Yan Pei-Ming - Au nom du père / Im Namen des Vaters - Buch Contact
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Yan Pei-Ming – Au nom du père / Im Namen des Vaters Musée Unterlinden, Colmar 2. April – 6. September 2021 L’homme le plus perspicace, père de l’artiste / Der scharfsinnigste Mensch, Vater des Künstlers 1996, Öl auf Leinwand, 200 x 235 cm Privatsammlung, Belgien Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. Pressedossier
Inhaltsverzeichnis 1. Eine spektakuläre Ausstellung zum Leben und Werk von Yan Pei- Ming | S. 3 Einführung der Kuratorin 2. Mehr als 60 Kunstwerke – viele davon erstmalig ausgestellt | S. 4 Auftakt – Galerie (Cabinet d’art graphique) Ackerhof – Ebene 1 Ackerhof – Ebene 2 3. Der Künstler | S. 11 Biografie Yan Pei-Ming im Gespräch mit Frédérique Goerig-Hergott | Auszüge 4. Begleitmaterial zur Ausstellung | S. 15 Katalog 5. Bildmaterial für die Presse | S. 16 6. Das Musée Unterlinden | S. 18 7. Praktische Informationen und Pressekontakt | S. 20 2
1. Eine spektakuläre Ausstellung zum Leben und Werk von Yan Pei-Ming Im Frühjahr 2021 widmet das Musée Unterlinden in Colmar dem international renommierten Maler Yan Pei-Ming eine Retrospektive seines Lebenswerks. Pei-Ming ist vor allem für seine monumentalen, oftmals monochromen Gemälde in einer überaus kraftvollen und markanten Malweise bekannt. In unmittelbarer Nähe zum Isenheimer Altar, dem herausragenden Werk der Museumssammlungen, ergibt sich eine völlig neue Lesart des Œuvres dieses Künstlers, der sich in seinem Schaffen mit den gleichen Themen auseinandersetzt wie Grünewald fünf Jahrhunderte zuvor: Herkunft, Religion und Opfertod. Die Ausstellung „Yan Pei-Ming – Im Namen des Vaters“ gibt einen Überblick über vier Jahrzehnte Kunstschaffen und präsentiert erstmalig in Frankreich mehr als fünfzig wichtige Gemälde und ein Dutzend Zeichnungen und Aquarelle aus Museen und Privatsammlungen in Europa und China sowie aus dem Fundus des Künstlers. Frédérique Goerig-Hergott, Chefkonservatorin im Musée Unterlinden, liefert mit dieser Ausstellung einen neuen, intensiven Einblick in Yan Pei-Mings Werk. Einführung der Kuratorin Die Geburtsstunde der Ausstellung im Musée Religion und Opfertod, die im Isenheimer Altar Unterlinden liegt im Jahr 2012. Bei einem Besuch aufscheinen. Zum anderen stellt die Ausstellung die des Musée des Beaux-Arts in Nantes entdeckte ich Frage nach der Identität des Malers, dessen dort Yan Pei-Mings Triptychon Nom d’un chien, Un Verbindung zu zwei unterschiedlichen Kulturen jour parfait ! (2012). seinem Œuvre einen universellen Charakter Dieses Triptychon, das erste ganzfigurige Bildnis verleiht. des Künstlers, erschien mir in seiner Mit rund fünfzig wichtigen Gemälden und einem Eindrücklichkeit, seiner Frontalität und Vertikalität Dutzend Zeichnungen und Aquarellen aus Museen wie die Manifestation eines Wiedererstarken einer und Privatsammlungen präsentiert sie eine völlig Selbstbehauptung. Diese neuartige, christushafte neue Lesart seiner vierzig Jahre währenden und monumentale Darstellung Yan Pei-Mings künstlerischen Karriere. Dabei steht der Blick auf wirkte wie das Echo eines Werks, das fünfhundert die eigene Identität, die Entwicklung seines Stils Jahre zuvor am entgegengesetzten Ende und seine Rezeption der Kunstgeschichte im Vordergrund; die von Porträts und Selbstbildnissen Frankreichs entstanden war, den Isenheimer Altar bestimmte Auswahl hinterfragt die Beziehung des von Mathias Grünewald (1512-1516), jenem Künstlers zu seiner Herkunft – von Mao über Meisterwerk der abendländischen Kunst in den Bildnisse seiner Eltern bis hin zu den „Paysages Sammlungen des Musée Unterlinden. Internationaux“ [ Weltlandschaften ]und Bildern Die Begegnung mit diesem Bild ging mir nicht mehr von Shanghai. aus dem Sinn. Ich wollte mehr über diesen Die Allgegenwart der Vaterfigur in seinem Schaffen international renommierten Künstler erfahren, der und die darin erkennbare Suche nach der eigenen 2009 im Louvre ausgestellt wurde und dessen Identität ließen dabei den Untertitel naheliegend Schaffen ich zu kennen glaubte. erscheinen: „Au nom du père“ [Im Namen des Denn trotz der Anerkennung, die er seit dem Ende Vaters]. der 1980er-Jahre in der Kunstwelt erfahren hatte Den Abschluss der Ausstellung bildet ein bislang und seiner von zahlreichen großen Ausstellungen noch nicht ausgestelltes Werk, das Yan Pei-Ming begleiteten Karriere war eine Frage unbeantwortet eigens für die Ausstellung im Musée Unterlinden als geblieben: Wer ist Yan Pei-Ming? zeitgenössisches Pendant zur Kreuzigung im Isenheimer Altar geschaffen hat. Das Interesse des Museums an dem aus China stammenden Künstler, dessen figuratives und Frédérique Goerig-Hergott expressives Werk auch einige Polyptychen umfasst, Conservatrice en chef, Musée Unterlinden korreliert zum einen mit den Themen Herkunft, Kuratorin der Ausstellung 3
2. Mehr als 60 Kunstwerke – viele davon erstmalig ausgestellt In der Galerie des Musée Unterlinden (Cabinet d’art graphique), die den Klostertrakt mit dem modernen Erweiterungsbau verbindet, leitet eine Reihe bisher unveröffentlichter Zeichnungen aus Yan Pei- Mings Frühwerk vom Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre die Ausstellung ein. Auf den beiden Ebenen des Ackerhofs, dem von Herzog & de Meuron entworfenen Neubau des Museums, folgen in sechs chronologisch-thematischen Abteilungen die monumentalen Gemälde Yan Pei-Mings mit den wiederkehrenden und zentralen Themen im Schaffen des Künstlers. Auftakt – Galerie (Cabinet d’art graphique) Den Auftakt zur Ausstellung bildet ein bislang unveröffentlichtes Porträt seiner Großmutter (1976), das zugleich für den Anfang seiner Karriere als Maler steht. Der damals 16-Jährige befindet sich auf der Suche nach seinem künstlerischen Weg und hinterfragt seine Herkunft im familiären Kreis. Umrahmt wird dieses Werk von seinen ersten Selbstbildnissen, die in China und kurz nach seiner Ankunft in Frankreich entstanden, als er sein Studium an der École supérieure des Beaux-Arts in Dijon aufnahm. Das in Colmar präsentierte Ensemble stammt aus der Sammlung des Künstlers und wird in Frankreich erstmals ausgestellt. Selbstbildnis 1978, Bleistift auf Papier, 44 x 30,6 cm Sammlung des Künstlers Fotografie: Clérin-Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. Ackerhof – Ebene 1 1. Mao Den Anfang bildet ein Gemälde mit Mao Zedong, dem Begründer und Parteiführer der Volksrepublik China. Das Sujet par excellence der chinesischen Propagandamalerei entspringt einer künstlerischen Kultur, die dem Porträt eigentlich kritisch gegenübersteht, und stellt das erste Bildthema dar, mit dem sich Pei-Ming, damals noch ein junger Propagandamaler in China, auseinandersetzte. Col rouge / Roter Kragen Diese großformatigen Bilder verhalfen ihm Mitte 1987, Mischtechnik auf Leinwand, 92 x 152 cm Privatsammlung, Frankreich der 1980er-Jahre in Frankreich zum Durchbruch. Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. Die ersten in Frankreich entstandenen Mao-Bilder schuf Yan Pei-Ming 1987, als er beschloss, sich einer neuen Darstellungsform dieser Ikone „Mao ist für mich eine Art Labor. Hier zuzuwenden: Das Format ist bescheidener führe ich all meine Experimente durch gehalten, Schriftzeichen und rote Farbe vermitteln und all meine Erfahrungen sammle ich den Bezug zur chinesischen Kultur. Als durch diese Porträts.“ Repräsentation Chinas bringen sie die Yan Pei-Ming im Gespräch mit M. Nuridsany, L’art Verbundenheit zu seinem Herkunftsland zum contemporain chinois, Paris, Flammarion, 2004, S. 50 Ausdruck, gleichzeitig zeugen sie von dem Wunsch, das Gemälde als rein künstlerisches Konstrukt des Malers zu definieren. 4
Ab 1988 wechselt Yan Pei-Mings Technik aus bewusst ineinander verschwimmenden Übergängen von Schwarz und Weiß zu einer mehr gestischen und spontanen Malweise, die mitunter beinahe abstrakt wirkt. Monumentale Formate, darunter auch einige Polyptychen, unterstreichen die Omnipotenz des Sujets und bewirken eine Sakralisierung des „Großen Steuermanns“. Der Tod hält Einzug in die Motivik von Yan Pei-Ming – als unumgängliches Thema, sowohl in seiner Arbeit als auch in einer existentiellen Innenschau. Wie seine Zeitgenossen Baselitz, Opalka oder Richter fordert der Künstler eine Autonomie der Malerei: Köpfe, Gesichter und Porträts werden zum eigenständigen Movens seiner Malerei.: „Ich sehe meine Arbeit als ein lebenslanges Programm: das Malen von Köpfen.“1 2. Der Vater In einer Serie mit Bildnissen wendet sich Yan Pei-Ming in einer Mischung aus Unversöhnlichkeit, Zärtlichkeit und Empathie dem eigenen Vater zu. Dabei verleiht er anonymen Figuren die gleiche Bedeutung wie der Maos. Das Porträt wird zu einem Bildnis des Menschen schlechthin, ein universelles Porträt, der Vorwand für die Darstellung einer Form von Menschlichkeit. Bereits in China hatte der eigene Vater Yan Pei-Ming als Motiv gedient (diese Werke sind verloren), in Frankreich entstanden Porträts des Vater ab Mitte der 1990er-Jahre und wurden in einem Zyklus aus 39 Bildern 1996 in der Ausstellung „Portrait d’un inconnu“ (Paris, Galerie Liliane & Michel Durand-Dessert) präsentiert. Der Künstler, der berichtet, wie sehr sein schweigsamer L’homme le plus perspicace, père de l’artiste / Vater ihm fremd blieb, beschließt aus dem Schweigen Der scharfsinnigste Mensch, Vater des Künstlers 1996, Öl auf Leinwand, 200 x 235 cm auszubrechen. Die Neutralität, die er beim Malen zu Privatsammlung, Belgien Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. bewahren versucht, verstärkt den seriellen Charakter dieser Bilder. Entgegen seiner ursprünglichen Intention „Alle Porträts, die ich derzeit von erfüllt sich das Porträt des Vaters unweigerlich mit meinem Vater male, tragen im Titel Empathie und Emotionalität. einen Superlativ. Mein Vater und meine Mutter wurden verheiratet und Yan Pei-Ming gibt seinen Gemälden Titel nach demselben meine Mutter liebt meinen Vater nicht. Schema: Der sanfteste Mensch, Vater des Künstlers; Der Sie beschimpft ihn jeden Tag. Gerade väterlichste Mensch, Vater des Künstlers… Dem Vater werden negative oder positive Eigenschaften im Superlativ heute hat sie wieder gesagt: „Er ist der zugeschrieben, um die Anonymität auszugleichen, die ihn Blödeste, der Dümmste.“ Ich vermische von Mao unterscheidet, dem einstigen chinesischen die Schimpftiraden meiner Mutter und Staatsführer und wiederkehrenden Sujet im Œuvre des das Ideal eines Künstlers. Söhne Malers. Yan Pei-Ming wagt den Vergleich und bekräftigt wünschen sich immer einen Vater, der 2004 in einem Interview: „Ich mache keinen großen der Stärkste ist, der Intelligenteste, der Unterschied zwischen Mao und meinem Vater (…) In China Reichste, der Sympathischste, der hat man uns immer eingebläut, dass Mao wichtiger wäre Liebevollste. Durch ihn kann ich die als der eigene Vater. Ich war damit nicht einverstanden gesamte Menschheit darstellen.“ (…) Natürlich ist Mao der Vater.“2 Diese obsessive Manier, die Ausdrucksweisen und „Yan Pei-Ming et ses modèles“, Gespräch mit Facetten des Gesichts seines Vaters festzuhalten und zu Laurent Salomé, La prisonnière, Musée des bewerten – mit positiven Eigenschaften und den Beaux-Arts, Rennes, 1997, S. 27 Verunglimpfungen seiner Mutter – verleihen diesem eine fühlbare Existenz und Präsenz. 1 Gespräch mit Bernard Marcadé, Art chinois 1990 – Chine demain pour hier, Paris, Carte Segrete, 1990, S. 64. 2 Michel Nuridsany, L’art contemporain chinois, Paris, Flammarion, 2004, S. 50. 5
Das allgemeine Bild der väterlichen Charaktere ergänzt Yan Pei-Ming um die heimische Landschaft des Vaters: Paysage International, lieu du crime (lieu de naissance du père de l’artiste) [Weltlandschaft Ort des Verbrechens (Geburtsort des Vaters des Künstlers) von 1996 stellt die Frage nach seinem Ursprung und seiner Herkunft. Der mehrdeutige und rätselhafte Titel verwischt die Spuren seiner Malerei. Die universelle Landschaft wird zum Geburtsort des Vaters und zum Ort des Verbrechens, ohne dass erkennbar würde, wer der Mörder ist. Bilder vom Tod seines Vaters, der 2003 verstarb, erinnern an Bilder vom Tod Maos, die ein oder zwei Jahre zuvor entstanden. Auch hier ist das Schicksal der beiden Männer im Werk Yan Pei-Mings eng miteinander verknüpft, jenseits des Lebens und bis hin zum Tod. Die Arbeiten mit dem Begräbnis des Vaters scheinen die abrupte Abwesenheit bannen zu wollen, ebenso wie die eigene Angst vor dem Tod, die den Künstler, mittlerweile selbst Vater von Kindern, beschäftigt. 3. Buddha Yan Pei-Ming wurde in einem alten Tempel unterrichtet, bis dieser im Zuge der Kulturrevolution schließen musste. Seine gesamte Kindheit ist von der buddhistischen Kultur geprägt und selbst nach dem Verbot von Buddha-Darstellungen durch die Revolutionäre malte er auf Wunsch von Familie und Bekannten weiterhin Bilder mit diesem Motiv. Im Korpus seiner in Frankreich entstandenen Bilder taucht die Figur des Buddhas erst spät auf, am Ende der 1990er-Jahre. Um seine Andachtsfunktion beraubt, verwandelt sich das dem Künstler aus seiner Jugend in China allgegenwärtige Bild Buddhas in das Symbol eines Synkretismus aus östlicher und westlicher Kultur und in eine Hommage an die Gläubigkeit seiner Mutter. „Schon als kleiner Junge fühlte ich mich von allem, was den Buddhismus betraf, ungeheuer stark angezogen, weil ich in einem Tempel geboren wurde und von Beginn an tief in der buddhistischen Kultur L’homme le plus perspicace, père de l’artiste / verwurzelt war. Es fällt mir nicht schwer, Zugang zu Der scharfsinnigste Mensch, Vater des Künstlers 1996, Öl auf Leinwand, 200 x 235 cm Buddha zu finden. Als Kind habe ich Buddha-Bilder Privatsammlung, Belgien gemalt, um sie meiner Familie zu schenken. Die Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. waren damals nirgends zu bekommen. Man braucht immer auch eine rebellische Seite.“ Yan Pei-Ming im Gespräch mit Fabien Stech, Yan Pei-Ming, Fils du dragon, Dijon, Presses du réel, 2. Aufl. 2004, S. 9. 4. Der Mann aus Shanghai Die Selbstbildnsse, die Ende der 1970er-Jahre ins Schaffen von Yan Pei-Ming Einzug halten, sind das Ergebnis einer langen Selbstreflexion, die 1983 plötzlich abbricht. In diesem Teil der Ausstellung sind die ersten dieser Bildnisse zu sehen, die der Künstler zwanzig Jahre später wieder aufgreifen sollte. Seitdem variiert er dieses Thema in zahlreichen Versionen und erforscht sein Gesicht in einem unaufhörlichen Dialog, in einer Konfrontation mit sich selbst. Wo Andy Warhol sein Star-Gesicht in Szene setzt und kultiviert, schafft Yan Pei-Ming Selbstbildnisse von eindrucksvoller Emotionalität und spürbarer Aufrichtigkeit. Dieses „Ich altere" ist ein Modell, das er in seinem Œuvre permanent behandelt und dokumentiert. Wie bei Rembrandt oder Picasso bringt die Wiederholung dieses Themas die Wirkung der Zeit zum Ausdruck und verrät die Besorgtheit des Künstlers angesichts der Endlichkeit des eigenen Seins. Autoportrait No 3 / Selbstbildnis Nr. 3 2000, Öl auf Leinwand, 235 x 200 cm Musée des Beaux-Arts, Dijon. Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020. 6
Ackerhof – Ebene 2 5. Paysage International [Weltlandschaft] International Landscape by Night / Weltlandschaft bei Nacht 2011, Öl auf Leinwand, 300 x 400 cm Musée national d'Art moderne, Centre Georges Pompidou, Paris Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2020 Yan Pei-Ming prägte 1978 eine der ersten Ausstellungen ausländischer Kunst in Shanghai. Sie war der französischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts gewidmet. In Frankreich taucht dieses Genre erstmals Mitte der 1990er-Jahre unter dem Oberbegriff Paysage International [Weltlandschaft] auf, der eine nicht identifizierte und allen Kontinenten gemeinsame geografische Umgebung beschreibt. Auch diese Bilder sind in der Regel monochrom und in der gleichen Technik und Energie ausgeführt. Wie in seinen Mao-Porträts entwirft er hier stereotypische Landschaften. Ihre Motive, wie Flussläufe und Wälder, sind der holländischen Malerei ebenso entlehnt wie dem kitschigen Dekor chinesischer Restaurants oder Vorbildern der Massenkultur. Da sie keine bestimmte Landschaft zeigen, entströmt ihnen ein universeller Charakter. In eine nächtliche Stimmung getaucht, kommen sie einer Idealisierung der Landschaft gleich und sind auf einer geistigen Ebene angesiedelt, einem Ort meditativer und globaler Kontemplation. Diese Landschaften folgen dem All Over des abstrakten Expressionismus. In ihrer Darstellung, Monochromatik, Dezentriertheit und der Neubetrachtung von Gemeinplätzen führen sie das Aufgreifen klassischer Genres bei Gerhard Richter fort. Zwar scheinen sie weit entfernt von der chinesischen Bildtradition, erinnern jedoch an die Landschaften auf traditionellen Rollbildern, in denen die Leere des Zentrums das eigentliche Kompositionsprinzip bildet. „Es sind Bilder, die schon einmal da waren, Klischees von Landschaften. Diese Art von Bild muss natürlich mit dem übrigen Teil der Arbeit verknüpft/in Verbindung gebracht werden, so als ob sie dessen Rahmen bilden würde: gleichermaßen eine kollektive Landschaft und ein kollektives Porträt. Meine Landschaften sind von bestürzender Banalität. Nichts geschieht in ihnen, sie ähneln allem und nichts.“ „Yan Pei-Ming im Gespräch mit Pascal Pique, April/Mai 1996“, in: Yan Pei-Ming, une petite fille a disparu, Issoire, Centre culturel, 1996, S. 68. 7
6. Selbstbildnisse Die zweite Ebene des Ackerhofs ist den jüngsten Selbstbildnissen des Künstlers gewidmet. In der Tradition des Vanitas-und Memento-Mori-Motivs zeigt sich Yan Pei-Ming in verschiedenen Phasen seines Lebens. In Verbindung mit Porträts seiner Eltern entsteht eine berührende und einfühlsame Hommage. Die Interpretation dieser Werke darf indes nicht allein durch das Prisma des westlichen Vanitas-Konzepts erfolgen. Sie zeugen von einer auf die eigene Lebensgeschichte und Kunstgeschichte ausgerichteten Innenschau des Künstlers, gleichzeitig verweisen sie auf seine Herkunft und die chinesische Kultur. Für Yan Pei-Ming „sind wir hier, weil unsere Eltern sich begegnet sind“ – er erforscht das Thema Herkunft bis zu den Ursprüngen der Menschheit. In der letzten Abteilung der Ausstellung erhebt sich neben dem Chaos der monumentalen Landschaft Ruines du temps réel [Ruinen der echten Zeit] der imposante Triptychon Nom d’un chien, un jour parfait ! [Verdammt noch mal, ein perfekter Tag!] von 2012. Es ist das erste ganzfigurige Bildnis des Künstlers: frontal, vertikal, aus dem abstrakten Bildraum des Gemäldes hervortretend, erscheint er darin wie ein Symbol der Erlösung. Ein bisher noch nie ausgestelltes Werk, das speziell für die Ausstellung im Musée Unterlinden entstand und auf den Isenheimer Altar Bezug nimmt, bildet den Abschluss dieser hervorragend ausgestatteten Retrospektive. Nom d’un chien ! Un jour parfait [ Verdammt noch mal ! ein perfekter Tag] 2012, Triptychon,l auf Leinwand, 400 x 280 cm Privatsammlung, Frankreich Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. „Ich verwende oft große Formate, damit die Betrachter physisch in das Bild eindringen können […] damit eine körperlich spürbare Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Bild entsteht.“ Yan Pei-Ming – l’atelier A, Arte Video, Oktober 2012. 8
Pandémie (2020) –Weltpremiere des jüngsten Werks von Yan Pei-Ming – inspiriert vom Isenheimer Altar Pandémie 2020, Diptychon, Öl auf Leinwand, 400 × 560 cm Collection particulière, France Photographie : Clérin-Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. Auszug aus „Pandémie, du fléau à l’œuvre gepeinigten und am Kreuz gestorbenen Christus d’art“ [Pandemie - von der Plage zum wiedererkennen, der auf dem Isenheimer Altar zu Kunstwerk] von Frédérique Goerig-Hergott sehen ist. Wie bereits Otto Dix in seinem Triptychon Der Krieg5, greift auch Yan Pei-Ming Für die Einzelausstellung „Au nom du père“ im das von Grünewald behandelte Thema des Musée Unterlinden hat Yan Pei-Ming ein eigenes Opfers auf. Dazu übernimmt er die monumentale Werk geschaffen. Pandémie entstand im November Größe des Altars, das sakrale Format des 2020 während des zweiten landesweiten Diptychons der berühmten Kreuzigung und lädt Lockdowns in Frankreich.3 die Betrachter dazu ein, sich mit den Figuren auf Von Anfang an war das Gemälde als Echo auf die diesem Bild zu identifizieren, das den Berg Tafelbilder der Kreuzigung von Matthias Golgatha des mittelalterlichen Werkes in unsere Grünewalds Isenheimer Altar gedacht. von Covid-19 geprägte Gegenwart versetzt […] Hungersnöte, Epidemien, Massaker, Katastrophen, Kriege und Revolutionen haben in Eine eindringliche Dunkelheit überzieht alle der Geschichte der Kunst immer wieder wichtige Ebenen der schemenhaften Landschaft […] An Werke inspiriert und dienten ihren Autoren auch die linke Bildseite setzt Yan Pei-Ming die dazu, ihre eigenen Ängste und die ihrer leuchtende Silhouette des Petersdoms in Rom Zeitgenossen in einem Prozess der als modernes Substitut der antiken Stadt Identifizierung mit den dargestellten Figuren zu Jerusalem, die Grünewald in seiner Kreuzigung verarbeiten.4 Zu Anfang des 16. Jahrhunderts darstellt. In seiner isolierten Position erinnert konnten die zahlreichenan Mutterkornbrand dieses Symbol der Renaissance zugleich an die erkrankten Menschen, die im Antoniterkloster in Hoffnung auf Erlösung, die Maler wie Gustave Isenheim gepflegt wurden, sich in der Figur des 3 Vom 30. Oktober bis 1. Dezember 2020 4 Von den mittelalterlichen Totentänzen (Hundertjähriger Krieg, Pest, Hungersnöte…) über Alfred Rethel (Revolution 1848 in Frankreich und Maiaufstände in Dresden 1849) bis zu Otto Dix (Erster Weltkrieg); La Liberté guidant le peuple von Eugène Delacroix (Revolution 1830); Le Char de la Mort von Théophile Schuler (Revolution 1848); der Zyklus und der Triptychon Der Krieg von Otto Dix (Erster Weltkrieg); Guernica von Picasso (1937); u.a. 5 Otto Dix, Der Krieg (1929-1932), Mischtechnik auf Holz (Triptychon), Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister. 9
Courbet und Théophile Schuler in ihren rücken. Mit seinem Realismus und frei von monumentalen Kompositionen mit dem Kreuz Idealisierung folgt dieses Werk der Tradition der versinnbildlichen. Rechts erkennt man eine Genreszenen und greift, wie bei Courbet, das Hochhaussiedlung: Der Hoffnung auf Heil, dem monumentale Format der Historienmalerei auf. geheiligten und geschützten Universum des Trotz der riesigen Dimensionen nimmt die isoliert Vatikans stellt der Maler die verlorenen im Vordergrund stehende Figur Mings eine Illusionen der profanen Welt gegenüber, die zugleich monumentale und intimistische Stellung Epidemien befördernde Enge, Familien, die sich ein. Der Eindruck der inneren Sammlung wirkt von ihren Toten verabschieden müssen. nicht nur anekdotisch, vielmehr besitzt sie eine archetypische Ausstrahlung. Yan Pei-Mings Selbstporträt im Vordergrund Hinter der Figur des Malers hat sich, dort wo wirkt gleich einem Symbol für Mensch, Künstler Courbet einen weißen Hund ins Bild setzte, und Kultur, die allesamt geopfert werden. Es rechts eine Katze ins Bild geschlichen. Ihr steht handelt sich aber auch und vor allem um Yan auf der linken Tafel eine zweite Katze Pei-Ming selbst, demütig und würdevoll, dunkel gegenüber, frontal und bedrohlich wirkend. Seit und hell zugleich. […] dem Mittelalter gelten schwarze Katzen als Ming blickt auf den Leichensack, der wie ein Unheilsverkünder, doch tragen sie ebenso zur Spiegel seiner eigenen Endlichkeit zu seinen Eindämmung von Epidemien bei. Zu beiden Füßen liegt. Zentral und horizontal kontrastiert Seiten der Komposition positioniert, scheinen dieses schwere und große Gebilde mit der im Bild diese beiden Katzen das Unheil bannen zu wollen leuchtenden Figur des Künstlers. Es ist eine und verleihen dem Werk so einen bewusste Referenz an die Grablegung auf der beschwörenden Charakter. […] Predella des Isenheimer Altars, während die Zurschaustellung, Zurückhaltung und Demut – Geste der inneren Sammlung auf Mings Pandémie vereint autobiografische und Selbstporträt in seinem Gemälde L’Adieu kollektive Erfahrungen. Das Werk entstand nicht, verweist. um zu gefallen, sondern um zu existieren. Es erhebt sich vor uns, bleibt bestehen. Und wie In Pandémie ist die Zeit stehengeblieben, um die jede echte Malerei bleibt es tief in unserer Handlung und die Einkehr in den Fokus zu Erinnerung Yan Pei-Ming in seinem Atelier in Dijon bei der Arbeit an Pandémie 25. November 2020 Fotografie: Atelier Yan Pei-Ming © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. „Pandémie ist Ausdruck einer Angst, mit der wir alle tagtäglich leben. Ich wollte ein universelles, zeitloses Bild schaffen, das die aktuelle Situation auf den Punkt bringt: ein „Standbild“ […] Es wendet sich an alle, die diese Pandemie durchlebt haben und dient künftigen Generationen als Zeugnis dieser Zeit. Ich glaube, dass niemand nach einem Besuch dieser Ausstellung unberührt bleiben wird. Darin liegt die Kraft dieses Bildes.“ Yan Pei-Ming im Gespräch mit Frédérique Goerig-Hergott Dijon, 19. November 2020 Der Katalog zur Ausstellung mit dem vollständigen Interview erscheint im April 2021 bei hazan. 10
3. Der Künstler Biografie Yan Pei-Ming wurde 1960 in Shanghai geboren und wuchs in einer Zeit auf, in der der Mao- Kult und die Kulturrevolution ihren Höhepunkt erreichten. 1978, zwei Jahre nach dem Tod des „Großen Steuermanns“, erfolgte in China eine Abkehr vom Mao-kult und eine Modernisierung des kommunistischen Regimes. Am Ende des Pekinger Frühlings bewarb sich Yan Pei-Ming für ein Studium an der Kunstakademie in Shanghai, wurde jedoch abgelehnt. Als die 1977 von Deng Xiaoping eingeleitete Bildungsreform chinesischen Studenten die Möglichkeit bot, im Ausland zu studieren, verließ er 1980 im Alter von 19 Jahren China und ging nach Frankreich. 1981 wurde er an der École nationale supérieure des Beaux-Arts in Dijon angenommen, wo er fünf Selbstbildnis / Autoportrait Jahre später seine Ausbildung abschloss. Mit 1983, Öl auf Leinwand und Holz, 61 x 65 cm seinen monochromen Bildnissen – insbesondere Sammlung des Künstlers Fotografie: Clérin-Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, von Mao Zedong –, die westliche Bildtradition mit Paris, 2021. Elementen der chinesischen Kultur zu verbinden, beschied ihm frühen Erfolg. Der internationale Durchbruch gelang Yan Pei-Ming mit der Teilnahme an der Biennale in Venedig 2003. Sechs Jahre später lud ihn der Louvre zu einem künstlerischen Dialog mit der Mona Lisa ein, zu dessen Anlass die Serie Les Funérailles de Monna Lisa entstand (2009). In den letzten Jahren waren dem Künstler mehrere große Einzelausstellungen gewidmet: Des Moines Art Center, Des Moines (USA), 2008; Ullens Center for Contemporary Art, Beijing, 2009; QMA Gallery, Doha, Katar, 2012; Beijing Center for the Arts, Beijing, 2014; Centro de Arte Contemporaneo, Málaga, 2015; Villa Médici, Rom, 2016; Belvedere Museum, Wien, 2016. 2019 bespielte Yan Pei-Ming die Eröffnungsausstellung des Programms für zeitgenössische Kunst im Musée des Beaux-Arts in Dijon. Anlässlich des 200. Jubiläums von Gustave Courbets Geburtstag setzte er sich mit dem Werk des Malers in zwei Ausstellungen im Musée Courbet in Ornans und im Musée du Petit Palais in Paris auseinander. Im selben Jahr schuf er für das Musée d'Orsay das monumentale Triptychon Un enterrement à Shanghai (Montagne céleste, ma mère, l'adieu) [Eine Beisetzung in Shanghai (Himmelsgebirge, Meine Mutter, Abschied] , das er seiner verstorbenen Mutter widmete. Im Juni 2021 eröffnet eine Doppelausstellung in der Collection Lambert und im Palais des Papes in Avignon. Yan Pei-Ming lebt und arbeitet seit 1980 in Dijon. „Malen ist Beerdigen und Gebären zugleich, die Suche nach der Ausgewogenheit.“ Gespräch mit Claude Allemand-Cosneau und Hans Ulrich Obrist, Septièmes ateliers internationaux des Pays de la Loire, Clisson, Frac Pays de la Loire, 1990, S. 34 11
Yan Pei-Ming im Gespräch mit Frédérique Goerig-Hergott | Auszüge Auszug aus dem Text „Arrêt sur image – La force de la peinture“ [„Standbild – Die Kraft der Malerei“] Yan Pei-Ming im Gespräch mit Frédérique Goerig-Hergott, Dijon, 19. November 2020 Frédérique Goerig-Hergott „Okay! Eines Tages kommt das sowieso, also Anders als bei vorherigen Ausstellungen, für die kann ich es auch zu Lebzeiten machen.“ du eigens Bilder geschaffen hast, wird die Mir gefällt der Titel der Ausstellung „Au nom Ausstellung im Musée Unterlinden Gemälde und du père“! Man könnte meinen, die Ausstellung Zeichnungen aus öffentlichen und privaten dreht sich um Religion, doch hat sie überhaupt Sammlungen sowie aus deinem eigenen Besitz nichts damit zu tun. Ich mag diese präsentieren. Die in der Galerie und den beiden Zweideutigkeit. Sie präsentiert einen großen Teil Ebenen des Ackerhofs gezeigten Werke meiner Arbeit und meiner Werke, von den verfolgen ein anderes Ziel: Sie sollen deinen Anfängen bis heute: Zeichnungen und Gouachen künstlerischen Weg und deine Identität aus meiner Jugend, von denen einige sogar vor beschreiben – in einer Gegenüberstellung mit meiner Ankunft in Frankreich entstanden sind; dem Isenheimer Altar. Welche Bedeutung besitzt Werke, die sich seit mehr als zwanzig Jahren in die Ausstellung „Au nom du père“ für dich? Privatsammlungen befinden und noch nie ausgestellt wurden, sowie wunderbare Leihgaben Yan Pei-Ming aus Museen. Es ist ziemlich berührend, die Du kamst damals mit einer interessanten und eigenen Frühwerke zu sehen, diese ungewöhnlichen Idee auf mich zu. Ich war Selbstbildnisse, das Porträt meiner Großmutter… etwas verwirrt, denn mit deiner Bitte zwangst Ich glaube, das wird dazu beitragen den Blick auf du mich, ohne es zu wissen, meine Komfortzone mein Schaffen zu ändern, man wird den Umfang zu verlassen. Es ist das erste Mal, dass ich mit der in all diesen Jahren entstandenen Arbeit einer Kuratorin zusammenarbeite, die von erkennen können. Wie du weißt sind viele Anfang an eine derart klare Idee von ihrer Menschen noch der Meinung, ich würde nur Mao- Ausstellung besitzt. Ich bin es eher gewohnt, Porträts malen, obwohl die letzten schon vor Auftragsarbeiten anzufertigen; hier musste ich vielen Jahren entstanden sind. eine Lesart meines Werks vermitteln, also einen Standpunkt einnehmen. Dennoch habe ich sofort zugesagt. Ich fühlte, dass die Zeit für diesen Ansatz gekommen war, und sagte mir: 12
F. G.-H. Y. P.-M. Der Stil deiner in Frankreich während deiner Hätte ich Mao an der Beaux-Arts gemalt, hätte das Ausbildung in Dijon entstanden niemand verstanden. Nach meinem Abschluss hatte Selbstbildnisse unterscheidet sich deutlich ich absolute Freiheit und mein eigenes Atelier. Als in von den in China entstandenen einer Zeitschrift ein Bericht über Mao erschien, Selbstbildnissen. Sie sind expressionistischer, dachte ich mir: „Warum nicht?“ Ich schuf ein erstes kräftiger in der Geste, in den Kontrasten, in der großes Porträt, mit dem ich zu meiner Überraschung Farbe. Sie zeigen den Einfluss von sehr schnell erfolgreich war. Mir wurde klar, dass ich expressionistischen Malern wie Lovis Corinth, es benutzen konnte, um auf mich aufmerksam zu Ernst Ludwig Kirchner oder von Gerhard machen. Ich startete eine Serie von Mao-Porträts Richter. Wie kam es zu diesem stilistischen und habe mich ihrer für meine eigene Propaganda Wandel? Wie hast du ihn erlebt? bedient. Im Gegensatz zu meiner Propagandamalerei in China, die lediglich als Werbemittel der Partei Y. P.-M. diente, stellt sich hier eine andere Frage: Mit jedem Die Zeichnungen aus meinen Ausbildungsjahren Porträt, das ich malte, verlor er mehr und mehr von in China sind nicht sehr originell. Ihr Stil ist von seiner Identität und entfernte sich immer mehr von der französischen Schule inspiriert, der von dem, was er ursprünglich symbolisierte. Künstlern aus der Sowjetunion aufgegriffen und von den Lehrern in China abgewandelt wurde. Als F. G.-H. ich nach Frankreich kam, wurde dieses Gepäck Ebenfalls Mitte der 1990er-Jahre entstanden auf zur Last. Und als uns ein Professor an den Beaux- beinahe obsessive Weise und innerhalb eines kurzen Arts eines Tages die Aufgabe „Expressionismus, Zeitraums rund vierzig Bilder deines Vaters. Selbstbildnisse“ stellte, hat es bei mir Klick Warum er, zu diesem Zeitpunkt deiner Karriere und gemacht und ich habe mich von dieser Last direkt nach der Mao-Serie? befreit. Diese neue Freiheit gab mir die Energie, mich wieder Selbstbildnissen zuzuwenden, die ich Y. P.-M. nach meinem Weggang aus China aufgegeben Nach der Serie der Mao-Porträts war ich auf der hatte. Ich habe mich selbst wiederentdeckt, es Suche nach einer anderen chinesischen Figur, die ich war großartig. Ich habe mir die Frage hergestellt: malen konnte. Wer war nach Mao die wichtigste Wer ist dieser Yan Pei-Ming heute? In Frankreich Person? Für mich war es mein Vater. wurden dann all diese deutschen Künstler zu Es war ein Transfer von der einen väterlichen Figur meinen Vorbildern. zur anderen. Und mein Vater war damals krank, ich hatte Angst, er könne sterben. Es war außerdem F. G.-H. leicht ihn zu malen, denn er wohnte mit mir in Dijon. Nach deinem Abschluss an der École des Beaux- Aber wie sollte ich einen so zurückhaltenden, ja Arts in Dijon taucht das Sujet Mao 1987 wieder unscheinbaren Menschen malen, von dem ich nicht in deinem Schaffen auf, in Verbindung mit einmal viel wusste? Ich habe mir vorgestellt, wie ein Kalligraphien und Collagen aus chinesischen Kind seinen Vater zu unterschiedlichen Zeitpunkten Zeitungen. Es war eine Provokation und seines Lebens sieht und darüber nachgedacht, wie zugleich ein Hinweis auf deinen Ursprung. Mit ich meinen eigenen Vater gesehen hatte. Als kleines der Zeit wurden die Bilder der Mao-Figur immer Kind ist der eigene Vater für einen der „stärkste“ eindrucksvoller, ebenso wie die Figur selbst. Sie Mensch. Als Jugendlicher geht man auf Abstand und nimmt das ganze Bild ein, erhält einen sakralen sieht ihn anders, vielleicht als den „egoistischsten“. Charakter, erstreckt sich mitunter auf mehrere Als Erwachsener sieht man ihn schließlich als den Tafeln und bestimmt deinen monumentalen Stil „schwächsten“. Daher tragen meine Bilder Titel wie und deine monochrome Malerei. Wie siehst du „Der pathetischste Mensch…“, „Der traurigste heute diese Richtungsentscheidung und diese Mensch…“, usw. So entstand diese Serie, die 1996 in Werke? der Ausstellung „Portrait d’un inconnu“ bei Durand- Dessert in Paris vorgestellt wurde. 13
F. G.-H. Ich habe mir nie diese Frage gestellt und auch „Unglaublich. Man weiß nicht, ob ich in die Hölle dir nie, obgleich der Triptychon Nom d’un hinabfahre oder ins Paradies auffahre!“ Das Bild chien! Un jour parfait [Verdammt noch mal, nimmt in meinem Schaffen eine Sonderrolle ein, da ein perfekter Tag!] den Anstoß für diese es seit dem Akt in Gouache aus dem Jahr 1982 das Ausstellung gab: Was hat dieser Titel zu erste Mal war, dass ich mich ganzfigurig darstellte. bedeuten? Er soll sich auf Lou Reeds bekannten Dieses Mal allerdings mit zerrissenen Jeans, um zu Song Perfect Day beziehen. Aber ist das der zeigen, dass ich der Mode folge. Als das Bild fertig einzige Bezug?6 war, dachte ich mir, es würde sehr gut in die Kapelle passen und dass „Un jour parfait“ den perfekten Titel Y. P.-M. abgeben würde. Xavier Douroux kam im Atelier Mit dieser Arbeit wollte ich der Kuratorin vorbei und als er das Bild sah, rief er aus: „Nom d’un Blandine Chavanne einen Gefallen tun.7 Für eine chien!“. „Was meinst du damit?“, fragte ich ihn. von ihr kuratierte Ausstellung hatte ein Künstler „Dass ich schockiert bin.“, war seine Antwort. Ich einen Monat vor Eröffnung abgesagt. Sie kam habe die Bedeutung nicht wirklich verstanden, aber auch mich zu und meinte, ich wäre der einzige, fand den Ausdruck sehr schön. Also habe ich beide der dazu in der Lage wäre, diese kombiniert und daraus wurde Nom d’un chien! Un Herausforderung zu meistern. Ich sagte zu. Mir jour parfait. Ich hatte dabei vor allem Xaviers Ausruf war es egal, dass ich lediglich als Ersatz im Kopf, denn „Ein perfekter Tag“ allein ist zu glatt, einsprang, es war eine gute Gelegenheit! Es ist das schockiert niemanden. wie beim Fußball, es gibt immer Ersatzspieler. Einige sitzen jahrelang auf der Bank und plötzlich ergibt sich eine Möglichkeit, und wenn sie dann gut spielen, vielleicht sogar ein Tor schießen, treten sie aus dem Schatten heraus und jeder wird auf sie aufmerksam. Diesem Werk ist zu verdanken, dass du auf mich aufmerksam wurdest! Demut und Großzügigkeit zahlen sich immer aus. Ich habe den Entwurf mit meinen Freunden Xavier Douroux und Jean- François Bodin ausgearbeitet. Ich wollte ein Selbstbildnis als Gegenüberstellung zu einem Altar schaffen, das an eine Kreuzigung erinnert, ohne dass es diese darstellte. Also habe ich dieses Triptychon gemalt: drei Selbstbildnisse, aufgehängt, nur ohne Kreuz. Während der Arbeit gab es einen Moment, in dem ich dachte: 6 Chavanne, S. 16. 7 „Un jour parfait“, Ausstellung im Musée des Beaux-Arts in Nantes, 2012. 14
4. Informationen zur Ausstellung Katalog Der mit den ausgestellten Werken reich illustrierte Katalog umfasst Texte von Christian Besson und Éric de Chassey sowie ein Gespräch der Kuratorin Frédérique Goerig-Hergott mit Yan Pei-Ming. Éditions Hazan Format: 23 x 28 cm, 192 Seiten. Preis: 30€ 15
5. Bildmaterial für die Presse Autoportrait / Selbstbildnis, 1978 Autoportrait / Col rouge / Bleistift auf Papier, Selbstbildnis, 1983 Öl Roter Kragen, 1987 44 x 30,6 cm auf Leinwand und Holz, Mischtechnik auf Sammlung des Künstlers 61 x 65 cm Leinwand, Gesetzlich Sammlung des Künstlers 92 x 152 cm vorgeschriebene Gesetzlich vorgeschriebene Privatsammlung, Frankreich Angaben: Fotografie: Angaben: Fotografie: Clérin- Gesetzlich Clérin-Morin Morin vorgeschriebene © Yan Pei-Ming, ADAGP, © Yan Pei-Ming, ADAGP, Angaben: Fotografie: Paris, 2021. Paris, 2021. André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. L’homme le plus perspicace, Invisible Buddha / Autoportrait No 3 / père de l’artiste / Unsichtbarer Buddha, Selbstbildnis Nr. 3, Der scharfsinnigste Mensch, 1999 2000 Vater des Künstlers, 1996 Öl auf Leinwand, Öl auf Leinwand, Öl auf Leinwand, 200 x 235 cm 235 x 200 cm 235 x 200 cm Privatsammlung, Belgien Privatsammlung, Frankreich Musée des Beaux- Gesetzlich vorgeschriebene Gesetzlich vorgeschriebene Arts, Dijon. Angaben: Angaben: Gesetzlich vorgeschriebene Fotografie: André Morin Fotografie: André Morin Angaben: © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021 © Yan Pei-Ming, ADAGP, Fotografie: André Morin Paris, 2021. © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. 16
Shanghai at Night / Fleurs Funérailles / International Landscape by Night / Shanghai bei Nacht, 2003 Grabblumen, 2003 Weltlandschaft bei Nacht, 2011 Öl auf Leinwand Öl auf Leinwand Öl auf Leinwand 350 x 350 cm 200 x 235 cm 300 x 400 cm Privatsammlung, Frankreich Privatsammlung, Belgien Musée national d'Art moderne, Centre Georges Pompidou, Paris Gesetzlich vorgeschriebene Gesetzlich vorgeschriebene Gesetzlich vorgeschriebene Angaben: Angaben: Angaben: Fotografie: André Morin Fotografie: André Morin Fotografie: André Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. 2021. 2021. Nom d’un chien ! Un jour parfait / Ma mère / Meine Mutter, 2018 Verdammt noch mal, ein perfekter Tag!, 2012 Triptychon, Öl auf Leinwand Öl auf Leinwand 400 x 280 cm / Leinwand 350 x 350 cm Privatsammlung, Frankreich Privatsammlung, Frankreich Gesetzlich vorgeschriebene Angaben: Gesetzlich vorgeschriebene Angaben: Fotografie: André Morin Fotografie: Clérin-Morin © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. © Yan Pei-Ming, ADAGP, Paris, 2021. 17
6. Das Musée Unterlinden © Peter Mikolas Besucher können nunmehr auch die Ein Rundgang durch das Musée Unterlinden und aufeinanderfolgenden Etappen der mehr als 150- seine enzyklopädisch angelegten Sammlungen jährigen Geschichte des Museums nachvollziehen: kommt einer Reise durch beinahe 7000 Jahre Die Gebäude und die darin aufbewahrten Menschheitsgeschichte gleich, von Kunstwerke sind Zeugnisse der unermüdlichen vorgeschichtlicher Zeit bis zur Kunst des 20. Arbeit der Société Schongauer, die das Musée Jahrhunderts, eingerahmt in die facettenreiche Unterlinden seit seiner Gründung 1853 verwaltet. und vom Architekturbüro Herzog & de Meuron neu gestaltete Architektur des Museums. Das Musée Unterlinden öffnete am 3. April 1853 seine Türen. Neben dem 1848 in Bergheim Im Kreuzgang des ehemaligen Klosters entdeckten römischen Mosaik aus dem 3. begegnet man der Kunst des Mittelalters und der Jahrhundert wurden auch neuzeitliche Kunstwerke Renaissance in Werken von Martin Schongauer, wie der Isenheimer Altar und das Dominikaner- Hans Holbein, Lucas Cranach u.a., mit dem Retabel von Martin Schongauer präsentiert, die Isenheimer Altar (1512–1516) von Mathias während der Revolution beschlagnahmt worden Grünewald und Nikolas von Hagenau als waren. unbestrittenes Meisterwerk. Als Ausstellungssaal stand bei der Eröffnung Das ehemalige Stadtbad aus dem Jahr 1906 lediglich die Klosterkapelle zur Verfügung, die bietet ein ansprechendes Ambiente für einen Großteil der Sammlungen aufnahm. Diese Veranstaltungen, der Flügel für zeitgenössische erwies sich für die wachsende Zahl der schon bald Kunst beherbergt die Werke berühmter Künstler als zu klein, sodass immer wieder Erweiterungen des 20. Jahrhunderts wie Staël, Picasso, erforderlich wurden, ab der zweiten Hälfte des Dubuffet, Soulages u.v.m. letzten Jahrhunderts belegt das Museum schließlich den gesamten ehemaligen Die vom Architekturbüro Herzog & de Meuron Klosterkomplex. realisierte Erweiterung des Musée Unterlinden fügt sich mit einem modernen, an die Ende des 19. Jahrhunderts und während des 20. mittelalterliche Architektur anknüpfenden Jahrhunderts wurden mit museografischen Neubau harmonisch in den bestehenden Umgestaltungen die Ausstellungsräume an Komplex ein und stellt einen Meilenstein in der moderne Präsentationsformen angepasst und der Geschichte des Museums dar. Komfort der ständig wachsenden Zahl von Besuchern verbessert: 18
- Einrichtung des sogenannten „Kaminsaals“, Unterlinden ermöglichen die Planung einer in dem die „elsässischen Kuriositäten“ gezeigt umfangreichen Erweiterung mit vollständiger wurden, Einrichtung des „Théophile-Klem-Saals“ Neuordnung der Sammlungen. mit Werken aus der Stiftskirche Saint-Martin Nach dem 2009 international ausgeschriebenen Architektenwettbewerb wird das Architekturbüro - Einrichtung des „Fleischhauer-Saals“ zu Herzog & de Meuron in Basel mit der Realisierung Ehren des ehemaligen Präsidenten der Société des Vorhabens beauftragt. Schongauer mit den archäologischen Heute präsentiert sich das Museum in einem neu Sammlungen gestalteten urbanen Kontext, der neben dem alten Kloster das ehemalige Stadtbad aus den Anfängen - 1973–1974 wurden im Kellergeschoss 450m2 des 20. und die Neubauten des 21. Jahrhunderts Räumlichkeiten zur Präsentation moderner umfasst. Kunst eingerichtet Die Besucher werden dank dieser Neuorganisation An der Wende zum 21. Jahrhundert sieht sich den enzyklopädischen Charakter der das Museum dazu gezwungen, für Museumssammlungen noch besser erfassen Wechselausstellungen die Werke moderner können. Ein Rundgang durch das Musée Kunst vorübergehend in das Depot auszulagern. Unterlinden spannt einen Bogen von der Steinzeit Die Schließung des Stadtbads im Jahr 2003 und bis ins Jahr 2000 – von der Archäologie zu den die Überlassung des Gebäudes an das Musée bildenden Künsten und von der Volkskunst zum Kunsthandwerk. © Ruedi Walti 19
7. Praktische Informationen und Pressekontakt Praktische Informationen Pressekontakt Yan Pei-Ming – Au nom du père / Französische und Im Namen des Vaters ausländische Presse anne 2. April bis 6. September 2021 samson communications Federica Forte Kuratorin der Ausstellung Frédérique Goerig-Hergott, Conservatrice en chef + 33 (0)7 50 82 00 84 federica@annesamson.com Direktorin des Musée Unterlinden Pantxika De Paepe, Conservatrice en chef Lokale und regionale Presse Musée Unterlinden Musée Unterlinden Alexandra Morardet + 33 (0)3 89 20 22 74 Place Unterlinden – 68000 Colmar communication@musee-unterlinden.com Tel. +33 (0)3 89 20 15 50 info@musee-unterlinden.com Deutsche Presse www.musee-unterlinden.com BUCH CONTACT Murielle Rousseau +49 (0)761- 29 60 4-0 Öffnungszeiten buchcontact@buchcontact.de Montag, Mittwoch 9-18 h Donnerstag - Sonntag 9-18 h 1. Donnerstag im Monat 9-20 h Dienstag: geschlossen Eintrittspreise Normal / 13 € Ermäßigt / 11 € Jugendliche (12 bis 17 Jahre sowie Studenten bis 30 Jahre) / 8 € Familie / 35 € Frei / Kinder unter 12 Jahren Soziale Medien 20
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