Voneinander lernen Frobenius Institut und Oswin Köhler Archiv kooperieren seit Jahren eng mit afrikanischen Partnern - Forschung Frankfurt
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Voneinander lernen Frobenius-Institut und Oswin-Köhler-Archiv kooperieren seit Jahren eng mit afrikanischen Partnern von Jonas Krumbein Aus der Sammlung des Afrikanisten Oswin Köhler: eine Parfumpulverdose, die aus einem Schildkrötenpanzer hergestellt wurde.
Afrika im Fokus Die Sammlungen der Goethe-Universität mit Afrikabezug sind auch für die Herkunftsgemeinschaften von großem Interesse. Sie finden darin wichtige Informationen über ihre Geschichte. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit bringt aber auch den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Goethe-Universität neue Forschungsimpulse. P feile und Bögen, Tierhäute und Musikbögen, ler mit seinen Filmen und Dias, Zeichnungen Diese Elefantenskulptur geflochtene und geschnitzte Gefäße: Hun- und Audioaufnahmen, aber auch mit Pflanzen- ist aus Bienenwachs gefertigt worden. derte Gegenstände hatte die Frankfurter proben und Objekten dokumentiert hat, immer Ethnologin Gertrud Boden vor ihren beiden weiter verloren. Besuchern ausgebreitet. Thaddeus Chedau und Sonner Ciayi Geria waren Abgesandte des Volkes Das Volk der Khwe soll bestimmen der Khwe in Namibia, die zu den im südlichen Umso bewegter zeigten sich die beiden Khwe- Afrika San oder Buschleute genannten Bevölke- Abgesandten Chedau und Geria beim Betrach- rungsgruppen gehören. In Frankfurt wollten die ten der unscheinbaren Pflanzenpräparate, wie beiden im Oktober 2019 Objekte ihres Volkes sich Gertrud Boden erinnert. Die Ethnologin sichten, die der Afrikanist Oswin Köhler auf hatte die Khwe nicht allein deshalb eingeladen, Forschungsreisen zwischen 1959 und 1992 damit sie die Objekte sichten können, sondern zusammengetragen hatte. Nach dem Tod Köhlers auch, um sie nach Jahren der Lagerung in Kis- 1996 waren die Objekte zusammen mit getrock- ten in Form einer Ausstellung der Öffentlichkeit neten Pflanzenproben, Dias, Filmen, Audio zugänglich zu machen. Was wie gezeigt wird, dateien, originalsprachigen Texten und Sach bestimmten dabei die Khwe. Und diese hatten akten wie Forschungsberichten und Briefen an klare Vorstellungen: So sind in der Ausstellung die Goethe-Universität Frankfurt gelangt, wo sie im Institut für Afrikanistik in der sogenannten seither den Grundstock des Oswin-Köhler-Archivs Neuen Mensa, einem Mensa- und Instituts am Institut für Afrikanistik bilden. Mit Mitteln gebäude auf dem Campus Bockenheim, nur der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Präparate von Pflanzen zu sehen, deren Nutzen macht Gertrud Boden die Sammlungen schon bereits allgemein bekannt ist. Denn die Khwe seit 2015 für Wissenschaftlerinnen und Wissen- sorgen sich, dass ihr über Generationen weiter- schaftler, und auch für die Khwe selbst, zugäng- gegebenes Wissen über Heilkräuter von Pharma- lich. Denn die Kultur der Khwe ist bedroht, die konzernen gestohlen und patentiert werden Traditionen der Vorfahren unter jungen Khwe könnte. Aus ähnlichen Gründen sind auch Auf- vielfach vergessen. nahmen traditioneller Musik der Khwe aus dem Oswin-Köhler-Archiv nur nach Genehmigung An den Rand gedrängt durch Vertreter der Herkunftsgemeinschaft zu- Das Siedlungsgebiet der Khwe im sogenannten gänglich. Sie sollen keinesfalls ohne Vergütung Caprivi-Zipfel, einem schmalen Landstrich im kopiert und zum Beispiel zur Produktion von äußersten Nordosten Namibias, ist seit einigen Pop-Hits und Filmen genutzt werden können. Jahrzehnten als Nationalpark ausgewiesen. Um Wer die vom Endangered Languages Documen- die dort lebenden Elefanten vor Wilderern aus tation Programme an der renommierten London Dieses Gefäß, eine so dem benachbarten Angola zu schützen, sind School of Oriental and African Studies digitali- genannte Trinkkalebasse, diente den Jägern dazu, strenge Vorschriften erlassen worden, die auch sierten Aufnahmen nutzen möchte, muss daher bei der Jagd ihren Durst zu die Khwe einschränken. Sie dürfen nun nicht zunächst per Mail in Namibia um Genehmigung löschen. mehr weiter als fünf Kilometer von ihren Sied- bitten. lungen entfernt in den Busch streifen. So gehen Auch wenn es sich bei den Objekten im Traditionen wie die Jagd und das Sammeln von Oswin-Köhler-Archiv nicht um klassisches Raub- Heilkräutern, wie sie der Ethnologe Oswin Köh- gut aus der Kolonialzeit handelt, sollen die Khwe Forschung Frankfurt | 1.2022 61
Afrika im Fokus Literatur Felsmalereien in Südafrika genutzt wird«, erklärt Dr. Richard Kuba, verantwortlich für die Archive 1 Asperitectem restinis apiet idis desequis aut volorerum des Frobenius-Instituts. Nicht umsonst wurde quodignim vollece ribearum re die Felsbildsammlung im November 2021 vom que nis ditis qui ipiciis cipsant deutschen UNESCO-Komitee zur Aufnahme in endanduciae. Ut everes aut das Weltdokumentenerbe nominiert. Eine Ent- que estiae rerferrovit. scheidung über die Anerkennung wird voraus- sichtlich 2026 fallen. Digital für alle zugänglich Um den heutigen Verwaltern von Felsbild-Stät- ten in Afrika den Zugang zu den Informationen des Welterbes in spe zu erleichtern, haben Kuba und sein Team – allen voran der Leiter des Frobenius-Fotoarchivs Peter Steigerwald – die gemalten Kopien in einem aufwendigen Verfah- ren digitalisiert und über das Internet weltweit abrufbar gemacht. Eine Übertragung der Nut- das Recht erhalten, über Nutzungsbedingungen zungsrechte an den Abbildungen an Herkunfts- oder Standort der Dokumente ihres kulturellen gesellschaften in Afrika steht aktuell nicht an. Erbes mitzuentscheiden. Dieser Herangehens- »Im inzwischen überwiegend christlich und weise hat sich die Goethe-Universität auch für islamisch geprägten Afrika gibt es kaum lokale all ihre anderen Sammlungen aus Afrika ver- Communities, die sich in der Tradition vorge- pflichtet. schichtlicher Künstler verorten, sich um solche Stätten kümmern oder Bildrechte reklamieren«, Das Felsbildarchiv als Weltdokumentenerbe erklärt Kuba, der auch zu Felsmalereien austra- nominiert lischer Ureinwohner forscht. »In Nordwest- Ihr folgt auch das der Universität angegliederte Australien sind die Felsbilder auch heute noch Sonner Geria (von links), Frobenius-Institut, benannt nach seinem Gründer zentraler Bestandteil von Kultur und Überliefe- Thaddeus Chedau, Leo Frobenius. Der 1873 geborene Ethnologe rung, da treten wir Bild- und Nutzungsrechte Judith Blume (Sammlungs hatte seine Expeditionen zunächst durch das ab«, berichtet der Ethnologe. Ähnlich wie in koordinatorin der Goethe- Universität) und Gertrud Sammeln von Objekten in Afrika und deren Boden sichten im September Verkauf an Museen finanziert. Nachdem er von 2019 gemeinsam Khwe-Objekte Kaiser Wilhelm II. finanziell gefördert wurde, im Oswin-Köhler-Archiv. war Frobenius aufs Sammeln nicht mehr ange- AUF DEN PUNKT GEBRACHT wiesen – und konnte sich seinem Hauptinteresse widmen: der Erforschung von prähistorischen • Klassisches koloniales Raubgut ist Felsbildern vergangener Kulturen in Europa und selten in den Sammlungen der auf den Kontinenten der Südhalbkugel, beson- Goethe-Universität mit Afrikabezug. ders in Afrika. • Die Bestände des Oswin-Köhler-Archivs Leo Frobenius hatte den kulturgeschicht oder des Frobenius-Instituts bestehen lichen Wert der Felsbilder in der Sahara und im überwiegend aus Texten, Fotografien, südlichen Afrika früh erkannt. Um sie zur wis- Zeichnungen und Gemälden vom senschaftlichen Erforschung zu dokumentieren, Kulturleben afrikanischer Gesellschaften, kamen Kameras Anfang des 20. Jahrhunderts die Forscherinnen und Forscher auf noch nicht infrage. Sie nahmen nur schwarz- ethnologischen Expeditionen anfertigten weiß auf – die Felsmalereien aber waren in der oder in Auftrag gaben. Regel farbig – und lieferten aus der Dunkelheit • Es sind Bilder aus bilderarmen Zeiten, der Felshöhlen meist schlecht belichtete, detail denn die klassische Kolonialfotografie arme Aufnahmen. So nahm Frobenius bildende nahm afrikanische Gesellschaften Künstlerinnen und Künstler mit auf seine Expe- kaum in den Fokus. ditionen, sie fertigten Zeichnungen, Aquarelle • Für Gemeinschaften in Afrika sind die Der Autor und Ölgemälde von Felsmalereien an. Diese Bild- und Tondokumente Zeugnisse Jonas Krumbein, 37, Kopien, das sogenannte Felsbildarchiv, lagern einer durch Kolonialismus und Welt- hat Geschichts- und heute in den Kellerräumen des Frobenius-Insti- Politikwissenschaft an den marktintegration teils verschütteten Universitäten Freiburg und tuts im Poelzig-Bau auf dem Campus Westend. Vergangenheit, die neues Interesse Durham (England) studiert und »Was Frobenius‘ Malerinnen und Maler damals weckt. Die Zusammenarbeit bereichert lebt als freier Journalist in abbildeten, ist heute ein unverzichtbares kultu- auch die Forschung an der Goethe- Frankfurt. relles Gedächtnis, das beispielsweise zur Rekon- Universität. j.m.krumbein@icloud.com struktion zerstörter oder beschädigter Original- 62 1.2022 | Forschung Frankfurt
Afrika im Fokus »Nigeria 100 Years Ago«: Die kooperative Ausstellung wurde 2010 im Cyprian Ekwensi Centre for Arts and Culture in Nigerias Hauptstadt Abuja gezeigt. (Bild links) Rechts die Titelseite des Ausstellungskatalogs. 1 Udias volese laccus moluptatus, cum dolorat eos nus aut ea et de delibuscit, quosapi endellab invera doluptur? Cabor aut mintore scimiliquos autent aperror ecatemquae dolorerro corro et quibus aspis es et officides et harchil et iscil inctet plab incia cullam inihic tore velite Groß war das Interesse an der Felsbild- und Foto- ausstellung »Art Rupestre Africain. De la contribution africaine à la découverte d’un patrimoine universe«, hier ein Bild von der Eröffnung im März 2017 im Musée Theodore Monod de l'IFAN/ Cheikh Anta Diop in Dakar, Senegal. Forschung Frankfurt | 1.2022 63
Afrika im Fokus Europa sind aber auch in Afrika die Geschichten und Mythen in Zusammenhang mit den teil- weise bis zu 12 000 Jahre alten Eröffnung der Regionalaus Bildern verschüttet. Wo immer stellung »Nigeria 100 years möglich, bemüht sich das Frobe- ago – Nupeland« durch den nius-Institut dennoch um die Gouverneur des Niger State im U.K. Bello Art Theater Kooperationen mit afrikanischen in Minna, Nigeria, Partnern und hat etwa 2017 in November 2010. Dakar gemeinsam mit senegale- sischen Künstlern eine Ausstel- lung mit Kopien afrikanischer Felskunst organisiert. Bilder einer bilderarmen Zeit Auf besonderes Interesse bei Partnern in Nigeria oder Burkina Faso stoßen ters die vorkoloniale Vergangenheit wieder inte- die Bestände der übrigen Bildarchive des Fro- ressanter wird«, erklärt er. Kuba hat daher an benius-Instituts. Diese umfassen neben Zehn- Übergaben von Abbildungen aus dem ethnogra- tausenden von frühen Fotografien auch zahl- fischen Bildarchiv an Herkunftsgemeinschaften reiche Zeichnungen traditioneller Architektur, mitgewirkt. »Dabei geht es uns als Institut aller- materieller Kultur und Alltagsszenen als Aqua- dings nicht darum, diese oder andere Objekte relle oder Ölgemälde sowie Porträts besonderer loszuwerden und mit ihnen koloniale Schuld«, Persönlichkeiten, die in der auf Europäer bezo- betont der Ethnologe. »Vielmehr wollen wir genen Kolonialfotografie selten in den Fokus als ethnologisches Institut Beziehungen zu den gerieten. Es sind – aus der Perspektive der Her- Herkunftsländern aufbauen und pflegen. Ihre kunftsgemeinschaften gesehen – »Bilder einer Perspektiven auf unsere visuellen Sammlungs- bilderarmen Zeit«, wie es Kuba ausdrückt. »Das bestände bereichern auch unsere Forschungen.« Interesse in den Herkunftsgemeinschaften rührt Ein Beispiel dafür: das Gastwissenschaftler- nicht zuletzt daher, dass nach den Umwälzun- programm für Forscherinnen und Forscher aus gen des kolonialen und postkolonialen Zeital- Afrika. Aus diesem Programm entstanden er- folgreiche Ausstellungen des Frobenius-Instituts wie »Nige- ria 100 years ago«, die in meh- ZUR PERSON reren nigerianischen Regional- Dr. Gertrud Boden, Jahrgang 1959, hat an der Universität zu Köln museen gezeigt wurde. »Wegen Ethnologie studiert. 2003 wurde sie mit einer Dissertation über des großen Interesses hat die »Prozesse sozialen Wandels vor dem Hintergrund staatlicher Eingriffe. nigerianische Nationale Muse- Eine Fallstudie zu den Khwe in West Caprivi/Namibia« promoviert. umskommission sogar die Hälfte Seit 2015 forscht sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für der Ausstellungskosten über- Afrikanistik der Goethe-Universität in verschiedenen, von der DFG nommen«, freut sich Kuba geförderten Projekten. Mit ihrer Kollegin Anne-Maria Fehn und dem über die Wertschätzung. Muttersprachler Thaddeus Chedau hat sie die noch fehlenden Bände Es ist dieselbe Freude, die von Oswin Köhlers originalsprachiger Enzyklopädie »Die Welt der auch Gertrud Boden vom Kxoé-Buschleute/The World of the Khwe Bushmen« ediert. In ihrem aktuellen Projekt »Potenziale einer Sammlung« geht es um eine Oswin-Köhler-Archiv aus- Intensivierung der gemeinsamen Erforschung des Khwe-Materials strahlt, wenn sie über ihre mit Khwe. geplante Forschungsreise nach Namibia spricht, um endlich boden@em.uni-frankfurt.de Pläne zur vertieften Koopera- Dr. Richard Kuba, Jahrgang 1963, hat in München und Paris Ethnologie tion mit den Khwe umzuset- und afrikanische Geschichte studiert und wurde in Bayreuth über die zen. Bisher hatte die Corona- vorkoloniale Geschichte Westafrikas promoviert. Seit 2005 ist Kuba am pandemie das Projekt vereitelt. Frobenius-Institut für das ethnologische Bildarchiv, das Felsbildarchiv Beide, Boden und Kuba, erle- und das Nachlassarchiv verantwortlich und hat das Online-Bildarchiv ben die partnerschaftliche Zu- des Instituts aufgebaut. Kuba kuratierte zahlreiche Ausstellungen, unter sammenarbeit mit Herkunfts anderem im Berliner Martin-Gropius-Bau (2016) und im Museum Rietberg gemeinschaften, wie sie Frobe- in Zürich (2021). nius-Institut und Oswin-Köh- kuba@em.uni-frankfurt.de ler-Archiv seit Jahren pflegen, vor allem als bereichernd. 64 1.2022 | Forschung Frankfurt
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