische Praxis und zur Legitimation ih-       Autor*innen, die sich mit den strukturel-
sche Situation in Deutschland überprüft          res professionellen Handelns (Yli-Piipari,   len und curricularen Bedingungen des
werden und die Frage gestellt werden,            2014; Mihajlovic, 2019).                     Sportunterrichts in Finnland auseinan-
ob (trotz dieser unterschiedlichen Vor-              Auch wenn die curricularen Vorga-        dergesetzt hat. Im Einklang mit anderen
aussetzungen) auch Gemeinsamkeiten               ben für die Lehrkräfte in der Praxis         Beiträgen (Klemola, 1987; Heikinaro-
auf der konzeptionellen und theoreti-            nicht immer eine handlungsleitende           Johansson & Telama, 2005; Yli-Piipari,
schen Ebene zwischen beiden Ländern              Funktion besitzen, so erscheint eine         2014) betont sie die lange Tradition der
bestehen.                                        Analyse der finnischen Lehrpläne für          gesundheitsorientierten Ausrichtung des
                                                 den deutschsprachigen Diskurs dennoch        finnischen Sportunterrichts.
Merkmale und Funktionen von                      gewinnbringend, da Lehrplandokumen-              Außerdem hat sich auf fachspezi-
Lehrplänen                                       te Einblicke in die fachdidaktischen         fischer Ebene ein Wandel hinsichtlich
                                                 Traditionen und bildungspolitischen          der konzeptionellen Ausrichtung des
Während fachdidaktische Konzepte le-             Rahmenbedingungen bieten können. In          Sportunterrichts vollzogen (Mihajlovic,
diglich einen empfehlenden Charak-               der Regel orientieren sich Sportlehrplä-     2019). Die Ziele und Inhalte des Sport-
ter für die Unterrichtspraxis haben,             ne an den aktuellen pädagogischen und        unterrichts sind in den vergangenen
geben Lehrplandokumente verbindli-               fachdidaktischen Diskursen (Prohl &          Jahrzehnten stets durch den gesellschaft-
che Richtlinien für die Gestaltung des           Krick, 2006), haben jedoch als Ausdruck      lichen Aspekt der Gesundheit und der
(Sport-)Unterrichts vor (Stibbe, 2016;           bildungspolitischer Vorgaben auch eine       körperlichen Fitness legitimiert wor-
Ennis, 2013). Allerdings zeigen empiri-          legitimierende Funktion (Ruin, 2016;         den (Heikinaro-Johansson & Telama,
sche Studien aus Deutschland auf, dass           Stibbe, 2016). Sportlehrpläne entstehen      2005). Frühere Lehrplananalysen haben
Lehrpläne nur bedingt handlungsleitend           somit in einem Spannungsverhältnis           allerdings auch aufgezeigt, dass dem
für Lehrkräfte sind: So werden Lehrplä-          zwischen Bildungspolitik und Fachpäd-        finnischen Sportunterricht ein Lernver-
ne von Sportlehrkräften zwar für ihre            agogik bzw. Fachdidaktik (Ruin, 2016),       ständnis zu Grunde liegt, welches Lernen
berufliche Praxis als notwendig erachtet,         welches auch in den finnischen Sport-         als einen ganzheitlichen Prozess auffasst
jedoch werden die Vorgaben von den               lehrplänen deutlich wird (Hakala &           und auch Fragen der Persönlichkeitsent-
Lehrkräften häufig sehr unterschiedlich           Kujala, 2015; Mihajlovic, 2019).             wicklung berücksichtigt (Richter, 2004;
interpretiert und umgesetzt (Krüger &                                                         Yli-Piipari, 2014). Im aktuellen finni-
Wahl, 2018; Stibbe, 2016). Lehrpläne             Lehrplananalysen zur konzeptio-              schen Kerncurriculum rücken im Sinne
stellen oft Unterrichtsideale dar, die so-       nellen Ausrichtung des finnischen             eines mehrperspektivischen Unterrichts
wohl von soziokulturellen Faktoren und           Sportunterrichts und zum Umgang              neben den fachbezogenen Inhaltsbe-
Traditionen sowie den Ideologien der             mit Diversität                               reichen (motorische, soziale und psy-
jeweiligen Akteurinnen und Akteuren                                                           chologische Funktionsfähigkeit) auch
geprägt sind, die in der Lehrplanent-            Zum Umgang mit Diversität auf bil-           überfachliche Kompetenzbereiche in
wicklung involviert sind (Krüger &               dungspolitischerEbene liegteine deutsch-     den Vordergrund (FNBE, 2016). Das
Wahl, 2018).                                     sprachige Studie vor: Rühle (2015) un-       Prinzip der Mehrperspektivität gilt auf-
   In Finnland wurde das aktuelle Kern-          tersuchte im Rahmen einer vergleichen-       grund der thematischen Offenheit im
curriculum in einem 2,5-jährigen Ent-            den Untersuchung zwischen Finnland           sportpädagogischen Diskurs als eine ge-
wicklungsprozess von über 30 beteilig-           und Deutschland die intendierten Bil-        winnbringende Herangehensweise für
ten Arbeitsgruppen entwickelt (Lähde-            dungsziele und -inhalte im Kontext von       die Gestaltung inklusiven Unterrichts

 German Journal of Exercise and Sport Research
Das finnische Kerncurriculum (Klassenstufen 1-9)

          Allgemeingülge                             Fachspezifische Vorgaben (z.B.
         Rahmenrichtlinien                                  Sportunterricht)

                         Schulorganisatorische
      Grundwerte und
                                  und
       überfachliche                                Klassen 1-2         Klassen 3-6          Klassen 7-9
                          unterrichtsbezogene
       Bildungsziele
                               Richtlinien                                                                       Abb. 1 9 Aufbau des fin-
                                                                                                                 nischen Kerncurriculums.
                                                                                                                 (eigene Darstellung)

(Ruin & Meier, 2016). Eine Vorgabe               analysierende Dokument zunächst einer         von besonderer Relevanz sind (Ruin &
bestimmter pädagogischer Perspekti-              Quellenkritik unterzogen und anschlie-        Stibbe, 2018).
ven (z. B. Leistung, Wagnis), wie sie            ßend systematisch hinsichtlich thema-            Während die beiden Kategorien „Gen-
sich im deutschen Sprachraum durch-              tischer Zusammenhänge charakterisiert         der“ und „Interkulturalität“ analog zur
gesetzt haben, sind in den finnischen             (. Abb. 1). Das finnische Kerncurricu-         Untersuchung von Ruin und Giese (2018)
Lehrplänen in dieser Form jedoch nicht           lum für die Primarstufe und der Sekun-        die Aspekte Geschlecht und sexuelle Ori-
zu finden. Bezogen auf die konzeptio-             darstufe I (Klassenstufen 1–9) unterteilt     entierung bzw. Nationalität und Werte-
nelle Ausrichtung des Sportunterrichts           sich in einen allgemeinen und einen           orientierung/Weltanschauung umfassen,
sind im finnischen Kerncurriculum je-             fachspezifischen Teil. Das Dokument lag        nimmt die Kategorie „sonderpädago-
doch durchaus Ähnlichkeiten zu den               in englischer Sprache vor und umfasst         gischer Förderbedarf “ Schüler*innen
aktuellen fachdidaktischen Empfehlun-            in digitaler Form insgesamt 752 Sei-          der Förderstufe „special support“ in
gen und curricularen Entwicklungen in            ten. Zur Analyse hinzugezogen wurden          den Blick. In der Regel verfügen diese
Deutschland zu erkennen. An diesem               der allgemeingültige Teil (im Umfang          Kinder und Jugendlichen über einen
Verständnis anknüpfend, greifen die ak-          von 172 Seiten) und die fachspezifi-           besonders hohen Unterstützungsbedarf,
tuellen finnischen Sportlehrpläne auch            schen Vorgaben für den Sportunterricht        der mit dem diagnostizierten sonder-
den in der deutschsprachigen Sportpäd-           der Klassen 1–2, 3–6 und 7–9. Zudem           pädagogischen Förderbedarf (bzw. dem
agogik formulierten Doppelauftrag des            wurde zum umfassenden Verständnis             Begriff der Behinderung) im deutschen
erziehenden Sportunterrichts als über-           der bildungspolitischen Rahmenbedin-          Sprachraum vergleichbar ist (Kultusmi-
greifendes Ziel des Sportunterrichts auf         gungen auch auf Lehrplananalysen der          nisterkonferenz, KMK, 2011).
(FNBE, 2016, S. 260). Das Konzept des            vorherigen Version des nationalen Kern-
„Erziehenden Sportunterricht“ hat sich           curriculums (aus dem Jahr 2004), gültige      Datenanalyse
im deutschsprachigen Raum auf fachdi-            Schulgesetze sowie auf Fachliteratur zu
daktischer Ebene etabliert und ist auch in       dieser Thematik zurückgegriffen.               Als methodischer Zugang zur Doku-
den Lehrplänen vieler (Bundes-)Länder                Um den Aspekt der Diversität im           mentenanalyse wurde die „strukturie-
(Deutschland, Luxemburg, Schweiz und             Rahmen dieser Dokumentenanalyse be-           rende Inhaltsanalyse“ (Mayring, 2010)
Österreich) die aktuell gültige pädago-          rücksichtigen zu können, bietet sich eine     gewählt. Das Dokument wurde mit Hilfe
gische Grundlegung für den Schulsport            Systematisierung, Konkretisierung und         eines Leitfadens codiert und zunächst
(Poweleit, 2021).                                Priorisierung der verschiedenen Diver-        mit deduktiver Kategorienanwendung
                                                 sitätsdimensionen an (Trautmann & Wi-         ausgewertet.
Methodisches Vorgehen                            scher, 2011). Nach Anwendung dieser               Ausgehend vom theoretisch abgelei-
                                                 Schritte auf die vorliegende Untersu-         teten Kategoriensystem, wurde für die je-
Aufbau der Untersuchung                          chung wurden verschiedene Kategorien          weiligen Hauptkategorien festgelegt, wel-
                                                 festgelegt (Ruin & Giese, 2018; Rulofs,       che Textbestandteile unter die einzelnen
Zur Analyse der Thematisierung von               2014): Als Analysekategorien dienten          Kategorien fallen. Anschließend wurden
Diversität im aktuellen finnischen Kern-          neben der Kategorie „Diversität“ in           mit Hilfe konkreter Textstellen Ankerbei-
curriculum wurde das Dokument an-                einem umfassenden Sinne (. Tab. 1)            spiele für die entsprechenden Kategorien
knüpfend an das methodische Vorgehen             die drei Kerndimensionen Gender, In-          identifiziert sowie Codierregeln formu-
von Ruin und Giese (2018) anhand                 terkulturalität und sonderpädagogischer       liert, die eine eindeutige Zuordnung zu
deduktiv gebildeter Analysekategorien            Förderbedarf (Ruin & Giese, 2018). Die-       den Kategorien ermöglichte (Mayring,
qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet.        se drei Diversitätsdimensionen wurden         2010).
Im Sinne einer qualitativen Dokumen-             gewählt, da sie im Inklusionsdiskurs              Konkret bestand die Analyse des
tenanalyse (Glaser, 2013) wurde das                                                            Curriculums aus zwei Schritten, die sich

                                                                                             German Journal of Exercise and Sport Research
Hauptbeitrag

Tab. 1 Deduktive Analysekategorien. (Adaptiert nach Ruin & Giese, 2018)                          Schulische Bildung wird in diesem Kon-
Analysekategorie             Umfasst ebenfalls die Begriffe . . .                                 text als ein Grundrecht für alle betrach-
Diversität                   Heterogenität, Inklusion, Vielfalt                                  tet, was explizit Kinder und Jugendliche
Gender                       Geschlecht, sexuelle Orientierung                                   mit besonderen Bedürfnissen einschließt
Interkulturalität               Soziokulturelle und sprachliche Vielfalt                         (Kansanen & Meri, 2006). Dies impliziert
                                Religion/Weltanschauung                                          anknüpfend an das Verständnis der UN-
Sonderpädagogischer Förder-     Behinderung                                                      BRK den gleichberechtigten Zugang zu
bedarf                          Schüler*innen der Förderstufe „special support“ (Schüler*innen   einem hochwertigen Unterricht in der
                                mit besonderem Förderbedarf)                                     allgemeinen Schule für alle Lernenden
                                                                                                 (FNBE, 2016, S. 22). Im Einklang mit dem
                                                                                                 von der UNESCO (2009) formulierten
auf eine deduktiv-induktive Mischform            terials auftauchten. Somit entstanden           Anspruch, geht es auf schulischer Ebene
der Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2014) be-          im Laufe des Analyseprozesses für jede          auch darum, diese menschenrechtlichen
ziehen: Der erste Analysevorgang setzte          Hauptkategorie zwei induktiv gebildete          Grundwerte zu vermitteln und zu ver-
zunächst bei den Thematisierungsfor-             Unterkategorien, die zwei Thematisie-           teidigen: „Basic education educates the
men von Diversität in den allgemeinen            rungsformen von Diversität (und den             pupils to know, respect and defend hu-
Richtlinien des Curriculums und den              untersuchten Einzeldimensionen) um-             man rights“ (FNBE, 2016, S. 31). Ex-
fachspezifischen Vorgaben in den Sport-           fassen: das Thema Diversität im Kontext         klusion wird in diesem Kontext als eine
lehrplänen an. Das Dokument lag in               allgemeiner Bildungsziele und Grund-            Verletzung des Grundrechts jedes Men-
elektronischer Form vor und wurde zu-            werte sowie der pädagogische Umgang             schen auf Bildung betrachtet. Dies wird
nächst in einem ersten Analyseschritt            mit Diversität in der schulischen Praxis.       im Rahmencurriculum als eine Bedro-
mit Hilfe der deduktiven Oberkatego-             Nachdem bei den weiteren Material-              hung der individuellen Entwicklung des
rien (sowie den inhaltlich verwandten            durchgängen keine neuen Aspekte mehr            Kindes verstanden:
Schlüsselbegriffen) analysiert, um das            auftauchten, erfolgte der endgültige Ma-
                                                                                                 Exclusion from learning means that a child’s
explizite Vorkommen der Begriffe quan-            terialdurchgang mit Hilfe des Kategori-
                                                                                                 educational rights are not implemented
titativ zu erfassen. Insgesamt wurden            ensystems. Die Ergebnisse der Analyse
                                                                                                 and is a threat to his or her healthy growth
365 Textsegmente identifiziert, die dem           werden im Folgenden vorgestellt.
                                                                                                 and development. (FNBE, 2016, S. 25)
Begriff Diversität im weiteren Sinne zu-
geordnet werden konnten. Dabei wurden            Ergebnisse                                      Anknüpfend an das Verständnis von Me-
die meisten Treffer im Zusammenhang                                                               ro and Meri (2017), gilt das Grundprin-
mit der pädagogischen Grundlegung                Diversität                                      zip, dass alle Menschen das Recht haben,
sowie der inklusiven Werteorientierung                                                           so lange gleichermaßen gebildet zu wer-
im allgemeinen Teil des Curriculums              Diversität in den allgemeinen                   den wie möglich. In den Richtlinien zur
ausfindig gemacht. Im zweiten Schritt             Richtlinien des Curriculums                     Entwicklung einer inklusiven Schulkul-
wurden die identifizierten Textstellen auf        Auf curricularer Ebene ist das Prinzip          tur (FNBE, 2016, S. 49 ff.) wird dabei der
qualitativ-inhaltlicher Ebene untersucht.        der inklusiven Bildung als Menschen-            Aspekt der Wertschätzung von Indivi-
Die Analyse setzte hierbei schrittweise          recht verankert (FNBE, 2016). Dieses            dualität hervorgehoben:
auf der Satz- und Absatzebene an, wo-            lässt sich vor allem auf die Ratifizierung
                                                                                                 A learning community promotes equity
bei die jeweiligen Sätze bzw. inhaltlich         der UN-BRK zurückführen, mit einem
                                                                                                 and equality. Members of the community
zusammenhängenden Absätze den fest-              Recht auf lebenslange Bildung und glei-
                                                                                                 are encountered and treated as equals,
gelegten Oberkategorien des Kategorien-          che Teilhabechancen für Menschen mit
                                                                                                 independently of any personal charac-
systems zugeordnet wurden. Die Analyse           Behinderung in einem inklusiven Bil-
                                                                                                 teristics. Equality does not mean that
der spezifischen Diversitätsdimensionen           dungssystem. Das nationale Curriculum
                                                                                                 everyone is the same. Equal treatment
(„sonderpädagogischer Förderbedarf “,            nimmt bei der Umsetzung einer inklu-
                                                                                                 comprises both safeguarding everybody’s
„Gender“ und „Interkulturalität“) er-            siven Bildung explizit die Schulen in
                                                                                                 fundamental rights and opportunities for
folgte dann analog zum ersten Teil der           Verantwortung:
                                                                                                 participation and addressing individual
Dokumentenanalyse ebenfalls mit Hil-
                                                 The development of basic education is           needs. (FNBE, 2016, S. 49)
fe der deduktiv gebildeten Kategorien.
                                                 guided by the inclusion principle. The ac-
Im Laufe des Analyseprozesses wurden                                                             Insgesamt wird auf curricularer Ebene
                                                 cessibility of education must be ensured.
die Kategorien und der Kodierleitfaden                                                           eine grundsätzliche Wertschätzung der
                                                 Each school providing basic education has
im Sinne einer „formativen Reliabi-                                                              Diversität der Lernenden deutlich. Im
                                                 an educational task. This means suppor-
litätsprüfung“ (Mayring, 2010, S. 59)                                                            Vergleich zu den früheren Lehrplänen
                                                 ting the pupils’ learning, development and
überarbeitet. Dabei wurden die Codier-                                                           (FNBE, 2004; Rühle, 2015) wird das
                                                 well-being in cooperation with the homes.
regeln und Ankerbeispiele neu definiert                                                           Thema Diversität in den allgemeinen
                                                 (FNBE, 2016, S. 31)
bzw. überarbeitet, wenn neue inhaltliche                                                         Vorgaben des aktuellen Kerncurricu-
Aspekte bei der Analyse des Datenma-                                                             lums deutlich prominenter ausgewiesen

 German Journal of Exercise and Sport Research
und in vielfacher Weise adressiert. Dies       besonderen Bedürfnissen der Kinder            die Lernenden ihre Geschlechtsidentität
zeigt sich an vielen Stellen des Kern-         und Jugendlichen orientieren sollten. So      und Sexualität im Laufe ihrer Schullauf-
curriculums in der ausdrücklichen Hin-         heißt es exemplarisch in den Lehrplänen:      bahn entwickeln. Das Schulumfeld hat
wendung zum Individuum. So werden                                                            die Aufgabe, die Gleichstellung der Ge-
                                               Taking the individual characteristics of
auch Lernende mit besonderen Bedürf-                                                         schlechter zu fördern und die Kinder
                                               pupils into account, having a safe learn-
nissen als vollwertige Mitglieder der                                                        und Jugendlichen bei der Bildung ih-
                                               ing environment, and a clear organisation
Schulgemeinschaft verstanden, wobei                                                          rer Geschlechtsidentität zu unterstützen
                                               and teaching communication are essential
Individualität grundsätzlich als Berei-                                                      (FNBE, 2016). Auch in Hinblick auf den
                                               in the instruction. (FNBE, 2016, S. 263)
cherung aufgefasst wird (FNBE, 2016,                                                         Unterricht wird das Bewusstsein der
S. 31).                                        Analog zu den bisherigen Lehrplanana-         Lehrkräfte bzw. der Lerngemeinschaft
                                               lysen im Fach Sport (Richter, 2004; Yli-      gefordert, geschlechtssensible Aspekte
Diversität in den Sportlehrplänen              Piipari, 2014) findet der pädagogische         wahrzunehmen und die Lernenden dabei
Die curricularen Vorgaben für das Fach         Umgang mit Diversität auf fachspezifi-         zu unterstützen, bestehende Geschlech-
Sport werden wie in . Abb. 1 dargestellt,      scher Ebene deutlich weniger Beachtung        terrollen zu hinterfragen (FNBE, 2016,
altersspezifisch für die Klassenstufen 1–2,     als in den allgemeingültigen Richtlinien.     S. 49). In den allgemeinen Richtlinien
3–6 und 7–9 unterteilt. Die fachspezi-         Methodische Vorschläge zur konkreten          zur Gestaltung des Unterrichts wird der
fischen Vorgaben des Sportunterrichts           Umsetzung des Sportunterrichts sind den       geschlechtssensible Umgang also um-
knüpfen grundsätzlich an den wertschät-        Lehrplankonzeptionen selten zu finden.         fangreich thematisiert, allerdings findet
zenden Umgang mit Diversität an, wie er        Es bleibt also in der Verantwortung der       es in den fachspezifischen Vorgaben des
auch in den allgemeinen pädagogischen          Lehrkräfte auf schulischer Ebene, eigene      Sportunterrichts keine Erwähnung. Im
Richtlinien beschrieben wird:                  methodische Entscheidungen zu treffen.         finnischen Kerncurriculum von 2004
                                                                                             wird in den Lehrplänen für die Klassen-
Physical education promotes equity, equa-
                                               Gender                                        stufen 5–9 jedoch noch explizit darauf
lity, and togetherness and supports cultu-
                                                                                             hingewiesen, dass im Sportunterricht
ral diversity. (FNBE, 2016, S. 260)
                                               Das finnische Kerncurriculum verweist          die unterschiedlichen Bedürfnisse von
Auch wenn die spezifischen Heterogeni-          an mehreren Stellen auf die Diversitäts-      Jungen und Mädchen hinsichtlich der
tätsdimensionen „Gender“, „Interkultu-         dimension „Gender“. In Kap. 3 des natio-      individuellen körperlichen und sozial-
ralität“ und „sonderpädagogischer För-         nalen Curriculums wird der „Gender“-          emotionalen Entwicklung berücksichtigt
derbedarf “ in den Sportlehrplänen kaum        Aspekt in den allgemeinen Richtlinien         werden müssen (FNBE, 2004, S. 18). Der
erwähnt werden, so wird dennoch eine           zu Erziehung und Bildung aufgegriffen.         aktuelle Lehrplan formuliert für das Fach
ausdrückliche Hinwendung zum Indivi-           Dort heißt es konkret:                        Sport die gleichen Unterrichtsziele und
duum deutlich. Es finden sich mehrfach                                                        Inhalte für Mädchen und Jungen und
                                               Basic education encourages girls and boys
Hinweise, die die individuellen Voraus-                                                      lässt offen, ob der Unterricht koedukativ
                                               to study different subjects equally and
setzungen und Potenziale der Lernenden                                                       oder geschlechtlich getrennt organisiert
                                               promotes information and understand-
als Ausgangspunkte der Unterrichtsge-                                                        wird. Wie in der finnischen Fachliteratur
                                               ing of the diversity of gender. Each pupil
staltung einfordern (FNBE, 2016; S. 31;                                                      beschrieben wird, können die Schulen
                                               is supported in recognizing their perso-
S. 48; S. 263). Um die Ziele des Sport-                                                      in Finnland in der Regel selbst darüber
                                               nal potential and selecting learning paths
unterrichts zu erreichen, wird in diesem                                                     entscheiden, den Sportunterricht ent-
                                               without role models determined by gen-
Auszug aus dem Curriculum exempla-                                                           weder koedukativ oder geschlechtlich
                                               der. (FNBE, 2016, S. 31)
rischdie Rolle einerwertschätzendenUn-                                                       getrennt zu organisieren (Yli-Piipari,
terrichtsatmosphäre hervorgehoben:             Die Aufgabe der Schule besteht demnach        2014; Heikinaro-Johansson & Telama,
                                               darin, Ungleichheit und Ausgrenzung           2005). In den Klassen 1–4 der Grund-
An encouraging and accepting atmosphere
                                               zu verhindern und die Gleichstellung          schulen nehmen Mädchen und Jungen
is a prerequisite for the achievement of the
                                               der Geschlechter zu fördern. Jede Schü-       normalerweise gemeinsam am Sport-
objectives of physical education. (FNBE,
                                               lerin und jeder Schüler sollte bei der        unterricht teil, während in den Klassen
2016, S. 263)
                                               Erkennung persönlicher Interessens-           5–9 geschlechtlich getrennte Klassen die
Um den unterschiedlichen Lernaus-              gebiete und Potenziale sowie bei der          typisch sind.
gangslagen der Schüler*innen gerecht           Auswahl eines individuellen Lernwe-
zu werden, sind im Sportunterricht in-         ges unterstützt werden, unabhängig von        Interkulturalität
dividualisierte Arbeitsformen und wert-        geschlechtsspezifischen Rollenvorgaben
schätzendes Feedback von Bedeutung             (FNBE, 2016, S. 31). In den Grundsätzen       In den allgemeingültigen Richtlinien
(FNBE, 2016, S. 263). In den Sport-            für die Entwicklung einer (inklusiven)        wird die Diversitätsdimension „Inter-
lehrplänen wird zudem an mehreren              Schulkultur wird der Gender-Aspekt            kulturalität“ mehrfach aufgegriffen. Die
Stellen die Bedeutung einer „sicheren“         ebenfalls aufgegriffen (FNBE, 2016,            Wertschätzung kultureller Vielfalt, ver-
Lernumgebung und Unterrichtsgestal-            S. 49). Dabei wird in den curricularen        schiedener Religionen und Mehrspra-
tung hervorgehoben, die sich an den            Richtlinien darauf hingewiesen, dass

                                                                                            German Journal of Exercise and Sport Research
Hauptbeitrag

chigkeit wird im folgenden Auszug                tionalen Sport- und Bewegungskultur         che thematisiert werden (FNBE, 2016,
deutlich:                                        hervorgehoben (FNBE, 2004). So wer-         S. 450).
                                                 den landestypische Inhalte, wie z. B. die      Zur Erarbeitung komplexerer Inhal-
Different identities, languages, religions
                                                 finnische Sportart „Pesäpallo“ und Win-      te sind unter Umständen auch spezifi-
and worldviews coexist and interact. In-
                                                 ter- und Outdoorsportarten, aufgeführt,     sche technische Unterstützungsmaßnah-
ternationalisation at home is an impor-
                                                 die auch in schulinternen Lehrplänen        men und ergänzende Hilfsmittel notwen-
tant resource for a learning community.
                                                 häufig zu finden sind (Annerstedt, 2008;      dig, damit Möglichkeiten zur individuel-
The community appreciates and draws
                                                 Yli-Piipari, 2014).                         len Auseinandersetzung mit Lerngegen-
upon the country’s cultural heritage and
                                                                                             ständen ermöglicht werden:
national languages as well as cultural,
linguistic, religious and philosophical di-      Sonderpädagogischer                         The need for special aids may be asso-
versity in the community itself and in its       Förderbedarf                                ciated with vision, hearing, mobility or
environment. It brings up the importance                                                     other physical needs. It may also be relat-
                                                 Der nationale Lehrplan Finnlands gibt
of the Sámi culture and various minorities                                                   ed to special learning needs. For example,
                                                 in einem umfangreichen Kapitel (Kap. 7,
in Finland. (FNBE, 2016, S. 48)                                                              various information technology applica-
                                                 „Support in learning and school atten-
                                                                                             tions, audio books, tools for illustrating
In diesem Kontext wird auch die Bedeu-           dance“) vor, welchen Förderanspruch
                                                                                             mathematics or aids that support con-
tung von Minderheiten in Finnland, wie           Schüler*innen in der neunjährigen Ge-
                                                                                             centration may be used. (FNBE, 2016,
z. B. der Sámi-Kultur hervorgehoben.             meinschaftsschule haben. Die Förde-
                                                                                             S. 131)
Themen, die die Interkulturalität betref-        rung richtet sich nicht nur an Kinder
fen, werden zudem spezifisch in zwei              und Jugendliche mit einer Behinderung,      In der Praxis des Sportunterrichts kön-
eigenen Kapiteln behandelt. In Kap. 9            sondern prinzipiell an alle (FNBE, 2016,    nen neben der Nutzung didaktisch-
und 10 des Curriculums wird der wert-            S. 130). Zeichnet sich ab, dass es dem      methodischer Hilfen (z. B. Spezialbälle,
schätzende Umgang mit sprachlicher               Kind trotz intensiverer Förderungen und     Bodenmarkierungen) und technischer
und kultureller Vielfalt (hier insbeson-         ggf. einem Lernplan nicht möglich ist,      Hilfsmittel auch unterrichtsorganisato-
dere den „Sámi“ und „Roma“) sowie der            dem (zielgleichen) Unterricht zu folgen,    rische Adaptionen (z. B. Sozialformen,
pädagogische Umgang mit Mehrspra-                wird ein Förderplan (IEP) mit individuell   Präsentationsformen, verlängerte Ru-
chigkeit detailliert beschrieben (FNBE;          abgestimmten Lernbereichen formuliert       hephasen) eine Rolle spielen (Mihajlo-
S. 48 ff.). So sollten bei der Unterrichts-       (in Form von sogenannten „activity are-     vic, 2017). Darüber hinaus können die
planung der kulturelle Hintergrund und           as“). Voraussetzung dafür ist jedoch die    allgemeinbildenden Schulen auch die
die sprachlichen Fähigkeiten der Ler-            Ermittlung des Förderbedarfs der drit-      Unterstützung durch externe Fachkräf-
nenden im Unterricht der Klassen 1–9             ten Stufe („special support“) in Form       te von Beratungs- und Förderzentren
berücksichtigt werden:                           von einem pädagogischen Gutachten           hinzuziehen, wenn die Versorgung mit
                                                 (FNBE, 2016, S. 118). In der Praxis wird    Fachkräften vor Ort nicht gegeben ist
School work may include multilingual
                                                 ist die Organisation der Förderung in       (FNBE, 2016, S. 131). Die Möglichkeit
teaching situations where the teachers
                                                 Form von „activity areas“ vor allem im      der Beratung und Unterstützung durch
and pupils use all languages they know.
                                                 Unterricht mit umfassend beeinträchtig-     sonderpädagogische Förderzentren be-
The knowledge that the pupils and their
                                                 ten Schüler*innen vorgesehen (FNBE,         zieht sich dabei vor allem auf Schü-
guardians and communities have of the
                                                 2016, S. 126; Räty, Vehkakoski, & Pirt-     ler*innen mit Sinnesbeeinträchtigungen
nature, ways of living, history, langua-
                                                 timaa, 2018). Die sogenannten „activity     und schweren Behinderungen, die in
ges and cultures in their own linguistic
                                                 areas“ umfassen auf inhaltlicher Ebe-       der Regel eine spezifische Unterstützung
and cultural areas are drawn upon in the
                                                 ne die Bereiche Motorik, Sprache bzw.       und Versorgung mit Hilfsmitteln benö-
instruction. (FNBE, 2016, S. 31)
                                                 Kommunikation sowie kognitive, so-          tigen, um am Unterricht partizipieren
Diese Formulierung entspricht der von            ziale und lebenspraktische Fähigkeiten.     zu können (FNBE, 2016, S. 131).
der UNESCO (2009) geforderten Wert-              Diese werden im finnischen Kerncur-              Im Kontext des Sportunterrichts tre-
schätzung von Vielfalt und Toleranz              riculum differenziert erläutert (FNBE,       ten an dieser Stelle vor allem die in
durch das Curriculum. Ähnlich wie der            2016, S. 126 ff.).                           Finnland etablierten APE-Dienste in
Gender-Aspekt, wird jedoch auch die                  Die Auswahl von relevanten Lernin-      den Vordergrund, die aufgrund ihrer
Diversitätsdimension „Interkulturalität“         halten richtet sich nach dem individuel-    entsprechenden Expertise die Teilha-
in den Sportlehrplänen kaum themati-             len Erfahrungshintergrund und den per-      bemöglichkeiten von Schüler*innen
siert. Lediglich an einer Stelle findet sich      sönlichen Bedürfnissen der Lernenden.       mit Behinderungen am allgemeinen
der Hinweis, dass der Sportunterricht            In Bezug auf den Sportunterricht kön-       Sportunterricht begleiten und unter-
dazu beiträgt, kulturelle Diversität zu          nen beispielsweise psychomotorisch ori-     stützen können (Block, 2016; Block
fördern (FNBE, 2016, S. 260). Dieser             entierte Bewegungsangebote eine Rolle       et al., 2017). Aber auch andere multipro-
Aspekt wird jedoch nicht weiter konkre-          spielen, in denen Grundbewegungsarten       fessionelle Kooperationsmöglichkeiten
tisiert. In den früheren Sportlehrplänen         und verschiedene Wahrnehmungsberei-         (z. B. die Zusammenarbeit mit Sozial-
wird dagegen die Bedeutung der na-                                                           pädagog*innen) werden im Curriculum

 German Journal of Exercise and Sport Research
hervorgehoben, um spezifische För-             Umgang mit den untersuchten Diversi-           Art „diversity gap“ zwischen der curri-
dermaßnahmen abzustimmen und zu               tätsdimensionen formuliert.                    cularen Verankerung der Ansprüche in
implementieren (FNBE, 2016, S. 108).              Im Vergleich zu früheren Lehrplan-         den allgemeinen Richtlinien und den un-
Insgesamt wird die Diversitätsdimension       untersuchungen in Finnland (Yli-Piipari,       tersuchten Sportlehrplänen zu erkennen.
„sonderpädagogischer Förderbedarf “ in        2014; Rühle, 2015) wird das Thema Di-          Allerdings wird die in Finnland einge-
den Sportlehrplänen im Vergleich zu           versität deutlich umfassender behandelt        forderte Individualisierung nicht durch
den anderen Diversitätsdimensionen am         und Inklusion – im Sinne der UN-BRK –          eine an Regelstandards orientierte Kom-
häufigsten thematisiert. Dies trifft be-       als Menschenrecht betrachtet. Die päd-         petenzentwicklung konterkariert, wie es
sonders auf Fragen zur Diagnostik und         agogischen Richtlinien des Curriculums         vielen deutschen Lehrplänen – besonders
zur Leistungsbewertung zu. Beispiels-         fordern zudem verbindliche Grundwerte          in Hinblick auf normierte Leistungsan-
weise wird für den Unterricht in der          für die Lehrkräfte ein, die auf schulischer    forderungen – der Fall ist (Giese & Ruin,
Klassenstufen 1–2 die Bedeutung der           Ebene vertreten werden sollten (FNBE,          2018; Meier et al., 2016).
frühzeitigen Erkennung motorischer            2016). Die Wertschätzung von Diversität           Die analysierten finnischen Sport-
Entwicklungsprobleme im Zusammen-             wird dabei als handlungsleitendes Krite-       lehrpläne gehen grundsätzlich von der
hang mit anderen Lernschwierigkeiten          rium für die schulischen Akteure offen-         Verschiedenheit der Lernenden aus und
hervorgehoben:                                sichtlich.                                     lassen folglich auch Adaptionsmöglich-
                                                  Hinsichtlich der untersuchten Diver-       keiten für den Unterricht mit Schü-
In grades 1–2, it is important to recogni-
                                              sitätsdimension „sonderpädagogischer           ler*innen mit besonderen Förderbedar-
se difficulties in learning motor skills that
                                              Förderbedarf “ werden in einzelnen Ka-         fen zu. In Deutschland wird dagegen auf
may also be connected to other learning
                                              piteln konkrete Richtlinien zur Orga-          curricularer Ebene ein eher einseitiges
difficulties. (FNBE, 2016, S. 263)
                                              nisation pädagogischer Fördermaßnah-           Leistungs- und Körperverständnis ver-
Die Diagnose von Entwicklungsverzöge-         men, zur Erstellung von individuellen          treten, mit einer starken Fokussierung
rungen im Bereich der Motorik spielt im       Förderplänen und zieldifferenten Un-            auf Leistungsoptimierung und Effizienz-
Primarbereich eine wichtige Rolle, um         terrichtsinhalten (sogenannte „activity        steigerung (Ruin, 2014; Ruin, 2016).
individuell angepasste Präventions- bzw.      areas“) formuliert. Auch unter dem                Darüber hinaus bieten die Curricula
Interventionsmaßnahmen für das betrof-        Aspekt der Interkulturalität wird neben        den Lehrkräften an finnischen Schulen
fene Kind ergreifen zu können (Rintala        einer grundsätzlichen Wertschätzung            enorme Freiheiten in der didaktischen
& Loovis, 2013). Analog zu den allge-         von kultureller Vielfalt explizit darge-       und methodischen Gestaltung des Unter-
meingültigen Richtlinien wird auch in         stellt, wie der pädagogische Umgang            richts sowie in Hinblick auf die Leistungs-
den Sportlehrplänen an mehreren Stel-         mit Bilingualität und Mehrsprachigkeit         bewertung. Die Offenheit und Flexibili-
len die Gestaltung einer Lernumgebung         auf der Unterrichtsebene erfolgen kann.        tät der curricularen Vorgaben in Finn-
hervorgehoben, die sich an den besonde-       Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit        land unterstreicht die Verantwortung der
ren Bedürfnissen von Kindern mit son-         bereits vorliegenden Lehrplananalysen,         pädagogischen Akteure hinsichtlich der
derpädagogische Förderbedarf orientiert       die sich auf die vorherige Version des         Schul- und Unterrichtsentwicklung auf
(FNBE, 2016, S. 263, FNBE, S. 452). Auch      finnischen Kerncurriculums beziehen             lokaler Ebene. Auch in der Fachliteratur
hier werden allerdings kaum konkrete          (Rühle, 2015). Lediglich der Gender-           wird den finnischen Lehrkräften ein ho-
Hinweise gegeben, wie diese Aspekte in        Aspekt findet in den allgemeinen Richt-         hes Maß an pädagogischer Autonomie
der schulischen Praxis umgesetzt wer-         linien weniger Berücksichtigung, auch          und Vertrauen von Seiten der Bildungs-
den können. So bleibt des den Schulen         wenn grundsätzlich eine Sensibilität für       politik und der Gesellschaft zugestanden
überlassen, wie der Umgang mit Hetero-        geschlechtsspezifische Fragen (z. B. kri-       (Sahlberg, 2013; Mero & Meri, 2017).
genität in der Schulorganisation und der      tisches Hinterfragen von Rollenbildern)           Diskrepanzen scheinen allerdings
Unterrichtspraxis ausgestaltet wird.          deutlich wird. Allerdings findet das The-       zwischen den bildungspolitischen An-
                                              ma Diversität auf der fachspezifischen          sprüchen und der schulischen Praxis in
Diskussion                                    Ebene deutlich weniger Beachtung. Zwar         Bezug auf die Kategorien „Gender“ und
                                              sind die allgemeinen Vorgaben auch für         „sonderpädagogischer Förderbedarf “ zu
Die Ergebnisse der Untersuchung sol-          die fachspezifischen Lehrpläne gültig,          bestehen. Einerseits werden gemeinsa-
len nun aufgegriffen und im Kontext der        jedoch bleibt insgesamt offen, wie der          me Lernsituationen anknüpfend an das
aktuellen (deutschsprachigen) Fachdis-        Umgang mit diesen Diversitätsdimen-            Prinzip der egalitären Differenz (Pren-
kussion diskutiert werden. Die Analy-         sionen im Sportunterricht erfolgen kann.       gel, 2006) prinzipiell gefordert, jedoch
se des finnischen Kerncurriculums zeigt            Angenommen wurde im Vorfeld die-           sind äußere Differenzierungsmaßnah-
auf, dass Finnland das Thema Diversi-         ser Analyse, dass die in den allgemeinen       men in beiden Diversitätsdimensionen
tät zumindest in den allgemeingültigen        Richtlinien formulierten Inklusionsan-         ein fester Bestandteil des finnischen
Richtlinien des Curriculums sehr um-          sprüche konsequenterweise auch in den          Schulalltags (Saloviita, 2018). Obwohl
fangreich berücksichtigt und auch kon-        Sportlehrplänen berücksichtigt werden.         ein gemeinsamer Sportunterricht auf
krete Vorschläge für den pädagogischen        Analog zu der Lehrplananalyse von Giese        bildungspolitischer Ebene grundsätzlich
                                              und Ruin (2018) ist allerdings eher eine       angestrebt wird, kann die vorrangi-

                                                                                            German Journal of Exercise and Sport Research
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