Warum brauchen Kinder Freunde?
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K i n d e r Fr e u n d e ? Warum brauchen Wie sieht es eigentlich mit dem grundlegenden Wert und der Bedeutung von Freundschaft zwischen Kindern aus. Warum brauchen Kinder über- haupt Freunde und warum sind Peer Groups in der Pubertät so wichtig? Flummi hat bei Melina Wendlandt-Schott, Foto: Ulrich H. M. Wolf Leiterin der Evangelischen Familienbildung im Dekanat Wiesbaden, nachgefragt. 14 Beste Freunde
Frau Wendlandt-Schott, vorweg: Inwieweit haben Kinder ihre Freundschaften aus (dies nicht mehr nur im Klassenver- eine andere Vorstellung als Erwachsene davon, was „beste band). In der Pubertät wird das Aussuchen der Freunde noch Freunde“ sind, wie erleben Sie das in Ihrer Berufspraxis? einmal anders. Fragen wie: wer bin ich, wie will ich sein, sind Freundschaften sind für Kinder oft viel bedingungsloser, als unbewusste – der Wunsch nach Autonomie hingegen sehr be- bei uns Erwachsenen. Kinder haben einfach „den Freund, die wusste und wichtige Entwicklungsbausteine, um die ureigene Freundin“. Kurzzeitig ist es dann „nie wieder mein Freund“, Persönlichkeit zu entdecken. Da ist es für die Jugendlichen fast nach drei Minuten ist alles vergessen. Zudem bestimmen existenziell Freunde zu haben und „dazuzugehören“. Wohnsitz und Kita zunächst noch die Verbindungen. Erst ein- mal sind potenzielle Freunde „einfach da“. Das differenziertere Warum sind Peer Groups in der Pubertät so wichtig? Aussuchen von Freunden und das Hinterfragen von Beziehun- Kinder, die zu Erwachsenen werden möchten sich in der Regel gen kommt erst viel später. von Zuhause abgrenzen. Der familiäre Rahmen wird verlassen. Gleichzeitig wächst der Wunsch individuell zu sein und damit Man sagt, Kinder brauchen den Austausch gerade mit gesehen zu werden, denn Anerkennung ist grundsätzlich ein Gleichaltrigen, die kognitiv und motorisch in einer ähnli- starkes Bedürfnis, in diesem Alter aber noch wichtiger als sonst. chen Situation sind. Können Sie das näher ausführen? Die Peer Group ist da ein „neuer“ Rahmen, in dem die Jugend- Kinder lernen und entwickeln sich durchs Spielen. In diesen lichen Sicherheit und Anerkennung suchen. „Erwachsenen freien Zeiten“, in denen sie mit ihren Freunden in Phantasiewelten tauchen, lassen sich in der Interaktion so Heute werden Treffen mit Gleichaltrigen oft etwa per ziale Kompetenzen erwerben. Freude, Spaß, aber auch Riva WhatsApp vereinbart. Früher ging man raus und fand ir- lität und Streit werden hier erlebt und/oder nachgespielt. gendjemanden zum Spielen, ganz ohne Verabredung. Stu- Kinder erleben mit Gleichaltrigen ein wichtiges gleichberech- dien zeigen, Kinder, die sich sehr viel in der digitalen Welt tigtes und regulatives Gegenüber. So werden im Spiel Verhal- aufhalten sind mitunter eher einsam und auch depressiv. tensweisen (Streitschlichten oder Essen zubereiten) von Eltern Der direkte Kontakt mit Freunden hingegen wirke da wie nachgemacht. Dadurch bringt ein Kind dem anderen eine neue ein Schutzfaktor. Wie bewerten Sie das und was haben Sie Lebenswelt und somit eine neue soziale Kompetenz bei. So in Ihrer Berufspraxis für Erfahrungen hiermit gemacht? lernen die Kinder voneinander, um nur ein Beispiel zu nennen. Das ist nicht so einfach für mich zu beantworten. WhatsApp und Co gehören einfach heutzutage zur Sozialisation der Wie entwickelt sich die Bedeutung von Freundschaft bei jungen Menschen dazu. Dadurch können mitunter auch Kindern im Verlauf der Jahre, also etwa bis zur Pubertät? (virtuelle) Treffen arrangiert werden, die sogar förderlich sind Freunde sind Wegbegleiter in der Persönlichkeitsentwicklung. und Teenager verbinden (siehe Corona und Familienisolation). Freundschaften werden außerhalb der Kernfamilie gelebt und Was ich viel schwieriger finde sind die Auswirkungen auf bilden ein sehr wichtiges gesellschaftliches Regulativ ab. An- das Schönheitsideal der Kids (etwa durch Fotofilter) und der fangs, in der Kita sind Freundschaften eher noch strukturell aus meiner Sicht daraus entstehende Druck „perfekt“ sein vorgegeben. Kinder suchen sich im Schulalter dann schon eher zu müssen. Beste Freunde 15
Was raten Sie Eltern, wenn diese mit der Wahl des Freun- Machen sich Eltern heute zu viele Gedanken über die des ihres Kindes nicht einverstanden sind? Inwieweit soll- Freunde ihrer Kinder, oder gar nicht. Wie erleben Sie das ten sich Eltern hier einbringen/raushalten? im Austausch mit Familien? Grundsätzlich, auch bei kleineren Kindern, sollten die Eltern Ich glaube zu viele Gedanke kann man sich nicht unbedingt nicht zu schnell intervenieren – Streits gehen oft so schnell, machen, aber wie schon gesagt, vielleicht nicht die passenden. wie sie kamen (extreme Verhaltensauffälligkeiten bei Freunden, „Da sein“ und „Vertrauen ins Kind zu haben“ ist so wichtig, ich schließe ich hier aus). Insgesamt ist es für Eltern nicht immer glaube das verwechseln tendenziell Eltern mit „alles machen leicht, die Wahl der Freunde ihrer Kinder auszuhalten. Wenn für das Kind“ oder gar selbst bester Freund, beste Freundin uns diese „Jungs oder Mädels“ nicht passen, sollten wir als sein wollen … Eltern offenbleiben und uns selbst fragen, was genau gefällt uns da nicht? Manchmal ist es „leider“ auch ein Anteil unseres Ihr persönlicher Tipp: Was ist wesentlich für das Gelingen Kindes, der uns nicht gefällt. Der einfache Weg ist dann, diese einer besten Freundschaft? Freundschaft zu unterbinden. Ich denke aber, wir sollten den Aufrichtigkeit finde ich wichtig und Achtung vor dem Leben Blick auf unser Kind (so wie es ist) richten und den Kontakt zu des/der anderen zu haben. Wenn wir diese Werte bei anderen ihm auch zu den ungeliebten Freunden eher suchen! und uns selbst zulassen und uns gegenseitig ins Herz schauen Verabredungen sollten bei einem selbst zuhause stattfinden, lassen können, dann haben wir eine sehr große Chance wun- damit man die Freunde besser kennenlernt. Bei älteren Kindern dervolle und langlebige Freundschaften zu erleben. könnte man gemeinsame Abendessen einplanen, miteinander reden, Fragen stellen, interessiert sein und als vertrauensvolle Herzlichen Dank für das Interview! Person für das eigene Kind und gegebenenfalls auch für die Freunde zur Verfügung stehen. Verbindung und Vertrauen ist Das Interview führte Claudia Kroll-Kubin wichtig, aber gerade bei Teenies nicht immer leicht zu leben. Dennoch sollte der Wille bei Eltern unbedingt da sein! www.familienbildung-wi.de 16 Beste Freunde
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